Urteil vom Amtsgericht Köln - 220 C 422/07
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 602,62 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils aktuellen Basiszinssatz
aus € 59,00 seit dem 4. Juli 2007,
aus € 59,00 seit dem 3. August 2007,
aus € 59,00 seit dem 5. September 2007,
aus € 59,00 seit dem 5. Oktober 2007,
aus € 59,00 seit dem 6. November 2007,
aus € 60,00 seit dem 6. Dezember 2007,
aus € 60,00 seit dem 7. Januar 2008,
aus € 60,00 seit dem 6. Februar 2008,
aus € 60,00 seit dem 6. März 2008,
aus € 67,62 seit dem 9. April 2008,
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Vermieterin, der Beklagte ist Mieter einer Wohnung im Hause N. Straße in Köln. Das Mietverhältnis begann am 15. Februar 1980. Die Parteien vereinbarten, dass der Mietzins am 3. Werktag eines jeden Monats fällig sei. Der Mietzins setzt sich aus der monatlichen Grundmiete und der monatlichen Betriebskosten-Vorauszahlung zusammen.
3Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die monatliche Grundmiete derzeit € 282,93 beträgt. Streitig ist zwischen ihnen jedoch die Höhe der monatlichen Betriebskosten-Vorauszahlung. In diesem Zusammenhang ist zwischen ihnen auch streitig, welche Betriebskosten die Klägerin auf den Beklagten umlegen darf.
4Im Mietvertrag vereinbarten die Parteien, dass die Kosten der Wasserversorgung und der Entwässerung auf den Beklagten umgelegt werden sollten und dass der Beklagte hierfür eine monatliche Vorauszahlung in Höhe von DM 11,50 (umgerechnet € 5,88) zahlen sollte.
5Ob die Parteien zu einem späteren Zeitpunkt vereinbarten, dass auch andere Betriebskosten auf den Beklagten umgelegt werden sollten, ist zwischen ihnen streitig. Unstreitig ist jedoch, dass die Klägerin dem Beklagten für die Jahre 1991 bis 2005 Betriebskosten-Abrechnungen übersandte, in die sie neben den Kosten der Wasserversorgung und der Entwässerung auch die folgenden Positionen einstellte:
6- Kosten der Wartung der Regelanlage
- Stromkosten Regelanlage
- Kosten der Haftpflichtversicherung
- Kosten der Sachversicherung
- Kosten der Gartenpflege
- Kosten der Beleuchtung
- Kosten der Müllbeseitigung
- Kosten der Straßenreinigung
- Kosten des Winterdienstes
- Kosten der Ungezieferbekämpfung
- Kosten für Satellit/Kabel-TV-Anschluss
- Kosten des Hauswarts
- Grundsteuer
Die sich aus diesen Betriebskosten-Abrechnungen ergebenden Nachforderungsbeträge zahlte der Beklagte stets vorbehaltlos an die Klägerin.
8Wenn die Klägerin in den genannten Jahren eine Erhöhung der monatlichen Betriebskosten-Vorauszahlung verlangte, entsprach der Beklagte dem und zahlte fortan die erhöhte Vorauszahlung.
9Der Beklagte ist nunmehr aber der Auffassung, dass die Klägerin auf ihn angesichts der Vereinbarung im Mietvertrag lediglich die Kosten der Wasserversorgung und der Entwässerung umlegen dürfe. Aus diesem Grunde kürzte er die von der Klägerin geforderte monatliche Betriebskosten-Vorauszahlung (bis einschließlich November 2007 € 79,00 und seit Dezember 2007 € 80,00) in den Monaten Juli 2007 bis März 2008 und zahlte in diesen Monaten lediglich eine monatliche Vorauszahlung in Höhe von € 20,00.
10Die Betriebskosten-Abrechnung für das Jahr 2006 endete mit einem Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 73,78. Diesen Betrag zahlte der Beklagte nicht an die Klägerin. Zur Begründung verwies er darauf, dass, wenn man aus der Betriebskosten-Abrechnung all die Positionen, die seiner Ansicht nach nicht umlagefähig sind, herausstreiche, kein Nachforderungsbetrag mehr verbleibe. Die Klägerin verrechnete eine am 31. Dezember 2007 fällig gewordene Zinsgutschrift in Höhe von € 6,16 mit dem Nachforderungsbetrag, so dass ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 67,62 verblieb.
