Urteil vom Amtsgericht Köln - 220 C 435/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten € 144,09 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. April 2008 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin war Vermieterin, der Beklagte war Mieter einer Wohnung im Hause W.Str. in Köln. Das Mietverhältnis endete am 31. März 2006. Zu diesem Zeitpunkt belief sich das Kautionsguthaben des Beklagten einschließlich Zinsen auf € 621,86.
3Die Betriebskosten-Abrechnungen für die Jahre 2004 bis 2006 endeten mit folgenden Beträgen:
4- für 2004: Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 574,19
- für 2005: Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 906,29
- für 2006: Guthaben in Höhe von € 96,42
Die Klägerin macht mit ihrer Klage den Betriebskosten-Nachzahlungsbetrag für das Jahr 2005 geltend.
6Der Beklagte verlangt mit seiner Widerklage sein restliches Kautionsguthaben, das sich nach Abzug des Betriebskosten-Nachzahlungsbetrages für das Jahr 2004 auf € 47,67 beläuft, sowie sein Betriebskosten-Guthaben für das Jahr 2006 in Höhe von € 96,42. Insgesamt beläuft sich die Widerklage-Forderung somit auf € 47,67 + € 96,42 = 144,09.
7Mit der Erstellung der Betriebskosten-Abrechnung für das Jahr 2005 hatte die Klägerin, wie auch bereits in den Vorjahren, die Firma Hausverwaltung N. in Krefeld beauftragt. Die Inhaberin der Firma, Frau D., verstarb im Laufe des Jahres 2005. Dies teilte der Mitarbeiter der Verstorbenen, der Zeuge X., der Klägerin erst im Oktober oder November 2006 mit. Die Klägerin und der Zeuge X. kamen überein, dass der Zeuge die Arbeit seiner verstorbenen Chefin zu Ende führen sollte, weil er, da er mit der Arbeitsweise seiner Chefin vertraut war, sich in die Vorgänge schneller einarbeiten konnte als ein externer Dienstleister.
8Die Klägerin behauptet, der Zeuge X. habe absprachegemäß die Betriebskosten-Abrechnung für die Wohnung des Beklagten erstellt, die mit einem Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 695,65 geendet habe. Des Weiteren behauptet die Klägerin, ihr Geschäftsführer und der Zeuge T. hätten am 28. Dezember 2006 bei der Filiale der Deutschen Post AG in den "WDR-Arkaden" in 50667 Köln einen Briefumschlag eingeliefert, in dem sich ihr an den Beklagten gerichtetes Schreiben vom selben Tage und die besagte Betriebskosten-Abrechnung befunden hätten. Diese Postsendung hätten ihr Geschäftsführer und der Zeuge als Einwurf-Einschreiben aufgegeben. Die Postangestellten hätten den Briefumschlag mit der Sendungsnummer RR 9889 5984 5DE versehen. Diesen Briefumschlag habe der Zeuge L. , der seinerzeit als Zusteller bei der Deutschen Post AG beschäftigt gewesen sei, am darauf folgenden Tag, also am 29. Dezember 2006, in den Briefkasten des Beklagten unter seiner neuen Anschrift B. in Köln eingeworfen. Diesen Umstand habe der Zeuge L. in dem Auslieferungsbeleg vom selben Tage durch seine Unterschrift bestätigt. Den Auslieferungsbeleg hat die Klägerin vorgelegt (Bl. 60 d. A.)
9Die Klägerin behauptet ferner, im März 2007 habe der Zeuge X. ihr mitgeteilt, dass er – weil er nach dem Tode seiner Chefin sehr viele Abrechnungen buchstäblich "auf den letzten Drücker" habe fertig stellen müssen – mehrere Heizkosten-Abrechnungen der Firma Ista versehentlich nicht den richtigen Mietern zugeordnet habe. Dieser Fehler sei ihm auch im Falle des Beklagten unterlaufen. Der Zeuge habe sodann eine berichtigte Betriebskosten-Abrechnung erstellt, die mit einem Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 978,69 geendet habe. Auf den hierin enthaltenen Betrag von € 72,40 für die Position "Garage/Fahrräder/Keller" verzichte sie, so dass sich der mit der Klage verfolgte Betriebskosten-Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 906,29 ergebe.
