Beschluss vom Amtsgericht Hamm - XVI 44/05
Tenor
1.
dass die durch Urteil des Amtsgerichts Ünye/Türkei vom 11.11.2004
Nr. 2004/847 ausgesprochene Annahme des Kindes Z E
durch die Eheleute O und S E als deren gemeinsames Kind anzuerkennen ist,
2.
dass durch diese Annahme das Eltern-Kind-Verhältnis zwischen Z und ihren leiblichen Eltern erloschen ist,
3.
dass sich die Wirkungen der Annahme nach den deutschen Sachvorschriften bestimmen.
1
Gründe:
2I.
3Durch die vorgelegten Unterlagen, die Anhörung der Eheleute E, den eingeholten Bericht des Jugendamtes Gelsenkirchen und die sonstigen Ermittlungen ist zur Überzeugung des Gerichts folgender Sachverhalt erwiesen:
41. Der ursprüngliche Name des Kindes war Z G. Ihre leibliche Mutter ist die
5am 01.04.1979 in Ünye geborene S G. Diese war zurzeit der Geburt des
6Kindes mit ihrem Ehemann A G verheiratet, mit dem sie zwei gemeinsame
7Kinder hat. A G galt daher rechtlich als Vater auch des Kindes Z.
8Die Kindesmutter hatte jedoch im Jahre 2003 eine sexuelle Beziehung zu einem gewissen I unterhalten, welcher mit an Sicherheit grenzender
9Wahrscheinlichkeit Zs biologischer Vater ist.
102. Während der Schwangerschaft mit Z tötete die Kindesmutter ihren
11zeitweisen Partner I. Sie wurde deshalb durch Urteil des
12Schwurgerichts Ünye vom 01.06.2004 Nr. 2004/79 wegen geplanten Totschlags mit einer Waffe zu einer offenbar langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die sie zurzeit verbüßt. In diesem Strafverfahren wurde ein Gutachten über die Abstammung des Kindes Z eingeholt, das bezüglich I eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,9 % ergab.
133. Die Eheleute E haben am 08.11.1990 vor dem türkischen Generalkonsulat in Münster geheiratet (Heiratsakte 1990 / 318 – 315). Herr E ist in erster Ehe geschieden und hat aus dieser Ehe den am 05.03.1971 geborenen Sohn M E. Frau E war ledig und kinderlos. Der Ehemann lebt seit 1974, die Ehefrau (wie auch deren Herkunftsfamilie) seit 1979 in Deutschland. 1996 erwarben die Eheleute die deutsche Staatsangehörigkeit und wurden aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen.
144. Der Wunsch der Eheleute E nach einem gemeinsamen leiblichen Kind blieb unerfüllt. Beide bemühten sich - zunächst vergeblich – um die Adoption eines türkischen Kindes. Durch Frau H2, die mit Z Mutter verwandt und mit Frau E befreundet ist, erfuhren sie von Z und der Absicht der leiblichen Mutter und deren Ehemannes, das Kind zur Adoption freizugeben. Sie lernten Z kennen und beantragten unter dem 24.09.2004 durch einen türkischen Rechtsanwalt die Adoption.
155. Mit Urteil vom 11.11.2004, rechtskräftig seit 31.12.2004, entsprach das Amtsgericht Ünye dem Adoptionsantrag. In der Begründung der Entscheidung wird insbesondere aufgrund des beigezogenen schwurgerichtlichen Urteils gegen die Kindesmutter der unter Vorziffer 1-2 wiedergegebene Sachverhalt festgestellt, ferner das Einverständnis der Kindesmutter sowie ihres (wohl weiterhin als Vater des Kindes im Rechtssinne geltenden) Ehemannes. Schließlich geht das Urteil auf Grund der Angaben in der Antragsschrift sowie der Angaben der leiblichen Eltern und einer Zeugenaussage davon aus, Z lebe seit ihrer Geburt bei den Eheleuten E, als deren Wohnsitz im Urteilseingang Ünye angegeben ist.
166. Die letztere Feststellung ist weitgehend unzutreffend. Die Eheleute haben im vorliegenden Verfahren eingeräumt, dass sie auch in dem Zeitraum ab 08.11.2003 ganz überwiegend in Gelsenkirchen gelebt haben, während das Kind bei Frau H2, der Freundin der Frau E untergebracht war, und dass ein unmittelbares Zusammenleben mit dem Kind nur stattfand, wenn die Eheleute E sich mehrmals im Jahr für einige Wochen in der Türkei aufhielten. Inzwischen wohnt Z bei Verwandten des Herrn E, da Frau H2 zur Fortsetzung der Betreuung nicht mehr bereit war.
177. Mit Erklärung vom 28.07.2005 hat die leibliche Mutter bestätigt, die Adoption des Kindes durch die Eheleute E weiterhin zu wünschen, und keinerlei Kontakt zu ihrer Tochter anzustreben.
