Urteil vom Amtsgericht Herne - 18 C 58/08
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 956,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 16.12.2007 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 114,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und Beklagte können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils gesamten vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von den Beklagten, Fahrerin und Halterin sowie Versicherung des gegnerischen PKW, Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 15.08.2007 gegen 11.30 Uhr in Herne im Kreuzungsbereich X-Ring/I-Strasse ereignet hat.
3Zu dem Unfall kam es wie folgt:
4Zum Unfallzeitpunkt befuhr die Beklagte zu 1) mit ihrem PKW die I-Strasse in westlicher Fahrtrichtung. Sie beabsichtigte nach links in den X-Ring in südlicher Richtung abzubiegen. Im Kreuzungsbereich kam es zum Zusammenstoß mit dem von der Klägerin gesteuerten klägerischen Fahrzeug. Die Klägerin befuhr ihrerseits den X-Ring in südlicher Fahrtrichtung und zwar auf dem linken von zwei vorhandenen Fahrstreifen. Das klägerische Fahrzeug wurde an der linken Seite und das Beklagtenfahrzeug an der vorderen linken Fahrzeugecke beschädigt.
5Die Klägerin beziffert ihren unstreitigen Sachschaden, bestehend aus den Reparaturkosten laut Sachverständigengutachten in Höhe von 1.567,62 EUR netto, Sachverständigenkosten von 319,74 EUR und einer Unkostenpauschale von 25,00 EUR, auf insgesamt 1.912,36 EUR.
6Sie behauptet, die Beklagte zu 1) sei als Nachzüglerin in den Kreuzungsbereich eingefahren und zwar zu einem Zeitpunkt, wo sie nicht davon überzeugt gewesen sein konnte, dass sie innerhalb der Grünphase die Kreuzung auch würde verlassen können. Sie sei – nachdem der Gegenverkehr abgeflossen sei -, weitergefahren, ohne auf den Vorrang der Klägerin zu achten, die ihrerseits bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren sei.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.912,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 16.12.2007 zu zahlen;
9die Beklagten weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 229,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2008 zu zahlen, hilfsweise die Klägerin von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte pp. gemäß Rechnung vom 28.01.2008 in Höhe von 229,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 27.02.2008 freizustellen.
10Die Beklagten beantragen,
11die Klage abzuweisen.
12Sie behaupten, die Beklagte zu 1) habe zunächst vor der Rotlicht zeigenden Ampelanlage der Kreuzung I- Straße/X-Ring angehalten. Sie habe sich dort als erstes und einziges Fahrzeug befunden. Als die Ampel auf Grünlicht umgeschaltet sei, sei die Beklagte zu 1) langsam bis zur Kreuzungsmitte hin vorgefahren und habe ihr Fahrzeug dort angehalten, um den Gegenverkehr passieren zu lassen. Danach habe die Beklagte zu 1) ihren Abbiegevorgang fortgesetzt, nachdem sie sich zuvor darüber vergewissert habe, dass dies gefahrlos möglich gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Klägerin mit ihrem PKW noch nicht im Kreuzungsbereich befunden. Sodann sei es im Zuge dieses Abbiegemanövers zum Unfall gekommen. Die Beklagten sind insoweit der Ansicht, dass die Klägerin vorliegend zunächst der Beklagten zu 1) die Weiterfahrt hätte ermöglichen müssen, so dass hier die Klägerin die Alleinschuld am Zustandekommen des Verkehrsunfalls treffe.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
14Das Gericht hat die Klägerin und die Beklagte zu 1) zum Unfallhergang angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.05.2008 (Bl. 40 – 41 d.A.) verwiesen.
15Die Akten StA Bochum pp. lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist teilweise begründet.
18Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner wegen des Unfallereignisses vom 15.08.2007 in Herne Kreuzung I- Strasse/X-Ring einen Anspruch auf hälftigen Schadensersatz aus §§ 7, 17 StVG, 3 Nr. 1 PflichtVG.
19Die Voraussetzungen für eine Haftung liegen dem Grunde nach vor.
20Durch den Unfall ist an dem PKW der Klägerin, P pp. ein Sachschaden entstanden. Der Unfall hat sich beim Betrieb des Kraftfahrzeuges I1 pp. ereignet. Die Beklagte zu 1) haftet als Fahrzeugführerin und Halterin des PKW, die Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs unmittelbar.
