Urteil vom Amtsgericht Hamm - 52 Cs-060 Js 527/13-369/14
Tenor
Der Angeklagte ist der Urkundenfälschung schuldig.
Er wird zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewandte Vorschrift: § 267 StGB.
1
Gründe
2I.
3Der Angeklagte ist zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 42 Jahre alt. Er ist am 15.07.1972 in I geboren und deutscher Staatsangehöriger. Der Angeklagte lebt und arbeitet in I. Er ist Rechtsanwalt von Beruf und tritt unter anderem regelmäßig am Amtsgericht I in Zivil- und Strafsachen auf. Ausweislich seines Steuerbescheids für das Jahr 2013, der als Anlage zu Protokoll genommen wurde, hat er im Jahr 2013 einen Betrag von 14.983,00 Euro durch seine Tätigkeit verdient.
4Der Angeklagte ist verheiratet und kinderlos. Er ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
5II.
6Nach Durchführung der Hauptverhandlung steht der folgende Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichtes fest:
7Der Zeuge C war als Arbeitnehmer bei dem Unternehmen S beschäftigt. Noch während der Probezeit, im Februar 2011, erhielt er eine Kündigung. Der Arbeitgeber teilte zeitgleich mit, Teile seines ausstehenden Lohnes für den Monat Februar und den halben Monat März einzubehalten. Hintergrund hierfür war ein behaupteter Regressanspruch.
8Der Zeuge C wandte sich aufgrund einer Empfehlung durch eine Freundin seiner Ehefrau, der Zeugin C, an den Angeklagten. Er beauftragte ihn damit, den Restlohnanspruch gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen.
9Der Angeklagte schrieb den ehemaligen Arbeitgeber des Zeugen C unter dem 24.02.2011 an und wies den behaupteten Regressanspruch zurück. Das Schreiben endet mit den Worten, dass einer ordnungsgemäßen Abrechnung – gemeint ist, ohne Verrechnung mit einem Regressanspruch – entgegen gesehen werde. Nach diesem Schreiben entfaltete der Angeklagte keinerlei weitere anwaltliche Tätigkeit.
10Der Zeuge C erkundigte sich regelmäßig bei dem Angeklagten nach dem Stand des Verfahrens. Aufgrund der Anfragen teilte ihm der Angeklagte unterschiedliches mit. So gab er beispielsweise an, dass die Gerichte überlastet seien und die Sache daher noch etwas dauern werde. Dabei suggerierte der Angeklagte dem Zeugen C, dass er gegen das Unternehmen S Klage eingereicht habe. Der Zeuge C versuchte in dieser Zeit mehrmals, den Angeklagten in seinem Büro anzutreffen, obwohl er keinen Termin hatte. Die Mitarbeiterinnen sagten ihm mehrfach einen Rückruf durch den Angeklagten zu. Hierzu kam es jedoch vielfach nicht.
11Telefonisch erhielt der Zeuge C noch im Jahr 2011 durch den Angeklagten die Auskunft, dass der Fall gegen den ehemaligen Arbeitgeber gewonnen sei, da dieser zum Verhandlungstermin im Arbeitsgericht nicht erschienen sei, und nun müsse abgewartet werden, ob die Gegenpartei binnen einer kurzen Frist gegen das Urteil vorgehe.
12Unter dem 01.04.2012 verfasste der Angeklagte unter der Betreffzeile „C ./. S“ ein Schreiben an den Zeugen C (Bl. 100 d. A.). Hier heißt es wörtlich:
13„Sehr geehrter Herr C,
14in der vorbezeichneten Angelegenheit teile ich Ihnen vereinbarungsgemäß auch schriftlich mit, dass die Sache wegen der Lohnabrechnung 2011 – es wurde gegen Sie im Februar 2011 ein Regress behauptet – im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden muss, da eine freiwillige Übersendung seitens der Firma S nicht erfolgte.
15Sobald mit eine Mitteilung des Zwangsvollstreckungsorgans vorliegt, komme ich umgehend auf die Angelegenheit zurück. […]“
16Am 24.05.2012 kam es in den Kanzleiräumen des Angeklagten zu einem Beratungsgespräch zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen C, an dem auch die Zeugin C teilnahm. Der Angeklagte sagte den Zeugen erneut, dass der Zeuge C den Prozess gegen das Unternehmen gewonnen habe. Er schilderte, dass die gegnerische Partei zum Verhandlungstermin im Arbeitsgericht I nicht erschienen sei und auch kein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt habe. Das Urteil sei daher rechtskräftig. Tatsächlich gab es kein Urteil, und auch kein Verfahren am Arbeitsgericht I.
