Urteil vom Amtsgericht Grevenbroich - 25 C 42/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
1
Tatbestand
2Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft L.straße in Grevenbroich. Der Klägerin steht das Sondereigentum an der Wohnungseinheit Nr. 8 im 2. OG rechts sowie das Sondernutzungsrecht an den Stellplätzen Nr. 33, 34 und 35 auf dem rückwärtigen Grundstücksteil zu. Das Sondereigentum der Klägerin nebst den dazugehörigen Stellplätzen ist seit dem 01.10.2010 an die Mieterin Frau X. vermietet, die dort eine medizinische Haarpraxis betreibt.
3Anfang März 2011 brachte die Mieterin ohne vorherige Abstimmung mit der Klägerin auf den ihr vermieteten Stellplätzen Parkbügel an. Grund hierfür war, dass die Parkplätze häufig von Fremdparkern besetzt wurden und nicht von den Kunden der Haarpraxis genutzt werden konnten.
4Mit Schreiben vom 24.03.2011 forderte die Verwalterin die Mieterin zur unverzüglichen Entfernung der Parkbügel auf. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 28.03.2011 eine nachträgliche Genehmigung der Parkbügel durch die Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Einladung zur Wohnungseigentümerversammlung vom 03.11.2011 wurde unter Tagesordnungspunkt 11 folgendes angekündigt: "Nachträgliche Genehmigung von Parkbügeln auf den Stellplätzen bei der Miteigentümerin (Diskussion und Beschlussfassung)“.
5In dem Protokoll der darauf folgenden Wohnungseigentümerversammlung vom 03.11.2011 heißt es sodann unter Tagesordnungspunkt 11 wörtlich:
6"Die anwesenden Wohnungseigentümer versagten nachträglich einstimmig die Anbringung von Parkbügeln, um das äußere Erscheinungsbild nicht zu verändern. Außerdem ist das Auf- und Zuklappen sowie Überfahren mit reichlich Lärm verbunden. Frau O.-N. wird gebeten, ihre Mieterin aufzufordern, die Parkbügel kurzfristig zu entfernen.
7Abstimmungsergebnis:Ja-Stimmen 6.521/10.000stelEnthaltungen 2.225/10.000stelNein-Stimmen keine"
8Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beschluss nicht mit dem in der Einladung genannten Titel des Tagesordnungspunktes 11 in Einklang zu bringen und daher mangels Eindeutigkeit nichtig sei. Im Übrigen sei entgegen dem Protokoll nicht von einem einstimmigen Beschluss auszugehen, da tatsächlich Enthaltungen vorgelegen hätten. Darüber hinaus sei die beschlossene Aufforderung, die Parkbügel kurzfristig durch die Mieterin entfernen zu lassen, nicht Gegenstand der Einladung gewesen. Die Klägerin behauptet, seit der Anbringung der Parkbügel würden Fremdparker - schon allein aufgrund des Vorhandenseins der Parkbügel - davor zurückschrecken die Stellplätze zu nutzen. Eine Lärmverursachung sei weder nachzuweisen noch vorhanden. Sie meint, die Beklagten seien durch die Anbringung der Parkbügel nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt. Keiner der Eigentümer, deren Wohnungen zu den Stellplätzen gelegen seien, fühle sich geräuschmäßig beeinträchtigt.
9Die Klägerin beantragt,
101. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.11.2011 zu Tagesordnungspunkt 11 gemäß Protokoll der Eigentümerversammlung vom 03.11.2011 für ungültig zu erklären; hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss nichtig ist.
112. dem Verwalter, hilfsweise den Beklagten, die Prozesskosten aufzuerlegen.
12Die Beklagten beantragen,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagten behaupten, die Betätigung der Parkbügel verursache Geräusche. Sie sind der Ansicht, dass es sich insoweit um eine bauliche Veränderung handele, die gemäß § 22 Abs. 1 WEG der Zustimmung aller benachteiligten Wohnungseigentümer bedürfe.
