Beschluss vom Amtsgericht Göttingen - 74 IK 172/00

Tenor

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der ... wird der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt.

Gründe

1

Unter dem 7.11.2000 hat die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt und zugleich die Erteilung von Restschuldbefreiung beantragt. Durch Beschluss vom 1.03.2001 ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Durch Beschluss vom 9.08.2001 ist das schriftliche Verfahren angeordnet worden. Schlusstermin im schriftlichen Verfahren ist unter anderem zur Erörterung des Antrag auf Restschuldbefreiung auf den 8.11.2001 bestimmt worden. Die Gläubiger wurden aufgefordert, Einwendungen gegen unter anderem die Ankündigung der Restschuldbefreiung schriftlich bis zum 1.11.2001 vorzubringen.

2

Mit Schriftsatz vom 2.10.2001 hat die V. e. G. beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3

Unter dem 27.08.1995 haben die Schuldnerin und ihr Ehemann bei der CC-Bank einen Kredit beantragt (Kopie Blatt 76 der Akten). In einer gesonderten Anlage zu diesem Darlehensvertrag hat die Schuldnerin am 4.09.1995 eine "SCHUFA-Klausel" und die Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitseinkommen und Sozialleistungen unterzeichnet (Kopie Blatt 77 der Akten). Mit Schriftsatz vom 27.09.2000 ist der Schuldnerin wegen eingetretener Zahlungsrückstände angedroht worden, diese Abtretung bei dem Arbeitgeber offen zulegen. In der Anlage 4 zum Eröffnungsantrag (Vermögensverzeichnis) hat die Schuldnerin die Lohnabtretung gleichwohl nicht in der Spalte X 2. aufgeführt.

4

Die Schuldnerin erklärt, sie habe keine Erinnerung mehr daran gehabt, dass sie bei der CC-Bank im Rahmen des Darlehensvertrages eine Formularmäßige Lohnabtretungsklausel unterzeichnet gehabt habe. Zudem habe die CC- Bank in der Übersendung der vorgerichtlich angeforderten Forderungsaufstellung auf die Abtretung auch nicht hingewiesen.

5

Der Gläubiger O. hat mit Schreiben vom 20.09.2001 und 11.10.2001 ebenfalls Einwendungen gegen die Restschuldbefreiung erhoben. Er behauptet, die Schuldnerin habe einen Antrag auf Wohngeld gestellt und dieses Geld dann nicht wie vorgesehen zweckentsprechend (an ihn) weitergeleitet.

6

Dem widerspricht die Schuldnerin. Sie habe das Wohngeld korrekt weitergeleitet.

7

Der Schuldnerin ist gem. § 290 Abs. 1 Ziffer 6 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen. Sie hat in dem vorgelegten Vermögensverzeichnis hinsichtlich der gegen Sie gerichteten Forderung grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht.

8

Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist von den Insolvenzgläubigern CC-Bank und O. rechtzeitig gestellt worden. Beide Anträge sind im vorliegenden schriftlichen Verfahren vor dem dem Schlusstermin entsprechenden Datum eingegangen.

9

Das von der Schuldnerin vorgelegte Vermögensverzeichnis gem. § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO war unvollständig. Die Schuldnerin hat die Abtretung ihres Arbeitseinkommens aufgrund der Erklärung vom 4.09.1995 nicht offenbart. Damit ist der objektive Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO verwirklicht (siehe dazu AG Hamburg NZI 2000, 46 f.; F. K.-InsO/Ahrens, 3. Auflage § 290 Rnr. 53).

10

Die Schuldnerin hat auch grob fahrlässig gehandelt. Allerdings ist nicht jede unterlassene Angabe einer Sicherungsabtretung im Vermögensverzeichnis bereits grob fahrlässig. Dies wird insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn sich die Sicherungsabtretung - wie hier - zum Zeitpunkt der Abgabe des Vermögensverzeichnisses noch nicht ausgewirkt hat (siehe dazu AG Hamburg a.a.O. und F. K.-InsO/Ahrens a.A. O. Rnr. 55). Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, dass der Schuldnerin erst kurze Zeit vor Erstellung des Vermögensverzeichnisses das Schreiben der Bevollmächtigten der CC-Bank vom 27.09.2000 zugegangen war. Sie hat also weniger als sechs Wochen vor Fertigung des Vermögensverzeichnisses noch einmal einen deutlichen Hinweis auf die Gehaltsabtretung bekommen. Wenn sie gleichwohl diese Abtretung in dem Vermögensverzeichnis nicht erwähnt, dann muss dieses Verhalten als grob fahrlässig betrachtet werden. Grob fahrlässig handelt ein Schuldner, wenn ihm ein besonders schwerer Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt zur Last fällt. Es muss dasjenige unterblieben sein, was im gegebenen Fall jedem einzuleuchten hat (vgl. F. K.-InsO/Ahrens § 290 Rnr. 26 mit weiteren Nachweisen). Dieser Definition entspricht das Verhalten der Schuldnerin im vorliegenden Fall. Von ihr wie von jedem anderen Schuldner muss erwartet werden, dass das Vermögensverzeichnis sorgfältig ausgefüllt wird. Das hat sie nicht getan. Sie war kurze Zeit vorher auf die Sicherungsabtretung noch einmal aufmerksam gemacht worden. Wenn Sie gleichwohl die Abtretung nicht angab, dann hat sie das unterlassen, was "im gegebenen Fall jedem einzuleuchten hat" (s. o.). Wenn sie tatsächlich beim Ausfüllen des Vermögensverzeichnisses an die Sicherungsabtretung nicht gedacht hat, dann ist dieses Verhalten als grob fahrlässig zu bezeichnen. Es kommt unter diesen Umständen nicht darauf an, ob die Gläubigerin bei der vorgerichtlich übersandten Forderungsaufstellung auf die Abtretung hätte hinweisen sollen.

11

Die Einwendungen des Gläubigers O. führen demgegenüber nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung. In Betracht kommt der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Ziffer 2 InsO. Danach ist die Restschuldbefreiung jedoch nur zu versagen, wenn der Schuldner unrichtige Angaben gemacht hat, um Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen. Es stellt keinen Versagungsgrund dar, wenn die öffentlichen Mittel von dem Schuldner nicht zweckgerichtet verwendet werden. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob angesichts des Bestreitens der Schuldnerin der Vortrag des Gläubigers O. hinreichend glaubhaft gemacht ist.

 


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