Beschluss vom Amtsgericht Hamm - XVI 15/09
Tenor
Die Anerkennung der Adoption des Kindes P, ausgesprochen durch Entscheidung des Magistrate Court des Bundesstaates Enugu im Gerichtsbezirk Enugu zu Enugu/Nigeria vom 23.09.09, wird abgelehnt
1
G r ü n d e
2I.
3Das Kind, dessen ursprünglicher Name B2 war, ist nach Angaben der Antragsteller ein nichtehelich geborenes Kind der Frau B2, die im Jahre 2008 verstorben ist. Der Vater ist unbekannt.
4Das Kind lebt im Haushalt einer Cousine des antragstellenden Ehemannes namens B in Nigeria.
5Nach dem Tode der Mutter verblieb das Kind zunächst im Kreise weiterer Verwandter, bevor es Aufnahme im Hause der mit der Herkunftsfamilie befreundeten Frau B fand.
6Durch diese Frau B erfuhren die Antragsteller vom Schicksal des Kindes und entschlossen sich zur Adoption.
7Der antragstellende Ehemann, der bereits seit 1995 in Deutschland lebt und mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist seit dem 20.12.2001 mit seiner ebenfalls antragstellenden Ehefrau verheiratet; sie haben keine gemeinsamen Kinder.
8II.
9Die Antragsteller sind sich mit der Herkunftsfamilie zunächst über die Adoption des Kindes einig geworden und haben darüber zunächst eine gemeinsame notarielle Erklärung abgegeben. Durch das beschließende Gericht auf die Notwendigkeit einer gerichtlichen nigerianischen Adoptionsentscheidung hingewiesen, haben sie sodann ein solches gerichtliches Verfahren betrieben. Das im Beschlusstenor genannte Gericht hat die Adoption sodann wie erwähnt ausgesprochen.
10Die Gerichtsentscheidung enthält praktisch keine Begründung. Es nennt lediglich die angewandten Adoptionsvorschriften des Bundesstaates Enugu.
11Eine deutsche Adoptionsvermittlungsstelle war an dem nigerianischen Adoptionsverfahren nicht beteiligt.
12III.
13Die Antragsteller beantragen die Anerkennung dieser Auslandsadoptionen nach § 2 des Adoptionswirkungsgesetzes.
14Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen hat Stellung genommen und Bedenken geäußert.
15IV.
16Die Adoptionsentscheidung des Gerichtes in Nigeria ist nicht anerkennungsfähig.
171.
18Die Bundesrepublik Nigeria ist dem Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (HAÜ) nicht beigetreten. Die Vorschriften dieses Übereinkommens können daher nicht angewandt werden.
19Die Anerkennungsfähigkeit der nigerianischen Entscheidung richtet sich daher nach
20§ 16a FGG.
21Die neuen Vorschriften des FamFG, welches seit dem 1.9.09 in Kraft ist, sind noch nicht anwendbar, da nach Art. 111 des FGG-Reformgesetzes für Verfahren, die bereits vor dem 1.9.09 anhängig waren, die ursprünglichen Verfahrensvorschriften weiterhin gelten.
22Nach § 16a FGG ist eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, wenn nicht einer der in dieser Vorschrift genannten Ausschlussgründe vorliegt. Insbesondere ist nach § 16 a Abs. 4 FGG die Anerkennung dann ausgeschlossen, wenn die Anerkennung dieser Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts ("ordre public") offensichtlich unvereinbar ist.
232.
24Zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Adoptionsrechtes gehört die Prüfung, ob die Adoption dem Wohl des Kindes entspricht. Hierzu gehört nicht nur die Prüfung der aktuellen Lebensumstände des zu adoptierenden Kindes, sondern auch die Prüfung der Eignung der Adoptionsbewerber als Adoptiveltern, also eine Überprüfung der Bewerber hinsichtlich ihrer rechtlichen Befähigung und ihrer Eignung zur Übernahme der mit einer internationalen Adoption verbundenen Verantwortung sowie als weitere Kriterien die persönlichen und familiären Umstände der Bewerber, ihren Gesundheitsstatus, ihr soziales Umfeld und ihre C-X-Weg für die Bewerbung. Die Prüfung muss die Lebensumstände der Bewerber daher nahezu vollständig umfassen. Eine brauchbare Eignungsprüfung in diesem Sinne kann daher sinnvoller Weise nicht im Lande des Adoptionsausspruchs erfolgen, sondern nur in dem Land, in dem die Bewerber leben, und zwar durch die dort zuständigen Fachdienststellen. Diese Eignungsüberprüfung ist sozusagen das Herzstück des Adoptionsverfahrens, durch welches sichergestellt wird, dass die Adoption nur für solche Eltern in Betracht kommt, die nach aller Voraussicht in der M sind, einem Kind eine tragfähige Zukunftsperspektive zu bieten.
25Das gesamte weitere Lebensschicksal des Kindes hängt von dieser Frage ab. Es kann diesem Punkt daher nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet werden.