11Die Klägerin beantragt,
12wie erkannt.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klägerin hat gegen den Beklagten folgende Ansprüche:
18
Restliche Betriebskosten-Vorauszahlung Juli 2007: | € | 59,00 |
dto. August 2007: | € | 59,00 |
dto. September 2007: | € | 59,00 |
dto. Oktober 2007: | € | 59,00 |
dto. November 2007: | € | 59,00 |
dto. Dezember 2007: | € | 60,00 |
dto. Januar 2008: | € | 60,00 |
dto. Februar 2008: | € | 60,00 |
dto. März 2008: | € | 60,00 |
Verbleibender Saldo Betriebskosten-Abrechnung 2006: | € | 67,62 |
Gesamt: | € | 602,62 |
19
Die Klägerin darf auf den Beklagten die folgenden Betriebskosten umlegen:
20- Kosten der Wasserversorgung
- Kosten der Entwässerung
- Kosten der Wartung der Regelanlage
- Stromkosten Regelanlage
- Kosten der Haftpflichtversicherung
- Kosten der Sachversicherung
- Kosten der Gartenpflege
- Kosten der Beleuchtung
- Kosten der Müllbeseitigung
- Kosten der Straßenreinigung
- Kosten des Winterdienstes
- Kosten der Ungezieferbekämpfung
- Kosten für Satellit/Kabel-TV-Anschluss
- Kosten des Hausmeisters
- Grundsteuer
Dass die Klägerin die Kosten der Wasserversorgung und die Kosten der Entwässerung auf den Beklagten umlegen darf, haben die Parteien im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart.
22Dass sie die sonstigen Betriebskosten auf den Beklagten umlegen darf, haben die Parteien durch mehrjährige Übung konkludent vereinbart.
23Die Frage, ob die Parteien eines Mietvertrages eine konkludente Vereinbarung über die Umlage bestimmter Betriebskosten dadurch treffen, dass der Vermieter über mehrere Jahre hinweg diese Betriebskosten in die Betriebskosten-Abrechnungen einstellt und der Mieter die sich aus diesen Abrechnungen ergebenden Nachzahlungsbeträge vorbehaltlos entrichtet, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
24Einige Gerichte (LG Landau, Urt. v. 28.02.2001, Az.: 1 S 354/00, juris, Rn. 6 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 18.09.1980, Az.: 4 U 57/80, juris, Rn. 13; LG Kassel, Beschl. v. 04.10.1999, Az.: 1 T 83/99, juris, Rn. 3; OLG Hamburg, Urt. v. 03.08.1988, Az.: 4 U 129/87, juris, Rn. 3 f.; LG Itzehoe, Urt. v. 17.04.1984, Az.: 1 S 252/83, juris, Rn. 6; LG Darmstadt, Urt. v. 12.08.1988, Az.: 17 S 539/87, juris, Rn. 2 f.; AG Nordhorn, Urt. v. 02.03.1998, Az.: 3a C 1959/97, juris, Rn. 4 ff.) haben diese Frage aus folgenden Gründen verneint:
25Ein Änderungsvertrag erfordere – wie jeder andere Vertrag auch – einen entsprechenden rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien. Zwar könne der Vermieter, wenn er bislang nicht umgelegte Betriebskosten in die Abrechnung einstelle und diese Abrechnung dem Mieter übersende, durchaus einen solchen Willen haben. Hiervon sei insbesondere auszugehen, wenn der Vermieter festgestellt habe, dass die Regelung im Mietvertrag für ihn nachteilig sei, und er deswegen die Betriebskosten, um mit ihnen nicht selbst belastet zu werden, dem Mieter auferlegen wolle.
26Eine andere Frage sei jedoch, ob dieser Wille des Vermieters für den Mieter erkennbar sei. Der bloßen Betriebskosten-Abrechnung, die nichts anderes als ein Zahlenwerk sei, könne der Mieter diesen Willen jedenfalls nicht entnehmen. Dies gelte vor allem dann, wenn der Vermieter – wie dies in der Regel geschehe – in der Abrechnung nicht ausdrücklich darauf hinweise, dass das Rechenwerk auch Betriebskosten enthalte, deren Umlage der Mietvertrag nicht vorsehe. Da der Mieter die Abrechnung somit nicht als Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages verstehen könne, könne in seiner Zahlung auch keine Annahme eines solchen Angebots gesehen werden.
