Beschluss vom Amtsgericht Hamm - XVI 181/08
Tenor
Die Anerkennung der Adoptionsentscheidung des High Court des Bundesstaa-tes Lagos zu Lagos/Nigeria vom 21.05.08 bezüglich des Kindes A wird abgelehnt.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Antragsteller hat das Kind durch die im Tenor genannte gerichtliche Entscheidung in Nigeria adoptiert. Es handelt sich um das leibliche Kind seiner Ehefrau C.
4Im vorliegenden Verfahren beantragt er die Anerkennung dieser Adoption und die Feststellung ihrer Wirkungen nach dem Adoptionswirkungsgesetz.
5Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen wurde gehört. Sie äußerte Bedenken in mehrfacher Hinsicht.
6II.
7Der Name des Kindes war früher D. Darüber liegt eine am 8.6.07 ausgestellte chinesische Geburtsurkunde vor, wonach das Kind am 29.5.09 als Kind der nigerianischen Staatsangehörigen U (Mutter) und V (Vater) geboren wurde. Der Geburtsort ist lediglich in chinesischer Sprache angegeben, eine Übersetzung liegt nicht vor. Nach dem Vorbringen des Antragstellers sei das Kind in Peking geboren.
8Die eigentliche gerichtliche Adoptionsentscheidung liegt nicht vor. Der Antragsteller hat eine Adoptionsurkunde ("Adoption Certificate") vorgelegt, in der die Adoption festgestellt wird, wobei der Name des Kindes mit Frederick C genannt wird. Nach Angaben des Antragstellers handele es sich hierbei um von ihm und seiner Frau ausgewählte Vornamen.
9Nach der Adoption in Nigeria wurde vom Standesamt in Lagos am 6.10.08 eine neue Geburtsurkunde mit den im Urteilskopf genannten Personalien des Kindes (Vorname Fredrick), Geburtsort Lagos, erstellt, in der neben der Mutter B nun der Antragsteller als Vater eingetragen ist, in der der weitere Vorname "E" aber nicht erwähnt ist.
10.
11Der Antragsteller hat die Mutter des Kindes, nämlich Frau U am 8.5.08 in Lagos geheiratet. Dadurch trägt die Ehefrau auch den Familiennamen B.
12Der leibliche Vater des Kindes hatte mit der Kindesmutter eine Zeitlang in China zusammengelebt. Sie trennten sich nach der Geburt des Kindes. Sein heutiger Aufenthalt ist unbekannt.
13Die Ehefrau des Antragstellers und auch das adoptierte Kind leben – wie schon vor der Eheschließung – weiterhin in der Volksrepublik China.
14III.
15Der Antragsteller hatte vor seiner Eheschließung mit dem in Lagos lebenden Vater seiner späteren Ehefrau Handelsbeziehungen nach Nigeria unterhalten; man handelte mit gebrauchten Lkw’s. Bei dem Vater handelt es sich um eine Art Häuptling ("Chief") eines der in Nigeria lebenden Volksstämme, nämlich der Yoruba, und damit um einen einflussreichen Mann. Die Tochter des "Chiefs" lebte mit ihrem Sohn in der Volksrepublik China und war in die Geschäfte ihres Vaters eingebunden, der Lastwagen auch nach Fernost verkaufte.
16In mehreren Gesprächen zwischen dem Antragsteller und dem "Chief" kam das Gespräch dann auch auf dessen Tochter. Sowohl der "Chief" als auch der Antragsteller konnten sich eine Eheschließung vorstellen. Auch die telefonisch befragte Tochter war damit einverstanden. Es fanden dann mehrere Telefonate und auch Video-Konferenzen statt, in denen sich der Antragsteller und seine spätere Ehefrau erst- mals sahen. Die Eheschließung wurde für den 8.5.08 verabredet. Wenige Tage vorher trafen sich der Antragsteller und seine Ehefrau erstmals leibhaftig in Lagos. Die Eheschließung fand dann wie geplant in Lagos statt.
17Bei dieser Gelegenheit lernte der Antragsteller auch den Sohn seiner Ehefrau kennen, damals ein knappes Jahr alt. Dieses Kind wich ihm nach seiner Darstellung nicht von der Seite, so dass er das Kind adoptieren wollte. Schnell waren sich auch der "Chief" und die Ehefrau einig, dass das so geschehen sollte. Weil ein Bruder des "Chief" Rechtsanwalt in Lagos war und die Geschwindigkeit der Arbeit der Justiz dort offenbar zu beeinflussen in der Lage war, wurde die Adoption innerhalb von wenigen Tagen über die Bühne gebracht. Der leibliche Vater des Kindes wurde vom "Chief" irgendwo in Indien ausfindig gemacht und nach Lagos eingeflogen, so dass er sein Einverständnis mit der Adoption zum Ausdruck bringen konnte.
