Urteil vom Amtsgericht Köln - 142 C 238/07
Tenor
Es wird festgestellt, dass die dem Kläger von der Beklagten im Rahmen des Bonusprogramms „Miles&More“ gutgeschriebenen 120.000 Meilen durch die Kündigung vom 22.02.2007 nicht verfallen sind.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger ge-gen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages; der Beklagte wird nachgelassen die Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe geleistet hat.
1
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Fluggesellschaft, auf Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung seiner Teilnahme an einem Bonusprogramm der Beklagten in Anspruch, hilfsweise auf Feststellung, dass bislang verdiente Bonusmeilen nicht verfallen.
3Die Beklagte bietet ihren Kunden die Teilnahme an einem Bonusprogramm für Vielflieger mit dem Namen "Miles & More" an. Dem hieran teilnehmenden Kunden werden für jeden bei der Beklagten gebuchten Flug auf einem Konto Meilen gutgeschrieben. Das Meilenguthaben kann der Kunde gegen Prämien einlösen. Dies können Flugprämien (Freiflüge) und sog. "Upgrade" Prämien (Beförderung in einer höheren Klasse) sein. Zudem kann der Kunde seine Meilen in einem Shop gegen dort angebotene Artikel einlösen. Ferner ist es ihm möglich Meilen hinzuzukaufen.
4Der Kläger ist seit Ende der neunziger Jahre Teilnehmer dieses Programms.
5Der Teilnahme am Bonusprogramm liegen Teilnahmebedingungen der Beklagten zugrunde. Diese sehen auch in der zu Beginn der Teilnahme des Klägers gültigen Fassung unter Ziffer 2.4.7 vor, dass Prämiendokumente (Tickets oder Zertifikate für andere Prämien) ausschließlich an Personen verschenkt werden können, mit denen der Teilnehmer durch eine gegenseitige Beziehung persönlich verbunden ist, wie z.B. Verwandter, Freund und Bekannte. Ziffer 2.4.8. sieht u.a. vor, dass der Verkauf, Tausch, das Anbieten zur Versteigerung oder die sonstige Weitergabe von Prämiendokumenten an Dritte untersagt ist, sofern die Weitergabe nach Ziffer 2.4.7 nicht gestattet ist. Schließlich heisst es in Ziffer 3.1. der Teilnahmebedingungen:
6" Der Teilnehmer kann das Vertragsverhältnis jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist schriftlich kündigen. Eine Kündigung durch M. oder einen Mitherausgeber ist nur unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen möglich, sofern die Kündigung nicht aus wichtigem Grund fristlos erfolgt. Eine fristlose Kündigung durch M. oder einen Mitherausgeber sowie ein Ausschluss von der Programmteilnahme können aus wichtigem Grund mit Wirkung für die Zukunft erfolgen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor bei einem schwer wiegenden Verstoss des Teilnehmers gegen die Teilnahmebedingungen oder Beförderungsbedingungen von M. oder einen Mitherausgeber oder einem Partnerunternehmen ..... . Gleiches gilt im Falle eines Missbrauches gemäss Ziffer 2.4.8 .... . .."
7Für die Meilengültigkeit bei Kündigung regelt Ziffer 3.2.:
8"Im Falle der ordentlichen Kündigung durch den Teilnehmer, durch M., einen Mitherausgeber oder ein Partnerunternehmen behalten die Meilen ihre Gültigkeit für einen Zeitraum von sechs Monaten nach Zugang der Kündigung, sofern nicht ein frührer Verfall nach Ziffer 2.5 eintritt. Im Fall einer berechtigten fristlosen Kündigung durch M. und einen Mitherausgeber verfallen die Meilen mit dem Zugang der Kündigungserklärung beim Teilnehmer."
9Der Kläger hat 120.000 Meilen gesammelt, was einem Wert von 2.900,00 Euro entspricht. Anfang 2007 bot der Kläger einen Prämiengutschein über diese Meilen über das Internetauktionshaus Ebay zum Verkauf an. Mit Schreiben vom 22.02.2007 kündigte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf das Angebot der Meilen bei Ebay unter Bezugnahme auf ihre Teilnahmebedingungen seine Teilnahme an dem Bonusprogramm fristlos und teilte mit, dass die von ihm gesammelten Meilen ersatzlos entfallen seien.