17In der Folgezeit gelang es dem Zeugen C weiterhin nur schwer, von dem Angeklagten Informationen zu seinem angeblich gewonnenen Gerichtsverfahren zu erhalten. Am 05.12.2012 war er erneut bei dem Angeklagten. Ihm wurde mitgeteilt, dass die Zwangsvollstreckung aus Kostengründen erst im Jahr 2013 durchgeführt werden solle.
18Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Dezember 2012 erhielt der Zeuge C Post vom Finanzamt. Er wurde aufgefordert, für das in Streit stehende Gehalt des Unternehmens S Steuern zu zahlen. Der Zeuge wandte sich daraufhin an den Angeklagten. Dieser setzte unter dem 17.12.2012 ein Schreiben ohne Adresszeile auf, dass er mit den Worten „C ./. S“ und „Bescheinigung“ überschrieb. Aus dem Schreiben (Bl. 101 d. A.) geht im Wesentlichen hervor, dass seitens des Unternehmens keine Zahlung über 3.840,00 Euro brutto eingegangen und dass die „Zeit ab Februar 2011 […] noch offen“ sei. Darüber hinaus heißt es in dem Schreiben wörtlich: „Eine Zahlung seitens des Gerichtsvollziehers ist bisher hier auch nicht erfolgt.“
19Nach Erhalt dieses Schreibens hörte der Zeuge C erneut nichts von dem Angeklagten. Da er begehrte, aufgrund des vermeintlich gewonnenen Prozesses sein Geld zu erhalten, begab er sich am 17.01.2013 zum Arbeitsgericht I, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Hier fragte er unter Nennung der Parteien nach dem Stand seines Verfahrens. Von einer namentlich nicht bekannten Person, die die Daten in den Computer eingab, erhielt der Zeuge C die Information, dass das Verfahren nicht existiere. Der Arbeitgeber habe zwar ein Verfahren dort, dies werde jedoch nicht gegen den Zeugen C geführt. Der Zeuge entwickelte daraufhin Misstrauen gegenüber dem Angeklagten.
20Vier Tage später, am 21.01.2013, fuhr der Zeuge C ohne Termin zur Kanzlei des Angeklagten, um eine Abschrift des angeblichen Urteils des Arbeitsgerichts zu erhalten. Der Angeklagte war nicht anwesend. Der Zeuge sprach jedoch mit einer bis heute nicht ermittelten Mitarbeiterin des Angeklagten und gab wahrheitswidrig an, das Urteil beim Finanzamt vorlegen zu müssen. Während er sein Anliegen vortrug, rief der Angeklagte in der Kanzlei an. Die Mitarbeiterin konfrontierte ihn mit dem Begehren des Zeugen C. Nach Beendigung des Telefonats mit dem Angeklagten sagte sie zu dem Zeugen, er könne das Urteil am folgenden Tag abholen.
21An diesem Tag oder am Folgetag in den Morgenstunden erstellte der Angeklagte das Original zu der im Sonderheft 3 AR 9/13 Arbeitsgericht I enthaltenen Kopie (Bl. 2-3 des SH). Er verwandte das fiktive Aktenzeichen „3 Ca #####/####“ und erstellte unter Verwendung des Wappens und der gerichtstypischen Schriftart ein angebliches „Anerkenntnisurteil“ des Arbeitsgerichts I vom 05.12.2011. Nach dem Rubrum, in dem der Angeklagte als Prozessbevollmächtigter des Zeugen C geführt wird, heißt es wörtlich:„hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts I
22ohne mündliche Verhandlung am 05.12.2011
23durch die Richterin am Arbeitsgericht E2 als Vorsitzende
24f ü r R e c h t e r k a n n t:
251. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als weiteren Lohn für den Zeitraum vom 01.02.2011 bis zum 04.03.2011 einen Betrag in Höhe von 2.040,00 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2011 zu zahlen.
262. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
273. Der Streitwert wird auf 2.040,00 € festgesetzt.“ […]
28Das vermeintliche Urteil schließt mit dem Namen der Richterin unter der Rechtsbehelfsbelehrung. Der Angeklagte versah das Schriftstück mit einem Stempelaufdruck „Abschrift“. Von diesem Schriftstück fertigte er eine Kopie an. Diese übergab er einer unbekannt gebliebenen Mitarbeiterin zur Weitergabe an den Zeugen C . Der Angeklagte tat dies in der sicheren Erwartung, dass die Hingabe des angeblichen Urteils den Zeugen davon abhalten werde, weiterhin Leistungen aus dem Mandatsverhältnis, die er nicht zu erbringen bereit oder in der Lage war, einzufordern.
29Am 22.01.2013 begab sich der Zeuge C gegen 11 Uhr erneut zur Kanzlei des Angeklagten, der erneut abwesend war. Die Mitarbeiterin vom Vortag überreichte ihm einen Umschlag, in dem sich die Kopie befand. Mit dem Umschlag ging der Zeuge erneut zum Arbeitsgericht. Dort stellte sich heraus, dass das Verfahren unbekannt war. Nach Belehrung beantragte der Zeuge gleichwohl eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils (Bl. 1 d. SH). Dieser Antrag wurde bearbeitet.
30Etwa drei Wochen später wurde der Zeuge C durch das Arbeitsgericht angeschrieben. Inhalt des Schreibens war, dass die Akten dort nicht vorhanden seien, der Zeuge sich aber bei Gericht melden solle. Hintergrund des Schreibens war, dass das Gericht bereits Kontakt zu dem Angeklagten aufgenommen hatte. Dieser berief sich gegenüber dem Arbeitsgericht auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht und gab an, einen Termin mit dem Zeugen C vereinbaren zu wollen. Dieser habe sich jedoch nicht zurückgemeldet. Tatsächlich hatte der Angeklagte nicht versucht, mit dem Zeugen C einen Termin zu vereinbaren.
31Am 11.02.2013 ging der Zeuge C zum Arbeitsgericht. Anschließend vereinbarte er mit dem Angeklagten einen Termin für den 15.02.2013. Zu diesem Termin erschien der Zeuge C in Begleitung des Onkels seiner Frau, des Zeugen K. Er fragte den Angeklagten, warum die Akte bei Gericht nicht auffindbar sei. Der Angeklagte antwortete, die Akte müsse sich zur Vollstreckung als Original beim Gerichtsvollzieher befinden. Eine Teilvollstreckung sei bereits erfolgreich gewesen. Aus dieser – tatsächlich nicht erfolgten – Zwangsvollstreckung überreichte der Angeklagte dem Zeugen 360,00 Euro gegen Erteilung einer Quittung.
32In der Folgezeit wurde durch die Staatsanwaltschaft E3 gegen den Zeugen C wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und des versuchten Betrugs ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Der Zeuge C ließ sich durch den Rechtsanwalt und Zeugen C3 aus I vertreten. Dieser nahm Kontakt zu dem Angeklagten auf. Am 13.05.2013 kam es gegen 14.50 Uhr zu einem Telefonat zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen. In diesem Telefonat äußerte der Angeklagte wahrheitswidrig gegenüber dem Zeugen C3, dass er den Zeugen C in einem Verfahren gegen das Unternehmen S vertreten habe und dass es aus diesem Verfahren ein Urteil gebe, aus dem vollstreckt werde. Eine Teilzahlung aus der Vollstreckung sei zwischenzeitlich einmal erfolgt, diese habe der Zeuge C auch erhalten. Der Angeklagte sagte dem Zeugen C3, ihm die Handakte zu übersenden, sofern er ihm eine Vollmacht schicke. Die Handakte erreichte den Zeugen C3 nicht.
33III.
34Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf seinen Angaben und dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug. Die Feststellungen zur Sache beruhen nur zu einem Teil auf der Einlassung des Angeklagten. Er hat einen Teil der Vorwürfe – so beispielsweise die Übergabe der Kopie der Urteilsabschrift an seine Mitarbeiterin – bestritten und im Übrigen einige äußere Abläufe zwar eingeräumt, jedoch anders dargestellt. Er ist jedoch nach Vernehmung der Zeugen C, K, C3 und der Zeugin C im Sinne der Feststellungen überführt. Die Vernehmung der Zeuginnen O, V und C4 hat nicht dazu geführt, dass beim Gericht Zweifel hinsichtlich der Schuld des Angeklagten entstanden sind.
35Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Angeklagte die Vorlage für die Urteilskopie, eine angebliche Abschrift eines frei erfundenen Urteils, hergestellt hat, um zu verhindern, dass der Zeuge C herausfindet, dass er ihn angelogen hat und dass der Zeuge C weiterhin anwaltliche Leistungen von ihm einfordert. Dazu hat er nach Fertigung des Schriftstücks einen ihm zur Verfügung stehende Abschriftstempel auf das Dokument gesetzt und eine Kopie hiervon gemacht. Diese hat er einer unbekannt gebliebenen Mitarbeiterin auf unbekannte Art und Weise zukommen lassen, nachdem er zuvor telefonisch die Weisung erteilt hatte, dass sie das Schriftstück am 22.01.2013 an den Zeugen C aushändigen soll. Zwar gibt es keinen unmittelbaren Tatzeugen. Der Angeklagte ist jedoch aufgrund der Indizien überführt, die seine Schuld in der Gesamtschau beweisen.
36Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass der Zeuge C ihn mit der Geltendmachung der Restlohnansprüche beauftragt habe. Da der Zeuge C jedoch mehrfach nicht oder nur ohne Termin bei ihm erschienen sei, habe er das Verfahren nicht weiter betrieben. Der Zeuge C habe ihm zudem Unterlagen, die er benötigt habe, nicht gegeben. Ein Original zu dem als Kopie übergebenen Schriftstücks habe er nicht gefertigt. Die Übergabe des Schriftstücks an den Zeugen C habe er auch nicht veranlasst. Ein solches Schriftstück habe er weder gesehen noch hergestellt. Das Gespräch zwischen der Mitarbeiterin und ihm am 21.01.2013 war ihm nicht erinnerlich. Den Inhalt des Telefonats mit dem Zeugen C3 erinnerte er ebenfalls nicht. Er habe gegenüber dem Zeugen C "selbstverständlich nicht" geäußert, dass der Prozess gewonnen sei.
37Der Zeuge C hat den Sachverhalt im Wesentlichen so wie festgestellt - soweit er ihn wahrgenommen hat - geschildert. Er hat im Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Strafverfahren die Ereignisse chronologisch niedergeschrieben und hierauf während seiner Zeugenaussage zum Teil zurückgegriffen. Dies mindert nicht die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Seine Betroffenheit über den gesamten Vorgang und die Art und Weise der Mandatsführung war ihm deutlich anzumerken. Auch war festzustellen, dass der Zeuge als juristischer Laie das Geschehen zum Teil in einer seinen fehlenden juristischen Kenntnisse entsprechenden Sprache schilderte und in diesem Bereich teilweise insgesamt Wortfindungsschwierigkeiten hatte. Im Übrigen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Zeuge C sprachlich und formaljuristisch überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, ein beinahe täuschend echtes Urteil wie es im Sonderheft enthalten ist, herzustellen. Er hat ausschließlich technische Ausbildungen durchlaufen und ist - anders als der Angeklagte - nicht täglich mit Gerichtsurteilen und -beschlüssen in Berührung.
38Den Inhalt seiner Aussage untermauerte der Zeuge C durch Bezugnahme auf die Schreiben, die er von dem Angeklagten erhalten hatte und die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen und verlesen wurden. So schilderte der Zeuge, dass er nach der mündlichen Mitteilung durch den Angeklagten, der Prozess gegen seinen Arbeitgeber sei gewonnen worden, das Schreiben vom 01.04.2012 (Bl. 100 d. A.) erhielt. Damit konfrontiert stellte der Angeklagte nicht in Abrede, das Schreiben an den Zeugen C versandt zu haben. Während die Verteidigung einwandte, das Schreiben mache inhaltlich keinen Sinn und sei deshalb nicht geeignet, irgend etwas zu beweisen, gab der Angeklagte auf Vorhalt der Passage, es werde eine Mitteilung des Vollstreckungsorgans abgewartet, an, es handle sich um einen Textbaustein, der versehentlich in das Schreiben gerutscht sei. Er habe gegenüber dem Zeugen C nie gesagt, dass der Prozess gewonnen sei. Auch die Formulierung in dem Schreiben vom 17.12.2012, dessen Fertigung der Angeklagte einräumte und ausweislich dessen "eine Zahlung seitens des Gerichtsvollziehers [...] bisher hier auch nicht erfolgt" sei, sei ein versehentlich hereingerutschter Textbautstein. Diese Einlassung nimmt das Gericht dem Angeklagten nicht ab, zumal er auch ausweislich der glaubhaften Aussage des Zeugen C3 diesem gegenüber davon gesprochen hat, dass es in der Sache C ./. S ein Urteil gebe, aus dem vollstreckt werde.
