Urteil vom Amtsgericht Gummersbach - 16 C 139/09
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 663,32 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung eines Betrages von 663,32 €, den letztere aufgrund von Anpassungen des Gas-Arbeitspreises in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.03.2009 unberechtigt vereinnahmt haben soll.
3Die Beklagte ist ein regionales Gasversorgungsunternehmen. Ihre Rechtsvorgängerin schloss mit dem Kläger als Sonderkunden am 23.03./12.07.2004 einen von ihr vorformulierten Erdgas-Lieferungsvertrag.
4In § 2 des Sondervertrages ist ein Arbeitspreis von 3,08 ct/kWh (netto) vereinbart. Im Folgenden heißt es: "Der Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarife der Gasgesellschaft eintritt. Änderungen der Preise und Bedingungen werden in der Tagespresse bekanntgegeben und dadurch wirksam."
5In § 5 des Sondervertrages ist geregelt, dass das Vertragsverhältnis zum 01.05.2004 beginnt und nach Ablauf von 12 Monaten auf das Ende eines Kalendermonates schriftlich gekündigt werden kann.
6Aufgrund der Preisanpassungsklausel in § 2 des Vertrages änderte die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum wiederholt ihre Preise. Wegen der einzelnen Preisänderungen wird auf S. 2 der Klageerwiderung vom 28.08.2009 (Bl. 18 d.A.) verwiesen. Der Kläger widersprach den Preisänderungen grundsätzlich nicht. Mit Schreiben vom 12.10.2005 teilte er der Rechtsvorgängerin der Beklagten jedoch mit, dass er die Gaspreiserhöhung zum 01.10.2005 für unbillig im Sinne des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB halte. Er gehe davon aus, dass die Preiserhöhung zumindest in der geltend gemachten Höhe nicht gerechtfertigt sei. Der Kläger erklärte, er werde zukünftige Zahlungen nur unter dem Vorbehalt leisten, den durch die Preiserhöhung entstandenen Mehrbetrag gegebenenfalls zurückzufordern. Er behielt sich außerdem vor, die bisherigen Preiserhöhungen gerichtlich prüfen zu lassen und Überzahlungen zurückzufordern.
7Am 09.11.2005 wurde in der lokalen Presse ein Artikel mit folgendem Inhalt veröffentlicht: "(…) Viele Kunden haben ihre Einzugsermächtigung zurückgezogen und andere Zahlungsmodalitäten gewählt. Diese Protestwelle führte dazu, so C-Geschäftsführer T, dass wir zwei zusätzliche Mitarbeiter beschäftigen müssen. Dabei, so macht T deutlich, verlieren die Kunden, die keine Rechtsmittel einlegen keinen Rechtsanspruch: Wir behandeln alle Kunden gleich. Es wird also keinen Unterschied zwischen den Kunden geben, die uns ihre Vorbehaltszahlung schriftlich mitteilen, noch denjenigen, die nicht geschrieben haben. (…)"
8Der Kläger protestierte gegen nachfolgende Preiserhöhungen nicht.
9Am 07.01.2008 schlossen die Parteien einen Erdgas Online-Vertrag ab. Als neuer Arbeitspreis wurden 4,67 ct/kWh (netto) ab dem 01.01.2008 vereinbart. Auch den diesem Vertragsschluss nachfolgenden Preisänderungen widersprach der Kläger nicht.
10Am 21.03.2009 wurde in der lokalen Presse ein Zeitungsartikel veröffentlicht, in welchem die Beklagte Rückforderungsansprüche ihrer Kunden zurückwies.
11Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde auch ohne einen wiederholten Widerspruch ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB gegen die Beklagte zu. Es fehle für seine Leistungen ein Rechtsgrund, da die den einzelnen Preiserhöhungen zugrunde liegende vertragliche Klausel unwirksam sei und allein durch Schweigen keine Preisänderungsvereinbarung zustande komme. Im Übrigen habe er in seinem Schreiben vom 12.10.2005 ausdrücklich erklärt, künftige Zahlungen nur unter Vorbehalt zu leisten. Außerdem sei auch ihm der Zeitungsartikel vom 09.11.2005 bekannt gewesen, durch den die Kunden der Beklagten regelrecht "abgestiftet" worden seien.
12Er beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an ihn 663,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22.03.2009 zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie bestreitet, dass dem Kläger der Zeitungsartikel vom 09.11.2005 bekannt gewesen sei. Sie behauptet im Übrigen, das darin veröffentlichte Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. Der Artikel beziehe sich inhaltlich erkennbar auf den Fall einer etwaigen Feststellung der Unangemessenheit der Preise nach § 315 BGB. Eine Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel sei seinerzeit kein Thema gewesen. Es sei einzig und allein darum gegangen, dass die Preise der Beklagten für zu teuer gehalten worden seien.