10Der Kläger behauptet zunächst, dass er noch während der Auktion bei Ebay informiert worden sei, dass der Verkauf von Meilen unzulässig sei. ER habeb dann noch versucht, dass Verkaufsangebot streichen zu lassen. Zuletzt habe er sich mit einem Freund – Herrn N. – verständigt, dass dieser die Meilen als Höchstbietender ersteigern sollte mit der Massgabe, dass man nach der Ersteigerung auf eine Abwicklung des Vertrages verzichtet, was dann auch geschehen sei. Der Kläger ist der Ansicht, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist. Mangels wirksamer Einbeziehung seien die Teilnahmebedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach Massgabe der Teilnahmebedingungen liege nicht vor. Die von ihm begangene Vertragsverletzung stelle keinen schwerwiegenden Verstoss gegen die Teilnahmebedingungen der Beklagten dar. Zudem gebe es bei Ebay einen florierenden Handel mit Prämiengutscheinen, der von der Beklagten geduldet würde. Zumindest führe aber der rückwirkende Verlust der Meilen zu einer übermässigen und treuwidrigen Benachteiligung des Klägers.
11Der Kläger beantragt,
121. festzustellen, dass die Teilnahme des Klägers an dem Kundenbonusprogramm (Miles & More) der Beklagten nicht durch die ausserordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.02.2007 beendet wurde.
132. hilfsweise festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, über die bis zur Kündigung vom 22.02.2007 gutgeschriebenen 120.000 Meilen zu verfügen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie behauptet, dass der Kläger telefonisch die Teilnahme beantragt hat und ihm sodann sämtliche Antragsunterlagen einschließlich der Teilnahmebedingungen zugesandt worden sind. Die Bedingungen seien sowohl hinsichtlich der erklärten fristlosen Kündigung als auch betreffend des Verfalles der angesammelten Meilen in Hinblick auf schützenswerte Interessen der Beklagten wirksam. Auch sei der Hilfsantrag bereits unzulässig, da der Kläger die Meilen erfolgreich versteigert habe.
17Es wird ferner auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist teilweise begründet.
20Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Feststellung, dass seine bereits gutgeschriebenen Bonusmeilen durch die seitens der Beklagten ausgesprochene Kündigu7ng nicht verfallen sind, ein Anspruch auf weitere Teilnahme am "Miles & More" Programm der Beklagten besteht indes nicht.
21I.
22Die fristlose Kündigung der Teilnahme des Klägers an dem "Miles & More" Programm der Beklagten ist wirksam.
23Unstreitig ist zwischen den Parteien ein Teilnahme des Klägers an dem "Miles & More" Programm der Beklagten vereinbart worden.
24Der Teilnahme lagen dabei die Teilnahmebedingungen der Beklagten in der zum Zeitpunkt des Antrages gültigen Fassung zugrunde. Die Beklagte hat substantiiert vorgetragen, dass die Teilnahme seinerzeit telefonisch seitens des Klägers beantragt worden ist, ihm sodann alle Antragsunterlagen einschließlich der Teilnahmebedingungen zugesandt wurden und er sodann die Unterlagen ausfüllte und sie an die Beklagte zurücksandte. Angesichts dieses Vortrages kann sich der Kläger nicht mehr auf ein blosses Bestreiten beschränken, er habe die Teilnahmebedingungen nicht ausgehändigt bekommen, wenn er gleichzeitig dem übrigen Vortrag zu der Art und Weise des Zustandekommens seiner Teilnahme keine eigene – in seiner Wahrnehmung – liegende Angaben zu der damaligen ebenfalls nicht weiter bestrittenen Zusendung von Unterlagen entgegenstellt. Auch ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten, die damaligen Teilnahmebedingungen hätten in den hier massgeblichen Bestimmungen gegenüber denen Stand 01.04.2006 keine Änderung erfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Ist es aber – wie dargestellt – dem Kläger verwehrt, sich hinsichtlich der Entgegennahme der Teilnahmebedingungen auf blosses Bestreiten zu beschränken gilt dies auch für die Frage, ob die damaligen Bedingungen in entscheidungserheblicher Weise von denen in der aktuellen Fassung abweichen.