39Im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen C3 legte der Angeklagte durch seine Verteidiger einen Einzelverbindungsnachweis vor, aus dem sich ergeben sollte, dass er zu der fraglichen Zeit, am 13.05.2013 um 14.50 Uhr mit einem Anwaltsbüro in Karlsruhe telefoniert haben will. Der Einzelverbindungsnachweis wurde als Anlage zu Protokoll genommen. Er bezieht sich auf eine Nummer, die nach der Einlassung des Angeklagten eine weitere Bürotelefonnummer darstellt. Der Zeuge C3 indes hat bekundet, mit dem Angeklagten unter Verwendung der Telefonnummer, die auf dem Briefkopf des Angeklagten enthalten ist - #####/#### -, gesprochen zu haben. Die Nummer aus dem Einzelverbindungsnachweis - #####/#### - gleicht bis auf eine Ziffer der auf dem Briefkopf des Angeklagten enthaltenen Faxnummer (#####/####). Auffällig an dem Einzelverbindungsnachweis ist, dass es sich bei der zwei Zeilen über dem angeblichen Gespräch mit einer Kanzlei in Karlsruhe enthaltenen Nummer #####/#### um die Faxnummer des Amtsgerichts I handelt. Die zustande gekommene Verbindung dort dauerte 47 Sekunden. Dies ist für einen Fehlanruf eindeutig zu lang. Der Zeuge C3 gab auf Befragen an, direkt im Anschluss an das Gespräch einen Aktenvermerk diktiert zu haben und sich hinsichtlich der Uhrzeit ziemlich sicher zu sein.
40Das Gericht ist nach Würdigung dieser Aspekte davon überzeugt, dass das Gespräch zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen C3 mit dem festgestellten Inhalt zu dem von dem Zeugen dargestellten Zeitpunkt stattgefunden hat. Der Angeklagte hat dem Zeugen C3 gegenüber das Vorliegen eines arbeitsgerichtlichen Urteils behauptet, das unstreitig nicht existiert. Dies legt nahe, dass er der Urheber der gefälschten Urschrift ist, von welcher der Zeuge C eine Kopie erhalten hat.
41Bezüglich der Feststellung, dass der Angeklagte wahrheitswidrig ein Obsiegen des Zeugen C vor dem Arbeitsgericht behauptet hat, stützt sich das Gericht zudem auf die Aussagen der Zeugin C und des Zeugen K. Die Zeugin C bekundete ebenfalls, der Angeklagte habe in ihrem Beisein geäußert, dass der Prozess gewonnen sei und dass nun abgewartet werden müsse. Der Angeklagte gab indes im Rahmen seiner Einlassung an, die Zeugin C noch nie getroffen zu haben. Dies ist aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin C widerlegt. Diese schilderte noch weitere Details des Treffens, wie etwa, dass sie den Angeklagten in einer beruflichen Angelegenheit mandatieren wollte, und dieser zu ihr sagte, er habe in dem Bereich - es ging um eine Verbeamtungsproblematik - bereits Erfahrung. Das Gericht schätzt die Zeugin C, die als Lehrerin arbeitet, nicht so ein, dass sie hier die Unwahrheit gesagt hat. Es gibt keine Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.
42Schließlich bekundete auch der Zeuge K, dass der Angeklagte in seinem Beisein geäußert habe, das in bar an den Zeugen übergebene Geld stamme aus der Zwangsvollstreckung aus dem gewonnenen Prozess. Dies bestritt der Angeklagte in seiner Einlassung. Er gab an, dem Zeugen C das Geld - 360,00 Euro - gegeben zu habe, damit er verschwinde und ihn nicht mehr "nerve". Er habe ihn "loswerden" wollen. Diese Einlassung ist vor dem Hintergrund der klammen Einkommensverhältnisse des Angeklagten absolut unglaubhaft. Dem Gericht ist aus eigener Sachkunde bekannt, dass es unter Anwälten nicht üblich ist, die ohne Rechtsgrund zu bezahlen, damit sie das Büro verlassen. Es handelt sich hierbei um eine falsche Schutzbehauptung des Angeklagten.