10Die berichtigte Abrechnung, so behauptet die Klägerin weiter, habe sie dem Beklagten mit Schreiben vom 26. März 2007 übersandt. Dieses Schreiben habe der Beklagte spätestens am 29. März 2007 erhalten. Mit Schreiben vom 15. Mai 2007 habe sie den Beklagten an die Zahlung des Nachforderungsbetrages erinnert. Dieses Schreiben, dem erneut ein Exemplar der berichtigten Betriebskosten-Abrechnung beigefügt gewesen sei, habe der Beklagte am Folgetag, also am 16. Mai 2007, erhalten
11Die Klägerin hat den Rechtsstreit in Höhe von € 144,09 in der Hauptsache für erledigt erklärt (Schriftsatz vom 30. April 2008). Nachdem der Beklagte dieser Erledigungserklärung widersprochen hat (Schriftsatz vom 30. Mai 2008), hat die Klägerin die Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt.
12Die Klägerin beantragt,
13den Beklagten zu verurteilen, an sie € 906,29 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2006 zu zahlen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er bestreitet die Angaben der Klägerin. Richtig sei allein, dass er am 16. Mai 2007 das Erinnerungsschreiben der Klägerin vom Vortag erhalten habe und dass diesem Schreiben die Betriebskosten-Abrechnung für das Jahr 2005 beigelegen habe. Somit habe er von dem Nachzahlungsbetrag erstmals am 16. Mai 2007 erfahren.
17Im Wege der Widerklage beantragt der Beklagte,
18die Klägerin zu verurteilen, an ihn € 144,09 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. April 2008 zu zahlen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Widerklage abzuweisen.
21Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob der Zeuge L. den Briefumschlag mit der Sendungsnummer RR 9889 5984 5DE am 29. Dezember 2006 in den Briefkasten des Beklagten unter der Anschrift B. in Köln eingeworfen hat, durch Vernehmung dieses Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9. April 2008 verwiesen.
22Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
23Entscheidungsgründe:
24I) Die Klage:
25Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Betriebskosten-Nachforderungsbetrages für das Jahr 2005 (§ 535 Abs. 2 BGB).
26Die Betriebskosten-Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen (§ 556 Abs. 3 Satz 2 BGB). Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten (§ 556 Abs. 3 Satz 3 BGB).
27Mit der Formulierung, der Vermieter müsse dem Mieter die Abrechnung innerhalb der Frist mitteilen, wollte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, dass die Abrechnung dem Mieter innerhalb der Frist zugehen muss und dass die rechtzeitige Absendung zur Fristwahrung nicht genügt (so ausdrücklich Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts vom 9. November 2000, Bundestags-Drucksache 14/4553, S. 51). Dass der Gesetzgeber nicht das Verb "zugehen", sondern das Verb "mitteilen" benutzte, beruht allein darauf, dass die Rechenschaftslegung keine empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne von § 130 BGB, sondern eine Wissenserklärung ist, auf die § 130 BGB entsprechende Anwendung findet (Staudinger/Weitemeyer, Neubearbeiter 2003, § 556, Rn. 108).
28Die Klägerin hätte dem Beklagten die Betriebskosten-Abrechnung bis zum 2. Januar 2007 mitteilen müssen, weil der Abrechnungszeitraum am 31. Dezember 2005 endete, der 31. Dezember 2006 ein Sonntag und der 1. Januar 2007 ein Feiertag (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Feiertagsgesetz NRW) war (§ 193 BGB).
29Die Beweisaufnahme hat nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die erste – also die fehlerhafte – Betriebskosten-Abrechnung dem Beklagten am 29. Dezember 2006 zugegangen ist. Der Zeuge L. hat bekundet, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob er den konkreten Brief in den konkreten Briefkasten eingeworfen habe. Zwar hat er auch erklärt, dass es während der ganzen Zeit, während der er bei der Deutschen Post AG beschäftigt gewesen sei – nämlich zwischen Februar 2002 und August 2007 –, niemals zu Schwierigkeiten im Zusammenhang mit seinen Zustellungen gekommen sei. Dies spricht zwar für die Zuverlässigkeit des Zeugen, bedeutet aber nicht, dass der hier in Rede stehende Brief dem Beklagten tatsächlich zugegangen ist.
30Der Auslieferungsbeleg beweist den Zugang des Schreibens auch nicht, weil sich aus ihm nicht ergibt, in welchen Briefkasten in welchem Haus die Postsendung eingeworfen wurde. Der Auslieferungsbeleg gibt nämlich lediglich die Postleitzahl und den Zustellbezirk an. Die Anschrift, unter der der Brief eingeworfen wurde, geht aus dem Beleg nicht hervor.
