Urteil vom Amtsgericht Hagen - 10 C 40/11
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 130 % des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht des vorsteuerabzugsberechtigten Herrn M, der in Hagen seinen Sitz hat, Erstattung von weiteren Mietwagenkosten.
3Der Verkehrsunfall ereignete sich am 21.07.2009. Zur Überbrückung des Fahrzeugausfalls mietete der Herr M am 02.07.2009 bei der Klägerin einen Opel Astra an. Geschädigt worden ist ein Opel Vectra.
4Die Beklagte erstattete 766,86 € auf die Rechnung der Klägerin, die lautet:
55 Tage á 82,35 €
65 Tage CDW á 18,97 €
75 Tage Aufschlag pauschal 16,47 €
89 Tage (ab 6. Tag) á 50,42 €
99 Tage (ab 6. Tag) CDW 13,55 €
10MwSt. 238,53 €
11Gesamt 1.493,93 €
12Der Kläger beruft sich auf die sogenannte Schwacke-Liste (Automietpreisspiegel) zuzüglich eines pauschalen Aufschlages vom 20 % wegen spezifischer Kostensteigerung bei der Vermietung von Ersatzfahrzeugen.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 760,07 € nebst Zinsen in Höhe von
155 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem ..09.2009 zu
16zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie hält dafür, dass unter Verstoß des Rechtsdienstleistungsgesetzes vorgegangen werde.
20Außerdem sei die Schwacke-Liste unbrauchbar. Anhand der für den konkreten Fall ausgewerteten Studie des Fraunhofer-Institutes ergäbe sich nur der Betrag, den die Beklagte teils entrichtet habe.
21Insoweit streiten die Parteien um die Aussagekraft sowie statistische Korrektheit und die Interpretationsfähigkeit der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Studie.
22Insbesondere nach deren Anlage 8 und 9 des Beklagtenschriftsatzes errechneten sich als Ersatzmietwagenbedarf nur 434,04 € netto bzw. 476,60 € brutto.
23Auch biete die Klägerin selbst den Opel Astra zu 359,00 € Brutto inklusive Kaskoversicherung im Normaltarif an.
24Die näheren einzeln ausgeführten allgemein bekannten Fahrzeugvermieterfirmen Sixt, Eurocar und Enterprise hätten das entsprechende Fahrzeug oder ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zum Preis von 417,86 € bei auch nur wirtschaftlicher Vorgehensweise und geringen Erkundigungen angeboten; die Klägerin bestreitet, dass die Aussagekraft dieser unstreitenden existierenden Preise auf den Anmiettag zurückschließen lasse.
25Wegen den weiteren Einzelheiten des umfänglichen Vorbringens zwischen den Parteien wird auf die Schriftsätze und Anlagen verwiesen.
26Entscheidungsgründe:
27Die Klage ist unbegründet.
28Mit dem entrichteten Betrag hat die Beklagte mindestens das an die Klägerseite bezahlt, was ihrem Rechtsvorgänger an ersatzpflichtigen Schaden für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für die Reparatur dauernden beschädigten Kraftfahrzeuges zustand. (§§ 3 PflichtversG, 249, 362, 398 BGB).
29Bei der dem Grunde nach unstreitigen Einstandspflicht der Beklagten für den Schaden aus dem von ihrem Versicherungsnehmer zu verantwortenden Verkehrsunfall hat das Gericht nach § 287 ZPO den erstattungsfähigen Mietwagenaufwand schätzen.
30Wie auch das Landgericht Hagen im Urteil vom 21.09.2010 – S 112/10- bestätigt hat, ist vom Grundsatz her der Fraunhofer-Vermietungspreisspiegel heranzuziehen, da er gegenüber der Auswertung der Schwacke-Liste über die größere statistische Datenbasis und vor allem die Anonymität der Erhebungsmethode verfügt.
31Die von der Beklagtenseite angegebenen Ergebnisse der Auswertung der Fraunhofer-Studie für den Hagener Bereich des Postleitzahlgebietes 58 sprechen bereits für die Beklagte.
