Beschluss vom Amtsgericht Göttingen - 74 IN 84/01

Tenor

Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin wird mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Wert: bis 300,00 €.

Gründe

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I. Wegen rückständiger Steuerschulden in Höhe von ca. 45.000,00 DM stellte das am 19.04.2001 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Steuerforderung setzt sich zusammen aus Lohnsteuern für den Zeitraum Juli und August 2000 nebst Säumniszuschlägen sowie Körperschaftssteuer für das zweite Quartal 2000.

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Die 1997 gegründete Antragsgegnerin verlegte im November 1998 ihren Sitz nach ... und nahm ihre Tätigkeit als Betreiberin einer Seniorenresidenz auf. Die Tätigkeit dauerte bis August 2000. Aus einem noch vor dem Amtsgericht durchgeführten Konkursverfahren ist bekannt, dass es bereits im Frühjahr 2000 zu Liquiditätsengpässen kam. Noch im Jahre 2000 wurde der Sitz der Schuldnerin nach Berlin verlegt und die Firmierung in ... geändert. Zugleich wurde der bisherige Geschäftsführer abberufen und ein neuer Geschäftsführer bestellt.

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Nachdem zu einem Anhörungstermin im vorliegenden Verfahren kein Vertreter der Antragsgegnerin erschienen war, hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 31.05.2001 Rechtsanwalt W. zum Sachverständigen bestellt. Diesem gegenüber hat der ehemalige Geschäftsführer angegeben, über keine Geschäftsunterlagen mehr zu verfügen. Der aufgrund eines Haftbefehles im Wege der Rechtshilfe nach 1 ¾-Jahren vor dem in Berlin zuständigen Amtsgericht vernommene neue Geschäftsführer hat in einer Anhörung angegeben, dass er für ein Entgelt von ca. 500,00 € sich lediglich als "Strohmann" zur Verfügung gestellt habe, nachdem die von ihm betriebene Kneipe wirtschaftlich keinen Erfolg mehr hatte.

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In seinem Abschlussgutachten vom 10.11.2003 hat der Sachverständige ausgeführt, dass offensichtlich keine Vermögenswerte vorhanden und weitere Ermittlungsmöglichkeiten aus seiner Sicht nicht mehr bestehen.

5

Im Verlaufe des Verfahrens sind Sachstandsanfragen von vier weiteren Gläubigern, darunter drei Sozialversicherungsträgern, eingegangen.

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II. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist gemäß § 26 InsO mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abzuweisen. Zur Zahlung eines Kostenvorschusses ist die Antragstellerin nicht aufzufordern, da sie bereits in der Antragsschrift erklärt hat, dazu nicht bereit zu sein.

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Voraussetzung für eine Abweisung des Antrages gemäß § 26 InsO ist, dass zur Überzeugung des Insolvenzgerichtes ein Eröffnungsgrund vorliegt und voraussichtlich das Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.

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1) Ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, hat das Insolvenzgericht von Amts wegen zu ermitteln. Eine Abweisung mangels Masse gemäß § 26 InsO kommt nur in Betracht, wenn das Insolvenzgericht davon überzeugt ist, dass ein Eröffnungsgrund vorliegt (MünchKomm-InsO/Schmahl §§ 27-29 Rz. 9; FK-InsO/Schmerbach § 26 Rz. 56). Glaubhaftmachung wie für die Zulassung des Antrages und Anordnung von Sicherungsmaßnahmen genügt nicht (FK-InsO/Schmerbach § 27 Rz. 5). Allerdings ist zu bedenken, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit reicht (OLG Stuttgart NZI 1999, 491, 492; HK-InsO/Kirchhoff § 16 Rz. 9). Im vorliegenden Fall ist der Geschäftsbetrieb eingestellt, verwertbare Vermögensgegenstände liegen nicht vor. Denkbar sind allenfalls Ansprüche gegen den Geschäftsführer/Gesellschafter. Dazu sind die jedoch nicht auffindbaren Geschäftsunterlagen unverzichtbar. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten bestehen nicht mehr. Das Insolvenzgericht ist deshalb von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin überzeugt. Es hält nicht mehr an seiner im Beschluss vom 07.03.2000 - 74 IN 259/99 (ZIP 2000, 1679 f.) geäußerten Rechtsauffassung fest. Wenn schon offensichtlich ist, dass die Schuldnerin nicht einmal zur Begleichung der Forderung der Antragstellerin in der Lage ist, bedarf es der Suche und Aufklärung weitere Zahlungsverpflichtungen nicht. (Zipperer NZI 2003, 590, 592). Die gegenteilige Rechtsprechung (AG Magdeburg ZInsO 1999, 358, 359; AG Göttingen ZIP 2000, 1679, 1680) ist abzulehnen (ähnlich LG Erfurt ZInsO 2001, 473).

