Urteil vom Amtsgericht Halle (Saale) - 93 C 137/13

Tenor

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 976,44 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt die Rückzahlung einer Bearbeitungsgebühr für einen Verbraucherdarlehensvertrag.

2

Die Klägerin, eine Verbraucherin, schloss am 21. August 2012 mit der Beklagten, vertreten durch einen mobilen Kundenberater, einen Kreditvertrag. Die Kreditsumme, die die Klägerin von der Beklagten erhielt, betrug 27.898,34 €. Hinzu kam eine Bearbeitungsgebühr von 976,44 € (3,5 %), Kosten bei Herauslage in Höhe von 60,00 € und Zinsen von 11.462,78 € (nominal 9,99 % p. a.), sodass der Gesamtbetrag, den die Klägerin an die Beklagte zu zahlen hatte, 40.397,56 € bei einem effektiven Jahreszins von 11,74 % betrug. Der Kredit sollte bis zum 1. September 2019 laufen, die Klägerin sollte ab dem 1. Oktober 2012 insgesamt 83 Monatsraten zu je 481,40 € und eine letzte Rate zum 1. September 2019 in Höhe von 441,36 € bezahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kreditvertrag Anlage K 1 Bl. 7 – 8 (einschließlich Rückseiten) d. A. verwiesen.

3

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Vereinbarung der Bearbeitungsgebühr von 976,44 € eine Allgemeine Geschäftsbedingung sei. Es handele sich um eine Preisnebenabrede, bei welcher „bereits Zweifel an der Klarheit und Bestimmbarkeit der Klausel“ bestünden, zudem könne die Klägerin gar nicht erkennen, für welche Leistungen der Beklagten sie diese Bearbeitungsgebühr zahlen müsse. Die Klägerin behauptet, eine individuelle Verhandlung über die Bearbeitungsgebühr habe nicht stattgefunden, vielmehr habe der Computer, nachdem die Kreditsumme eingeben worden sei, die Bearbeitungsgebühr in den Kreditunterlagen einfach mit ausgedruckt. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte daher die Bearbeitungsgebühr zurückzahlen müsse. Zudem verlangt die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten.

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Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Amtsgericht Halle (Saale) gemäß § 21 ZPO örtlich zuständig sei.

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Die Klägerin beantragt,

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1.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 976,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 14. November 2012 zu zahlen.

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2.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 155,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte rügt zunächst die örtliche Zuständigkeit des Amtsgericht Halle (Saale) und ist der Ansicht, dass gemäß § 29c ZPO das Amtsgericht Merseburg örtlich zuständig sei. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Vereinbarung über das Bearbeitungsentgelt keine Allgemeine Geschäftsbedingung sei. Die Beklagte behauptet, sie schließe in anderen Fällen auch Kreditverträge mit anderen Bearbeitungsgebühren. Die Klausel sei individuell in den Vertrag übernommen worden. Selbst wenn man diese Klausel aber als Allgemeine Geschäftsbedingung bewerten wollte, so hält sie nach Ansicht der Beklagten der Inhaltskontrolle stand.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Halle (Saale) ist gemäß § 21 Abs. 1 ZPO zuständig, da die Beklagte unstreitig in Halle eine Niederlassung hat, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden können. Dass der streitgegenständliche Vertrag nicht in dieser Filiale abgeschlossen wurde, ist unerheblich. Es reicht aus, dass die Klage Bezug auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung hat.

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Die Klage ist aber nicht begründet.

14

Zum einen hat die Klägerin schon gar nicht vorgetragen, dass sie die Bearbeitungsgebühr überhaupt schon bezahlt hat. Dies ist nicht selbstverständlich, weil die Rückzahlung des Gesamtbetrages immerhin bis September 2019 läuft. Dies ist aber auch unerheblich, weil die Beklagte die Bearbeitungsgebühr ohnehin nicht erstatten muss, sodass es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin diese schon gezahlt hat oder nicht.