31Die Grundsätze vom Beweis des ersten Anscheins finden zugunsten der Klägerin keine Anwendung.
32Eine Tatsache, der ein typischer Geschehensablauf zugrunde liegt, gilt zugunsten der beweisbelasteten Partei als bewiesen, solange die andere Partei nicht die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs beweist. Ein typischer Geschehensablauf liegt aber nur vor, wenn nach der Lebenserfahrung von einem bestimmten Ereignis auf eine bestimmte Folge geschlossen werden kann (BGH, Urt. v. 27.05.1957, Az.: II ZR 132/56, juris).
33Ob von der Absendung eines Einschreibens auf den Zugang dieses Schreibens beim Empfänger geschlossen werden kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
34Das Amtsgericht Erfurt (Urt. v. 20.06.2007, Az.: 5 C 1734/06, BeckRS) ist von der Überlegung ausgegangen, die Häufigkeit, mit der in der tatrichterlichen Praxis Empfänger den Zugang von Schreiben bestritten, zeige, dass geradezu ein Bedürfnis dafür bestehe, die Beweiserleichterung durch die Regeln des Anscheinsbeweises zuzulassen. Aus der Tatsache, dass die Zahl verloren gegangener oder falsch zugestellter Postsendungen äußerst gering sei, folge der Erfahrungssatz, dass eine zur Post gegebene Sendung ihren Empfänger auch erreiche. Bei einem Einwurf-Einschreiben gelte dies in besonderem Maße, weil der Zusteller den Einwurf durch seine Unterschrift im Auslieferungsbeleg dokumentiere. Dieser Auslieferungsbeleg sei ein starkes Indiz für den Zugang. Aus diesem Grunde müsse der Empfänger, der den Zugang des Schreibens bestreite, Tatsachen beweisen, die die ernsthafte Möglichkeit ergäben, dass er das Schreiben tatsächlich nicht erhalten habe.
35Die übrigen Gerichte folgen dieser Auffassung nicht. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 27.05.1957, Az.: II ZR 132/56, juris) hat entschieden, dass es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auch unter normalen Postverhältnissen immer wieder vorkomme, dass Einschreiben ihre Empfänger nicht erreichten. Auch wenn die Zahl verloren gegangener Postsendungen gering sei, so sei weder der Verlust noch der Zugang einer Sendung typisch, beides sei vielmehr etwa gleich wahrscheinlich. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Empfänger der Nachweis, dass er das Schreiben nicht erhalten habe, in der Regel gar nicht führen könne, weil es sich hierbei um eine negative Tatsache handle. Ferner sei zu beachten, dass derjenige, der jeden Streit über den Zugang eines Schriftstücks vermeiden wolle, andere Möglichkeiten der Übersendung wählen könne, die einen sicheren Zugangsbeweis ermöglichten. Dieser Auffassung haben sich zahlreiche Gerichte angeschlossen (z. B. LG Potsdam, Urt. v. 27.07.2000, Az.: 11 S 233/99, juris; AG Kempen, Urt. v. 22.08.2006, Az.: 11 C 432/05, juris).
36Das Gericht folgt der letztgenannten Ansicht. Es ist nicht einzusehen, weswegen der Empfänger eines Schreibens das Risiko für seinen Zugang tragen soll. Der einzige, der es in der Hand hat, für einen ordnungsgemäßen Zugang zu sorgen, ist nämlich der Absender. Er kann einen sicheren Weg wählen, um den Zugang zu gewährleisten, der Empfänger hat hierauf keinen Einfluss. In Betracht kommt etwa eine förmliche Zustellung unter Vermittlung des Gerichtsvollziehers nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. Eine solche Zustellung ist zwar teurer als das Porto für einen herkömmlichen Brief oder für ein Einschreiben, allerdings nicht übermäßig teuer.
