Urteil vom Amtsgericht Köln - 121 C 364/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin schloss bei der Beklagten mit Antrag vom 05.08.2004 (Anlage B 1, Bl. 77 ff. d.A.) mit Wirkung zum 01.09.2004 unter der Versicherungsnummer 0000 eine fondsgebundene Lebensversicherung ab. Wegen des Versicherungsscheins und der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen wird auf Anlage K 1, Bl. 6 ff. d.A. (= Anlage B 2, Bl. 83 ff. d.A.) Bezug genommen.
3Die Prämien betrugen in der Zeit vom 01.09.2004 bis 31.08.2005 140,00 Euro im Monat, in der Zeit ab dem 01.09.2005 152,00 Euro im Monat.
4Die Klägerin zahlte von September 2004 bis jedenfalls November 2005 die vertraglich vereinbarten Prämien bei der Beklagten ein.
5In der Folgezeit kündigte die Klägerin die Versicherung. Mit Schreiben vom 20.02.2006 (Anlage K 2, Bl. 36 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass noch kein Rückvergütungswert vorhanden sei und die Versicherung zum 01.02.2006 erlöschen würde. Zu diesem Zeitpunkt ergab sich ein Rückkaufswert in Höhe von 64,32 Euro, von dem die Beklagte offene Prämien für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 in Höhe von 304,00 Euro zuzüglich 2,20 Euro Verzugszinsen in Abzug brachte.
6Mit anwaltlichen Schreiben vom 21.03.2006 (Anlage K 3, Bl. 37 ff. d.A.) und 27.04.2006 (Anlage K 4, Bl. 40 ff. d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte wie folgt zur Zahlung auf:
7Prämien September 2004 bis Dezember 2005: 2.288,00 Euro
8abzüglich 4% gemäß § 4 DeckRV: 91,52 Euro
92.196,48 Euro
10davon 50%: 1.098,24 Euro
11Die Beklagte lehnte eine Zahlung mit Schreiben vom 24.03.2006 (Anlage K 5, Bl. 42 f. d.A.) und 12.05.2006 (Anlage K 6, Bl. 44 f. d.A.) ab.
12Mit der Klage begehrt die Klägerin neben dem vorbezeichneten Betrag vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 76,91 Euro gemäß Berechnung in der Klageschrift vom 24.07.2006 (Bl. 5 d.A.) erstattet.
13Die Klägerin ist der Auffassung, die Versicherungsbedingungen der Beklagten zur Berechnung des Rückkaufswerts seien wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Dies ergebe sich aus der fehlenden Tabelle sowie daraus, dass den Versicherungsnehmern nicht deutlich gemacht würde, dass definitiv in den ersten 1 ½ Vertragsjahren bei regelmäßiger Prämienzahlung kein Rückkaufswert aufgebaut werde. Die Formulierungen der Beklagten ("sein können", "ist es möglich", "zunächst") seien zur Wahrung des Transparenzgebots nicht deutlich genug. Ihr stünde im Wege der Lückenschließung durch die Rechtsprechung ein Anspruch auf mindestens die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals zu.
14Die Klägerin behauptet, auch die Prämie für Dezember 2005 eingezahlt zu haben.
15Die Klägerin beantragt,
16die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.098,24 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 13.05.2006 sowie 76,91 Euro an vorgerichtlichen Kosten zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte ist der Auffassung, die Entscheidungen des BGH vom 12.10.2005 seien nicht auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag übertragbar, weil die streitgegenständliche Versicherung nicht kapitalbildend, sondern fondsgebunden sei, sodass kein Deckungskapital aufgebaut werde, sich der Wert der Versicherung vielmehr aus den Fondsanteilen bestimme. Die Regelungen seien auch hinreichend transparent. Eine Darstellung der Folgen einer Kündigung anhand einer Tabelle sei nicht erforderlich, weil für fondsgebundene Versicherungen nicht möglich. Zudem lägen dem streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis andere vertragliche Regelungen zugrunde, die nicht durch Treuhänderverfahren ersetzt worden seien.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22Die Klage ist unbegründet.
23Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung eines Rückkaufswerts in Höhe von 1.098,24 Euro zu gemäß § 176 Abs. 1 VVG in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag.