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Die streitgegenständliche Klausel ist keine Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen befinden sich in den an den Kreditvertrag angefügten „T. Bank Kreditbedingungen“ und dem „Preis- und Leistungsverzeichnis der T. Bank“. In letzterem sind in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen verschiedene Kosten aufgeführt, die die Beklagte erhebt. Die streitgegenständliche Klausel über die Bearbeitungsgebühr befindet sich nicht dort. Schon allein die Stellung der Klausel im Vertrag - vor den Kreditbedingungen und dem Preis- und Leistungsverzeichnis und direkt unter dem Gesamtkreditbetrag - zeigt, dass es sich gerade nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Ob über die Höhe dieser Gebühr gesprochen wurde oder ob sie von der Beklagten einfach vorgegeben wurde, ist unerheblich (weshalb dem Angebot der Klägerin auf Vernehmung der Zeugin S. nicht nachzugehen ist).

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Insoweit handelt es sich bei der Vereinbarung der Bearbeitungsgebühr um eine Preishauptabrede. Derartige Abreden können die Vertragsparteien nach dem im bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie als Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei bestimmen, sie unterliegen daher nicht der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Preisnebenabreden sind im Gegensatz dazu Entgeltregelungen für Leistungen, die der AGB-Verwender als Rechtsunterworfener für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten im eigenen Interesse erbringt, ohne dass dafür eine besondere Vergütung geschuldet wird. Entscheidendes Kriterium für eine Preisnebenabrede ist, dass an ihre Stelle bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB treten, so dass eine Inhaltskontrolle möglich ist. Ob Bearbeitungsgebühren als Preishaupt- oder Preisnebenabrede einzuordnen sind, ist in der Rechtsprechung umstritten (Einordnung als Preisnebenabrede: Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss vom 21. Februar 2011, Az.: 4 U 174/10; Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 11. April 2011, Az.: I-31 U 192/10, 31 U 192/10 = BeckRS 2011, 08607; Urteil vom 17. September 2012, Az.: 31 U 60/12; Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 2011, Az.: I-6 U 162/10, 6 U 162/10 (zum Bearbeitungsentgelt lt. Preisaushang); Oberlandesgericht Bamberg, Urteil vom 04. August 2010, Az.: 3 U 78/10 (zum Bearbeitungsentgelt lt. Preisaushang), OLG Celle, Beschluss vom 13. Oktober 2011, Az.: 3 W 86/11 (zum Bearbeitungsentgelt lt. Preisaushang) - Einordnung als Preishauptabrede: Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 2. Februar 2010 - 3 W 109/09; Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 06. Oktober 2010, Az.: 23 S 377/08; Amtsgericht Düsseldorf, Urteil vom 07. August 2012, Az.: 36 C 3722/12, Urteil vom 11. Dezember 2012, Az.: 34 C 9035/12).

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Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich jedenfalls im vorliegenden Fall bei der Vereinbarung der Bearbeitungsgebühr schon angesichts der Stellung der Klausel im Kreditvertrag um eine Preishauptabrede. Wer einen Mietvertrag über eine Wohnung unterschreibt und einfach die vom (Groß-)Vermieter computermäßig eingesetzte Miete akzeptiert, kann auch nicht hinterher mit der Begründung, es habe sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt, eine Inhaltskontrolle der Mietpreisabrede verlangen. Es handelt sich nicht um fixe Nebenkosten wie die im Preis- und Leistungsverzeichnis genannten Kosten, sondern um eine Gebühr, deren Höhe von der unstreitig individuell ausgehandelten Kredithöhe abhängt. Die Gebühr ist auch in ihrer Höhe konkret genannt, daher ist die Abrede transparent. Die Klägerin hätte den Kreditvertrag nicht abschließen brauchen, wenn sie mit der Vereinbarung einer Bearbeitungsgebühr nicht einverstanden war.

18

Selbst wenn man aber die Klausel für eine Preisnebenabrede und damit für eine Allgemeine Geschäftsbedingung halten würde, ist nicht ersichtlich, warum sie unzulässig sein solle. Die Klägerin trägt hierzu bezeichnenderweise auch gar nichts vor. Insbesondere ist kein Verstoß gegen § 307 BGB zu erkennen. Im Gegenteil ergibt sich aus § 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 und Nr. 4 BGB, dass der Darlehensgeber vom Darlehensnehmer neben Zinsen auch „sonstige Kosten des Darlehens“ verlangen kann.

