Beschluss vom Amtsgericht Hamm - XVI 82/09
Tenor
Der Antrag der Antragsteller, die vom Familiengericht Usak / Türkei mit Urteil vom 07.12.07 ausgesprochene Adoption des Kindes E anzuerkennen und deren Wirkungen festzustellen, wird abgelehnt.
1
G r ü n d e
2I. Sachverhalt
3Das im Beschlusstenor genannte türkische Gericht hat am 07.12.07 die Adoption des Kindes durch die Antragsteller ausgesprochen. Merkwürdigerweise findet sich jedenfalls in der deutschen Übersetzung des türkischen Personenstandsregisters ein Eintrag vom 22.12.06, dass die Antragsteller die Eltern des Kindes sind.
4Die Antragsteller beantragen die Feststellung der Anerkennungsfähigkeit und der rechtlichen Wirkungen dieser Adoptionsentscheidung.
5Die Antragsteller sind Verwandte des Kindes. Der leibliche Vater des Kindes ist der Bruder der antragstellenden Ehefrau. Die Antragsteller sind seit 1986 verheiratet und leben seit 1988 gemeinsam in Deutschland. Sie haben sich schon vor einigen Jahren beim Jugendamt ihrer Heimatstadt nach einer Auslandsadoption erkundigt, jedoch die Auskunft erhalten, solch eine Auslandsadoption sei sehr langwierig. Sie haben daher davon Abstand genommen. Im Herbst 2005 sei dann die Schwägerin schwanger geworden. Es sei zwischen ihnen vereinbart worden, dass sie, die Antragsteller, das Kind adoptieren würden. Die leiblichen Eltern leben in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen in der Türkei, materielle Not ist also nicht der Hintergrund der Adoption, sondern allein der Umstand, dass die Antragsteller kinderlos waren und das sich ankündigende Kind bereits das vierte seiner Eltern war. Nach der Geburt ist die Antragstellerin in der Türkei geblieben und hat das Kind versorgt, während der Antragsteller nach Deutschland zurückgekehrt ist, aber danach oftmals in die Türkei reiste, um so oft wie möglich mit seiner Familie zusammen zu sein. Im Juli 2007 ist das Adoptionsverfahren beantragt worden. Ein Sozialarbeiter einer örtlichen Sozialbehörde hat Hausbesuche gemacht und einen Sozialbericht für das Gericht gefertigt. Ein Sozialbericht ist vom Gericht von einer deutschen Sozialbehörde nicht eingeholt worden.
6Ergänzend zu diesen Feststellungen teilt die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen folgendes mit:
7Im Januar 2006 (also während der Schwangerschaft der leiblichen Mutter) haben die Antragsteller beim Jugendamt des Märkischen Kreises (ihrem Heimatkreis) angekündigt, ein Kind aus der Türkei adoptieren zu wollen. Sie seien vom Jugendamt darauf hingewiesen worden, dass sie sich an eine Adoptionsvermittlungsstelle bzw. an die Zentrale Adoptionsstelle beim Landesjugendamt Münster wenden müssten. Daraufhin haben sich die Antragsteller nicht mehr gemeldet. Im Januar 2008 hat sich dann der Antragsteller erneut beim Jugendamt gemeldet und erklärt, ein Kind in der Verwandtschaft gefunden zu haben. Die Ehefrau sei schon in der Türkei und kümmere sich um dieses Kind. Dass das Adoptionsverfahren in der Türkei längst abgeschlossen war, teilte der Antragsteller nicht mit.
8Aus den Entscheidungsgründen des türkischen Urteils geht hervor, dass die Antragsteller, welche keine eigenen Kinder bekommen könnten, das Kind E seit Geburt an versorgten. Das türkische Gericht hat einen Sozialbericht in der Türkei in Auftrag gegeben und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Aus diesem Sozialbericht geht hervor, dass die Annehmenden in Deutschland leben. Dieser Umstand wird in der türkischen Gerichtsentscheidung jedoch mit keinem Wort erwähnt. Es sind auch lediglich türkische Adressen der Beteiligten angegeben. Es ergibt sich schließlich, dass die leiblichen Eltern in die Adoption eingewilligt haben.