25Die somit wirksam einbezogene Klausel Ziffer 3.1 über die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist gemessen an den §§ 305 ff BGB wirksam.
26Der hier vorliegende Vertrag über eine Teilnahme an dem Bonusprogramm der Beklagten stellt sich als Vertrag sui generis dar, dispositive gesetzliche Regelungen, die einen derartigen Vertrag erfassen würden, sind nicht ersichtlich. Von seiner Rechtsnatur her handelt es am ehesten um einen Sparvertrag dergestalt, dass der Kunde der Beklagten durch die Buchung von Flügen bei der Beklagten ( "Einlage" ) Meilen erwirtschaftet, die er in Prämien ( "Zinsen" ) umsetzen und bei der Beklagten anfordern kann. Demgemäss ist das vertragliche Verhältnis auch auf Dauer angelegt, womit die Lösungsmöglichkeit durch fristlose Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes analog §§ 314, 626 BGB für sich genommen keine unangemessene Benachteiligung darstellt. Demgemäss gibt die Regelung in Ziffer 1 nur das wieder was ohnehin zwingend gewesen wäre ( § 307 Abs. 3 BGB).
27Auch der seitens der Beklagten in Ziffer 3.1. ausdrücklich angeführte wichtige Grund des Missbrauchs in Gestalt von Verkauf, Tausch, Anbieten zur Versteigerung oder die sonstige Weitergabe von Prämien gemäss Ziffer 2.4.8 stösst auf keine klauselrechtlichen Bedenken. Diese Klausel, die letztlich ein in AGB grundsätzlich zulässiges Abtretungsverbot gemäss § 399 BGB beinhaltet stellt sich zwar als Benachteilung dar, da die Verfügungsfreiheit hinsichtlich der Prämien betreffend der Übertragbarkeit beschränkt wird. Dies ist aber unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten als Verwenderin nicht unangemessen. Zweck der Bereitstellung des Bonusprogramms ist es eben nicht nur, den Kunden eine besondere Möglichkeit zu bieten, Erträge zu erwirtschaften, sondern Ziel ist es durch das Bonusprogramm die Kunden an die Beklagten als Kunden der Fluggesellschaft zu binden. Es soll von vornherein nur ein bestimmter Personenkreis an den Vorteilen partizipieren dürfen, von denen sich im Gegenzug die Beklagte weitere Flugbuchungen erhofft. Zudem soll es ein Anreiz für Dritte sein, Kunden bei der Beklagten zu werden. Dieses Anreiz– und Bindungselement also der wesentliche unternehmerische Grund für eine solches Programm würde konterkariert, wenn die verdienten Prämien frei gehandelt werden könnten; denn dann könnten man ohne weiteres in Genuss der Vorteil des Programms kommen, ohne dass die Beklagte einen "Gewinn" durch Kundenzuwachs erfahren hätte. Es stösst angesichts dieser Interessenlage auch auf keine Bedenken, wenn nicht nur die vollendete Übertragung von Prämien sanktioniert wird, sondern bereits Vorbereitungshandlungen wie das Anbieten zum Missbrauch zählen. Gerade der vorliegende Fall und die von dem Kläger dargelegte "Üblichkeit" des Handels mit Prämien im Internet zeigt, dass schon durch solche Geschäfte anbahnende Handlungen wie das Einstellen von Prämien bei Ebay zur Ersteigerung den Eindruck vermitteln, dass es sich bei den Prämien um ein unbeschränkt handelbares Gut handelt, was aber gerade dem Interesse der Beklagten nicht entspricht. Die Beklagte hat daher zum Schutz des Bindungszweckes aber auch zur Wahrung der als Anreiz für andere dienenden Exklusivität ein berechtigtes Interesse, dass sich von vornherein kein Forum für derartige Geschäfte ergibt. Angesichts des hohen Stellenwertes des Zieles der Kundenbindung ist es nicht zu beanstanden, dass demjenigen, der das so gestaltete "Verfügungsverbot" missachtet, der Ausschluss aus dem Programm durch fristlose Kündigung droht. Zudem ist bei der Abwägung zu beachten, dass es sich ohnehin nicht um ein absolutes Verfügungsverbot handelt, sondern um ein beschränktes, da Ziffer 2.4.7. für Personen, die in einer persönlichen Beziehung zu dem Kunden stehen, in gewissen Umfang eine Übertragbarkeit zulässt.