17Die Beklagte ist im Übrigen der Ansicht, zwischen den Parteien seien die jeweils erhöhten Preise durch konkludenten Vertragsschluss neu vereinbart worden. Sie habe ihre Kunden – was insoweit unstreitig ist – stets schriftlich von einer Preisänderung in Kenntnis gesetzt. In diesen Schreiben sei jeweils ein Angebot auf eine Preisänderung zu sehen. Sie habe hierdurch für den Kläger hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Lieferung weiterhin erfolge, indes zu geänderten Konditionen. Dieses Angebot habe der Kläger jeweils angenommen, da er im Nachgang die (geänderten) Abschlagsrechnungen bezahlt habe. Hierin liege die konkludente Erklärung, dass der Kläger mit dem angegebenen Preis einverstanden sei.
18Die Beklagte meint, der Kläger habe außerdem einen Rückzahlungsanspruch verwirkt, da die Beklagte mangels eines weiteren Widerspruchs darauf habe vertrauen können, dass er keine Rückforderungsansprüche stelle.
19Die Beklagte beruft sich darüber hinaus auf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB. Sie ist der Ansicht, eine Entreicherung liege auch dann vor, wenn der Empfänger der Leistung im Vertrauen auf das Behaltendürfen Aufwendungen getätigt habe, welche er nicht getätigt hätte, wenn ihm der Mangel des Rechtsgrundes bekannt gewesen wäre. Sie behauptet, sie hätte das zur Belieferung des Klägers benötigte Erdgas nicht bezogen und den Kläger nicht weiter mit Gas beliefert, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass die Preisanpassungsklausel unwirksam sei und sie die gezahlten Entgelte (teilweise) erstatten müsse.
20Im Übrigen sei der gesamte Vertrag wegen Unzumutbarkeit gemäß § 306 Abs. 3 BGB als unwirksam zu betrachten.
21Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23Die zulässige Klage ist in der Hauptsache in voller Höhe begründet.
24Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB einen Anspruch auf Erstattung des geltend gemachten Teilbetrags. Soweit der Kläger für die Zeit zwischen dem 01.01.2006 und dem 01.01.2008 an die Beklagte Entgelte geleistet hat, die jedenfalls auf einem Arbeitspreis von mehr als (bis zum 30.09.2005 verlangten) 3,63 ct/kWh basierten, sind die Zahlungen mangels wirksamer vertraglicher Grundlage ohne Rechtsgrund erfolgt. Angesichts des zum 01.01.2008 geschlossenen Online-Vertrags bestand ab diesem Zeitpunkt für Leistungen, die auf einem Arbeitspreis von 4,67 ct/kWh basierten eine neue vertragliche Grundlage. Leistungen, die jedoch in der Zeit von Januar 2008 bis Ende März 2009 auf einem höheren Arbeitspreis als 4,67 ct/kWh basierten, erfolgten mangels vertraglicher Grundlage wiederum ohne Rechtsgrund.
25Die Beklagte erhöhte ihre Preise aufgrund der in § 2 des Sondervertrags enthaltenen Preisänderungsklausel. Diese Klausel ist als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie nicht hinreichend klar und verständlich ist und die Kunden der Beklagten daher unangemessen benachteiligt. Für die Kunden ergibt sich nicht, in welchem Umfang der Gaspreis bei einer Änderung der allgemeinen Tarife erhöht oder gesenkt wird (vgl. BGH Urt. v. 17.12.2008 -VIII ZR 274/06).
26Eine andere vertragliche Grundlage für eine Preisänderung existierte nicht. Insbesondere haben die Parteien die jeweils erhöhten Preise nicht konkludent neu vereinbart.
27Der Preiserhöhung zum 01.10.2005 hat der Kläger durch Schreiben vom 12.10.2005 ausdrücklich widersprochen. Zwar hat sich der Kläger auf die Unbilligkeit des neuen Preises berufen und nicht auf die Unwirksamkeit der Erhöhung, dies ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger zeitnah und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er der Preiserhöhung nicht zustimme. Aus welchem Grund sich der Kläger auf eine Preiserhöhung nicht einlassen wollte ist für die Frage eines konkludenten Vertragsschlusses unerheblich. Denn für die Beklagte war jedenfalls erkennbar, dass ein Wille zum Abschluss eines neuen Vertrages auf Seiten des Klägers nicht bestand (vgl. OLG Köln Urt. v. 19.02.2010 – 19 U 143/09). Entgegen der Ansicht der Beklagten schadet auch die widerspruchslose Hinnahme der auf die Preiserhöhung vom 01.10.2005 folgenden Jahresabrechnung nicht. Die Beklagte konnte hierdurch nicht zwingend annehmen, der Kläger wolle an seinem Widerspruch nicht länger festhalten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 12.10.2005 ausdrücklich erklärt hat, er werde folgende Zahlungen nur unter Vorbehalt leisten.