27Der Mieter glaube vielmehr, dass der Vermieter bereits aufgrund des Mietvertrages zur Umlage der Betriebskosten berechtigt sei. Der Notwendigkeit, einen Änderungsvertrag abzuschließen, sei er sich nicht bewusst. Folglich bringe der Mieter durch seine Zahlung nur seine irrige Auffassung zum Ausdruck, zur Zahlung der Betriebskosten verpflichtet zu sein. Der durchschnittliche Mieter überprüfe nämlich die jährliche Betriebskosten-Abrechnung allenfalls auf ihre rechnerische Richtigkeit, nicht jedoch auf die (rechtliche) Umlagefähigkeit der einzelnen Betriebskosten.
28Diese Grundsätze gälten auch dann, wenn der Mieter über Jahre hinweg Betriebskosten-Abrechnungen nicht beanstandet und die sich hieraus ergebenden Nachforderungen beglichen habe. Wenn der Mieter nach einem langen Zeitraum erstmals die Umlagefähigkeit einzelner Betriebskosten in Zweifel ziehe, so könne der Vermieter sich nicht darauf berufen, dass dieses Verhalten treuwidrig sei. Zum einen könnten Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht das fehlende rechtsgeschäftliche Erklärungsbewusstsein ersetzen. Zum anderen müsse der Vermieter sich entgegenhalten lassen, dass er selbst über Jahre hinweg vertragswidrig abgerechnet habe und hierbei entweder seine eigene Vertragswidrigkeit nicht bemerkt oder sich bewusst über den Vertragsinhalt hinweggesetzt habe.
29Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage ist nicht einheitlich.
30Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bei dem Bundesgerichtshof zwei Senate für das Mietrecht zuständig sind. Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit dem Wohnraum-Mietrecht, der XII. Zivilsenat ist für das Gewerberaum-Mietrecht zuständig.
31Im Jahre 2000 hat der XII. Senat entschieden, dass eine Vereinbarung der Parteien über den Umfang der von dem Mieter zu zahlenden Nebenkosten auch durch jahrelange Zahlung stillschweigend getroffen werden könne (BGH, Beschl. v. 29.05.2000, Az.: XII ZR 35/00, juris, Rn. 5). Dieser Entscheidung lag ein Gewerberaum-Mietverhältnis in Form eines Untermietverhältnisses zugrunde: Die ursprüngliche Hauptvermieterin hatte der Mieterin lediglich die Kosten für Wasser und Heizung in Rechnung gestellt. Dementsprechend hatte die Mieterin ihrer Untermieterin lediglich diese Kosten weiterberechet. Die neue Hauptvermieterin hingegen hatte der Mieterin weitere Betriebskosten in Rechnung gestellt. Infolge dessen hatte die Mieterin auch diese zusätzlichen Kosten ihrer Untermieterin weiterberechnet. Die Untermieterin zahlte diese zusätzlichen Kosten sechs Jahre lang anstandslos. Anschließend – nach Beendigung des Untermietverhältnisses – berief sie sich darauf, dass lediglich die Umlage der Wasser- und Heizkosten vereinbart gewesen sei.
32Der XII. Senat stellte fest, dass in jenem Fall davon auszugehen sei, dass die Parteien sich durch jahrelange Übung stillschweigend darauf geeinigt hätten, die von der neuen Hauptvermieterin in Rechnung gestellten Nebenkosten auf die Untermieterin abzuwälzen. Zur Begründung wies er daraufhin, dass auch stillschweigend abgegebene Willenserklärungen aus der Sicht des Erklärungsempfängers auszulegen seien. Die Hauptmieterin habe das Verhalten der Untermieterin nur dahin verstehen können, dass die Untermieterin mit der Abwälzung der erhöhten Nebenkostenabrechnungen einverstanden gewesen sei.
33Drei Jahre später, im Jahre 2004, hat sich der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit dieser Rechtsfrage auseinandergesetzt (BGH, Urt. v. 07.04.2004, Az.: VIII ZR 146/03). Dieser Entscheidung lag ein Wohnraum-Mietverhältnis zugrunde: Der Vermieter hatte neun Jahre lang in die Betriebskosten-Abrechnung Kosten der Dachrinnen-Reinigung eingestellt, ohne dass die Parteien die Umlage dieser Kosten im Mietvertrag vereinbart hatten. Die Betriebskosten-Nachforderungen hatten die Mieter stets anstandslos entrichtet.