24Ein auszuzahlender Rückkaufswert, den die Beklagte mit 64,32 Euro unbestritten zutreffend berechnet hat, lag - unter Berücksichtigung der Verrechnung mit rückständigen Prämien - zugunsten der Klägerin nicht vor. Dass die Klägerin auch die verrechneten Prämien für Dezember 2005 und Januar 2006 gezahlt hätte, hat sie nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Es fehlt jeder Vortrag dazu, wann und auf welche Art und Weise diese Prämien gezahlt worden sein sollen. Dem entsprechenden Sachvortrag der Beklagten, die Prämien seien nicht gezahlt worden, ist die Klägerin nicht mehr entgegengetreten.
25Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem Urteil vom 12.10.2005, IV ZR 162/03 die Hälfte der eingezahlten Gebühren unter Abzug von 4% Abzugskosten als Rechtsfortbildung zur Lückenschließung erstattet verlangen gemäß §§ 133, 157 BGB.
26Im vorliegenden Fall ist bereits keine Regelungslücke entstanden, die eine ergänzende Vertragsauslegung zur Lückenschließung gebieten würde.
27Die durch die Beklagte verwendeten Versicherungsbedingungen zur Berechnung des Rückkaufswerts sind nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
28Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klauseln in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. BGH Z 141, 137, 143). Entsprechend sind dem Versicherungsnehmer auch die im Falle einer vorzeitigen Kündigung eines Versicherungsvertrags sich ergebenden Rechtsfolgen und Nachteile, insbesondere die Errechnung des Rückkaufswerts einschließlich vorzunehmender Abzüge aufgrund Abschlusskosten etc., vor Augen zu führen.
29Diesen Anforderungen werden die Versicherungsbedingungen der Beklagten, auch wenn sie aufgrund der Vielzahl von Verweisungen nicht gerade übersichtlich gestaltet sind, insgesamt noch gerecht. Sie führen dem Versicherungsnehmer hinreichend deutlich vor Augen, dass eine vorzeitige Vertragskündigung mit erheblichen Nachteilen verbunden ist.
30Dies ergibt sich bereits aus den Hinweisen, die der Klägerin als Versicherungsnehmerin schon bei Antragstellung auf Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung ausgehändigt wurden. Danach hat die Beklagte versichert, dass ihr bekannt ist, dass die Prämien nicht nur zur Deckung der vorzeitigen Versicherungsfälle und der Kosten für die Verwaltung des Versicherungsvertrages benötigt, sondern insbesondere in den ersten Versicherungsjahren für die bei Abschluss des Vertrages entstehenden Kosten verbraucht werden, wodurch in der Anfangszeit kein oder nur ein geringer Teil der Prämie zur Bildung des Vertragsguthabens zur Verfügung stehe. Bei fondsgebundenen Versicherungen hänge die Höhe des Vertragsguthabens zusätzlich von der tatsächlichen Wertentwicklung der zu Grunde liegenden Fonds ab.
31Die vorbezeichneten Hinweise beziehen sich zwar nicht ausdrücklich auf die Folgen einer vorzeitigen Vertragskündigung. Sie machen aber deutlich, dass die ersten gezahlten Prämien nicht zur Bildung eines auszahlbaren Guthabens zugunsten des Versicherungsnehmers dienen können, sondern zunächst zur Deckung vorzeitiger Versicherungsfälle und der Abschlusskosten, sodass in der Anfangszeit kein oder nur ein geringer Teil der Prämie zur Bildung eines Vertragsguthabens zur Verfügung steht. Entsprechend kann der Versicherungsnehmer bei einer Vertragskündigung in den ersten Jahren der Versicherung bereits aufgrund des vorbezeichneten Hinweises nicht davon ausgehen, dass ihm überhaupt ein Rückkaufswert ausgezahlt werden kann.
32Darauf wird in dem Versicherungsvertrag selbst zusätzlich aber auch noch ausdrücklich und hinreichend deutlich hingewiesen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte unter Ziffer IV. § 15 der Bedingungen Gerling Variable Fondspolice Fondsgebundene Lebensversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen zahlreiche Konjunktive verwendet und darauf hinweist, dass es "möglich" sei, dass zunächst keine Beträge zur Bildung der Rückkaufswerte vorhanden oder diese Beträge geringer als die eingezahlten Prämien sind, sowie, dass die einmaligen Abschlusskosten höher als die ersten Prämien sein können und es möglich sei, dass zunächst keine Beträge zur Bildung der Rückkaufswerte vorhanden oder diese Beträge auch in den Folgejahren geringer als die eingezahlten Prämien seien.
