Beschluss vom Amtsgericht Hamm - XVI 41/05
Tenor
Die Anerkennung der Adoptionsentscheidung des Subordinate Court of the First Class zu Holden, Bezirk Lusaka/Sambia undatiert, etwa aus März 2004 wird kostenpflichtig abgelehnt.
1
G r ü n d e
2I.
3Das Mädchen A wurde in Sambia als einziges Kind seiner Eltern geboren. Seine Eltern sind im Jahre 1993 verstorben, das Kind wuchs bei einer Verwandten auf, die auch eine vormundschaftsartige Stellung hat. Dort lebt es noch heute und besucht die Schule.
4Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben die Cousine des leiblichen Vaters des Kindes. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet und hat auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie lebt seit vielen Jahren in Deutschland, hat zu Lebzeiten des Kindes jedenfalls nie in Sambia gelebt.
5II.
6Die Antragstellerin trägt vor, seit dem Tode der Eltern von Deutschland aus das Schicksal des Kindes A verfolgt zu haben. Sie sei einige Male nach Sambia gereist. A sei erstmalig im Jahre 2001 für vier Wochen bei ihr in Deutschland zu Besuch gewesen. Hierbei sei ihr der Gedanke an eine Adoption gekommen. Der Kontakt mit dem Kind habe sich seitdem durch Briefe, Telefonate und dergleichen intensiviert. Im Jahre 2002 habe sie sich zur Adoption entschlossen und die Adoption bei dem sambischen Gericht beantragt, das Verfahren habe sich zwei Jahre lang hingezogen. Im Jahre 2004 sei das Kind noch einmal für vier Wochen bei ihr in Deutschland gewesen. Es habe dem Kind hier stets sehr gut gefallen.
7III.
8Nach dem maßgeblichen Recht der Republik Sambia richtet sich eine Adoption nach dem "Adoption of Children-Act Nr. 5/1956". Das zuständige Gericht erlässt eine sog. "adoption order". Nach sambischem Recht muss die Adoption u. a. dem Wohl des Kindes unter Berücksichtigung von dessen Alter und Verständnis entsprechen. Weiter muss ein sambischer Konsularbeamter oder eine vertrauenswürdige dritte Person den/die Antragsteller für geeignet erachten, für das Kind zu sorgen.
9IV.
10Das im Tenor genannte Gericht hat die Adoption ausgesprochen. Sowohl das Kind als auch die Vormünderin haben in die Adoption eingewilligt. Ein Guardian ad Litem (Juvenile Inspector), der dem Kind offenbar als Interessenvertreter zur Seite stand, bejahte die Wahrung des Kindeswohls.
11V.
12Die Antragstellerin beantragt die Anerkennung dieser Auslandsadoption nach § 2 des Adoptionswirkungsgesetzes.
13Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen hat Stellung genommen und Bedenken geäußert.
14VI.
15Das Adoptionsurteil des Gerichtes in Sambia ist nicht anerkennungsfähig.
161.
17Die Republik Sambia ist dem Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption nicht beigetreten.
18Die Anerkennungsfähigkeit der sambischen Entscheidung richtet sich daher nach § 16 a FGG. Nach dieser Vorschrift ist eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, wenn nicht einer der in dieser Vorschrift genannten Ausschlussgründe vorliegt. Insbesondere ist nach § 16 a Abs. 4 FGG die Anerkennung dann ausgeschlossen, wenn die Anerkennung dieser Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts ("ordre public") offensichtlich unvereinbar ist.
192.
20Zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Adoptionsrechtes gehört die Prüfung, ob die Adoption dem Wohl des Kindes entspricht. Hierzu gehört nicht nur die Prüfung der aktuellen Lebensumstände des zu adoptierenden Kindes, sondern auch die Prüfung der Eignung der Adoptionsbewerber als Adoptiveltern, also eine Überprüfung der Bewerber hinsichtlich ihrer rechtlichen Befähigung und ihrer Eignung zur Übernahme der mit einer internationalen Adoption verbundenen Verantwortung sowie als weitere Kriterien die persönlichen und familiären Umstände der Bewerber, ihren Gesundheitsstatus, ihr soziales Umfeld und ihre Beweggründe für die Bewerbung. Die Prüfung muss die Lebensumstände der Bewerber daher nahezu vollständig umfassen. Eine brauchbare Eignungsprüfung in diesem Sinne kann daher sinnvoller Weise nicht im Lande des Adoptionsausspruchs erfolgen, sondern nur in dem Land, in dem die Bewerber leben, und zwar durch die dort zuständigen Fachdienststellen. Diese Eignungsüberprüfung ist sozusagen das Herzstück des Adoptionsverfahrens, durch welches sichergestellt wird, dass die Adoption nur für solche Eltern in Betracht kommt, die nach aller Voraussicht in der Lage sind, einem Kind eine tragfähige Zukunftsperspektive zu bieten.