32Dies gilt auch hinsichtlich der Zuschläge, die in der Entscheidung des Landgerichts a. a. o. erwähnt worden sind. Darüber hinaus hat die Klägerin nichts dafür geltend gemacht, dass der geschädigte vorsteuerabzugsberechtigte Kraftfahrzeugeigentümer besondere Schwierigkeiten gehabt hat, einen Mietwagen anzumieten.
33Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nämlich darin, dass nicht spontan am Unfalltag, sondern mit geraumer Vorüberlegung zwischen dem 21.07.2009 (dem Unfalltag) und dem Anmietetag, dem 02.06.2009, ein nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes handelnder wirtschaftlich und vernünftig denkender Kraftfahrzeugeigentumsgeschädigter in der Lage gewesen wäre, auch ohne Marktforschung durch einfache Erkundigungen einen günstigen Anbieter zu finden, wie er bei den allseits bekannten und auch in Hagen vorhandenen Großvermietungsunternehmen zur Verfügung steht. Die von der Beklagten angegebene Preise der "Großvermieter" entsprechen gerichtsbekanntlich den noch heute im wesentlichen glückhohen Preisen.
34Die Darlegung eines anderen Umfangs, der für einen wirtschaftlich und vernünftig denkenden Geschädigten in der Lage des Zedenten der Klägerin einen notwendigen Mietwagenersatzaufwand beschreibt, ist von der Klägerseite nicht substantiiert abweichend vorgebracht.
35Darüber hinaus bedarf es dem Grunde nach sogar nicht der Beurteilung, ob die "Schwacke-Liste" oder die "Fraunhofer-Studie" eine geeignetere Beurteilungsgrundlage als die andere darstellt.
36Bei dem für jeden offenen Markt der Vermietung von Kraftfahrzeugen, den insbesondere jemand wie der Zedent der Klägerin, der selbst vorsteuerabzugsberechtigt ist, ohne Weiteres erkennen kann, lässt sich sogar aus den heute vorhandenen Mietwagenkosten ein Rückschluss, zumindest im Rahmen des § 287 ZPO dahingehend erlauben, dass aus den heutigen, bei einer Anmietung eines dem verunfallten Kraftfahrzeug qualitativ gleichwertigen Fahrzeuges, anzuwendenden Preisen, allenfalls der Beschaffungsaufwand zu treiben ist, den die Beklagte bereits ersetzt hat.
37Auf die historischen Preise kommt es im Rahmen des § 287 ZPO deshalb nicht an, weil hier im konkreten Fall zwischen dem Unfalltag und dem Entscheidungstag nur ein überschaubarer Zeitraum liegt. Außerdem ist die Inflation nicht derart fortgeschritten, dass eine starke Preisveränderung stattgefunden hat, was sich sogar zu Lasten der Beklagten, nicht der Klägerin auswirken würde, also keine besonders inflationäre Preissteigerung stattgefunden hat.
38Wie mit den Parteien erörtert, lässt sich am heutigen Sitzungstag ohne Weiteres durch Eingabe entsprechender Voraussetzungen bei mehreren Großanbietern von gleichwertigen, zuverlässigen und auch seit Jahren verfügbaren Mietersatzfahrzeugen erkennen, dass die Vermietungspreise bei einer Planung des Mietwagenanmietens in der zeitlichen Distanz, wie es auch der Zedent der Klägerin getan hat, allenfalls die Mietpreise ergeben, die von der Beklagten bereits ausgeglichen sind und zwar einschließlich einer vollen Kaskoversicherung und sonstiger das Vermietungsgeschäft erschwerender Umstände, insbesondere auch bei nicht vorgehender, sondern nachträglicher Bezahlung.
39Für einen umsatzsteuervorabzugsberechtigten Zedenten, also einen Gewerbetreibenden oder einem Selbstständigen wie dem Zedenten der Klägerin, ist es auch ohne Weiteres zumutbar, sich entweder über die sogenannten Gelben Seiten des örtlichen Telefonbuchs oder auch über das Internet mit Informationen über die entsprechenden Preise und Konditionen zu erkundigen, bevor er einen Mietwagen zu einem bestimmten Preis anmietet.
40Der wirtschaftliche vernünftig denkende selbständige zudem umsatzsteuervorabzugsberechtigte Gewerbetreibende wird nämlich schon zur Schonung des eigenen Aufwandes nicht anders vorgehen, als zumindest gewisse Erkundigungen zu unternehmen, um nicht mehr auszugeben, als notwendig.
