Urteil vom Amtsgericht Ibbenbüren - 3 C 450/01
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des voll-
streckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Halter eines Pkw Mercedes, der am 07.06.2001 bei einem Verkehrsunfall in Hörstel Bevergern beschädigt wurde. Er nimmt die Erstbeklagte als Fahrerin, die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer des anderen unfallbeteiligten
3Pkw auf Schadensersatz in Anspruch.
4Der Kläger war mit seinem Pkw auf den Parkplatz des Edeka Supermarktes in Bevergern gefahren, hatte in die rechte von zwei nebeneinanderliegenden Park-
5lücken eingeparkt und öffnete die Fahrertür, um sein Fahrzeug zu verlassen.
6In diesem Augenblick fuhr die Beklagte in die freie Parklücke links neben dem
7Pkw des Klägers. Dabei stieß sie gegen die geöffnete Tür, die dabei beschädigt
8wurde.
9Mit der Klage macht der Kläger seinen unfallbedingten Schaden - unstreitig
104.150,07 DM - geltend.
11Der Kläger behauptet, die Erstbeklagte sei rasant in die freie Parklücke gefahren, als er sich bereits mit einem Fuß aus seinem Fahrzeug herausbewegt habe. Dabei sei sie gegen die geöffnete Tür gefahren. Er selbst habe vor dem Öffnen der Tür aufmerksam nach hinten geschaut und sie dann bis zum Einrasten in der ersten Stufe, also bis zu einem Winkel von etwa 45 °, geöffnet. Den von hinten kommenden Wagen der Beklagten habe er gesehen, als er "gut einen Meter" von seiner Auto-
12tür entfernt gewesen sei.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 4.150,07 DM
15nebst gesetzliche Zinsen seit dem 07. Juli 2001 zu zahlen.
16Die Beklagten beantragen,
17die Klage abzuweisen.
18Sie behaupten, die Erstbeklagte sei mit "angepaßter", geringer Geschwindigkeit
19in die Parklücke eingefahren. Als sie bereits eingebogen war, habe der Kläger
20seine Tür geöffnet und das einparkende Fahrzeug übersehen. Die Erstbeklagte
21habe nicht mehr bremsen können und mit ihrer Stoßstange die sich öffnende Tür berührt.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist unbegründet.
24Dem Kläger stehen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 07.06.2001 nicht zu.
25Bei dem Betrieb des Pkw der Erstbeklagten wurde der Pkw des Klägers beschädigt. Damit ist die grundsätzliche Haftung der Beklagten aus den §§ 7 I StVG,
263 PflichtVG begründet. Diese Ersatzpflicht ist auch nicht nach § 7 II StVG ausge-
27schlossen, denn es steht nicht fest, daß der Pkw für die Erstbeklagte ein unab-
28wendbares Ereignis im strengen Sinne dieser Vorschrift darstellt. Es ist aber
29davon auszugehen, daß den Kläger ein so weit überwiegendes Verschulden
30an der Entstehung des Unfalls trifft, daß eine mitwirkende Verursachung der
31Beklagten dahinter vollständig zurücktritt.
32Der Kläger öffnete die Tür eines stehenden Pkw und hatte dabei die gesteigerten
33Sorgfaltspflichten des § 14 I StVO zu erfüllen. Nach dieser Vorschrift muß derjenige, der aussteigt, sich so verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
34ausgeschlossen ist. Daraus folgt, daß der Kläger die linke Wagentür nur öffnen
35durfte, wenn er sicher sein konnte, daß er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdete. Das Gesetz schreibt insoweit höchste Sorgfalt des Aussteigenden vor.
36Die Anforderungen, die ein Verkehrsteilnehmer dabei beachten sollte, werden in der juristischen Literatur wie folgt beschrieben:
37"Von innen sollte die linke Tür stets mit der rechten Hand, die rechte mit der linken
38Hand geöffnet werden, weil dies den Öffnenden an rechtzeitigen Rückblick erinnert und diesen durch Körperdrehung erleichtert. Wer die linke Wagentür öffnen will,
39muß zunächst nach hinten beobachten; reicht der Rückblick nicht weit genug, darf
40er die Tür langsam spaltweise öffnen (bis zur 10 cm), weiter erst, wenn mit Gewißheit niemand kommt. ... Türöffnen ohne vorherigen Rückblick ist unzulässig.
41... Bemerkt der Kraftfahrer, daß von hinten ein Fahrzeug naht, muß er dieses im Auge behalten und darf seine Tür nicht gefährdend öffnen." (Hentschel, RdNr. 5
42und 6 zu § 14 StVO).
43Diesen Anforderungen genügte der Kläger nach seiner eigenen Sachverhalts-
44darstellung nicht. Wenn er den rückwärtigen Verkehrsraum zunächst bei geschlossener Tür aufmerksam beobachtet hätte, so hätte er das herannahende
45und in unmittelbarer Nähe befindliche Fahrzeug der Beklagten wahrnehmen müssen.
46Er hätte darum die Tür gar nicht öffnen dürfen, bis er sich über die weiteren Bewegungen und das endgültige Verbleiben des Pkw der Beklagten absolute
47Klarheit verschafft hatte. Hätte er sich aufmerksam umgeschaut, so hätte er diesen Pkw nicht erst bemerkt, als dieser nur einen Meter von ihm entfernt war. Außerdem
48hätte er seine Fahrzeugtür keinesfalls im ersten Zuge bereits bis zum ersten Anschlag, also bis zu einem Winkel von 45 °, öffnen dürfen. Angesichts der Tatsache, daß links neben ihm nur eine Parklücke frei war, mußte er mit dem Einfahren eines anderen Fahrzeuges mit sehr geringem Seitenabstand rechnen.
49Unter diesen Umständen spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine alleinschuldhafte Unfallverursachung durch den Kläger. Da Einzelheiten der
50Annäherung der Erstbeklagten und damit auch ihre Reaktionsmöglichkeiten
51streitig und zudem nicht aufklärbar sind, kann nicht von einer absolut sicheren
52Unabwendbarkeit des Unfalls durch sie ausgegangen werden. Das Verschulden
53des Klägers wiegt aber so schwer, daß die von dem Pkw der Beklagten aus-
54gehende Betriebsgefahr dahinter vollständig zurücktritt.
55Unter diesen Umständen war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzu-
56weisen.
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Referenzen
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