28Gegen diese Missbrauchsklausel hat der Kläger im vorliegend Fall verstossen, in dem er unstreitig seine Prämie über 120.000 Meilen zum Zwecke der Veräusserung bei Ebay eingestellt hat. Damit hat er zumindest die Missbrauchvariante des Anbieten zur Versteigerung erfüllt.
29Auch wenn eine Auktion bei Ebay rechtlich auf den Abschluss eines Kaufvertrages zielt bestehen keine Zweifel, dass – insbesondere in der Laiensphäre - mit Anbieten zur Versteigerung gerade die Fälle des Internethandels gemeint sind, in denen vor Abschluss eines Kaufvertrages wie insbesondere im Internet eine Versteigerung im Sinne der Abgabe von Kaufangeboten durchgeführt wird. Soweit der Kläger vorträgt, es sei letztendlich durch Mithilfe eines Freundes zu keinem Verkauf gekommen, ändert dies nichts an der Erfüllung des Missbrauchstatbestandes durch Anbieten. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass es bereits üblich sei, die Prämien zu handeln; Dieser Umstand macht aus einem unzulässigem kein zulässiges Verhalten sondern zeigt eher, dass die Beklagte allen Grund hat durch die vorliegende Fassung der Teilnahmebedingungen und deren Durchsetzung dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Ob darüber hinaus der Beklagten rechtlich oder faktische Einwirkungsmöglichkeiten auf Ebay zur Verfügung stehen um den dort betriebenen Handel zu unterbinden, kann dahinstehen, da im vorliegenden Fall nur die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien von Bedeutung sind.
30Die fristlose Kündigung der Beklagten gemäss dem Schreiben vom 22.02.2007 ist damit wirksam. Sie führt zur Beendigung der Teilnahme des Klägers an dem Bonusprogramm ex nunc. Der Antrag auf Feststellung des Fortbestehens der Teilnahme ist daher unbegründet.
31Hinsichtlich der weiteren Rechtsfolgen der Kündigung erweist sich jedoch der in Ziffer 3.2 geregelte Verfall der bisher angesammelten 120.000 Meilen als unwirksam, so dass festzustellen war, dass die Kündigung zu keinem Wegfall dieser Meilen geführt hat.
32Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dem auf Behaltendürfen der angesammelten Meilen gerichteten Hilfsantrag kein fehlendes Feststellungsinteresse entgegen, weil er nicht mehr Inhaber der Meilen sei. Denn selbst wenn es zu einem Verkauf der Meilen gekommen wäre, wäre dieser wegen der – wie dargelegt – wirksamen Untersagung des Verkaufes und des darin enthaltenen Abtretungsverbotes unwirksam und ist der Kläger Berechtigter hinsichtlich der Meilen geblieben. Im übrigen ist die Beklagte aber dem substantiierten Vorbringen des Klägers er habe sich mit dem Höchstbietenden bereits vor Abschluss der Versteigerung auf eine Aufhebung geeinigt nicht mehr entgegengetreten.
33Diese Klausel stellt bei der gebotenen abstrakten Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel eine unangemessene Benachteiligung eines Teilnehmers gemäss § 307 BGB dar.