34Der VIII. Zivilsenat stellte – unter Bezugnahme auf die oben genannte Entscheidung des XII. Senats und unter Hinweis auf seine eigene Entscheidung vom 8. Oktober 1997 in der Sache VIII ZR 373/96 – fest, dass die Umlage einzelner sonstiger Betriebskosten auch aufgrund jahrelanger Zahlung durch stillschweigende Vereinbarung erfolgen könne. Im Weiteren übernahm der VIII. Senat fast wortwörtlich die Begründung des XII. Senats aus dem Jahre 2000: Durch die jahrelange Übung, so der VIII. Senat, sei davon auszugehen, dass die Parteien sich stillschweigend darauf geeinigt hätten, die von dem Vermieter in Rechnung gestellten Nebenkosten auf die Mieter abzuwälzen. Auch stillschweigend abgegebene Willenserklärungen seien aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers auszulegen. Das Verhalten der Mieter habe nur dahingehend verstanden werden können, dass sie mit der Auferlegung der Kosten für die Dachrinnenreinigung einverstanden gewesen seien.
35Den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2000 und 2004 haben sich zahlreiche Gerichte angeschlossen (OLG Celle, Beschl. v. 16.10.2006, Az.: 4 U 157/06, juris, Rn. 3; OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 17.01.2006, Az.: 9 U 106/05, juris, Rn. 24; LG Heilbronn, Urt. v. 17.06.2003, Az.: 2 S 7/03, NZM 2004, 459; LG Aachen, Urt. v. 23.02.2001, Az.: 5 S 360/00, NZM 2001, 707; LG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 25.01.2001, Az.: 1 S 60/00, juris, Rn. 3; AG Pinneberg, Urt. v. 18.03.2005, Az.: 66 C 205/04, juris).
36Demgegenüber hat das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf (Urt. v. 26.10.2004, Az.: 409 C 163/04, juris, Rn. 12) offen gelassen, ob dem Bundesgerichtshof insoweit gefolgt werden könne, dass widerspruchslose Zahlungen des Mieters auf Betriebskosten-Abrechnungen über einen Zeitraum von neun Jahren einer Zustimmungserklärung gleichkämen. Jedenfalls bei einem Zeitraum von nur fünf Jahren sei dies zu verneinen.
37Auch im Schrifttum ist die Entscheidung des VIII. Zivilsenats aus dem Jahre 2004 auf Kritik gestoßen (Kappus, NZM 2004, 411; Artz, NZM 2005, 367, 371).
38Der VIII. Zivilsenat selbst hat seine Entscheidung aus dem Jahre 2004 ein Jahr später noch einmal bestätigt, indem er sie zur Begründung dafür herangezogen hat, dass die Parteien auch den Umlageschlüssel für die Betriebskosten durch schlüssiges Verhalten konkludent vereinbaren könnten (BGH, Beschl. v. 02.11.2005, Az.: VIII ZR 52/05, juris, Rn. 2).
39Im Jahre 2007 hingegen hat sich der VIII. Zivilsenat bemüht, die Lesart seiner Entscheidung aus dem Jahre 2004 zu revidieren (BGH, Urt. v. 10.10.2007, Az.: VIII ZR 279/06, juris, Rn. 17 ff.). Es ging um folgenden Sachverhalt: Der Vermieter hatte vier Jahre lang in die Betriebskosten-Abrechnungen Positionen aufgenommen, deren Umlage die Parteien im Mietvertrag nicht vereinbart hatten. Allerdings – und hierin liegt der Unterschied zu den oben erwähnten Fällen – zahlte der Mieter in keinem Jahr die sich aus den Abrechnungen ergebenden Nachzahlungsbeträge.
40In dieser Entscheidung wiederholte der VIII. Senat zunächst einleitend, dass ein Änderungsvertrag, der eine erweiterte Umlage von Betriebskosten zum Gegenstand habe, grundsätzlich auch stillschweigend zustande kommen könne. Sodann führte er aber einschränkend aus, erforderlich hierfür sei, dass der Vermieter nach den Gesamtumständen davon ausgehen könne, dass der Mieter einer Umlage weiterer Betriebskosten zustimme. Dafür reiche es grundsätzlich nicht aus, dass der Mieter Betriebskosten-Abrechnungen unter Einbeziehung bisher nicht vereinbarter Betriebskosten lediglich nicht beanstande.