21Das gesamte weitere Lebensschicksal des Kindes hängt von dieser Frage ab. Es kann diesem Punkt daher nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet werden.
22Daher werden beabsichtigte Auslandsadoptionen von in Deutschland lebenden adoptionswilligen Personen auch durchweg unter Einschaltung von Adoptionsvermittlungsstellen durchgeführt, wobei für die Erstellung eines Eignungsberichts durch die örtlichen Jugendämter – worauf ein Anspruch nach § 7 Abs. 3 AdVermiG besteht – und deren Übermittlung an die ausländischen Adoptionsgerichte Sorge getragen wird.
23Dies alles gilt im Übrigen auch für Verwandtenadoptionen, da auch hier ein neues Eltern-Kind-Verhältnis hergestellt werden soll. Ausnahmen von dieser Betrachtungsweise kommen allenfalls bei Stiefkindadoptionen oder dann in Betracht, wenn die Verwandten mit dem Kind bereits längere Zeit zusammengelebt haben und ein Eltern-Kind-Verhältnis daher schon entstanden ist. Dies ist hier aber nicht der Fall.
243.
25Eine solche Eignungsprüfung hat vor der Adoptionsentscheidung des sambischen Gerichts nicht stattgefunden. Es sind im Wesentlichen lediglich Feststellungen zu Größe und Ausstattung der Wohnung und zum Einkommen der Antragstellerin gemacht worden, die der sambische Juvenile Inspector offensichtlich von der Antragstellerin erfragt hat.
26Im Rahmen der Kindeswohlprüfung hat der Juvenile Inspector nicht diskutiert, dass das zum Entscheidungszeitpunkt immerhin knapp 12 Jahre alte Kind mit der Adoption aus Afrika herausgenommen und in einen völlig fremden Kulturkreis verbracht werden würde.
274.
28Hat eine derartige fachlich fundierte Prüfung nicht stattgefunden, so begründet dies Zweifel an der Vereinbarkeit der ausländischen Adoptionsentscheidung mit dem deutschen ordre public, die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens der Aufklärung bedürfen. Die im Herkunftsland vollzogene Adoption kann in einem solchen Fall nur anerkannt werden, wenn sie nach eingehender Prüfung im Ergebnis nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Adoptionsrechts verstößt (vgl. dazu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines "Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der Internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts", BT-Drucksache 14/6011 – Seite 28/29 -).
29a.
30In dieser Stellungnahme des Gesetzgebers, die u. a. zum Erlass des Adoptionswirkungsgesetzes führte, wird deutlich, dass er sich den Grundsatz zueigen gemacht hat, dass unkontrollierte Privatadoptionen ohne fachliche Begutachtung der Bewerber durch eine zuständige Stelle im Aufnahmestaat ausscheiden. Ein Bewerber soll gerade nicht die Möglichkeit bekommen, im Ausland eine Privatadoption durchzuführen, sich dabei der Eignungsprüfung durch eine inländische Fachstelle entzieht und diese Adoption dann in Deutschland anerkennen lässt. Das wäre im Übrigen auch eine grob unbillige Benachteiligung von Bewerbern, die das ordnungsgemäße internationale Vermittlungsverfahren mit dem damit verbundenen persönlichen Aufwand durchlaufen.
31b.
32Auf eine solche Eignungsprüfung kann auch nicht in solchen Fällen verzichtet werden, in denen das ausländische Recht eine solche Eignungsprüfung gesetzlich nicht vorschreibt. Nach dem genannten Recht Sambias reicht es offensichtlich aus, wenn ein sambischer Konsularbeamter oder eine vertrauenswürdige dritte Person – hier offenbar in Person des Juvenile Inspector – eine Stellungnahme abgibt, in der er sich auf Äußerlichkeiten wie Wohnung und Einkommen beschränkt. Nach sambischen Vorstellungen mag dies eventuell sogar genügen, um einer in dieser Form überprüften Person ein Kind anzuvertrauen, da das Kind im Vergleich zu seiner bisherigen Situation in wirtschaftlicher Hinsicht und in Hinsicht auf seine Zukunftschancen besser da zustehen scheint, zumal es sich im vorliegenden Fall um eine Verwandtenadoption handelt. Wegen des zukünftigen Aufenthaltes des Kindes in Deutschland ist allerdings nicht auf die sambischen, sondern auf die deutschen Vorstellungen über Fragen des Kindeswohls abzustellen (vgl. Keidel-Kuntze-Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, § 16 a Rdz. 8).
33c.
34Die fehlende Eignungsprüfung kann auch nicht nachgeholt werden, etwa indem in Deutschland das örtliche Jugendamt eingeschaltet und eine gutachtliche Stellungnahme zu dieser Frage eingeholt würde, womit die ausländische Entscheidung sozusagen "anerkennungsfähig" gemacht würde.