9Im Urteil finden sich auch keine Hinweise darauf, dass die Regeln des
10Haager Adoptionsübereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Internationalen Adoption (im folgenden HAÜ) beachtet worden sind.
11II. Gründe
12Die Adoption kann nicht anerkannt werden.
13Denn das türkische Gericht hat sich contra legem nicht an die Regelungen des völkerrechtlich verbindlichen HAÜ gehalten, was im vorliegenden Fall zur Nichtanerkennungsfähigkeit führt.
14Die Türkei hat das HAÜ im Jahre 2001 gezeichnet und im Jahre 2004 ratifiziert. Im Verhältnis zu Deutschland ist das Abkommen seit dem 1. September 2004 in Kraft.
15Da also sowohl die Türkei als auch Deutschland Vertragsstaaten des HAÜ sind, hätten die Verfahrensregeln des HAÜ eingehalten werden müssen, da das Kind im Zusammenhang mit seiner Adoption seinen ständigen Aufenthalt in der Türkei nach Deutschland verlegen sollte (Artikel 2 HAÜ). Dieser Umstand war dem türkischen Gericht auch bekannt, denn der Sozialbericht der türkischen Sozialbehörde ist diesbezüglich eindeutig.
16Das türkische Gericht hat sich an die Vorschriften des HAÜ indessen nicht gehalten. Es waren die Zentralen Behörden beider Staaten nicht beteiligt. Dem zufolge liegt keine Bescheinigung nach Artikel 23 HAÜ vor, so dass eine vereinfachte Anerkennung nicht erfolgen kann.
17Die Frage der Anerkennungsfähigkeit der türkischen Entscheidung richtet sich daher nach § 16 a FGG. Nach dieser Vorschrift ist eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, wenn keiner der in dieser Vorschriften aufgeführten Ausschlussgründe vorliegt. Insbesondere ist die Anerkennung nach § 16 a Nr. 4 FGG dann ausgeschlossen, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes, insbesondere mit den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar wäre.
18Dass die Verfahrensregeln des HAÜ nicht eingehalten worden sind, begründet für sich genommen noch keinen Verstoß gegen den deutschen ordre public im Sinne des § 16 a FGG.
19Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch bei der Nichtbeteiligung der Zentralen Behörden nicht nur um einen formellen Verfahrensverstoß, sondern die Voraussetzungen der Artikel 4 und 5 HAÜ liegen auch inhaltlich (materiell) nicht vor.
20Nach dem HAÜ sind die Aufgaben in den beteiligten Staaten so verteilt, dass der Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Adoption aus der Sicht des Kindes (Art. 4 HAÜ) und der Aufnahmestaat die Elterneignung der Bewerber prüft (Art. 5 HAÜ). Beide Staaten entscheiden sodann gemeinsam über die Fortsetzung des Verfahrens, was bedeutet, dass jeder Staat das Veto des anderen Staates zu respektieren verpflichtet ist und eine Adoption in einem solchen Falle nicht ausgesprochen werden darf.
21- Auf türkischer Seite hätte gem. Artikel 4 HAÜ in Verbindung mit Artikel 7 der Kinderrechtekonvention der Vereinten Nationen ein grundsätzliches Adoptionsbedürfnis des Kindes festgestellt werden müssen. Deutschland und die Türkei sind beide Vertragsstaaten der Kinderrechtekonvention der Vereinten Nationen. In dieser Charta sind die international anerkannten Rechte des Kindes aufgeführt. Insbesondere ist in Artikel 7 dieser Charta niedergelegt, dass ein Kind, soweit möglich, das Recht hat, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden.
Ob sich das türkische Gericht mit der Adoptionsbedürftigkeit des Mädchens
23überhaupt befasst hat, ist zweifelhaft. Denn die familiären Verhältnisse in der Herkunftsfamilie sind in keiner Weise defizitär.
