Urteil vom Amtsgericht Köln - 321 F 121/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T A T B E S T A N D:
2Der 73jährige Beklagte ist der Vater der am … 1958 geborenen Frau K. W., hervorgegangen aus der 1970 geschiedenen Ehe mit der Mutter derselben. Seither besteht kein persönlicher Kontakt mehr zwischen Vater und Tochter.
3Der Kläger gewährt der Tochter des Beklagten seit Februar 2007 gemäß den §§ 53ff. SGB XII Eingliederungshilfe in Form des ambulanten betreuten Wohnens. Mit Schreiben vom 07.03.2007 teilte der Kläger dem Beklagten die Hilfegewährung erstmalig mit und forderte ihn zur Zahlung des Unterhaltsbeitrags zunächst in Höhe von 13,- EUR, mit Schreiben vom 11.12.2007, 21.12.2007 und 20.02.2008 wegen Leistungsunfähigkeit der (am 12.01.2008 verstorbenen) Mutter der Tochter in Höhe von 26,- EUR aus übergegangenen Rechts auf. Der Beklagte verweigerte die Zahlung.
4Der Beklagte ist Rentner. Er hat monatliche Renteneinkünfte in Höhe von insgesamt 1.372,24 EUR.
5Die Tochter des Beklagten bezieht seit dem 01.12.2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von ca. 800,- EUR (Bl.33ff.d.A.).
6Durch Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 06.02.1985 (26 UF 180/84) wurde die (letzte) auf Kindesunterhalt gerichtete Klage der Tochter des Beklagten abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl.17ff.d.A.) Bezug genommen.
7Der Kläger ist der Ansicht, die Tochter des Beklagten sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbständig zu erwirtschaften. Dies ergebe sich aus den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen (Bl.27-32d.A.). Er ist der Ansicht, der Beklagte sei gemäß den §§ 1601 ff. BGB zur Zahlung des Kindesunterhalts verpflichtet und auch leistungsfähig.
8Der Kläger beantragt,
9- den Beklagten zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 01.03.2007 bis einschließlich 31.07.2008 rückständige Unterhaltsbeiträge für seine Tochter K. W., geboren am …1958, in Höhe von 442,- EUR und für die Zeit ab dem 01.08.2008 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage (28.08.2008) zu zahlen;
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn jeweils im Voraus zum 1. eines Monats einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von je 26,- EUR ab dem 01.08.2008 und in Höhe von je 27,69 EUR ab dem 01.01.2009 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er bestreitet die Notwendigkeit der vom Kläger eingesetzten Maßnahme. Darüber hinaus ist er der Ansicht, er sei als nicht leistungsfähig einzustufen, da zum einen zu seinen Gunsten der Selbstbehalt anzusetzen sei, der auch im Elternunterhalt angenommen werde, zum anderen habe er aufgrund seiner Erkrankungen einen erhöhten Bedarf (Bl.41d.A.).
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Ablagen sowie auf die Akten Bezug genommen.
14E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
15Die Klage ist unbegründet.
16Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus übergegangenem Recht auf rückständigen und laufenden Kindesunterhalt gemäß den §§ 1601ff. BGB, § 94 II S.1 SGB XII.
17Zunächst ist schon zweifelhaft, ob der vom Kläger eingeklagte nicht gedeckte Bedarf der Tochter des Beklagten besteht. Es ist offen, ob die vom Kläger eingesetzte und finanzierte Maßnahme aufgrund des gesundheitlichen Zustands der Tochter des Beklagten notwendig und angezeigt ist. Die vorgelegten ärztlichen Berichte vom 13.03.2001, 22.07.2006, 11.10.2006 und 31.07.2008 lassen aufgrund ihrer Art und ihres Erstellungszeitpunktes keinen hinreichend sicheren Schluss auf den tatsächlichen Gesundheitszustand der Tochter des Beklagten zu.