18Es fand auch eine Gerichtsverhandlung statt. Das Gericht sprach mit den Beteiligten und hat sich nach Angaben des Antragstellers auch mit seiner Person speziell deshalb befasst, weil es wissen wollte, ob er zur Kindererziehung auch in der Lage sei. Nachdem er – der Antragsteller – darauf hingewiesen hatte, bereits Kinder großgezogen zu haben und das auch mit zahlreichen Fotografien untermauern konnte und das Gericht dann noch die anderen Verfahrensbeteiligten, u.a. eine Frau D vom DSD (Department of Social Development), die offenbar einen Bericht gefertigt hat, angehört hatte, sprach es die Adoption am 21.5.08 sehr zeitnah aus.
19Die weitere Lebensplanung des Antragstellers ging dahin, mit seiner Ehefrau und dem Kind nach Deutschland überzusiedeln und von hier aus den Kraftfahrzeughandel mit Nigeria und auch nach Fernost weiter zu betreiben.
20Der Antragsteller hat vergeblich versucht, ein Visum für seine Ehefrau zu bekommen. Nach Angaben des Antragstellers verweigert die deutsche Botschaft in China ein Visum, weil man dort seine Ehe für eine Scheinehe hält. Daher lebt die Ehefrau und mit ihr auch das Kind nach wie vor in China.
21IV.
22Nigeria ist kein Mitgliedsstaat des Haager Übereinkommens vom 29.05.1993, so
23dass sich die Anerkennungs- und Wirkungsfeststellung nach § 16a FGG richtet.
24Nach dieser Vorschrift ist eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, wenn nicht einer der in § 16a Nr. 1 bis 4 FGG aufgeführten Ausschlussgründe vorliegt. Die Anerkennung ist nach Nr. 4 insbesondere dann ausgeschlossen, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, dem sog. "ordre public", offensichtlich unvereinbar wäre.
25Das ist vorliegend der Fall.
26Ein tragender Gesichtspunkt einer Adoption nach deutschem Recht und Rechtsverständnis ist die Ausrichtung der Entscheidung am Kindeswohl.
27Ob eine Adoption dem Kindeswohl entspricht, kann üblicherweise nur durch einen Bericht einer deutschen Fachdienststelle überprüft werden, der die Lebensumstände des Adoptivbewerbers in Deutschland, wo das Kind schließlich leben soll, erfassen und bewerten muss. Solch einen Bericht gibt es nicht.
28Das Gericht in Lagos hat sich offenbar über die Lebensverhältnisse des Antragstellers überhaupt keine näheren Gedanken gemacht. Es hat dem Umstand, dass die Ehe des Antragstellers mit seiner Ehefrau erst wenige Tage bestand und damit überhaupt noch keine tragfähige und belastbare Beziehung zwischen den Ehegatten vorlag, die üblicherweise für eine Adoption gefordert werden muss, keine Beachtung geschenkt. Es hat nicht beachtet, dass die Eheleute sich ohnehin praktisch überhaupt nicht kennen und zunächst eine Basis für ein gemeinsames Zusammenleben finden müssen, und das noch in einem Land, welches für die Ehefrau völlig neu und fremd ist, zumal sie kein Wort Deutsch spricht. Solche Umstände erfordern besonderes Engagement bei der Erziehung des Kindes und stellen eine erhebliche Herausforderung dar, was das Gericht hätte bewerten müssen.
29Eine Kindeswohlprüfung durch das nigerianische Gericht hat daher nicht in der gebotenen Weise stattgefunden. Die Gespräche mit den Beteiligten, u.a. auch mit dem "Chief", während der Gerichtsverhandlung und ein wie auch immer gearteter Bericht der Frau D erscheinen nicht als ausreichend, um als Basis für eine Kindeswohlentscheidung zu dienen. Es ist nicht erkennbar, wie sich das Gericht von der Erwartbarkeit des Entstehens eines Vater-Kind-Verhältnisses überzeugt haben könnte.
30Offenbar war der Einfluss des "Chief" im Adoptionsverfahren auch so groß, dass das nigerianische Gericht die gesetzlichen Voraussetzungen einer Adoption nach nigerianischem Recht nicht beachtet hat. Es hat die Adoption nämlich ausgesprochen, obwohl keine Pflegezeit vorangegangen war. Denn nach Abschnitt 3 Abs. 1b des Adoption Law, Cap A5 Laws of Lagos State vom 21.9.68 – wobei es sich um die Adoptionsvorschriften des Bundesstaates Lagos handelt – muss der Adoptionsbewerber das Kind mindestens drei Monate lang gepflegt haben, bevor er es adoptieren kann. Ausländische Bewerber müssen überdies einen weiteren Zeitraum abwarten, bevor – nach einem Zwischenbeschluss – über die endgültige Adoption entschieden wird (Abschnitt 7 dieses Gesetzes). Aus diesem Verzicht auf die Einhaltung nationalen Rechts erwachsen zumindest erhebliche Zweifel am gesetzmäßigen Ablauf des nigerianischen gerichtlichen Adoptionsverfahrens; offenbar hatte das Wort des "Chief" doch ein erhebliches Gewicht, anders ist auch die Verfahrensdauer von wenigen Tagen kaum erklärlich.
31Die Adoption in Nigeria verstößt damit gegen einen wesentlichen Grundsatz des deutschen Adoptionsrechts, nämlich den Grundsatz der Ausrichtung der Adoption am Kindeswohl, und ist damit nicht anerkennungsfähig.
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