188. Die Eheleute möchten Z weiterhin sobald wie möglich zu sich nehmen. Als Voraussetzung für die Genehmigung der Einreise des Kindes beantragt die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren die Feststellung, dass die Auslandsadoption anzuerkennen ist.
199. Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen erachtet die Adoption für nicht anerkennungsfähig, da das türkische Adoptionsgericht von einem falschen Tatsachenvortrag ausgegangen und nicht erkennbar sei, dass das Kindeswohl gleichwohl die Anerkennung gebiete.
20II.
21Gemäß § 2 des Adoptionswirkungsgesetzes (AdWirkG) sind die aus der Beschlussformel ersichtlichen Feststellungen zu treffen.
221. Es ist von einer zwar mit Mängeln behafteten, jedoch nach dem türkischen Recht gleichwohl wirksamen Adoption auszugehen.
23- DDas türkische Adoptionsrecht ist in den Art. 305 ff. des Zivilgesetzbuches
(ZGB) geregelt. Danach erfolgt die Adoption durch eine gerichtliche Entscheidung. Zuständig ist das Gericht am Wohnort der Adoptierenden. Haben die Adoptionsbewerber keinen Wohnsitz in der Türkei, lässt die türkische Praxis die Adoption durch ein anderes sachnahes türkisches Gericht zu. Voraussetzungen für die Adoption eines minderjährigen Kindes sind u. a., dass die Adoption dem Wohle des Kindes dient und dass das Kind zuvor ein Jahr lang die Pflege und Erziehung des Adoptierenden genossen hat. Zurzeit des hier in Rede stehenden Adoption galt in der Türkei ferner bereits das Haager Adoptionsübereinkommen vom 25.05.1993 (HAÜ). Das türkische Internationale Privatrecht ist in dem Gesetz Nr. 2675 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht (im Folgenden als IPrG abgekürzt) geregelt. Danach ist bezüglich der Adoptionsfähigkeit und der Adoptionsvoraussetzungen das jeweilige Heimatrecht der Beteiligten anzuwenden, Art. 18 Abs. 1. Die Wirkung einer Adoption durch Eheleute richten sich nach dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören, Art. 18 Abs. 2, 12 Abs. 2 Satz 1 IPrG.
25Die hier zu beurteilende Adoptionsentscheidung geht ausweislich ihrer Begründung aufgrund unrichtigen Vortrages von einem nicht der Wirklichkeit entsprechendem Sachverhalt aus, vgl. Vorziff. I 6. Bei Kenntnis des wirklichen Sachverhaltes hätte die Adoption jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht ausgesprochen werden dürfen. Denn die Adoptionsbewerber hatten das Kind noch nicht ein Jahr lang persönlich betreut. Ferner wären die in Art. 5, 17 HAÜ vorgesehenen Stellungsnahmen der deutschen Jugendbehörden erforderlich gewesen, da es sich im eine Auslandsadoption handelte, was dem Adoptionsgericht aufgrund des teils falschen, teils unvollständigen Vortrages offensichtlich verborgen geblieben war. Auch ist eine Prüfung nach deutschem Recht unterblieben, vermutlich deshalb, weil dem Gericht die deutsche Staatsangehörigkeit der Eheleute unbekannt gewesen sein dürfte. Schließlich ist die Prüfung des Kindeswohls auf der Grundlage eines teilweise unzutreffenden und jedenfalls unvollständigen Sachverhalts erfolgt.
26Indessen führen auch schwerwiegende Mängel einer Gerichtsentscheidung regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit oder - soweit vorgesehen – zur Aufhebbarkeit, nicht zur Nichtigkeit. Dieser allgemeine Grundsatz ist für das türkische Recht auch den Art. 317, 318 ZGB zu entnehmen. Die Adoption ist also nach dem türkischen Recht wirksam.
272. Nach Auffassung des Gerichtes ist die Adoption auch anzuerkennen.
28Da die Adoption in einem Vertragsstaat des HAÜ ausgesprochen wurde, könnte die Anerkennung nur versagt werden, wenn die Adoption der deutschen öffentlichen Ordnung (auch) bei Berücksichtigung des Kindeswohls offensichtlich widersprechen würde, Art. 24 HAÜ; dass diese Vorschrift nur bei Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 23 anzuwenden wäre, vermag das Gericht weder dem Wortlaut noch dem Sinn des Abkommens zu entnehmen. Im Übrigen macht es hier für das Ergebnis auch keinen Unterschied, wenn man die Anerkennungsfähigkeit nach § 16 a FGG beurteilen würde. Denn Anerkennungshindernisse nach Ziff. 1 - 3 dieser Vorschrift bestehen nicht, so dass als Versagungsgrund ebenfalls nur eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes (Ziff. 4 der Vorschrift) in Betracht zu ziehen wäre.