41Angesichts der Tatsache, dass die Mieter in jenem Fall niemals auf eine Betriebskosten-Abrechnung hin eine Zahlung erbracht hatten, stellen diese Ausführungen des VIII. Senats noch keinen Widerspruch zu seiner Entscheidung aus dem Jahre 2004 dar.
42Im Folgenden führte der Senat dann aber aus, dass sich aus der Sicht des Mieters der Übersendung einer Betriebskostenabrechnung, die vom Mietvertrag abweiche, nicht ohne Weiteres der Wille des Vermieters entnehmen lasse, eine Änderung des Mietvertrages herbeizuführen. Selbst wenn er daraufhin eine Zahlung erbringe, komme darin zunächst allein die Vorstellung des Mieters zum Ausdruck, hierzu verpflichtet zu sein. Anders verhalte es sich, wenn aufgrund besonderer Umstände der Änderungswille des Vermieters für den Mieter erkennbar sei, wie dies in der Entscheidung des XII. Senats aus dem Jahre 2000 der Fall gewesen sei. Dort hätten sich Anhaltspunkte für den Mieter ergeben, dass eine Vertragsänderung gewollt gewesen sei. Es habe ein Vermieterwechsel bei einem Mietvertrag über Gewerberaum stattgefunden, wobei der neue Vermieter umfassend Nebenkosten in Rechnung gestellt habe, während sich die Abrechnungen zuvor auf die Kosten für Heizung und Warmwasser beschränkt hätten.
43Diese Ausführungen des Senats lassen sich nicht ohne weiteres mit seiner Entscheidung aus dem Jahre 2004 in Einklang bringen. Im Jahre 2004 hatte der VIII. Senat für das Zustandekommen einer konkludenten Vereinbarung lediglich vom Mietvertrag abweichende Betriebskosten-Abrechnungen und vorbehaltlose Zahlungen des Mieters verlangt. In Abweichung hiervon hat er im Jahre 2007 festgestellt, dass in einer Zahlung des Mieters lediglich seine Vorstellung gesehen werden könne, hierzu verpflichtet zu sein. Etwas anderes gelte nur dann, wenn besondere Umstände vorlägen, wie dies in der Entscheidung des XII. Senats aus dem Jahre 2000 der Fall gewesen sei.
44Den besonderen Umstand in jener Entscheidung hat der VIII. Senat offenbar darin gesehen, dass ein Vermieter-Wechsel stattgefunden hatte und für den Mieter erkennbar war, dass der neue Vermieter Betriebskosten umlegen wollte, die der frühere Vermieter nicht umgelegt hatte. Dass der VIII. Senat außerdem darauf hinwies, dass es sich in jenem Fall um ein Gewerberaum-Mietverhältnis gehandelt habe, könnte ein Indiz dafür sein, dass der Senat die Rechtsfrage für Wohnraum-Mietverhältnisse nunmehr anders entscheiden möchte als der XII. Senat sie für Gewerberaum-Mietverhältnisse entschieden hat.
45Das erkennende Gericht kann offen lassen, welcher Auffassung zu folgen ist. Der vorliegende Fall weist nämlich eine Besonderheit auf, die ihn von allen anderen oben zitierten Fällen unterscheidet. Diese Besonderheit liegt in dem außergewöhnlichen langen Zeitraum, während dessen der Beklagte die sich aus den Betriebskosten-Abrechnungen ergebenden Nachzahlungsbeträge vorbehaltlos gezahlt und während dessen er alle von der Klägerin geforderten Erhöhungen der monatlichen Betriebskosten-Vorauszahlung akzeptiert hat.
46Der Entscheidung des VIII. Senats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2004 lag ein Fall zugrunde, in dem die Mieter neun Jahre lang anstandslos Betriebskosten-Nachzahlungen erbracht hatten. Von einem längeren Zeitraum ist in keiner der oben genannten Entscheidungen die Rede. Vielmehr haben einige Gerichte eine konkludente Vereinbarung bereits darin gesehen, dass der Mieter lediglich über einen Zeitraum von vier Jahren (LG Heilbronn, Urt. v. 17.06.2003, Az.: 2 S 7/03, NZM 2004, 459) oder von sechs Jahren (AG Pinneberg, Urt. v. 18.03.2005, Az.: 66 C 205/04, juris) die ihm vom Vermieter in Rechnung gestellten Betriebskosten beglichen hatte.
