Urteil vom Amtsgericht Köln - 261 C 400/02
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
2Am 03. Februar 2002 gegen 11.10 Uhr befuhr die Klägerin mit ihrem Kraftwagen die K.gasse in Köln in nördlicher Richtung. Als sie sich in Höhe der rechts einmündenden L.straße befand, kam ihr der Beklagte zu 1. mit seinem bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Kraftwagen entgegen. Er beabsichtigte, nach links in die L.straße abzubiegen. Hierbei kam es zu einer Kollision mit dem Kraftwagen der Klägerin.
3Die Beklagten sind der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz in voller Höhe verpflichtet. Streitig ist jedoch die Höhe des unfallbedingten Schadens, ferner die Frage, ob die Klägerin durch das Unfallgeschehen verletzt worden ist und ihr ein Schmerzensgeld zusteht.
4Soweit es das bei dem Unfall beschädigte Fahrzeug der Klägerin betrifft, zahlte die Beklagte zu 2. vorgerichtlich aufgrund eines von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens auf die Wertminderung des Fahrzeugs der Klägerin 250,00 EUR. Die Klägerin macht mit der Klage einen Anspruch auf Gewährung von Schmerzensgeld geltend; ferner begehrt sie Ersatz von Rezeptgebühren in Höhe von 80,85 EUR sowie einen Restbetrag in Höhe von 400,00 DM, der sich auf die Wertminderung ihres Fahrzeuges bezieht.
5Sie trägt vor:
6Durch den Unfall sei sie verletzt worden. Noch am Unfalltage habe sie sich in das - Krankenhaus in Köln - begeben und sei dort ambulant behandelt worden. Der behandelnde Arzt habe einen unfallbedingten Schock und eine HWS - Distorsion diagnostiziert. Außerdem habe sie Schmerzen im Bereich des linken Oberschenkels gehabt. Wegen der sich verschlimmernden Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule, des unteren Rückens und wegen starker Kopfschmerzen habe sie sich durch ihre Hausärztin, Frau Dr. med. S.-H., behandeln lassen, ferner durch den Orthopäden Herrn Dr. med. T. beide in Köln. Auch diese Ärzte hätten eine HWS - Distorsion diagnostiziert, der Orthopäde darüber hinaus eine LWS - Prellung. Herr Dr. T. habe sie bis zum 01. März 2002 krankgeschrieben, da 100 % - ige Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Ihren seien Schmerzmittel verordnet worden, darüber hinaus physikalische Anwendungen, bei denen es sich um Reizstrom - Wärmebehandlungen gehandelt habe. Diese hätten im Februar 2002 16 mal stattgefunden. Für die Zeit vom 04. März - 19. März 2002 habe sie Urlaub beantragt, da ihr dies ihr direkter Vorgesetzter nahegelegt habe. Ihre Beschwerden hätten sich jedoch während des Urlaubs nicht verringert. So habe sie sich danach weiter ärztlich behandeln lassen müssen. Sie habe sich jedoch nicht länger krankschreiben lassen, um ihre Arbeitsstelle nicht zu gefährden. Wegen anhaltender starker Schmerzen habe sie sich in der Praxis Dr. T. einer Spritzentherapie unterzogen.
7Begleitend seien Fangopackungen und Massagen verordnet worden. Diese Behandlungen hätten 14 mal im Mai und Juli 2002 stattgefunden. Während der gesamten Zeit habe sie aufgrund der Schmerzen enorme Schwierigkeiten gehabt, morgens aufzustehen oder sich nach längerem Sitzen zu erheben. Da sie während ihrer Arbeit längere Zeit sitzen müsse, hätten die Beschwerden zu einer außerordentlich großen Beeinträchtigung geführt, die neben ihrer Arbeit auch die Freizeitgestaltung und die Erledigung des Haushaltes betroffen habe. Erst seit Juli sei sie zumindest soweit schmerzfrei, daß der Orthopäde eine weitere Behandlung nicht für nötig erachtet habe. Die monatelang anhaltenden Beschwerden seien ausschließlich auf das hier fragliche Unfallgeschehen zurückzuführen. Zuvor habe sie keine Rücken- oder Nackenbeschwerden gehabt und sei demzufolge auch nie wegen solcher Beschwerden ärztlich behandelt worden. Sie halte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.250,00 EUR für angebracht, stelle jedoch der Höhe nach das Schmerzensgeld in das Ermessen des Gerichts.
8Während der ärztlichen Behandlungen seien ihr Kosten für Rezeptgebühren und ärztliche Atteste sowie ein Eigenanteil an Behandlungskosten in einer Gesamthöhe von 80,85 EUR entstanden.