19

Unerheblich ist der Verweis auf die Urteile anderer Gerichte, beispielsweise der nicht näher ausgeführte Hinweis der Klägerin in ihrem vorgerichtlichem Schreiben vom 23. Oktober 2012, dass die Unzulässigkeit der Abrede „bereits von mehreren Oberlandesgerichten entschieden“ worden sei. Die Bezugnahme auf Gerichtsentscheidungen ersetzt keine eigene Argumentation (es sei denn, es liege eine ständige Rechtsprechung vor, die bereits zum Gewohnheits- oder Richterrecht erstarkt ist). Eine Entscheidung der BGH zu der hier interessierenden Problematik liegt, soweit erkennbar, bislang nicht vor, allerdings soll unter dem Az. XI ZR 170/13 ein Revisionsverfahren anhängig sein. Die Tendenz der Rechtssprechung des BGH geht jedenfalls dahin, Klauseln wie die streitgegenständliche für zulässig zu halten:

20

Das Urteil des BGH vom 5. April 2011 (Az. XI ZR 201/09, zitiert nach juris) setzt die Zulässigkeit einer Abrede über eine Bearbeitungsgebühr gerade voraus, da der BGH dort entschieden hat, dass die Verjährungsvorschrift des § 497 Abs. 3 Satz 3 BGB sich auch auf Bearbeitungsgebühren bezieht. Mit Urteil vom 7. Dezember 2010 (Az. XI ZR 3/10) hat der BGH entschieden, dass die Tatsache, dass für die Inanspruchnahme des Darlehens Zinsen zu entrichten sind, es nicht unmöglich macht, in der Abschlussgebühr ein zusätzliches (Teil-)Entgelt für die Kreditgewährung zu sehen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass der Klauselverwender in der konkreten Ausgestaltung seines Preisgefüges grundsätzlich frei ist, also das Entgelt für seine Leistung auch in mehrere Preisbestandteile aufteilen kann (BGH, Urteile vom 19. November 1991, Az. X ZR 63/90, vom 14. Oktober 1997, Az. XI ZR 167/96, und vom 8. Oktober 1998, Az. III ZR 278/97, alle zitiert nach juris).

21

In der untergerichtlichen Rechtsprechung wird die Vereinbarung derartiger Klauseln überwiegend für unzulässig gehalten (LG Bonn, Urteil vom 16. April 2013, Az. 8 S 293/12; AG Bonn, Urteil vom 5. April 2013, Az. 105 C 8/13, AG Mönchengladbach, Urteil vom 20. März 2013, Az. 36 C 25/13, AG Mannheim, Urteil vom 1. Februar 2013, Az. 3 C 465/12, AG Schorndorf, Urteil vom 24. Oktober 2012, Az. 2 C 388/12, AG Offenbach, Urteil vom 4. Juli 2012, Az. 380 C 33/12, LG Itzehoe, Urteil vom 3. November 2011, Az. 7 O 292/10, alle zitiert nach juris). Überzeugen vermag dies freilich nicht. Das Gericht folgt insoweit der Gegenansicht des AG Düsseldorf (Urteile vom 28. März 2013, Az. 51 C 12659/12, vom 11. Dezember 2012, Az. 34 C 9035/12 und vom 28. August 2012, Az. 36 C 3722/12, alle zitiert nach juris). Allein schon der völlig zutreffende Hinweis im Urteil vom 28. März 2013 auf § 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 BGB widerlegt die (wohl herrschende) Gegenansicht, denn die genannte Vorschrift zeigt, dass nach dem Leitbild des Gesetzes der Verbraucher neben den Zinsen durchaus noch weitere „sonstige Kosten“ zu tragen hat. Im Interesse eines großzügigen Verbraucherschutzes mag man durchaus Bearbeitungsgebühren bei Verbraucherkreditverträgen für nicht wünschenswert halten. Diese Entscheidung obliegt aber dem Gesetzgeber.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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