28Aber auch spätere Preiserhöhungen sind zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Weiterer Widersprüche des Klägers bedurfte es nach Veröffentlichung des Zeitungsartikels vom 09.11.2005 nicht mehr.
29Der BGH hat in seinem Urteil vom 15.02.2006 ausgeführt, dass in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ein Vertragsangebot in Form einer so genannten Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages zu sehen sei, das von demjenigen konkludent angenommen werde, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Gas entnehme. Durch diesen Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 AVBGasV lediglich wiederholt sei, werde der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen würden; dabei solle ein vertragsloser Zustand bei Energielieferungen vermieden werden (BGH Urt. v. 15.02.2006 – VIII ZR 138/05 Rn 15, zitiert nach juris). Ausgehend von diesem Grundsatz vertritt der BGH im Zusammenhang mit Tarifverträgen die Ansicht, dass es nicht anders liegen könne, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert habe, indem er weiterhin Gas bezogen habe, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden (vgl. BGH Urt. 13.06.2007, NJW 2007, 2540, 2542; Urt. v. 19.11.2008 – VIII ZR 138/07 Rn 16, zitiert nach juris). Diesen Gedanken überträgt die überwiegende Rechtsprechung auch auf Sonderverträge (vgl. OLG Köln Urt. v. 19.02.2010 – 19 U 143/09; OLG Düsseldorf Urt. v. 20.07.2007 – 22 U 46/07; OLG Frankfurt Urt. v. 13.10.2009 – 11 U 28/09; OLG Oldenburg Urt. v. 05.09.2008). Dabei wird in den Mitteilungen der Gasversorger über die Preiserhöhungen regelmäßig ein Antrag auf Modifikation der Entgeltabsprache gesehen. Eine Annahme dieses Antrags wird in der weiteren Gasentnahme der Kunden gesehen. Bei der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen eines Unternehmens der Daseinsvorsorge werde grundsätzlich schon die faktische Aneignung der Leistung als sozialtypisches Annahmeverhalten gewertet (OLG Köln Urt v. 10.02.2010 – 19 U 143/09 m. w. N.).
30Im vorliegenden Fall folgt das erkennende Gericht der überwiegenden Rechtsprechung jedenfalls nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob in einem Preiserhöhungsverlangen des Gasversorgers ein Modifikationsangebot zu sehen ist, wenn beide Vertragsparteien aufgrund des bestehenden Sondervertrages davon ausgehen mussten, es bestehe ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Gasversorgers. Denn eine konkludente Willenserklärung setzt in der Regel das Bewusstsein des Handelnden voraus, dass eine Willenserklärung wenigstens möglicherweise erforderlich ist. Daher wird grundsätzlich in Fällen der schwebenden Unwirksamkeit verlangt, dass sich der Handelnde der schwebenden Unwirksamkeit bewusst ist oder wenigstens mit ihr rechnet (Palandt § 133 Rn 11 m. w. N.). So hat der BGH in einem Fall der Mieterhöhung aufgrund einer unwirksamen Vertragsklausel entschieden, dass bereits in der einseitig durch die Vermieter vorgenommenen Mieterhöhung vom Empfängerhorizont der Mieter ausgehend kein Angebot zum Abschluss einer Mieterhöhungsvereinbarung liege (BGH Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 199/04 Rn 15; ebenso auch schon BGH Urt. v. 01.02.1984 – VIII ZR 54/83 Rn 11; jeweils zitiert nach juris).