9Ihr bei dem Unfall beschädigtes Fahrzeug habe eine merkantile Wertminderung erlitten. Auch die Beklagte zu 2. habe dies angenommen und einen Betrag in Höhe von 250,00 EUR gezahlt. Dieser Betrag sei zu gering. Der Wagen habe sich erst im dritten Zulassungsjahr befunden und eine Laufleistung von nur 17.123 km aufgewiesen. Der Wiederbeschaffungswert sei auf 11.600,00 EUR geschätzt worden. Sie halte eine merkantile Wertminderung in Höhe von 650,00 DM für angebracht, und zwar unter Berücksichtigung der aktuellen Marktlage. Da die Beklagte zu 2. hierauf 250,00 EUR gezahlt habe, stehe insoweit noch eine Restforderung in Höhe von 400,00 EUR offen.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie folgende Beträge
12zu zahlen:
131.
14Ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des
15Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch 1.250,00 EUR nebst 5 % Zinsen
16über dem Basiszinssatz seit dem 23. März 2002;
172.
18weitere 80,85 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
19Rechtshängigkeit;
203.
21einen angemessenen Schadensersatz für die Wertminderung ihres
22Fahrzeuges Pkw Ford Focus Ghia mit dem amtlichen Kennzeichen
23K-xxx (Fahrgestellnummer:xxx), dessen
24Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch
25weitere 400,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
26dem 23. März 2002.
27Die Beklagten beantragen,
28die Klage abzuweisen.
29Sie tragen vor:
30Daß die Klägerin durch das Unfallgeschehen verletzt worden sei werde bestritten. Objektive Befunde lägen nicht vor. Das Unfallgeschehen sei im übrigen nicht geeignet gewesen, die von der Klägerin behaupteten Verletzungen und Beschwerden hervorzurufen. Demzufolge stehe der Klägerin weder ein Anspruch auf Gewährung von Schmerzensgeld zu noch auf Erstattung anteiliger Rezept- und Attestkosten.
31Ebensowenig könne die Klägerin wegen der unfallbedingten merkantilen Wertminderung ihres Fahrzeuges mehr als den gezahlten Betrag von 250,00 EUR beanspruchen. Die Beklagte zu 2. habe ein Gutachten des Sachverständigen Herrn Dipl.-Ing. A. eingeholt. Er habe den Betrag von 250,00 EUR ermittelt. Dieser Betrag sei schon recht großzügig bemessen. Eine weitere Zahlung komme nicht in Betracht.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen. Das Gericht hat gemäß den Beweisbeschlüssen vom 29. Januar 2003 (Bl. 47 der Akte) und vom 02. Juli 2004 (Bl. 111 der Akte) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen, Herrn Dipl.-Ing. N., vom 08. Dezember 2003 (Bl. 61 ff. der Akte) verwiesen, ferner auf das weitere Gutachten des Sachverständigen Herrn Dipl.-Ing. U. vom 28. Dezember 2004 (Bl. 118 ff. der Akte).
33Entscheidungsgründe:
34Die Klage ist nicht begründet.
35Die Klägerin kann von den Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 03. Februar 2002 weder die Gewährung von Schmerzensgeld beanspruchen noch weiteren Ersatz materiellen Schadens; die Klage findet keine Stützen in den Vorschriften der §§ 7, 17, 18 StVG, 823 ff., 847 a.F. BGB, 3 PflVG.
36Das Gericht hat keine ernstlichen Zweifel daran, daß die Klägerin in der Zeit, in der sie sich ärztlich hat untersuchen und behandeln und für die sie sich ihre Arbeitsunfähigkeit hat attestieren lassen, nicht unerhebliche Probleme mit ihrer Halswirbelsäule sowie weitere Beschwerden hatte.
37Sie hat jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichtes nach den §§ 286, 287 ZPO nachgewiesen, daß diese Beschwerden auf den Unfall vom 03. Februar 2002 adäquat kausal zurückzuführen sind.
38Der durch das Gericht mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige N. hat u.a. dahin Stellung genommen, das Ausmaß der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeugs der Klägerin hänge u.a. von der Masse des unfallgegnerischen Fahrzeuges ab; habe es sich um ein dem VW Lupo (900 kg) vergleichbares Fahrzeug gehandelt, so habe die Mindestgeschwindigkeitsänderung 8,3 km betragen; habe es sich hingegen um ein der Mercedes E - Klasse vergleichbares Fahrzeug gehandelt (1535 kg) so habe die Geschwindigkeitsänderung etwa 9,3 km betragen; es sei zu berücksichtigen, daß die Belastung bei dem Unfall in der Hauptsache von vorne erfolgt sei, also mit einem Belastungstyp, bei dem die biomechanische Belastungsgrenze nach allgemeiner Ansicht deutlich höher liege als beim Heckanstoß; eine Abknickverletzung sei aufgrund der geringen Seitenkräfte als Verletzungmechanismus auszuschließen.