37Der Gerichtsvollzieher erhebt für die Zustellung eine Gebühr von € 7,50 (Nr. 100 KV zu § 9 GvKostG), hinzu kommen eine Beglaubigungsgebühr (Nr. 102 KV zu § 9 GvKostG) und eine Wegegebühr (Nr. 711 KV zu § 9 GvKostG). Übergibt der Gerichtsvollzieher das Schriftstück an ein Postunternehmen zum Zwecke der Zustellung, erhebt er eine Gebühr in Höhe von € 2,50 (Nr. 101 KV zu § 9 GvKostG) zuzüglich einer Beglaubigungsgebühr (Nr. 102 KV zu § 9 GvKostG) und zuzüglich des Entgelts des Postunternehmens (Nr. 701 KV zu § 9 GvKostG). Geht man davon aus, dass die Klägerin für die förmliche Zustellung der Betriebskosten-Abrechnung insgesamt € 20,00 hätte zahlen müssen, so hätte sie 2,21 % des Betrages aufwenden müssen, den sie von dem Beklagten im Falle eines fristgerechten Zugangs hätte verlangen können. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hätte sich eine förmliche Zustellung also durchaus "gelohnt".
38Hinzu kommt noch Folgendes: Die Klägerin hat ihren Geschäftssitz unter der Anschrift O. in Köln, der Beklagte hat seinen Wohnsitz unter der Anschrift B. in Köln. Benutzt man die einfachste Strecke, beträgt die Entfernung zwischen diesen beiden Anschriften etwa 16 km. Für die Hin- und Rückfahrt sind also 32 km zurückzulegen. Geht man davon aus, dass für die Benutzung eines Kraftfahrzeugs pro km € 0,30 aufzuwenden sind, ergeben sich Kosten in Höhe von 32 x € 0,30 = € 9,60. Verdoppelte man im Hinblick auf die drastisch gestiegenen Benzinpreise diesen Betrag, so wären Kosten in Höhe von ca. € 20,00 entstanden, wenn die Klägerin einen ihrer Mitarbeiter mit dem Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des Beklagten beauftragt hätte. Dieser Mitarbeiter hätte in einem Prozess als tauglicher Zeuge zur Verfügung gestanden, weil er – anders als der Zusteller der Deutschen Post AG – nicht tagtäglich unzählige Briefe zustellt und sich daher auch noch nach einigen Monaten an den konkreten Einwurf mit Sicherheit erinnert hätte.
39Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Klägerin zum Preis von € 20,00 einen sicheren Zugang der Betriebskosten-Abrechnung hätte erreichen können. Dass sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, geht zu ihren Lasten. Etwas anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Klägerin im Vorfeld nicht wissen konnte, welche Abrechnungen auf dem Postwege verloren gehen könnten und welche nicht. Im Hinblick darauf, dass der Klägerin zur Fristwahrung lediglich noch fünf Tage verblieben, wäre es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar gewesen, bei allen Abrechnungen, die mit einem Nachforderungsbetrag in einer gewissen Größenordnung endeten, für einen sicheren Nachweis des Zugangs zu sorgen.
40Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie den verspäteten Zugang der Betriebskosten-Abrechnung nicht zu vertreten habe.
41Ob ein Vermieter den verspäteten Zugang der Betriebskosten-Abrechnung dann nicht zu vertreten hat, wenn er die Abrechnung so rechtzeitig abgesandt hat, dass unter normalen Verhältnissen mit ihrem fristgerechneten Zugang zu rechnen war, wird in der Rechtsprechung ebenfalls unterschiedlich beantwortet. Das Amtsgericht Leipzig (Urt. v. 06.09.2005, Az.: 163 C 4723/05, juris) hat entschieden, dass der Vermieter das seinerseits Erforderliche getan habe, wenn er die Abrechnung abgesandt habe, so dass ihm Verzögerungen bei der Postzustellung nicht angelastet werden dürften. Demgegenüber haben das Amtsgericht Meißen (Urt. v. 24.08.2007, Az.: 3 C 257/07, juris) und das Landgericht Düsseldorf (Urt. v. 07.02.2007, Az.: 23 C 108/06) entschieden, dass diese Auffassung mit § 556 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbaren sei, weil sie auf eine nicht zu vertretende Beweiserleichterung für den Vermieter hinauslaufe. § 556 Abs. 3 BGB verlange vom Vermieter, dass er den Zugang der Abrechnung nachweise, dieser Verpflichtung dürfe sich der Vermieter nicht entziehen.