35Eine solche Nachholung ist vom Gesetzgeber sicher nicht gewollt gewesen sein, da der Gesetzgeber mit dem Anerkennungsverfahren eine vereinfachte Möglichkeit schaffen wollte, ausländischen Entscheidungen in Deutschland zu rechtlicher Wirkung zu verhelfen (vgl. die bereits zitierte Regierungsbegründung BT-Drucksache 14/6011 Seite 32: "Eine umfassende Nachprüfung der ausländischen Adoption unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls vorzusehen, würde das Verfahren in die Nähe der Wiederholungsadoption rücken"). Gerade deshalb hat der Gesetzgeber die Beteiligung des Jugendamtes an dem eher förmlichen Verfahren nach dem Adoptionswirkungsgesetz nicht vorgesehen.
365.
37§ 16 a Abs. 4 FGG ist daher so auszulegen, dass eine Auslandsadoption mit der Zielrichtung zu beurteilen ist, ob die Anerkennung der Adoption "im Ergebnis" – also in ihrer praktischen Erscheinungsform in Deutschland – gegen den deutschen "ordre public" verstößt oder nicht (vgl. BGHZ 118, 312, 331 zu § 328 ZPO; BGH FamRZ 2004, S. 1952, 1955 zu Art. 6 EGBGB).
38Das Erscheinungsbild der Auslandsadoption würde daher so aussehen, dass A nach Deutschland kommen und hier bei der Antragstellerin leben müsste, ohne dass auch nur in Ansätzen eine Eignungsprüfung der Antragstellerin stattgefunden hätte: eine Situation, die in Deutschland nie entstehen könnte, da eine Adoption ohne diese mit fundamentaler Bedeutung ausgestattete Eignungsprüfung undenkbar ist, damit also eine Situation, die mit grundlegenden Vorstellungen des deutschen Rechts nicht in Einklang zu bringen ist und damit gegen den "ordre public" verstößt.
39b.
40Hinzu kommt, dass das Kind in Sambia geboren und aufgewachsen, der afrikanischen Kultur also verhaftet ist. Es ist dort zur Schule gegangen und lebt bis heute in einem intakten Familienverbund, zwar bei einer Verwandten, aber in geregeltem Umfeld. Mittlerweile ist A 13, bald 14 Jahre alt. Ferner ist davon auszugehen, dass das Kind die Antragstellerin nur aus Besuchen oder Telefonaten kennt. Die Antragstellerin lebte schon vor der Geburt des Kindes in Deutschland. Das Kind würde aus seinem afrikanischen Kulturkreis herausgelöst und in eine für ihn völlig fremde Welt geraten. Es würde zwar bei der Antragstellerin leben, die ihr aber – anders als die Verwandten in Sambia – im Grunde doch fremd ist. Die Herstellung eines Mutter-Kind-Verhältnisses ist nicht ohne Weiteres zu erwarten. Das Kind spricht kein Wort deutsch. Es handelt sich mithin um einen einschneidenden Eingriff in das Leben des Kindes und kann nicht zu seinem Wohle sein. Auch die Erwägungen der Antragstellerin, dass das Kind in Deutschland weiter die Schule besuchen und danach eventuell eine Ausbildung machen könne, ändern am Ergebnis nichts. Diese Erwägungen können kein Kindeswohl begründen. Denn eine solche Motivation der Adoption läuft offensichtlich darauf hinaus, dem Kind eine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland zu verschaffen, was dem "ordre public" zuwiderläuft.
416.
42Die Anerkennung der sambischen Entscheidung würde daher zu einem Ergebnis führen, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes offensichtlich unvereinbar ist.
43Die Adoption kann daher nicht anerkannt werden.
447.
45Das Gericht stellt hiermit ausdrücklich klar, dass durch diese Entscheidung die Frage, ob die Antragstellerin als Adoptivmutter geeignet ist, nicht negativ beschieden wird. Die Eignungsprüfung durch das zuständige Jugendamt mag durchaus zu positiven Ergebnissen führen. Die Anerkennung scheitert allein an der vom ausländischen Gericht nicht eingeholten bzw. von der Antragstellerin dem ausländischen Gericht nicht unterbreiteten Eignungsprüfung, ohne die eine im Ausland vorgenommene Adoption nur in Ausnahmefällen anerkannt werden kann.
46Die Antragstellerin ist darauf zu verweisen, dass eine Adoption möglicherweise als Erstadoption in Frage kommt, zumal sie in ihrer Anhörung davon sprach, dass ihr Ehemann das Kind ohnehin noch adoptieren wollte. Hierzu sollte sie sich beim örtlichen Jugendamt beraten lassen.
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