39Wegen der Feststellungen des Sachverständigen im einzelnen und der von ihm daraus gezogenen Schlußfolgerungen verweist das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Gutachten N.. Das Gericht hält es für gründlich, nachvollziehbar und überzeugend.
40Als nachgewiesen kann hier allenfalls eine Geschwindigkeitsänderung von 8,3 km bis 9,3 km angesehen werden. Die Belastungen, denen die Klägerin unfallbedingt ausgesetzt war, waren demnach vergleichsweise geringfügig.
41Dies gilt um so mehr, als der Anstoß im wesentlichen von vorne erfolgte, die Klägerin sich also darauf einstellen und eine entsprechende Haltung einnehmen konnte. Abgesehen davon geht das Gericht davon aus, daß sie angegurtet war. Anders läge der Fall dann, wenn es sich um einen seitlichen Anstoß gehandelt hätte, und zwar gegen die Seite, an welcher die Klägerin saß. Hierzu hat das Sachverständige zutreffend ausgeführt, daß es sich im wesentlichen gerade nicht um einen seitlichen Anstoß handelte, sondern daß die Belastung bei dem Unfall in der Hauptsache von vorne erfolgte. Eine Abknickverletzung, wie sie der Sachverständige in seinem Gutachten angesprochen hat, kam also nicht in Betracht. Er hat sie aufgrund der geringen Seitenkräfte als Verletzungsmechanismus ausgeschlossen. Auch die ärztlichen Berichte belegen im übrigen eine Abknickverletzung nicht.
42Dem Gericht ist aus zahlreichen in ähnlichen Fällen eingeholten medizinischen Gutachten bekannt, daß zwar grundsätzlich eine unfallbedingte Verletzung nicht ausgeschlossen wird, daß sie aus medizinischer Sicht jedoch als unwahrscheinlich bezeichnet wird. In den Gutachten wurde im übrigen regelmäßig darauf hingewiesen, daß Beschwerden, wie die Klägerin sie vorgetragen hat, auch spontan und ohne ein traumatisches Ereignis wie beispielsweise einen Verkehrsunfall eintreten könne. Gegen die Unfallbedingtheit der Beschwerden spricht im übrigen die Tatsache, daß die Klägerin nach ihrem Vortrag noch monatelang darunter litt. Üblicherweise klingen Beschwerden bei Geschwindigkeitsänderungen wie im Streitfall etwa nach zwei Wochen ab, wie dem Gericht ebenfalls aus medizinischen Sachverständigengutachten bekannt ist.
43Das Gericht zieht aus dem eingeholten Gutachten den Schluß, daß die Klägerin die von ihr vorgetragenen nicht unerheblichen Beschwerden nicht durch den Auffahrunfall vom 03. Februar 2002 erlitten hat. Infolgedessen steht ihr keinerlei Ersatz immateriellen (Schmerzensgeld) oder materiellen (Rezept- und Attestkosten) Schadens zu.
44Ebensowenig kann die Klägerin von den Beklagten weitere 400,00 EUR wegen der Wertminderung ihres Fahrzeuges beanspruchen.
45Der zu dieser Frage mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Sachverständigen U. hat u.a. dahin Stellung genommen, für die Wiederherstellung des Fahrzeuges der Klägerin seien brutto 2.226,35 EUR erforderlich gewesen; als Basis der Zumessung eines Wertminderungsbetrages diene im wesentlichen das Schadensausmaß, insbesondere die Reparaturtiefe und damit die Auswirkungen bis in die Fahrzeugstruktur; im Streitfall seien eingrenzbare und äußerliche Instandsetzungsmaßnahmen an einem marktgängigen Fahrzeug erforderlich gewesen; der Schaden sei offenbarunspflichtig, das Käuferverhalten werde bei einem potenziellen Verkauf sicherlich zu einer Kaufpreisminderung führen; dieser Einschätzung werde mit der Zumessung einer merkantilen Wertminderung in Höhe von 250,00 EUR Rechnung getragen.
46Wegen der Feststellungen des Sachverständigen im einzelnen und der von ihm daraus gezogenen Schlußfolgerungen verweist das Gericht auf das den Parteien bekannte Gutachten U.. Das Gericht hält es für gründlich und überzeugend. Es nimmt es zur Grundlage seiner Entscheidung.
47Mithin konnte die Klägerin von den Beklagten als Wertminderung einen Betrag von 250,00 EUR beanspruchen. Dieser Anspruch ist durch Erfüllung erloschen, nachdem die Beklagte zu 2. den entsprechenden Betrag vorgerichtlich gezahlt hat.
48Da die Klage hinsichtlich der Hauptforderungen nicht gerechtfertigt ist, ist sie es auch nicht hinsichtlich der weiter geltend gemachten Zinsansprüche.
49Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
50Streitwert: 1.730,85 EUR.
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