47Abweichend hiervon hat der Beklagte im vorliegenden Fall 15 Jahre lang keine Einwendungen gegen die Umlage solcher Betriebskosten erhoben, deren Umlage er ursprünglich mit der Klägerin nicht vereinbart hatte. Pflegen die Parteien über einen solch langen Zeitraum eine fortwährende Übung hinsichtlich der Umlage von Betriebskosten, so bringen sie hierdurch konkludent zum Ausdruck, dass sie übereinstimmend der Ansicht sind, dass diese Übung nach all den Jahren zu einer für beide Seiten verbindlichen rechtsgeschäftlichen Praxis geworden ist und dass sie sich somit auch in Zukunft an sie halten müssen. Jede andere Deutung dieses Verhaltens wäre nach Ansicht des erkennenden Gerichts mit anerkannten Auslegungsgrundsätzen nicht zu vereinbaren (§§ 133, 157 BGB).
48Dabei hat sich das Gericht auch von folgenden Erwägungen leiten lassen:
49Zwar setzt eine Willenserklärung in der Regel voraus, dass der Erklärende das Erklärungsbewusstsein und den Rechtsbindungswillen hat, also weiß, dass sein Verhalten als rechtserhebliche Erklärung aufgefasst werden kann, und mit seiner Erklärung eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen will. Auch ohne diese Elemente liegt aber eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH, Urt. v. 07.06.1984, Az.: IX ZR 66/83, juris, Rn. 22). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Falls der Beklagte in den ersten Jahren durch seine vorbehaltlose Zahlung noch nicht seinen Willen zu einer konkludenten Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten zum Ausdruck bringen wollte, so musste er spätestens nach Ablauf von fünf oder zehn Jahren erkennen, dass die Klägerin sein Verhalten so verstand oder verstehen würde. Er hat aber anschließend noch fünf weitere Jahre anstandslos Zahlungen entrichtet. Hieraus konnte die Klägerin nur schließen, dass der Beklagte mit der Umlage der Betriebskosten einverstanden war (§§ 133, 157 BGB).
50Da die Parteien somit eine Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten getroffen haben, schuldet der Beklagte der Klägerin den sich aus der Betriebskosten-Abrechnung für das Jahr 2006 ergebenden restlichen Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 67,62. Anhaltspunkte dafür, dass die Abrechnung nicht ordnungsgemäß wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
51Ferner schuldet der Beklagte der Klägerin die von ihr festgesetzte monatliche Betriebskosten-Vorauszahlung in voller Höhe. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorauszahlung unangemessen hoch wäre, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
52Die titulierten Zinsen schuldet der Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 280, 286, 288 BGB). Mit den Betriebskosten-Vorauszahlungen ist er am 3. Werktag eines jeden Monats, mit der Betriebskosten-Nachforderung für das Jahr 2006 ist er spätestens am Schluss der mündlichen Verhandlung in Verzug geraten.
53Ergänzend zu den obigen Ausführungen weist das Gericht noch auf Folgendes hin:
54Die Parteien haben zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem heutigen Verkündungstermin noch zahlreiche Schriftsätze gewechselt. Das Gericht hatte lediglich den Schriftsatz des Beklagten vom 9. April 2008 nachgelassen, die übrigen Schriftsätze jedoch nicht. Ob das Gericht das neuerliche Vorbringen, das in diesen Schriftsätzen enthalten war, bei seiner Entscheidung berücksichtigen durfte oder ob es die mündliche Verhandlung wiedereröffnen musste, kann aus zwei Gründen offen bleiben.
55Zum einen hat die Geschäftsstelle des Gerichts die Schriftsätze dem jeweiligen Gegner derart zügig übermittelt, dass er in neuerlichen Schriftsätzen hierzu noch Stellung genommen hat. Der Anspruch des jeweiligen Prozessgegners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist also gewahrt worden. Aus diesem Grunde ist fraglich, ob § 296a ZPO der Verwertung des neuerlichen Vorbringens überhaupt entgegenstand.