42Das Gericht folgt der letztgenannten Auffassung. Als der Gesetzgeber den Halbsatz "es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten" schuf, dacht er daran, dass Versorgungsunternehmen ihre Abrechnungen erst lange nach Ablauf der Abrechnungsperiode erstellen oder Steuern und Abgaben für bereits vergangene Zeiträume nachträglich festgesetzt werden könnten (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts vom 9. November 2000, Bundestags-Drucksache 14/4553, S. 51). Dem Gesetzgeber schwebten also Fälle vor, in denen dem Vermieter zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Abrechnung fertig stellen muss, noch nicht alle Zahlen zur Verfügung stehen. In einem solchen Fall soll der Vermieter nach dem Willen des Gesetzgebers die Möglichkeit haben, die jeweiligen Kosten noch nach Ablauf der Abrechnungsfrist dem Mieter weiterzuberechnen. Dass der Gesetzgeber den Vermieter von der Verpflichtung freistellen wollte, für einen rechtzeitigen Zugang der Abrechnung zu sorgen, ist nicht ersichtlich.
43Nach alledem kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Vermietern im Zusammenhang mit den Anforderungen, die an den fristgerechten Zugang von Betriebskosten-Abrechnungen zu stellen sind, gewisse Erleichterungen gewährt werden müssten. Für eine solche bevorzugte Behandlung besteht kein Bedürfnis, weil der Vermieter die Möglichkeit hat, das Entstehen eines Betriebskosten-Nachzahlungsanspruchs zu verhindern. So kann der Vermieter mit seinem Mieter gleich zu Beginn des Mietverhältnisses vereinbaren, dass Letzterer angemessene Vorauszahlungen auf die Betriebskosten zu leisten hat (§ 556 Abs. 2 Satz 2 BGB). Erweisen sich die Vorauszahlungen als zu niedrig, kann der Vermieter nach einer Abrechnung – ohne Zustimmung des Mieters – eine Anpassung der Vorauszahlungen auf eine angemessene Höhe vornehmen (§ 560 Abs. 4 BGB).
44Angemessen sind Vorauszahlungen, die an der Höhe der zu erwartenden Betriebskosten ausgerichtet sind (Begründung zu dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum vom 19. April 1974, Bundestags-Drucksache 7/2011, S. 12). Die Angemessenheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass gewisse Überzahlungen eintreten können, weil künftige Kosten nie genau kalkuliert werden können. Die Grenze der Angemessenheit wird erst dann überschritten, wenn durch die Vorauszahlungen erhebliche Zinsgewinne bzw. Zinsverluste entstehen (MüKo/Schmid, 4. Aufl., München 2004, § 556, Rn. 37). Ein Sicherheitszuschlag von 10 % bis 15 % ist hiernach stets zulässig.
45Mit anderen Worten: Ein Vermieter, der von seinem Mieter angemessene Betriebskosten-Vorauszahlungen verlangt, kann erreichen, dass die Betriebskosten-Abrechnung anstatt mit einem Nachforderungsbetrag mit einem Guthaben zugunsten des Mieters endet. In einem solchen Fall muss er für einen fristgerechten Zugang der Abrechnung nicht mehr sorgen, weil die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nur für Nachforderungen gilt. Ein Vermieter, der von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, vermeidet also von vornherein jeden Streit über die Frage, wann der Mieter die Abrechnung erhalten hat, weil es auf diese Frage nicht mehr ankommt.
46Selbst wenn die Betriebskosten-Abrechnung wider Erwarten doch mit einem Nachforderungsbetrag endet, so fällt dieser Betrag desto geringer aus, je realistischer die Betriebskosten-Vorauszahlungen kalkuliert waren. Verzichtet der Vermieter dann auf eine sichere Art der Übersendung und bestreitet der Mieter anschließend den rechtzeitigen Zugang der Abrechnung, so fällt der hierdurch entstehende wirtschaftliche Schaden für den Vermieter erheblich geringer aus als wenn er deutlich zu niedrige Vorauszahlungen verlangt hätte. Der Vermieter hat also die Möglichkeit, den Schaden zumindest auf ein Minimum zu reduzieren.
47II) Die Widerklage:
48Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung seinen restlichen Kautionsguthabens in Höhe von € 47,67 und auf Auszahlung des sich aus der Betriebskosten-Abrechnung für das Jahr 2006 ergebenden Guthabens in Höhe von € 96,42. Die Klägerin war nicht berechtigt, gegen diese Forderungen die Betriebskosten-Nachforderung für das Jahr 2005 aufzurechnen, weil sie hierauf – wie oben ausgeführt – keinen Anspruch hat (§§ 387, 389 BGB). Da der Klägerin folglich keine Gegenforderung zur Seite stand, konnte sie an den Forderungen des Beklagten auch kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen (§ 273 BGB).
49Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
50Streitwert: € 1.050,38
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