43Das Gericht ist nach der Aussage des Zeugen C auch davon überzeugt, dass der Angeklagte die Übergabe der - zuvor durch ihn selbst hergestellten - Kopie der angeblichen Urteilsabschrift veranlasst hat. Die Aussage des Zeugen C, der schilderte, mit der Zeit immer ungeduldiger geworden zu sein, ist glaubhaft. Ebenso hat das Gericht an seiner Darstellung, die Kopie der Urteilsabschrift am 22.01.2013 nach Vorsprache am Vortag von der anwesenden Mitarbeiterin erhalten zu haben, keinen Zweifel. Zwar hat die Vernehmung der Zeuginnen V, O und C4 ergeben, dass keine dieser Mitarbeiterinnen dem Zeugen C den Umschlag, in dem die Kopie enthalten war, übergeben hat. Auch hat der Zeuge C keine der drei Zeuginnen, die nach Aussage der Zeuginnen selbst im Jahr 2013 die einzigen Mitarbeiterinnen des Angeklagten waren, als die Mitarbeiterin erkannt, die ihm das Urteil übergeben hat. Lediglich die Zeugin V und die Zeugin C4 hätten eine Ähnlichkeit aufgewiesen, sicher war der Zeuge jedoch nicht.
44Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zeuginnen nach Aufforderung seitens des Gerichtes durch den Angeklagten selbst gestellt worden sind. Ermittlungen dahingehend, welche Mitarbeiterin am Tag der Übergabe des Urteils bei dem Angeklagten gearbeitet hat, sind bedauerlicherweise unterblieben. Das Gericht geht davon aus, dass die fragliche Mitarbeiterin nicht benannt wurde, und dass die vernommenen Zeuginnen, die zum Teil nur einmal wöchentlich für ein paar Stunden bei dem Angeklagten arbeiteten (V und C4), keinen Überblick über die Gesamtheit der Mitarbeiter in dem Büro hatten.
45Von der Verteidigung ist während der Hauptverhandlung und auch im Rahmen der Pladoyers eingewandt worden, der Angeklagte habe kein Motiv gehabt, die ihm zur Last gelegte Tat zu begehen. Schließlich sei die Forderung des Zeugen C auch noch am Tag der Hauptverhandlung unverjährt und daher einklagbar gewesen. Ein Haftungsfall habe nicht vorgelegen. Diese Erwägungen vermochten nicht, die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Angeklagten, die sich auf die zuvor genannten einzelnen Indizien stützt, zu erschüttern. So mag der Angeklagte aus Sorge um seine Reputation - auch das Mandat des Zeugen C beruhte auf einer persönlichen Empfehlung aus dem Bekanntenkreis - gehandelt haben. Schließlich kommt auch in Betracht, dass die Forderung aufgrund einer tariflichen Regelung für den Bereich des Metallgewerbes einer Ausschlussfrist unterlag, nach welcher sie fristgebunden außergerichtlich und auch gerichtlich geltend gemacht werden musste. Zu der Geltung einer Tarifvereinbarung für das Metallgewerbe hat das Gericht jedoch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen.
46IV.
47Damit hat sich der Angeklagte der Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Durch die Veranlassung der Übergabe der Kopie der gefälschten Urteilsabschrift an den Zeugen C hat er von der zuvor hergestellten Urschrift Gebrauch im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB gemacht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12.01.1965, Az. 1 StR 480/64 Rn. 17 = NJW 1965, 642). Diese stellt eine Urkunde dar. Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt (vgl. Fischer, Kommentar zum StGB, 61. Aufl. 2014, § 267 Rn. 2). Die Kopiervorlage enthält die Gedankenerklärung, dass der Zeuge C seinen ehemaligen Arbeitgeber am 05.12.2011 vor dem Arbeitsgericht I erfolgreich auf Zahlung von 2.040,00 Euro zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen hat. Als Aussteller dieser Erklärung ist die Richterin am Arbeitsgericht I2, deren Name außer im Rubrum auch am Ende der Urkunde zu lesen ist, erkennbar.
