Beschluss vom Amtsgericht Hamm - XVI 216/08
Tenor
Der Antrag der Antragsteller, die vom 6. Amtsgericht für Zivilsachen zu Istanbul / Türkei mit Urteil vom 11.12.1996 ausgesprochene Adoption des Kindes A anzuerkennen und deren Wirkungen festzustellen, wird abgelehnt.
1
G r ü n d e
21.
3Das im Beschlusstenor genannte türkische Gericht hat am 11. Dezember 1996 die Adoption des damals 12 Jahre alten Kindes A durch den Antragsteller ausgesprochen.
4Der Gerichtsentscheidung ist zunächst zu entnehmen, dass der Annehmende nicht persönlich erschienen war, sondern sich durch einen Rechtsanwalt hat vertreten lassen (was der Antragsteller in seiner persönlichen Anhörung hier auch bestätigt hat) und dass auch das anzunehmende Kind nicht persönlich anwesend war. Allerdings waren dessen leibliche Eltern gegenwärtig, die angegeben haben, dass der Antragsteller, der der Onkel des Kindes ist, "sich gegenwärtig um den kleinen A kümmert und ihn erzieht" und dass sie der Adoption zugestimmt haben. Schließlich folgt aus dem türkischen Urteil, dass an Hand der beigezogenen Auszüge aus dem Standesregister festgestellt wurde, dass der "Kläger kinderlos verheiratet ist" und dass an Hand von Zeugenaussagen, des Strafregisterauszugs und seiner Einkommensnachweise festgestellt werden konnte, dass keine Hinderungsgründe bezüglich einer Adoption bestehen. Angesichts dieser Sachlage wurde es als "angebracht erachtet", der "Klage stattzugeben", d.h. die Adoption auszusprechen.
5Im Urteil wird mit keinem Wort erwähnt, ob eine türkische Sozial- oder Jugendbehörde beteiligt gewesen ist, die einen Sozialbericht über die Lebensumstände der Beteiligten abgegeben hat. Eine deutsche Fachdienststelle war ohnehin nicht beteiligt. Es folgt weiter aus dem Urteil nicht, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung in Deutschland hatte. Schließlich wird auch nicht erwähnt, ob sich die Ehefrau des damals verheirateten Adoptierenden mit der Adoption einverstanden erklärt hat.
6Tatsächlich lebte der Antragsteller seit 1980 in Deutschland.
72.
8Die Türkei hat das Haager Übereinkommen vom 29.5.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Internationalen Adoption (HAÜ) im Jahre 2001 gezeichnet und im Jahre 2004 ratifiziert.
9Damit kommen die Regeln des HAÜ vorliegend nicht zur Anwendung.
10Die Frage der Anerkennungsfähigkeit der türkischen Entscheidung richtet sich daher nach § 16 a FGG. Die neuen Vorschriften des FamFG, welches seit dem 1.9.09 in Kraft ist, sind noch nicht anwendbar, da nach Art. 111 des FGG-Reformgesetzes für Verfahren, die bereits vor dem 1.9.09 anhängig waren (was hier der Fall ist), die ursprünglichen Verfahrensvorschriften weiterhin gelten. Nach dieser Vorschrift also ist eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, wenn keiner der in dieser Vorschriften aufgeführten Ausschlussgründe vorliegt. Insbesondere ist die Anerkennung nach § 16 a Nr. 4 FGG dann ausgeschlossen, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes, insbesondere mit den Grundrechten (sog. "ordre public"), offensichtlich unvereinbar wäre.
113.
12Die vorliegende Adoption kann nicht anerkannt werden, weil das türkische Urteil ganz offensichtlich mit dem deutschen ordre public nicht in Einklang zu bringen ist.
13Es liegt nämlich ganz offensichtlich eine defizitäre Kindeswohlprüfung – insbesondere bezüglich der Adoptionsbedürftigkeit des Kindes als auch hinsichtlich der Elterneignung – vor, weil das türkische Gericht überhaupt keine Überprüfung der häuslichen Verhältnisse beim Kind und schon gar nicht bei dem in Deutschland lebenden Antragsteller vorgenommen hat. Außerdem leidet das Urteil an weiteren Mängeln, die ebenfalls von erheblicher Bedeutung sind.
14Die Adoption wurde nach den damals noch gültigen Adoptionsvorschriften des Zivilgesetzbuchs der Türkei vom 17.2.1926 idF vom 14.11.1990 ausgesprochen. Danach war eine Überprüfung des Kindeswohls auf der einen Seite und der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse bei dem Adoptierwilligen auf der anderen Seite vorgeschrieben. Beides hätte durch Einschaltung der örtlichen Jugendbehörden und der deutschen Sozialbehörden für den Adoptierwilligen geschehen müssen. Dass der Antragsteller in Deutschland lebte, musste dem Gericht bekannt sein, da es von seinen "Einkommensnachweisen" spricht, die von einem deutschen Arbeitgeber gewesen sein müssen. Offensichtlich spielte das für die Adoptionsentscheidung keine Rolle, da der Antragsteller noch nicht einmal persönlich bei der Gerichtsverhandlung anwesend war.
15Vorgeschrieben im Gesetz war des Weiteren, dass auch das Kind der Adoption zustimmen musste, wenn es urteilsfähig war. Das erscheint bei dem damals fast 13jährigen Kind nicht zweifelhaft. Auch das ist nicht geschehen.
16Schließlich war auch vorgeschrieben, dass die Ehefrau eines verheirateten Adoptierwilligen in die Adoption einzuwilligen hatte. Auch hierzu schweigt das Urteil.
17Diese Aspekte erreichen jeder für sich die Bedeutung eines ordre-public-Verstoßes, weil sie im deutschen Adoptionsrecht von herausragender Wichtigkeit sind.
18Nach alledem ist die türkische Adoptionsentscheidung nicht anerkennungsfähig.
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