Beschluss vom Amtsgericht Hamm - XVI 192/08
Tenor
wird der Antrag der Antragstellerin vom 30.01.2009 auf Ausspruch
der Annahme des Kindes als ihr Kind zurückgewiesen.
Der Gegenstand des Verfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten zu 1. und 2. sind seit September 2001 verheiratet.
4Sie haben keine leiblichen Kinder.
5Aufgrund einer Leihmutterschaftsvereinbarung mit Frau C2, die in den USA lebt, hat diese das Kind Raphael M3 in den USA am 17.05.2008 zur Welt gebracht.
6Eispenderin soll dabei eine anonym gebliebene Frau gewesen sein.
7Die Eheleute M3 erklären, dass Samenspender und leiblicher Vater
8von Raphael Herr M3 sei und nehmen dabei Bezug auf die Geburtsurkunde
9des Kindes, ausgestellt im Bundesstaat Pennsylvania am 27.05.2008, in welcher
10die Eheleute M als Eltern eingetragen sind.
11Mittlerweile hat ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen stattgefunden, in welchem mit Urteil vom 20.01.2010 Herr M3 als Vater des Kindes festgestellt worden ist (53 F 88/09).
12Im vorliegenden Adoptionsverfahren beantragt die Antragstellerin Frau
13Regine M2 die Adoption des Kindes Raphael M3.
14Die Leihmutter C2 hat in den USA der Annahme des Kindes durch
15Frau M3 zugestimmt.
16Das erkennende Gericht hat eine Stellungnahme des Jugendamtes Herford
17sowie einen Bericht des zuständigen Landesjugendamtes in Münster eingeholt.
18II.
19Der Adoptionsantrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Annahme
20als Kind nach §§ 1741 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.
211. Zunächst sind nach der Übergangsvorschrift des Artikel 111 Abs. 1 Satz 1
22des FGG-Reformgesetzes auf das vorliegende Verfahren die Vorschriften des FGG anzuwenden, da der Antrag auf Adoption des Kindes vor dem 31.08.2009 beim zuständigen Gericht eingegangen ist.
232. Gemäß Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 14 Absatz 1 Nr. 1
24EGBGB unterliegt die Adoption dem deutschen Recht, weil beide annehmenden
25Eheleute die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
26Örtlich zuständig für die Adoptionsentscheidung ist gemäß § 43 b Absatz 2 Satz 2
27in Verbindung mit § 5 AdWirkG das Amtsgericht Hamm als Amtsgericht am Sitze
28desjenigen Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Annehmende ihren Wohnsitz
29hat, da hinsichtlich der Adoption zwar deutsches Recht gilt, jedoch gemäß
30Artikel 23 EGBGB weitere Zuständigkeitserfordernisse des Staates, dem das
31Kind angehört, zu prüfen sind. Das Kind ist US-amerikanischer Staatsbürger.
32III.
33Die Zulässigkeit einer Adoption richtet sich nach §§ 1741 Absatz 1 Satz 2
34BGB. Nach dieser Vorschrift soll jemand, der an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, ein Kind nur dann annehmen können, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.
35a. Die Gesetzes- bzw. Sittenwidrigkeit des vorliegend zu betrachtenden Leihmuttervertrages ergibt sich zum einen aus § 134 Absatz 1 BGB und zum anderen auch aus § 138 Absatz 1 BGB.
36Der zwischen den Beteiligten und der Leihmutter C2 geschlossene Leih-
37muttervertrag verstößt gegen § 1 Absatz 1 Nr. 2 und Nr. 7 des Embryonenschutzgesetzes (kurz: ESchG). Nach diesen Vorschriften ist es untersagt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt. Vorliegend diente die Herbeiführung der Schwangerschaft bei der Leihmutter gerade zu dem Zweck, eine fremde Eizelle, nämlich die der unbekannten Eispenderin zu befruchten.
38Darüber hinaus war aufgrund des Leihmutterschaftsvertrages von vornherein
39beabsichtigt, dass das von der Leihmutter ausgetragene Kind nicht in der Familie der Leihmutter, sondern vielmehr bei den Beteiligten aufwachsen sollte.
40Damit liegen auch die Voraussetzungen des § 1 Absatz 1 Nr. 7 ESchG vor.
41Gleichzeitig sind die Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 Nr. 2 ESchG gegeben,
42da die Samenzellen des Beteiligten Reinhard M3 künstlich in die Eizelle
43der Eispenderin verbracht wurden.
44Dabei spielt es keine Rolle, dass sich das untersagte Verhalten tatsächlich
45in den USA abgespielt hat und daher die Beteiligten strafrechtlich nicht belangt
46werden können, da die Tat zwar in Deutschland, nicht aber in den USA
47strafbar ist.
48Entscheidend aber ist, dass gemäß Art. 22, 23 EGBGB die deutschen
49Sachvorschriften bei dem vorliegenden Annahmeantrag zu Grunde gelegt
50werden müssen. Damit gelten auch die Wertbegriffe des deutschen Rechts.
51Daran gemessen liegt ein gesetzeswidriges Verhalten der Beteiligten vor
52(§ 134 BGB).