31Doch selbst wenn mit der überwiegenden Rechtsprechung ein Angebot der Beklagten angenommen werden würde, scheitert ein konkludenter Vertragsschluss vorliegend jedenfalls an einer Annahmeerklärung. Denn nach Veröffentlichung des Zeitungsartikels vom 09.11.2005 war aus Sicht der Beklagten in dem widerspruchslosen Verhalten des Klägers keine Annahme mehr zu sehen. Eine Willenserklärung ist nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen, §§ 133, 157 BGB. Empfänger einer potentiellen Annahmeerklärung war die Beklagte. Die Beklagte durfte aber nicht mehr davon ausgehen, dass Kunden, die den einzelnen Preiserhöhungen nicht widersprechen, durch Weiterbezug von Gas willentlich im Rechtsverkehr tätig wurden. Da der damalige Geschäftsführer der Beklagten T öffentlich erklärte, es werde keinen Unterschied zwischen den Kunden geben, die der Beklagten ihre Vorbehaltszahlung schriftlich mitteilten und denjenigen, die nicht geschrieben hätten, konnte in der Gasentnahme und widerspruchslosen Zahlung der Abschlagsrechnungen nicht zwingend eine Willenserklärung gesehen werden. Unschädlich ist insoweit auch der Umstand, dass die Aussage des früheren Geschäftsführers der Beklagten im Zusammenhang mit der Frage der Unbilligkeit und nicht der Unwirksamkeit stand. Denn für einen juristischen Laien war nicht zu erkennen, dass hier ein Unterschied bestehen könnte. Im Übrigen gingen beide Vertragsparteien zu diesem Zeitpunkt noch von der Wirksamkeit des vertraglich vereinbarten einseitigen Preisbestimmungsrechts der Beklagten aus. Der Kläger hatte somit überhaupt keine Veranlassung, sich gegen die Tatsache der Preisänderung an sich zur Wehr zu setzen. Wie oben ausgeführt, kommt es für die Frage der Vereinbarung eines neuen Preises auch nicht darauf an, ob der Kunde wegen Unbilligkeit oder Unwirksamkeit der Preiserhöhung widerspricht. Der Widerspruch an sich steht einer konkludenten Einigung bereits im Weg. Halten sich die Kunden aber mit Widersprüchen (auch hinsichtlich der vermeintlichen Unbilligkeit) zurück, weil sie darauf vertrauen, dass ihnen kein Rechtsanspruch verloren geht – was ihnen von der Beklagten öffentlich zugesagt wurde – kann nunmehr die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen der Beklagten aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht mehr als konkludentes Annahmeverhalten gewertet werden. Der Kläger muss daher auch nicht beweisen, dass er sich durch den Zeitungsartikel tatsächlich von der Erhebung eines Widerspruches abhalten ließ. Es kommt allein darauf an, was ein objektiver Empfänger an Stelle der Beklagten in dem Verhalten des Klägers sehen durfte. Da die Äußerung des damaligen Geschäftsführers der Beklagten in der lokalen Presse öffentlich für jeden einzelnen Kunden der Beklagten zu lesen war, musste die Beklagte auch bei jedem einzelnen Kunden damit rechnen, dass ein Widerspruch aufgrund des Zeitungsartikels unterblieb.
32Es verstößt auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn die Beklagte, die – offensichtlich um die Welle von Widersprüchen aus Personalgründen möglichst klein zu halten – öffentlich bekannt gibt, sie mache keinen Unterschied zwischen den Kunden die Vorbehaltszahlungen schriftlich mitteilen und denen die nicht schrieben, nunmehr behauptet, sie habe aufgrund unterbliebener Widersprüche darauf vertraut, dass die Kunden keine Rückforderungsansprüche geltend machten.
33Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet nach einhelliger Rechtsprechung aus, da von einer für die Beklagte unzumutbaren einseitigen Verschiebung des Vertragsgefüges zu Gunsten des Klägers angesichts der vertraglichen Möglichkeit der Beklagten, sich von dem Sondervertrag nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von 12 Monaten auf das Ende eines Kalendermonats zu lösen, nicht die Rede sein kann (vgl. BGH Urt v. 13.02.2010 – VIII ZR 81/08; BGH Urt. v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07; OLG Köln Urt. v. 19.02.2010 – 19 U 143/09). Aus diesem Grund ist der Vertrag auch nicht gemäß § 306 Abs. 3 BGB unwirksam. Angesichts der frühzeitigen Kündigungsmöglichkeit der Beklagten, stellte das Festhalten an dem Vertrag bis zu dieser Möglichkeit für die Beklagte keine unzumutbare Härte dar. Allein, weil die Beklagte von ihrer Kündigungsmöglichkeit in Unkenntnis der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel keinen Gebrauch gemacht hat, kann sie nicht nachträglich eine unzumutbare Verschiebung des Vertragsgleichgewichts vortragen.
34Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen. Es fehlt hierfür an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Bereicherung und der Tätigung von Aufwendungen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.05.2009 – 19 U 52/08). Die Beklagte hat die Preise gegenüber dem Kläger geändert, weil sich ihre eigenen Bezugskosten erhöht haben. Sie hat nicht mehr Geld aufgewendet, weil sie von dem Kläger höhere Beträge erhalten hat. Diese Tatsache kann auch nicht dadurch verklärt werden, dass von der Beklagten vorgetragen wird, sie habe auch nach einer Preisanpassung Erdgas zur Belieferung des Klägers bezogen und hierdurch Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung getätigt. Es steht außer Frage, dass die getätigten Aufwendungen und erlangte Bereicherung im Verhältnis zueinander standen. Nichtsdestotrotz richtete sich die Bereicherung nach den Aufwendungen und nicht umgekehrt. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe den Kläger nur im Vertrauen auf die Wirksamkeit ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen weiterhin mit Erdgas beliefert und die hierfür erforderlichen Aufwendungen getätigt. Denn die Unwirksamkeit ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen lag im Risikobereich der Beklagten.
35Der Kläger hat seinen Rückzahlungsanspruch auch nicht gemäß § 242 BGB verwirkt. Es fehlt sowohl an einem Zeit- als auch an einem Umstandsmoment. Der Kläger hat bereits mit Schreiben vom 12.10.2005 gegenüber der Beklagten die vermeintliche Unbilligkeit der letzten Preiserhöhung geltend gemacht. Die Beklagte hat öffentlich erklärt, sie wolle wegen dieser Frage zunächst eine gerichtliche Klärung abwarten. Der Kläger durfte daher auch mit der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen abwarten. Der BGH hat mit Urteil vom 17.12.2008 – VIII ZR 274/06 – hinsichtlich einer im Vergleich zum vorliegenden Fall nahezu gleich lautenden Preisanpassungsklausel entschieden, dass diese wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sei. Die Beklagte hat daraufhin in der lokalen Presse am 21.03.2009 Rückzahlungen abgelehnt. Nur einen Monat später hat der Kläger Klage erhoben. Im Übrigen durfte die Beklagte angesichts des am 09.11.2005 erschienen Artikels auch nicht darauf vertrauen, dass die Kunden, die keinen Widerspruch gegen Preisänderungen erheben, auch keine Rückzahlungsansprüche geltend machen würden.
36Der Kläger macht Rückzahlungsansprüche für den Zeitraum von 01.01.2006 bis zum 31.03.2009 geltend. Basierend auf dem zum 01.01.2006 von der Beklagten verlangten Arbeitspreis von 4,2 ct/kWh hat der Kläger eine Rückzahlungsforderung von 663,32 € errechnet. Dabei hat er den zum 01.01.2008 durch den Online-Vertrag neu vereinbarten Arbeitspreis von 4,67 ct/kWh unberücksichtigt gelassen. Für die Berechnung des Rückzahlungsanspruches ist jedoch nach obigen Ausführungen zumindest der Arbeitspreis zugrunde zu legen, der von der Beklagten vor der Preiserhöhung zum 01.10.2005 verlangt worden war. Basierend auf diesem Arbeitspreis von 3,63 ct/kWh und unter Berücksichtigung des neu vereinbarten Arbeitspreis von 4,67 ct/kWh zum 01.01.2008 ergibt sich für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.03.2009 ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 743,22 €, sodass jedenfalls der geltend gemachte Betrag begründet ist.
37Die Rückzahlungsforderung des Klägers ist mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erst seit Rechtshängigkeit zu verzinsen. Wegen des darüber hinausgehenden Zinsbegehrens des Klägers war die Klage abzuweisen. Verzug der Beklagten ist nicht bereits durch Veröffentlichung des Zeitungsartikels vom 21.03.2009 eingetreten. An das Vorliegen einer § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entsprechenden ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen (Palandt § 286 Rn 24). Hierfür reicht es nicht aus, dass die Beklagte öffentlich erklärt hat, sie sehe derzeit keine Rückzahlungsansprüche ihrer Kunden. Es wird in dem Zeitungsartikel ausgeführt, dass die Beklagte jedem einzelnen Kunden schriftlich Bescheid geben wolle. Dass der Kläger ein solches an ihn persönlich gerichtetes Schreiben bekommen hat, in welchem die Beklagte ernsthaft und endgültig die Leistung von Rückzahlungen verweigert, trägt er selbst nicht vor.
38Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.
39Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
40Streitwert: 663,32 €
41Liebich
42
16 C 139/09 |
43
Amtsgericht Gummersbach Berichtigungsbeschluss |
44
In dem Rechtsstreit
45Der Tenor des Urteils des Amtsgerichts Gummersbach vom 17.03.2010 wird gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass der Tenor wie folgt lautet:
46Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 663,32 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2009 zu zahlen.
47Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
48Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
49Gründe:
50Als Datum des Zinsbeginns war versehentlich der 30.05.2005 genannt, obwohl sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass Zinsen seit Rechtshängigkeit, mithin seit dem 30.05.2009 zu zahlen sind.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.