34Zunächst ist festzustellen, dass die Kündigung eines auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis - sei sie ordentlich oder ausserordentlich – nach Massgabe entsprechender gesetzlicher Bestimmungen des BGB (§§ 314, 626 BGB) nur ex nunc wirkt und somit Rechtsfolgen nur für die Zukunft entfaltet. Die Rechtsgrundlage für die vertraglichen Beziehungen im Zeitraum davor bleibt indes unberührt, insbesondere entsteht kein Rückabwicklungsverhältnis. Diese rechtliche Konstruktion liegt auch dem Sparvertrag zugrunde, der – wie dargelegt – der vorliegenden rechtlichen Konstruktion am nächsten kommt. Bei Kündigung eines Sparvertrages bleiben die bereits verdienten Zinserträge unberührt unabhängig von der Art der Kündigung. Soweit daher im vorliegenden Fall durch eine fristlose Kündigung ein Verfall der bereits durch durchgeführte Flüge angesammelten und in Prämien umgewandelte Meilen erfolgt stellt sich dies als ein den gesetzlichen Bestimmungen des BGB unbekannter rückwirkender Entzug einer bereits wirksam erworbenen Rechtsposition dar. Die damit verbundene rechtliche Schlechterstellung gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen führt zu einer bei der Klauselprüfung relevanten Benachteiligung. Diese Benachteiligung lässt sich anders als die Kündigungsregelung wegen Missbrauches durch Anbieten von Prämien zum Verkauf nicht mehr durch ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten rechtfertigen. Die Wahrung und der Schutz rechtmässig erworbener Vermögenspositionen ist ein elementarer Grundsatz des Rechts schlechthin. Ein rückwirkender Verlust solcher Positionen – wie hier der bereits verdienten Prämien - lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn die hiermit verfolgten Interessen der Beklagten so schwer wiegen, dass der Kunde hinsichtlich des Behaltendürfens der verdienten Prämien nicht schutzbedürftig ist.
35Eine solche Situation ist nicht gegeben, insbesondere führt aber die gebotene abstrakte vom vorliegenden Fall losgelöste Bewertung der widerstreitenden Interessen dazu, dass die von der Beklagten verwandte Klausel sich als unangemessen im Sinne von unverhältnismässig erweist. Die Interessen der Beklagten bei der dem Kunden im Fall der fristlosen Kündigung auferlegten Sanktion zielen über den durch die Kündigungsregelungen in Missbrauchsfällen bereits bezweckten Schutz des Bindungs- und Anreizelementes auf eine Abschreckungswirkung gegenüber den Kunden, um zu verhindern, dass diese einen Missbrauch vorzunehmen. Ein derartige "Strafe" ist zwar grundsätzlich geeignet, einem Missbrauch vorzubeugen, sie findet sich indes eher in den Einziehungsregelungen des Strafprozessrechtes als im geltenden Zivilrecht. Im Bereich der AGB sind solche weitreichenden Sanktionen unbekannt. Am nächsten kommt dem noch die Vertragsstrafe der §§ 339 ff BGB), die verwendet als AGB in § 309 Nr. 6 BGB aber für das – auch hier in Rede stehende - Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher als grundsätzlich unzulässig erklärt wird. Stellt sich damit die Regelung als solche bereits dem Zivilrecht und erst recht bei der Verwendung als AGB als systemwidrig dar, erweist sie sich auch in der Anwendung als unverhältnismässig. Denn es wird seitens der Beklagten weder nach der Schwere des Missbrauches ( blosses Anbieten / vollzogener Verkauf; Erstverstoss / Mehrfachverstoss; geringe Prämie / grosse Prämie ) differenziert noch auf der Folgenseite eine Abstufung beim Verfall vorgenommen ( geringer Verstoss / teilweiser verfall ), vielmehr besteht die Sanktion unterschiedslos im Verlust aller in Prämien umwandelbarer Meilen, sei es 1 oder 1 Million. Die Vermögenseinbusse des Kunden kann daher von wenigen Euro bis zu einem vier bis fünfstelligen Euro – Betrag führen. Dieser weitreichende Eingriff lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass die Beklagte dem Kunden durch die Meilen etwas gibt, was diesem ohne Teilnahme am Programm ohnehin nicht zugute gekommen wäre und er es auch nur behalten dar, wenn er es verdient. Eine solche auf "Treu und Glauben" beschränkte Sichtweise verkennt, dass zwar vordergründig von der Beklagten das Prämienprogramm als Belohnung von Treue beschrieben wird und es daher wie ein "Geschenk" scheinen mag, dahinter aber die Beklagte in erster Linie wirtschaftliche Wettbewerbsinteressen stehen mit dem Ziel, Kunden zu werben, zu binden und von der Konkurrenz fernzuhalten. Zudem vermag der Treuegedanke, der vielleicht einen schärfere Sanktion eines treuwidrigen Verhaltens rechtfertigen könnte, schon deshalb nicht zu überzeugen Fehlverhaltens, weil der von der Beklagten gewährten Prämie durchaus eine (Gegen-) Leistung des Kunden dergestalt gegenübersteht, dass er zuvor bei der Beklagten Flüge gebucht und bezahlt haben muss, um überhaupt Meilen erwerben zu können. Weiter ist festzustellen, dass bereits der Entzug der aktuellen Teilnahme wie auch jede neuen Teilnahme ( Ziffer 3.1. der AGB ) eine nicht unerhebliche Sanktion des Missbrauches darstellt, mit denen die Beklagte auch ihr primäres Ziel - Trennung von dem vertragsbrüchigen Teilnehmer – erreichen kann. Dass bereits dies für Vielflieger gerade bei der Marktposition der M. in Deutschland eine spürbare Beeinträchtigung bedeutet, liegt auf der Hand. Die Belange der Beklagten werden zudem weiter dadurch gewahrt, dass sie sich in Ziffer 3.1. sowie 2.4.8 Schadensersatzansprüche vorbehält. Ein darüber hinaus gehendes Interesse auch die bereits vergebenen Prämien einzuziehen lässt sich nicht indes nicht mehr erkennen.
36Der damit nach Auffassung des Gerichtes gegebenen Unangemessenheit des vollständigen Entzuges aller bereits rechtmässig und wirksam erworbenen Prämien lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Fortbestand der verdienten Prämien trotz Wirksamkeit der Kündigung die Kündigung selbst ad absurdum führen würde. Die Beklagte sieht in ihren AGB für den Fall der ordentlichen Kündigung selbst vor, dass der Kunde die verdienten Meilen im Rahmen der Teilnahmebedingungen weiter nutzen kann, obwohl der Vertrag beendet worden ist (Ziffer 3.1. letzter Satz, Ziffer 3.2. 1. Satz). Der von der Beklagten behauptete Widerspruch zwischen Prämienerhalt und Kündigung besteht daher nicht.
37Trotz der damit festgestellten Unwirksamkeit der den Verfall an gesammelter Meilen anordnenden Klausel kann entgegen dem Hilfsantrag des Klägers nicht positiv festgestellt werden, dass dieser über die bis zur Kündigung angesammelten Meilen verfügungsberechtigt ist, sondern nur als in diesem Antrag mitenthalten, dass die konkrete Kündigung wegen der festgestellten Unwirksamkeit von Ziffer 3.2 Satz 2 der betreffenden Klausel zu keinem Wegfall der Meilen geführt hat. Die positive Feststellung einer Verfügungsberechtigung würde die unbeschränkte Nutzungsmöglichkeit bedeuten, eine solche steht dem Kläger indes nicht zu, vielmehr richtet sich die weitere Nutzung der durch die Kündigung nicht entfallenen Prämien nach den insoweit fortbestehenden vertraglichen Beziehungen der Parteien.
38Demgemäss war die Klage hinsichtlich des Hauptantrages abzuweisen und betreffend des Hilfsantrage auszusprechen, dass die Kündigung der beklagten vom 22.02.2007 zu keinem Wegfall der angesammelten 120.000 Meilen geführt hat.
39II.
40Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
41Streitwert:
42Feststellungsantrag: 1.300,00 Euro
43( entsprechend § 9 ZPO 3,5 facher Wert des geschätzten Meilenerwerbes für ein Jahr von 15.000 Meilen ausgehend von einer Teilnahme von bislang 8 Jahren )
44Hilfsantrag: 2.900,00 Euro
45(Wert von 120.000 Bonusmeilen)
46Gesamt: 4.200,00 Euro
47Amtsgericht, Abt. 142
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