21Der Haftungsausschuss gemäß § 7 Abs. 2 StVG ist nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift ist die Ersatzpflicht nur ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Von höherer Gewalt ist auszugehen, bei einem von außen durch Naturereignis oder bei einem durch Handlung betriebsfremder Personen einwirkenden Ereignis, das so außergewöhnlich ist, dass man damit nicht zu rechnen braucht. Umstände, die einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt begründen könnten, sind von beiden Parteien nicht vorgetragen und nicht bewiesen worden.
22Die nach § 17 StVG vorzunehmende Abwägung führt hierzu dazu, dass die Verursachungsanteile beider Parteien gleich zu bewerten sind, so dass die Klägerin die Hälfte ihres Schadens selbst zu tragen hat.
23Zunächst geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte zu 1) die für sie maßgebliche Ampel bei grün passiert hat, das sich aber nicht feststellen lässt, ob ihre Warteposition bereits im inneren Kreuzungsbereich lag, wo sie nach dem Umschalten der Ampel den dann einsetzenden Querverkehr tatsächlich behindert hätte; insbesondere den für sie von links kommenden Verkehr.
24Die diesbezüglichen Angaben der Parteien im Rahmen ihrer Anhörung widersprechen sich. Die Klägerin führt aus, die Beklagte zu 1) habe sich mit ihrem PKW zunächst im Bereich der Lichtzeichenanlage befunden und zwar noch nicht im eigentlichen Kreuzungsbereich. Dagegen führt die Beklagte zu 1) aus, dass sie bereits bis zur Kreuzungsmitte vorgefahren sei und dort den Gegenverkehr aus westlicher Richtung zunächst habe passieren lassen müssen, um sodann die Kreuzung zu räumen. Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, welcher Einlassung hier im Ergebnis gefolgt werden kann. Beide Darstellungen sind plausibel . Etwaiger ergänzender Beweis wird von den Parteien nicht angetreten.
25Die Beklagte zu 1) konnte als sog. "echte Nachzüglerin" mit Vorrang vor dem Querverkehr die Kreuzung nur dann räumen, wenn sie nach dem Überqueren der Fluchtlinie im inneren Kreuzungsbereich verkehrsbedingt zum Stehen gekommen ist, so dass sie in dieser Warteposition den einsetzenden Querverkehr behindert hätte. Nur dann hätte sie Vorrang vor der ihrerseits in den Kreuzungsbereich einfahrenden Klägerin gehabt. Weil jedoch zur Warteposition der Beklagten zu 1) – innerhalb oder außerhalb des eigentlichen Kreuzungsbereichs – keine hinreichend sicheren Feststellungen getroffen werden konnten, ist im Ergebnis offengeblieben, welchen der beiden Unfallbeteiligten der Vorrang letztendlich zustand. Deswegen kann weder zu Lasten der einen noch der anderen Seite ein Vorrangverstoß angenommen werden, welcher dem jeweiligen Verursachungsanteil bei der Abwägung gemäß § 17 StVG ein entscheidendes Übergewicht verschaffen würde.
26Insoweit können bei der Abwägung nämlich nur feststehende, d.h. zugestandene, unstreitige oder bewiesene Umstände berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund lässt sich ein etwaiges Verschulden eines der beiden Unfallbeteiligten nicht feststellen. Da ungeklärt ist, von welcher Warteposition die Beklagten zu 1) gestartet ist, beide Unfallbeteiligte bei grün in die Kreuzung eingefahren sind, lässt sich ein unfallursächliches Verschulden eines der beiden Unfallbeteiligten nicht feststellen.
27Im Ergebnis stehen sich daher bei der gebotenen Abwägung lediglich die einfachen Betriebsgefahren der Fahrzeuge gegenüber. Das Gericht hält es für gerechtfertigt, wenn sich die Parteien den Schaden hälftig teilen. Der jeweilige Verursachungs- und Verschuldensanteil ist gleich hoch zu bewerten.
28Der Höhe nach beläuft sich der von den Beklagten zu ersetzende Betrag auf 956,18 EUR – ½ eines unstreitigen Ausgangsbetrages von 1.912,36 EUR – zuzüglich der hälftigen vorprozessualen Rechtsanwaltskosten.
29Der Zinsausspruch folgt aus § 286 ff BGB.
30Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.
31Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 1.912,36 EUR festgesetzt.
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