29Wie ausgeführt, krankte das Adoptionsverfahren daran, dass das Amtsgericht Ünye aufgrund falschen Tatsachenvortrages von der Einhaltung des Pflegejahres ausgegangen ist, nicht erkannt hat, dass es sich um eine Auslandsadoption handelte und daher die Voraussetzungen der Art. 5, 17 HAÜ nicht beachtet hat, und der Prüfung des Kinderwohls einen teilweise unzutreffenden und unvollständigen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat. Die Einhaltung eines Pflegejahres kann jedoch schon deshalb nicht zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Adoptionsrechts gezählt werden, weil das deutsche Recht - im Unterschied zu Art. 305 ZGB – ein solches Pflegejahr nicht zwingend, sondern nur als Regelvoraussetzung vorsieht. Schwerer wiegt, dass einmal die türkische Adoptionsentscheidung durch falschen Sachvortrag erwirkt wurde, zum anderen die Prüfung des Kindeswohls auf der Grundlage eines teilweise unzutreffenden und unvollständigen Sachverhaltes erfolgt ist.
30c)
31Indessen stellen Art. 24 HAÜ und § 16 a Nr. 4 FGG auf das Ergebnis, also das geschaffene Adoptionsverhältnis, ab, nicht auf eine revisionsähnliche Überprüfung der ausländischen Entscheidung und des ihr zugrunde liegenden Verfahrens. Auch eine mit rechtlichen Mängeln behaftete Adoption ist also dann anzuerkennen, wenn das geschaffene Adoptionsverhältnis im Ergebnis dem Kindeswohl entspricht, und auch mit den übrigen grundlegenden Prinzipien des deutschen Rechtes, insbesondere der Respektierung der Rechte der leiblichen Eltern, vereinbar ist, wobei es auf den Sachstand zurzeit der Entscheidung über die Anerkennung ankommt.
32d)
33Abweichend von der Wertung der Bundeszentralstelle ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die Adoption dem Wohle des Kindes entspricht.
34Z war ein Kind ohne elterliche Fürsorge. Die leibliche Mutter ist wegen ihrer Inhaftierung gehindert und im Übrigen ausweislich ihrer wiederholten Erklärungen auch nicht bereit, Z zu betreuen. Ihr Vater im Rechtssinne ist mangels biologischer Vaterschaft nicht bereit, die Betreuung und Erziehung dieses Kindes zu übernehmen. Der mutmaßliche leibliche Vater ist verstorben. Die Großfamilien sind - wohl auf Grund der außerehelichen Zeugung des Kindes und des von der Mutter verübten Verbrechens – an einer Betreuung des Kindes offensichtlich nicht interessiert. Die Beziehung zu Frau H2 war ein von vornherein nur als vorübergehend gedachtes Pflegeverhältnis, das mittlerweile auch beendet ist. Die derzeitige Unterbringung des Kindes bei Verwandten des Herrn E ist ebenfalls ein Provisorium.
35Demgegenüber sind die Eheleute E ausweislich des Ergebnisses ihrer Anhörung und des Berichtes des Jugendamtes von dem lebhaften Wunsch erfüllt, Z zu sich zu nehmen, zu betreuen und als ihr Kind zu erziehen. Sie leben in einer langjährigen und offenbar stabilen Ehe und haben sich auf die Elternrolle vorbereitet. Dass der Ehemann bereits in fortgeschrittenem Lebensalter steht, hält das Gericht für nicht allzu bedenklich, da die Ehefrau mit 43 Jahren noch in einem Alter ist, in dem auch biologische Mutterschaft zu einem Kleinkind nicht ungewöhnlich ist. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind zwar eingeschränkt, aber als ausreichend zu beurteilen. Demgemäß ist die Adoptionseignung der Eheleute auch vom Jugendamt Bochum bejaht worden. Eine persönliche Beziehung ist durch längere Besuche bereits entstanden. Die Übersiedlung in ein anderes Land ist bei dem jetzigen Lebensalter des Kindes nicht problematisch.
36Daher spricht alles dafür, dass die Eheleute E dem Kind die von ihm benötigte familiäre Geborgenheit geben werden, wofür die eine anderweitige Alternative nicht ersichtlich ist. Ein Widerspruch des Adoptionsverhältnisses als solchem zu sonstigen Grundprinzipien des deutschen Rechtes, insbesondere zur Respektierung der Rechte der leiblichen Eltern, besteht auch nicht. Da das Ergebnis der Adoption also keinem Grundprinzip des deutschen Rechtes widerspricht, ist der Adoption trotz der bedenklichen Weise ihres Zustandekommens die Anerkennung nicht zu versagen.
373. Wie unter Ziff. 1 a bereits ausgeführt wurde, bestimmen sich die Wirkungen der Adoption gemäß Art. 18 Abs. 2, 12 Abs. 2 Satz 2 IPrG nach dem Recht Deutschlands, da beide Ehegatten bereits zurzeit der Adoption ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit waren; das deutsche internationale Privatrecht enthält auch keine Rückverweisung auf das türkische Recht (Art. 22 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).
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