41Anders als bei dem nur für zugelassene Kraftfahrzeughändler und Sachverständige wie andere geschlossene Benutzerkreise zugängigen Markt etwa der Restwertebörsen zum Aufkauf von beschädigten Kraftfahrzeugen ist nämlich der Kraftfahrzeugvermietungsmarkt seit Jahren durch die allgemein bekannten Vermietungsgesellschaften und durch den Zugang zum Internet geprägt. Jedenfalls liegt für einen vorsteuerabzugsberechtigtem Unternehmer der Zugriff über das per Internet erreichbare Angebot nahe.
42Der auf den Zeitpunkt der Anmietung des Ersatzfahrzeuges aus den heutigen Preisen rückschließende Schätzungsschluss im Sinne des § 287 ZPO ist auch deshalb gerechtfertigt, weil sich auch aus den heute vorhandenen, gerichtskundigen und allgemein zugänglichen
43Preisen für die spezifische Fahrzeugkategorie sich mit Rücksicht auf die vorhandene geringe Inflation, und der relativ stabilen Preise des Mietwagengeschäfts, die anders etwa als auf dem Markt für Öl, Gas oder Strom, sich im Wesentlichen zwar seit Jahren ohne starke Preisschwankungen fort entwickelt haben, brauchbare Schätzungen erlauben lassen.
44Schätzt man also einen gewissen Mehraufwand mit der a. a. O. Entscheidung des Landgerichts zugunsten des geschädigten Kraftfahrzeugeigentümer hinzu, zieht dagegen die aus den allgemeinen statistischen Tabellen ablesbare inflationäre Entwicklung von den heutigen aktuellen Mietpreisen ab, so gerät man im konkreten Fall auf einen Betrag, der unter dem liegt, den die Beklagte bereits ausgeglichen hat.
45Eine Diskussion über die Aussagekraft der Schwacke-Liste und der Fraunhoferstudie erübrigt sich daher und könnte beendet werden.
46Denn die Ermittlung der Aufwendungen für einen gleichwertigen Mietersatzwagen lassen sich dem Grunde nach genauso bewerkstelligen wie die Kostenkalkulation eines Sachverständigen, der auch nichts anderes bei der Kalkulation der Reparaturkosten unternimmt, als die zum Begutachtungstag aktuellen, von den Herstellerwerken vorgegebenen Preise und Reparaturkosten in seine Kalkulation einzubeziehen.
47Die Forschung nach historischen Mietpreisen durch ein Sachverständigengutachten ist mit dem Urteil des Landgerichts Hagen als ungeeignet zu betrachten. Als Schätzungsgrundlage reicht die heute vorhandene Mietpreishöhe unter Auswertung der Preise der vorhandenen, sogar bundesweit vertretenen zuverlässigen und stets verfügbaren Großvermietungsgesellschaften allemal aus.
48Nach § 287 ZPO ist gerade keine statisch exakte Berechnungsmethode erforderlich, sondern eine dem Tatrichter obliegende Schätzung, die den Parteien auch erheblichen Aufwand bei der Beurteilung der Schadenhöhe etwa durch Gutachten erspart. Die Beschränkung der Schätzungsgrundlagen auf die Verwendung der heutigen Mietwagenpreise und die bekannte allgemeine Inflation, haben bei dem seit Jahren verfügbaren Mietwagenmarkt mit kaum nennenswerten Preisschwankungen den Vorteil gegenüber der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Studie, dass sie den Gesetzen des wissenschaftlichen-theoretischen Ansatzes folgt, möglichst Theorien mit wenigen Voraussetzungen zu bevorzugen. (vgl. Wikipedia "Ockhams Rasiermesser). Schwacke-Liste und Fraunhofer-Studie setzen nämlich ein Erhebliches mehr an festzustellenden Bedingungen voraus als die leicht zu bewerkstelligende Rückfolgerung aus den heute verfügbaren, für jeden ohne Weiteres erkennbaren Mietwagenpreisen, etwa der Großanbieter. Besonderheiten des Einzelfalles liegen hier nicht vor.
49Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 91 ZPO.
50Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708, 711 ZPO.
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Referenzen
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