15Wegen des weitergehenden Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. I. Die Klägerin hat ihre Anfechtungsklage mit Telefax vom 02.12.2011 fristgerecht gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 WEG innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung am 03.11.2011 erhoben und begründet. Die Klage ist der Verwalterin am 10.01.2012 zugestellt worden. Die Klägerin hat ihre Klage auch zutreffend gegen die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft L.straße entsprechend der von ihr überreichten Eigentümerliste (Blatt 15 der Akten) gerichtet.
18Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Anfechtung des streitgegenständlichen Beschlusses. Zwar handelt es sich hierbei lediglich um einen Negativbeschluss, mit dem der Klägerin die nachträgliche Genehmigung der Parkbügel versagt wurde. Einen gleichzeitigen Verpflichtungsantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Negativbeschluss auch ohne Verbindung mit einem auf die Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses gerichteten Antrag angefochten werden (BGH NJW 2010, 2129 ff.; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 5. Auflage 2010, 8. Teil, Rn.192).
19II. Die Anträge der Klägerin auf Ungültigerklärung bzw. Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 03.11.2001 zu Tagesordnungspunkt 11 sind unbegründet.
201.
21Zunächst ist nicht von einer Nichtigkeit des Beschlusses auszugehen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass es dem Beschluss an der erforderlichen Eindeutigkeit mangelt, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar liegt in der Tat eine Abweichung zwischen dem Titel des Tagesordnungspunktes 11 und der zur Abstimmung gestellten Frage vor. Der im Protokoll der Eigentümerversammlung festgehaltene und verkündete Beschluss ist jedoch eindeutig. Hiernach haben die Wohnungseigentümer mit einem Anteil von 6.521/10.000stel Ja-Stimmen und 2.225/10.000stel Enthaltungen die Genehmigung der Anbringung von Parkbügeln versagt. Dass sich das Abstimmungsergebnis auf die Versagung der Genehmigung und nicht auf deren Erteilung bezieht, ergibt sich auch aus der im Protokoll festgehaltenen Begründung, dass das äußere Erscheinungsbild durch die Parkbügel nicht verändert und eine Lärmverursachung vermieden werden solle.
222.
23Der Beschluss ist auch formell wirksam.
24a)
25Soweit sich die Klägerin zunächst darauf beruft, dass eine Abweichung zu dem in der Einladung bezeichneten Gegenstand des Beschlusses vorliegt, führt dies nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses. Zwar ist es nach § 23 Abs. 2 WEG erforderlich, dass der Gegenstand der Beschlussfassung bei der Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung bezeichnet ist. Dabei sind die Anforderungen an die Aufführung von Einzelheiten aber nicht zu überspannen, es genügt, dass der Geladene erkennen kann, was Gegenstand der vorgesehenen Beschlussfassung ist. Die Beteiligten sollen weitestgehend vor Überraschungen geschützt und ihnen die Möglichkeit der Vorbereitung und der Überlegung gegeben werden, ob ihre Teilnahme veranlasst ist. Im Allgemeinen ist es nicht notwendig, dass das Ladungsschreiben bereits alle Einzelheiten des Beschlussgegenstandes enthält (Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 5. Auflage 2010, 8. Teil, Rn.46; Bärmann/Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 19. Auflage 2010, § 23 Rn.9 mwN).
26Der im Einladungsschreiben genannte Gegenstand “Nachträgliche Genehmigung von Parkbügeln auf den Stellplätzen bei der Miteigentümerin Frau O-N (Diskussion und Beschlussfassung)“ ließ für alle Beteiligten hinreichend erkennen, was Gegenstand der Beratung und Beschlussfassung sein sollte. Dass die zur Abstimmung gestellte Frage nicht wie im Titel positiv, sondern negativ in Bezug eine Versagung der Genehmigung formuliert wurde, ist unschädlich.