24Die Zentrale Behörde der Türkei jedenfalls ist am Adoptionsverfahren nicht beteiligt worden. Es ist nicht auszuschließen, dass das
25Adoptionsbedürfnis verneint worden wäre.
26- Auf deutscher Seite hätte nach Artikel 5 HAÜ die Eignung der Antragsteller als Adoptiveltern geprüft werden müssen. Dies kommt auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck, wonach eine dem ordre public genügende Kindeswohlprüfung voraussetzt, dass der Adoptionsentscheidung eine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber vorausgegangen ist, die deren Lebensumstände annähernd vollständig erfassen muss, was regelmäßig nur durch eine Fachstelle am Lebensmittelpunkt der Bewerber geleistet werden kann (vgl. Bundestagsdrucksache 14/6011, Seite 29). Hat eine derartige fachlich fundierte Prüfung nicht stattgefunden, so begründet dies Zweifel an der Vereinbarkeit der ausländischen Adoptionsentscheidung mit dem deutschen ordre public (Bundestagsdrucksache 14/6011 aaO). Da die Adoptierenden mit dem Kind in Deutschland leben wollten, dort also der Lebensmittelpunkt des Kindes sein soll, hätte die Prüfung ihrer Geeignetheit durch das türkische Gericht auch die Überprüfung ihrer Verhältnisse in Deutschland in Bezug auf die beabsichtigte Adoption beinhalten müssen. Dies hätte sinnvollerweise nur durch Einschaltung einer deutschen Fachstelle erfolgen können. Vorliegend hat das türkische Gericht jedoch keine fachliche Begutachtung der Elterneigung in Deutschland veranlasst. Auch hier ist nicht auszuschließen, dass eine solche Prüfung diese Elterneignung verneint hätte.
Das Gericht kommt damit zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die materiellen Voraussetzungen nach Artikel 4 und 5 HAÜ zu einer gemeinsamen Entscheidung nach Artikel 17 c nicht vorliegen. Damit ist also festzustellen, dass gerade dadurch, dass die Zentralen Behörden nicht beteiligt worden sind, überhaupt erst die Adoption ausgesprochen werden konnte. Eine bilaterale Prüfung der Voraussetzungen einer beabsichtigten Adoption nach den Regeln des HAÜ ist durch das eigenorganisierte Vorgehen der Antragsteller vereitelt worden. Ein solches Vorgehen soll durch das Übereinkommen, zu deren Einhaltung sich sowohl Deutschland als auch die Türkei bekannt haben, gerade verhindert werden. Im Hinblick auf obige Ausführungen bestehen hinsichtlich der Konsensfähigkeit der Adoption nach Artikel 17 Buchst. c HAÜ Bedenken, so dass bei Einbindung der zu beteiligen zentralen Stellen beider Länder eine Adoption mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zustande gekommen wäre.
28Hinzu kommt, dass die Antragsteller diese zentralen Stellen bewusst nicht eingeschaltet haben, denn ihnen war die Rechtslage durch die Information durch das Jugendamt des Märkischen Kreises sehr wohl klar, es war ihnen offenbar jedoch zu mühselig. Damit ist festzustellen, dass die Verletzung des HAÜ geradezu zur Grundlage der Adoption geworden ist.
29Die Adoption kann daher aus diesen Gründen nicht anerkannt werden (vgl. beispielsweise auch OLG Celle, FamRZ 2008, S. 1109; LG Potsdam, FamRZ 2008, S. 1108; AG Köln, FamRZ 2008, S. 1111; AG Hamm, Beschlüsse vom 20.3.08 [XVI 74/07], vom 28.3.08 [XVI 76/07] und vom 28.11.08 [XVI 51/08] sowie zahlreiche andere Entscheidungen zu dieser Frage).
30Nach alledem ist die türkische Adoptionsentscheidung nicht anerkennungsfähig.
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Referenzen
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