26Daher werden beabsichtigte Auslandsadoptionen von in Deutschland lebenden adoptionswilligen Personen auch durchweg unter Einschaltung von Adoptionsvermittlungsstellen durchgeführt, wobei für die Erstellung eines Eignungsberichts durch die örtlichen Jugendämter – worauf ein Anspruch nach § 7 Abs. 3 AdVermiG besteht - und deren Übermittlung an die ausländischen Adoptionsgerichte T2 getragen wird.
27a.
28Eine solche Eignungsprüfung hat vor der Adoptionsentscheidung des nigerianischen Gerichts jedoch nicht stattgefunden. Aus der Adoptionsentscheidung selbst ergibt sich das nicht; auch die Antragsteller haben in ihrer persönlichen Anhörung angegeben, dass ein solcher Eignungsbericht durch die deutschen Jugendbehörden nicht erstellt worden ist. Die Teilnahme der Antragsteller an einem Seminarblock für Adoptionsbewerber über ein Wochenende und ein Volkshochschullehrgang "Tagesmütter und –väter qualifizieren sich" reichen ersatzweise natürlich nicht aus.
29Im vorliegenden Fall wäre eine solche Eignungsprüfung auch deshalb besonders erforderlich gewesen, weil der Altersunterschied zwischen Antragstellern und dem Kind 47 bzw. 54 Jahre beträgt. Ferner wäre außerordentlich erörterungsbedürftig gewesen der Umstand, dass die antragstellende Ehefrau das Kind bisher überhaupt nicht persönlich kennen gelernt geschweige denn mit ihm einen längeren Zeitraum gemeinsam verbracht hat; bei der mündlichen Verhandlung vor dem nigerianischen Gericht war sie auch nicht persönlich anwesend.
30Die nach Angaben der Antragsteller stattgefundene Stellungnahme einer örtlichen Jugendbehörde kann sich auch nur auf die örtlichen Verhältnisse der Herkunftsfamilie des Kindes erstrecken, sagt jedoch nichts über die Eignung der Bewerber aus.
31b.
32Zudem ist auch nicht ersichtlich, inwieweit sich das Gericht mit der Frage des Auslandsadoptionsbedürfnis beschäftigt hat, ob das Gericht also anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten des Kindes in seiner angestammten Umgebung geprüft hat. Dem Wohl eines Kindes ist grundsätzlich am besten gedient, wenn es in seinem geografischen und kulturellen Herkunftsumfeld aufwachsen kann.
33c.
34Hat eine derartige fachlich fundierte Prüfung nicht stattgefunden, so begründet dies Zweifel an der Vereinbarkeit der ausländischen Adoptionsentscheidung mit dem deutschen ordre public, die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens der Aufklärung bedürfen. Die im Herkunftsland vollzogene Adoption kann in einem solchen Fall in der Regel nur anerkannt werden, wenn sie nach eingehender Prüfung im Ergebnis nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Adoptionsrechts verstößt (vgl. dazu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines "Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der Internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts", BT-Drucksache14/6011 –Seite 28/29-
354.
36§ 16a Abs. 4 FGG ist so auszulegen, dass eine Auslandsadoption mit der Zielrichtung zu beurteilen ist, ob die Anerkennung der Adoption "im Ergebnis" – also in ihrer praktischen Erscheinungsform in Deutschland – gegen den deutschen "ordre public" verstößt oder nicht (vgl. BGHZ 118, 312, 331 zu § 328 ZPO; BGH FamRZ 2004, S. 1952, 1955 zu Art. 6 EGBGB).
37Das Erscheinungsbild der Auslandsadoption sieht im vorliegenden Fall daher so aus, dass das Kind nach Deutschland verbracht und hier bei den Antragstellern leben würde, ohne dass eine Eignungsprüfung der Antragsteller stattgefunden hätte: eine Situation, die in Deutschland nie entstehen könnte, da eine Adoption ohne diese mit fundamentaler Bedeutung ausgestattete Eignungsprüfung undenkbar ist, damit also eine Situation, die mit grundlegenden Vorstellungen des deutschen Rechts nicht in Einklang zu bringen ist.
385.
39Die Anerkennung der nigerianischen Entscheidung würde daher zu einem Ergebnis führen, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes offensichtlich unvereinbar ist.
40Die Adoption kann daher nicht anerkannt werden.
41Die Antragsteller werden darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer in Deutschland durchzuführenden Erst-Adoption besteht. Dazu müsste das Kind zwecks Adoptionspflege für einige Monate nach Deutschland geholt werden. § 6 AdÜbAG i.V.m. § 32 des Aufenthaltsgesetzes ermöglicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für das Kind (vgl. dazu auch Ziffer 32.0.7 der "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz" vom 26.10.09). Die Antragsteller können - wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sind - das Kind dann hier in Deutschland in Pflege nehmen und das Adoptionsverfahren hier in Deutschland unter Einschaltung des örtlichen Jugendamts und des Landesjugendamtes betreiben.
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