 2)

9

a) Es erfolgt auch eine Abweisung mangels Masse gemäß § 26 InsO und nicht eine Abweisung des Antrages als unbegründet (so AG Magdeburg ZInsO 1999, 358, 359; AG Göttingen ZIP 2000, 1679, 1680; LG Erfurt ZInsO 2001, 473, 474; FK-InsO/Schmerbach § 26 Rz. 56). Für eine Abweisung mangels Masse gemäß § 26 InsO genügt es nämlich, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Das Abstellen auf "Voraussichtlichkeit" bedeutet, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt (HK-InsO/Kirchhoff § 26 Rz. 4; Zipperer NZI 2003, 590, 591 bei Fußnote 15). Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte für verwertbares Vermögen nicht vorhanden, so dass eine Voraussichtlichkeit zu bejahen ist.

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b) Benachteiligungen der Gläubiger treten nicht ein. Taucht nachträglich Vermögen auf, kann ein Gläubiger eine Einzelzwangsvollstreckung betreiben. Auch ist bei Abweisung des Antrages mangels Masse ist eine erneute Antragstellung möglich, sofern das Vorhandensein entsprechenden Vermögens glaubhaft gemacht wird (Uhlenbruck InsO, § 26 Rz. 43; FK-InsO/Schmerbach § 26 Rz. 94). Dies gilt auch nach Löschung einer juristischen Personen im Register.

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Arbeitnehmer/Sozialversicherungsträger können Ansprüche auf Insolvenzausfallgeld geltend machen. Bei Abweisung mangels Masse erfolgt die Löschung einer juristischen Person von Amts wegen gemäß § 141 a FGG. Unnützer Verwaltungs- und Kostenaufwand beispielsweise bei einem Finanzamt kann unterbleiben, da Voranmeldungen und Abschlüsse nicht mehr eingefordert und die entsprechenden Fristen nicht mehr überwacht werden müssen.

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Anders als bei einer Abweisung des Antrages als unbegründet erhält die Staatsanwaltschaft gemäß MIZI bei einer Abweisung gemäß § 26 InsO Kenntnis und kann ihrerseits Ermittlungen aufnehmen.

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Die Kostenentscheidung ergeht nicht zu Lasten des Antragstellers, sondern zu Lasten der Schuldnerin. Allerdings haftet die Antragstellerin als Zweitschuldner für die Kosten (Uhlenbruck InsO § 26 Rz. 30, 31; FK-InsO/Schmerbach § 13 Rz. 52; Schmerbach NZI 2003, 421, 422).

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c) Auch eine Benachteiligung der Schuldnerin tritt nicht ein.

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Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör wird nicht verletzt. Im vorliegenden Fall ist der (aktuelle) Geschäftsführer angehört worden. Dass es sich dabei nur um einen "Strohmann" handelt, hat sich die Schuldnerin zuzuschreiben. Dass Anhörungen nicht in jedem Fall durchgeführt werden müssen, ergibt sich aus § 10 InsO; danach können Anhörungen in den dort erwähnten Fällen auch unterbleiben. Dies wird insbesondere in den Fällen gelten, in denen der Geschäftsführer einer Schuldnerin untergetaucht ist oder sich im Ausland aufhält.

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Darüber hinaus kann der Beschluss über die Abweisung mangels Masse öffentlich bekannt gemacht werden (Uhlenbruck Inso § 26 Rz. 34, FK-InsO/Schmerbach § 26 Rz. 73). Damit wird der Schuldnerin - nachträglich - rechtliches Gehör gewährt. Sie kann ggf. sofortige Beschwerde einlegen. Zugleich wird damit sichergestellt, dass der Beschluss rechtskräftig wird.

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Ist der Schuldner eine natürliche Person, sind bei einem Gläubigerantrag Fälle denkbar, in denen ein Zwangsmittel, z.B. aus gesundheitlichen Gründen, nicht in Betracht kommt. In diesen Fällen kann ähnlich verfahren werden. Vor Abweisung des Antrages gemäß § 26 InsO kann dem Schuldner Gelegenheit zur Stellung eines Stundungs- und Restschuldbefreiungsantrages gegeben werden.

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3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i.V.m. § 91 ZPO. Für die Wertfestsetzung hat das Gericht den niedrigsten Wert angenommen.

 


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