56Zum anderen wäre das Gericht, hätte es das neuerliche Vorbringen berücksichtigt, zu keiner anderen Entscheidung gelangt.
57Die Klägerin hatte mit Schriftsatz vom 9. April 2008 behauptet, die Parteien hätten zum 1. Januar 1991 vereinbart, dass der Beklagte alle umlagefähigen Betriebskosten tragen solle. Dies hatte der Beklagte mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom selben Tage bestritten.
58Erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlungen, nämlich mit Schriftsatz vom 25. April 2008, hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend präzisiert, dass sie mit Schreiben vom 27. November 1990 alle ihre damaligen Mieter gebeten habe, einer Ausgliederung der Betriebskosten aus dem Mietzins zum 1. Januar 1991 zuzustimmen. Ein Exemplar des damaligen Rundschreibens hat die Klägerin vorgelegt. Dabei hat sie ausdrücklich behauptet, dass auch der Beklagte dieses Schreiben seinerzeit erhalten habe.
59Hierauf hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 5. Mai 2008 erwidert, dass ihm dieses Schreiben nicht erinnerlich sei und der Vorgang im Übrigen mehr als 17 Jahre zurückliege.
60Es kann offen bleiben, ob der Beklagte durch seine Erklärung, das Schreiben sei ihm nicht erinnerlich, den Zugang dieses Schreibens bestritten hat, weil die Frage, ob er dieses Schreiben erhalten hat oder nicht, auf das Ergebnis des Rechtsstreits keinen Einfluss hat.
61Jede Partei ist verpflichtet, sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären (§ 138 Abs. 2 ZPO). Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht (§ 138 Abs. 3 ZPO). Ob der Beklagte durch seine Erklärung, das Schreiben sei ihm nicht mehr erinnerlich, den Zugang dieses Schreibens bestreiten wollte, ist fraglich. Da er sich von einem Rechtsanwalt vertreten lässt, hätte es nahe gelegen, dass er, wenn er diese Absicht gehabt hätte, tatsächlich das Wort "bestreiten" benutzt hätte. Letztlich kann aber offen bleiben, ob der Beklagte den Zugang des Schreibens bestritten hat, weil die Frage, ob er dieses Schreiben erhalten hat oder nicht, auf das Ergebnis des Rechtsstreits keinen Einfluss hat.
62Eine Erklärung mit Nichtwissen ist über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmungen gewesen sind (§ 138 Abs. 4 ZPO). Eine Partei darf eine Tatsache auch dann mit Nichtwissen bestreiten, wenn der Vorgang zwar Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmungen war, sie diesen Vorgang jedoch zwischenzeitlich vergessen hat, sofern dieses Vergessen unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung glaubhaft ist (BGH, Urt. v. 19.04.2001, Az.: I ZR 238/98, juris, Rn. 28). Ob der Beklagte mit seiner Formulierung, das Schreiben sei ihm nicht mehr erinnerlich, den Zugang dieses Schreibens mit Nichtwissen bestreiten wollte, kann offen bleiben, weil die Frage, ob er dieses Schreiben erhalten hat oder nicht, auf das Ergebnis des Rechtsstreits keinen Einfluss hat.
63Die Frage, ob der Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 27. November 1990 erhalten hat oder nicht, hat auf das Ergebnis des Rechtsstreits keinen Einfluss, weil die Parteien in jedem Fall eine Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten getroffen haben.
64Hat der Beklagte das Schreiben der Klägerin nicht erhalten, so ist diese Vereinbarung – wie oben ausgeführt – durch mehrjährige Übung konkludent zustande gekommen.
65Hat der Beklagte das Schreiben der Klägerin hingegen erhalten, so ist die Vereinbarung zwischen den Parteien erst recht wie oben beschrieben konkludent zustande gekommen. In diesem Fall hatte die Klägerin dem Beklagten nämlich ein ausdrückliches Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages gemacht. Der Beklagte wusste also, als er seine Zahlungen an die Klägerin leistete, dass die Klägerin seine Zahlungen nur als Annahme dieses Angebots verstehen konnte. Um dies zu verhindern, hätte der Beklagte der Klägerin ausdrücklich mitteilen müssen, dass er ihr Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages nicht annehmen wolle. Dass er dies getan hätte, hat er weder vor noch nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung behauptet.
66Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 709, 711, 713 ZPO.
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