53Ebenso liegt ein sittenwidriges Verhalten der Beteiligten im Sinne von § 138
54Absatz 1 BGB vor. Nach dieser Vorschrift kann der Inhalt oder die Gesamt-
55würdigung eines Rechtsgeschäftes die Sittenwidrigkeit begründen. Vorliegend
56ergibt sich die Sittenwidrigkeit aus der gesetzgeberischen Wertung des
57ESchG (vgl. Staudinger-Sack, BGB, Auflage 2003, § 138 RdNr. 450).
58Bei der Prüfung der Frage, ob ein Rechtsgeschäft gegen das Anstandsgefühl
59aller billig und gerecht Denkenden verstößt, ist auf die in Deutschland
60anerkannten moralischen Anschauungen und Wertvorstellungen zurückzugreifen (vgl. OLG Hamm, NJW 1986, 781, 783). Gemessen an diesem Maßstab ist es insbesondere als sittlich verwerflich anzusehen, dass das gewünschte Kind mit dem Leihmuttervertrag zum Gegenstand eines Geschäfts gemacht und daher zu einer Ware herabgewürdigt wird. Nach dem Vortrag der Parteien sind sechsstellige Beträge aufgebracht worden und teilweise an die Leihmutter geflossen. Ob dies lediglich eine Aufwandsentschädigung darstellt oder eine Belohnung, kann dahinstehen, da jedenfalls die Leihmutter Geld für die Geburt erhalten hat. Derartige Geschäfte widersprechen den moralischen Anschauungen in Deutschland.
61Schließlich haben die Eheleute M3 mit der Durchführung des Leih-
62muttervertrages in den USA und der anschließenden Verbringung des
63Kindes nach Deutschland auch an der gesetzes- bzw. sittenwidrigen
64Vermittlung des Kindes zum Zwecke der Adoption mitgewirkt im Sinne
65von § 1741 Absatz 1 Satz 2 BGB, in dem sie die Leihmutter im Rahmen
66des Leihmuttervertrages beauftragt und mit der Zahlung des vereinbarten
67Geldbetrages belohnt haben.
68b. Nach § 1741 Absatz 1 Satz 2 BGB kann eine Kindesannahme nur dann
69ausgesprochen werden, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich
70ist.
71Davon kann nach dem Jugendamtsbericht nicht ohne weiteres ausgegangen
72werden. Nach dieser Äußerung der Stadt Herford zu dem Adoptionsantrag
73wächst das Kind in der Familie M3 nämlich behütet auf. Die Eheleute M3 kümmern sich liebevoll um das Kind. Frau M2 ist die
74hauptsächliche Bezugsperson für das Kind. Mit einem weiteren gedeihlichen
75Aufwachsen und einer positiven Pflege und Erziehung des Kindes ist auch
76in Zukunft zu rechnen.
77Vor diesem Hintergrund ist nicht festzustellen, dass es dem Kind schaden
78würde, wenn es nicht adoptiert würde. Das derzeit gelebte Verhältnis
79zwischen den Eheleuten M3 und dem Kind wird sich auch durch
80eine Adoption nicht verbessern lassen, da ein optimaler Lebenszuschnitt
81für das Kind bereits erreicht worden ist.
82Die Adoption ist auch nicht zwingend zur Verbesserung der rechtlichen
83Stellung des Kindes erforderlich. Zwar wünschen sich die Beteiligten ein
84gemeinsames Sorgerecht für das Kind. Hier besteht jedoch die Möglichkeit,
85nach § 1687 b Absatz 1 BGB vorzugehen und sich gegenseitig dieses
86sogenannte "kleine Sorgerecht" zu verschaffen. Hierdurch wird dem
87Recht des Kindes auf emotionale Versorgung ausreichend Rechnung
88getragen.
89Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang auch der
90Umstand, dass die Eheleute M3 durch den Leihmuttervertrag
91und die durchgeführte, in Deutschland sitten- und gesetzeswidrige
92Praktik der Zeugung und Austragung des Kindes durch die Leihmutter
93mit dem von vornherein feststehenden Ziel, später in Deutschland
94einen Adoptionsantrag zu stellen, sich bewusst auf eine rechtliche
95Unsicherheit eingelassen haben. Sie haben es in Kauf genommen, dass
96das Kind nur zu dem Vater ein eigenes rechtliches Band besitzt.
97Im Übrigen bestand von vornherein die Unklarheit hinsichtlich der
98Erfolgsaussicht des Adoptionsantrags in Deutschland. Mit diesem
99Antrag unternehmen es die Beteiligten, eine Verhaltensweise,
100die in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz strafbar wäre,
101im Wege eines Adoptionsantrages gewissermaßen im Nachhinein
102zu legalisieren. Dabei haben sie billigend in Kauf genommen, dass
103das Kind in seiner Identitätsfindung belastet aufwachsen könnte,
104weil es weder seine genetische Mutter jemals kennenlernen wird
105und darüber hinaus auch mit dem Bewusstsein fertig werden muss,
106dass die sie gebärende Mutter ihn gegen Geldzahlung abgegeben hat.
107Soweit erbrechtliche Gründe für eine Verbesserung der rechtlichen
108Stellung des Kindes in Erwägung zu ziehen sind, ist darauf hinzuweisen,
109dass dieses Ziel durch entsprechende testamentarische Verfügungen
110erreicht werden kann.
111Der Adoptionsantrag war damit zurückzuweisen.
112Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 KostO.
113Hamm, den 22.02.2011
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