18Dies kann jedoch dahinstehen, da der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht als leistungsfähig zur Zahlung des begehrten Unterhaltsbeitrags anzusehen ist. Insoweit geht das Gericht zu Gunsten des Beklagten davon aus, dass ihm gegenüber seiner volljährigen Tochter der angemessene Selbstbehalt in Höhe von 1.400,- EUR zu verbleiben hat, entsprechend dem Selbstbehalt des volljährigen Kindes gegenüber einem Unterhaltsanspruch seiner Eltern. Einkünfte, die über diesen Betrag hinausgehen, bezieht der Beklagte nicht. Seine monatlichen Renteneinkünfte liegen bei 1.372,24 EUR. Hinzukommen wird noch krankheits- und altersbedingter Mehrbedarf, wie er sich im Attest des Hausarztes vom 23.11.2008 andeutet.
19Maßgebend für diese Bewertung sind folgende Gesichtspunkte nach OLG Koblenz, FamRZ 2004, 484 (m.w.N.):
20Der nicht erhöhte Selbstbehalt ist in den Fällen angemessen, in denen sich der Verpflichtete auf die Inanspruchnahme durch den Unterhaltsberechtigten einrichten kann und muss. Ein volljähriges Kind, das eine eigene Familie gegründet und eine von den Eltern unabhängige Lebensstellung erlangt hat, ist dagegen auf eine Inanspruchnahme durch die Eltern im Regelfall nicht vorbereitet. Aus diesem Grund und wegen der Notwendigkeit, in angemessenem Umfang Rücklagen bilden zu können, hat der BGH in solchen Fällen die Anhebung der Mindestbedarfssätze gebilligt. Dieser Fall weist Parallelen zum Elternunterhalt auf, die ebenfalls für eine Erhöhung des Selbstbehalts sprechen. Eltern müssen zwar grundsätzlich damit rechnen, bis zum Abschluss einer möglicherweise langfristigen Ausbildung ihren Kindern Unterhalt zu gewähren. Sie sind jedoch nicht eingerichtet, ihren bereits selbständig gewordenen Kindern wegen einer unvorhergesehenen späteren Hilfsbedürftigkeit nochmals unterhaltspflichtig zu werden. Ist der Unterhaltspflichtige darüber hinaus seit geraumer Zeit im Rentenalter, entstehen auf seiner Seite erhöhte Bedürfnisse, für deren gegenwärtige und künftige Erfüllung er selbst Sorge tragen muss. Allgemein ist in einem höheren Alter damit zu rechnen, dass vermehrt Kosten entstehen, die nicht immer durch Leistungen der Sicherungssysteme gedeckt sind. Es muss dem Unterhaltspflichtigen zugebilligt werden, zur Sicherstellung seiner erhöhten Bedürfnisse rechtzeitig Rücklagen zu bilden.
21Unter Berücksichtigung dieser Darlegungen hält es das Gericht im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Situation für sachgerecht, zu Gunsten des Beklagten gleichfalls den erhöhten angemessenen Selbstbehalt anzunehmen. Der Beklagte ist bereits 73 Jahre alt. Er ist seit längerer Zeit verrentet. Er leidet entsprechend dem ärztlichen Attest vom 23.11.2008 unter diversen gesundheitlichen Einschränkungen. Er habe nach seinem Vorbringen dadurch krankheitsbedingten Mehrbedarf. Er ist letztmalig in den Jahren 1984/1985 von seiner Tochter auf Unterhalt in Anspruch genommen worden. Die Klage der Tochter wurde durch Urteil des OLG Köln vom 06.02.1995 abgewiesen. Der Tochter wurde die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zugemutet. Das Gericht sah sie in der Lage und verpflichtet, selbst für ihren Unterhalt Sorge zu tragen. In der Folgezeit muss die Tochter auch einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sein, da sie eigene Rentenansprüche in Höhe von jedenfalls ca. 800,- EUR erwirtschaftet hat. Eine persönliche Beziehung zwischen Tochter und Vater besteht bereits seit 1970 nicht mehr. Unter diesen Voraussetzungen musste der Beklagte mit einer erneuten Inanspruchnahme auf Kindesunterhalt nicht mehr rechnen, so dass ihm entsprechend den obigen Grundsätzen der angemessen Selbstbehalt zuzugestehen ist, er mithin nicht leistungsfähig ist.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
23Streitwert: 765,83 EUR
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