27Die gleichzeitig beschlossene Aufforderung der Klägerin, die Parkbügel durch ihre Mieterin entfernen zu lassen, steht mit der Frage der Genehmigung der Parkbügel in so einem engen Zusammenhang, dass mit einer Beschlussfassung über die anschließende Entfernung der Parkbügel ebenfalls zu rechnen war. Insoweit war es nicht erforderlich, auch die Frage der Entfernung der Parkbügel im Einladungsschreiben aufzuführen.
28b)
29Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass im Protokoll fälschlicherweise von einem einstimmigen Beschluss ausgegangen wird, ist ihr im Ansatz recht zu geben. Tatsächlich handelt es sich bei einem Abstimmungsergebnis von 6.521/10.000stel Ja-Stimmen und 2.225/10.000stel Enthaltungen nicht um einen einstimmigen, sondern um einen Mehrheitsbeschluss. Diese irrtümliche Falschbezeichnung wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht auf den verkündeten Beschluss aus. Da für die Anbringung der Parkbügel gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG die Zustimmung aller beeinträchtigten Wohnungseigentümer erforderlich ist und vorliegend keiner der anwesenden Wohnungseigentümer gegen die Versagung der Genehmigung bzw. für deren Erteilung gestimmt hat, fehlt es an der erforderlichen Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG.
303.
31Der Beschluss ist auch materiell wirksam.
32Die Versagung der nachträglichen Genehmigung der Parkbügel wäre nur dann rechtswidrig, wenn die Klägerin gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG einen Anspruch auf die Anbringung der Parkbügel gehabt hätte. Dies wäre jedoch nur dann der Fall gewesen, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmt hätte, dessen Rechte über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Dazu gehören alle Wohnungseigentümer, die durch die beabsichtigte bauliche Veränderung in einem über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (Bärmann/Merle, § 22 Rn. 18 ff.). Ein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung (OLG Düsseldorf ZMR 2008, 221; Bärmann/Merle, § 22 Rn. 20).
33Unstreitig handelt es sich bei den angebrachten Parkbügeln um eine bauliche Veränderung, da die Stellplätze hierdurch dauerhaft umgestaltet wurden. Da keiner der anderen Wohnungseigentümer der Maßnahme zugestimmt hat, durfte die Klägerin diese auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG verlangen. Vorliegend wäre insbesondere eine Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer erforderlich gewesen, deren Wohnungen zum Parkplatz gerichtet sind. Denn diese werden durch eine mit der Nutzung der Parkbügel verbundene Geräuschbelastung rein objektiv und nicht völlig unerheblich beeinträchtigt.
34Insoweit haben insbesondere die Eigentümerinnen Frau E. und Frau T. in der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2012 angegeben, dass ihre Fenster zwar nicht direkt zu den Parkplätzen der Klägerin zeigten, sie jedoch die Gefahr einer Lärmbelästigung sehen, insbesondere wenn zukünftig auch andere Eigentümer auf ihren Stellplätzen Parkbügel anbringen. Die mit der Nutzung der Parkbügel verbundene Lärmbelastung war laut Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung auch Grund für die Versagung der nachträglichen Genehmigung. Insoweit ist es für das Gericht offenkundig, dass das Auf- und Zuklappen sowie das - auch nur versehentliche - Überfahren der Parkbügel Geräusche verursacht, die Beeinträchtigungen der unmittelbar angrenzenden Eigentümer mit sich bringen. Dies ergibt sich auch mittelbar aus dem Vorschlag des Wohnungseigentümers U., dass er eine Lösung mit Kunststoffparkbügeln bevorzugt hätte.
35Auch aufgrund der weiteren, im Protokoll aufgeführten Begründung, durch die Anbringung der Parkbügel das äußere Erscheinungsbild des Parkplatzes nicht zu verändern, hätte es einer Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedurft. Auch insoweit handelt es sich nicht um eine völlig subjektive Einschätzung, wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer eine einheitliche Gestaltung des Parkplatzes wünscht.
36III.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
38IV.
39Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
40Streitwert: 600,00 €
41Richterin
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Referenzen
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