48Die hergestellte Kopiervorlage ist auch trotz des aufgebrachten Stempelaufdrucks "Abschrift" zum Beweis geeignet und bestimmt. Zwar sind Abschriften in der Regel keine Urkunden, da sie die Erklärung selbst nicht enthalten und daher nicht beweiskräftig sind (Fischer, § 267 Rn. 17). Anders ist es jedoch bei solchen Abschriften, die nach den maßgeblichen Vorschriften das Original vertreten (Fischer, aaO; BGH, Urteil vom 06.11.1951, Az. 2 StR 178/51 Rn. 10 = NJW 1952, 355). So liegt der Fall hier. Die einfache Abschrift des vermeintlichen Anerkenntnisurteils des Arbeitsgerichts war zur Vorlage bei dem Arbeitsgericht und zur Beantragung einer vollstreckbaren Ausfertigung geeignet. Auch wäre - wie der Zeuge C gegenüber dem Angeklagten vorgegeben hat - die Urteilsabschrift zur Vorlage beim Finanzamt geeignet gewesen, um dort zu beweisen, dass über das in dem steuerrechtlichen Verfahren in Rede stehenden Gehalts des Zeugen C ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht geführt wurde.
49Da vorliegend die vermeintliche Austellerin, die Richterin am Arbeitsgericht I2, und der tatsächliche Aussteller, der Angeklagte, auseinanderfielen und zudem noch zur Unterstreichung der vermeintlichen Ausstellereigenschaft das Behördenwappen des Arbeitsgerichts I verwendet wurde, handelt es sich um eine unechte Urkunde. Von dieser hat der Angeklagte auch zur Täuschung im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht, da er dem Zeugen C die Urkunde auch hat geben lassen, weil er sicher davon ausging, dass der Zeuge C nach Erhalt des angeblichen arbeitsgerichtlichen Urteils vorerst keine weiteren Leistungen aus dem Mandatsvertrag verlangen und sich mit der Arbeit des Angeklagten zufrieden geben werde.
50Denkbar gewesen wäre auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen (versuchten) Betrugs vor dem Hintergrund, dass er den Zeugen C möglicherweise durch die Täuschung, ein für ihn erfolgreiches Urteil vor dem Arbeitsgericht erstritten zu haben, von der Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen seine Person abzuhalten suchte. Dann hätte neben einem entsprechenden rechtlichen Hinweis jedoch auch die Erörterung der Frage stattfinden müssen, ob ein Haftungsanspruch gegeben war, was wiederum davon abhängt, ob der Anspruch des Zeugen C gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber durch schuldhafte Nichtbearbeitung des Mandats seitens des Angeklagten aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist in ihrer Durchsetzbarkeit gehemmt oder gar verfallen ist.
51V.
52Im Rahmen der Strafzumessung war zu entscheiden, wie der Angeklagte zu bestrafen war. Der Strafrahmen für die Urkundenfälschung reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
53Zu Gunsten des Angeklagten hat das Gericht vorliegend gewertet, dass er bislang nicht vorbestraft ist. Auch war strafmildernd zu sehen, dass der Angeklagte seitens der Rechtsanwaltskammer aufgrund seines Verhaltens weitere Sanktionen zu erwarten hat. Zu seinen Lasten war zu sehen, dass von ihm aufgrund seiner Stellung als Rechtsanwalt und damit als Organ der Rechtspflege eine besonderes Maß an Zuverlässigkeit, Integrität und Sorgfältigkeit erwartet wird. Diesem Anspruch ist der Angeklagte durch sein Verhalten nicht gerecht geworden. Im Übrigen betrifft die durch den Angeklagten begangene Urkundenfälschung nicht etwa - wie in anderen Fällen - eine Bagatelle wie beispielsweise die Fälschung eines Bustickets, sondern den Kernbereich der forensischen anwaltlichen Tätigkeit. In Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat das Gericht vorliegend noch die Verhängung einer
54Geldstrafe von 180 Tagessätzen
55für tat- und schuldangemessen erachtet, wobei das Verteidigungsverhalten des Angeklagten anders als in dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft beantragt keinen Eingang in die Strafzumessung gefunden hat.
56Die Tagessatzhöhe war angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten gem. § 40 Abs. 2 StGB auf einen Betrag von 30,00 Euro festzusetzen.
57VI.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
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