33Diese Formulierung weist die Versicherungsnehmer bereits mit hinreichender Deutlichkeit darauf hin, dass insbesondere zu Anfang der Versicherung die Möglichkeit besteht, dass kein Guthaben zugunsten des Versicherungsnehmers vorhanden ist und zunächst die Vertragsabschlusskosten verrechnet werden. Eine darüber hinausgehende Warnung des Versicherungsnehmers, insbesondere unter konkreter Angabe von Zeiträumen, ist nach der Eigenart fondsgebundener Lebensversicherungen nicht geboten.
34Eine transparente Darstellung kann nur gefordert werden, soweit dies nach den Umständen auch möglich ist. Die hypothetische Formulierung trägt der Tatsache Rechnung, dass der Punkt, an dem der fondsgebundene Lebensversicherungsvertrag Rückkaufswerte hervorbringt, aufgrund der Besonderheiten diesen Vertragstyps nicht ermittelt werden kann. Denn zum einen wird bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung ein Kapitalstock nicht gebildet. Zum anderen verändert sich der Wert der Fondsanteile laufend. Insofern ist auch eine tabellarische Darstellung der Rückkaufswerte bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ausgeschlossen (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 22.09.2003, 8 U 632/03, VersR 2004, S. 182 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.2005, 20 U 105/05, OLG Report 2006, S. 8 f.). Hierauf wird der Versicherungsnehmer durch die Beklagte unter Ziffer III § 14 (3) der vorbezeichneten Bedingungen auch ausdrücklich hingewiesen. Nach dieser Vorschrift werden die fondsgebundenen Versicherungen von einer Darstellung der wirtschaftlichen Auswirkungen einer vorzeitigen Kündigung in Tabellenform ausdrücklich ausgenommen.
35Darüber hinaus ist die hypothetische Formulierung der Beklagten auch zutreffend, weil es durchaus möglich sein kann, dass die fondsgebundene Lebensversicherung bereits in einer relativ frühen Vertragsphase bei günstiger Entwicklung Rückkaufswerte abwirft, wie dies vorliegend auch der Fall war.
36Ferner wird dem jeweiligen Versicherungsnehmer die Gefahr einer vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrags noch in einer weiteren Regelung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Ziffer IV § 15 der vorbezeichneten Versicherungsbedingungen steht, deutlich vor Augen geführt. So weist die Beklagte bereits unter Ziffer III § 14 (3) der vorbezeichneten Versicherungsbedingungen mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass die Kündigung der Versicherung mit Nachteilen verbunden ist und in der Anfangszeit auf Grund des Zillmerverfahrens nur in Ausnahmefällen ein Rückkaufswert gezahlt werden kann, sowie dass die Höhe des Rückkaufswertes im Wesentlichen von der allgemeinen Kapitalmarktsituation und der besonderen Risiko- und Kostensituation der Beklagten abhänge, sodass die Höhe des Rückkaufswerts nicht garantiert werden könne. Diese Angaben genügen bei fondsgebundenen Lebensversicherungen dem Transparenzgebot (vgl. insoweit auch OLG Nürnberg, a.a.O., S. 183).
37Soweit die Beklagte darüber hinaus in weiteren Bestimmungen - etwa Ziffer III. § 7 der Bedingungen Gerling Variable Fondspolice Fondsgebundene Lebensversicherung, Tarifbestimmungen für die variable fondsgebundene Lebensvesicherung - zu den Rechtsfolgen einer Vertragskündigung ausführt, trägt dies zwar nicht zur Übersichtlichkeit ihrer Bedingungen bei. Da die Angaben in diesen Bestimmungen den Allgemeinen Versicherungsbedingungen aber nicht widersprechen und die Gefahren und wirtschaftlichen Folgen einer vorzeitigen Vertragskündigung nicht beschönigen, führen sie nicht zu einer Verstoß gegen das Transparezgebot.
38Nach alledem war die Klage abzuweisen.
39Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
40Streitwert: 1.098,24 Euro
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Referenzen
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