Urteil vom Amtsgericht Köln - 147 C 247/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist von schwarzer Hautfarbe und HIV-infiziert. Er ist gesetzlich krankenversichert. Aufgrund einer Erkrankung musste er sich eine operativen Gewebeentnahme im Anus-Bereich unterziehen. Er wählte dafür das Krankenhaus der Beklagten. Mit ihr vereinbarte er schriftlich als Sonderleistung ein 2-Bett-Zimmer mit Sanitärzone, also einem eigenen Badezimmer mit Toilette, was mit 62,-- € pro Tag zu vergüten war. Ohne diese Vereinbarung hätte er ein 3-Bett-Zimmer mit einer von den Patienten zu benutzenden Toilette auf dem Gang beziehen müssen. Am 04.06.2008 wurde er in dem Krankenhaus aufgenommen und operiert. Er erhielt danach zunächst ein Zimmer der vereinbarten Kategorie auf der Station für innere Medizin, weil auf der Chirurgie kein solches Zimmer frei war. Er lag in diesem Zimmer alleine. Am 06.06.2008 wurde er in ein Zimmer der vereinbarten Kategorie auf der chirurgischen Station verlegt. In diesem Zimmer lag ein weiterer Patient, der am rechten unteren Bein operiert worden war und dort eine offene (septische) Wunde hatte. Am Morgen des 07.06.2008 wurde ihm durch die diensthabende Stationsschwester mitgeteilt, dass er nicht die Toilette im der Sanitätszone des Zimmers, sondern eine sich auf dem Gang befindliche Toilette benutzen solle, die sie ihm zeigte. Am 08.08.2008 wurde er entlassen. Der für die vereinbarten Sonderleistungen zu zahlende Betrag wurde nicht bezahlt, womit die Beklagte einverstanden war.
3Der Kläger begehrt nunmehr Schmerzensgeld wegen einer Diskriminierung aufgrund seiner Hautfarbe.
4Der Kläger behauptet, dass diese Toilette, die sich am Ende des Gangs in einem Seitengang befunden habe, mit einem Schild "Defekt-außer Betrieb" versehen gewesen sei. Sie sei inakzeptabel verschmutzt gewesen. Auf der Toilettenbrille hätten sich braune Kotflecken und mit Staub vermischter getrockneter Urin befunden. Er habe sich daraufhin geweigert, die Toilette zu benutzen. Seitens des Personals sei ihm versichert worden, dass der Reinigungsdienst angerufen worden sei. Als dieser nicht gekommen sei, sei die Toilette schließlich von Personal selbst gereinigt worden.
5Die Stationsschwester habe ihm gesagt, die Maßnahme sei wegen seiner HIV-Infektion erforderlich. Ferner habe sie dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärt, dass die Maßnahme aufgrund hygienischer Regelungen vorgesehen sei. Dieser habe sie darauf hingewiesen, dass bei einer Darm-Operation keine Infektionsgefahr bestünde und auch tatsächlich ausgeschlossen wie sowie darauf, dass die Viruslast der Klägers unter der Nachweisgrenze liege und eine Blut-zu-Blut-Infektion auch deshalb ausgeschlossen sei. Zudem könne ein Blutverlust beim Stuhlgang nicht an das Bein eines anderen Patienten gelangen. Die Schwester habe aber auf die Anordnung bestanden mit der Begründung, dass es möglich sei, dass der Kläger durch den Stuhlgang frisches Blut verliere und sich der andere Patient so infizieren könne. Die Schwester habe dem Kläger nicht gesagt, dass die Maßnahme seines Schutzes diente. Es habe aufgrund seiner Medikamente für ihn auch gar keine erhöhte Infektionsgefahr bestanden.
6Weiter behauptet der Kläger, er sei psychisch wegen des Vorfalls angegriffen gewesen, da er sich wegen seiner Hautfarbe diskriminiert fühlte.
7Entsprechende Hygienevorschriften gäbe es nicht; diese seien auch nicht erforderlich, da bei der gemeinsamen Benutzung einer Toilette keine Infektionsgefahr bestünde. Die Voraussetzungen Anwendbarkeit der von der Beklagten vorgelegten Dienstanweisung über die Unterbringung von HIV-, HBV-, HCV-Patienten nach Operationen im Anal-Bereich vom 15.11.1999 (Bl. 58 d. A.) lägen nicht vor. Auch in anderen Krankenhäusern seien solche Maßnahmen nicht üblich.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2008 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte stützt die Maßnahme auf Absatz 2 ihrer oben genannte Dienstanweisung vom 15.11.1999 und behauptet, dass die Vorgehensweise aus hygienerechtlichen Gründen richtig sei. Bei der Beklagten herrsche ein überobligatorischer Hygienestandard. Dabei habe sie nur Bestreben gehandelt, den Kläger vor Infektionen durch andere Patienten zu schützen, da sein Zimmernachbar eine infektiöse Wunde am Unterschenkel hatte und eine besondere Infektionsgefahr bei Immunschwäche durch HIV-Infektionen bestehe. Zudem seien Blutungen aus dem Darm des Klägers nicht auszuschließen gewesen, ebenso wenig wie auszuschließen sei, dass der andere Patienten ebenfalls z.B. Hämorriden oder offene Pickel gehabt habe, so dass wechselseitige Infektion möglich gewesen sei.
13Insoweit habe auch eine Ermessenreduzierung bestanden, da der andere Patient aufgrund seiner frische OP-Wunde am Bein nicht die Toilette auf dem Gang nutzen konnte.
14Ansatz 2 der Dienstanweisung sei anwendbar, da sich die Formulierung "o.g. Infektionen" auf die in der Überschrift genannten Krankheiten beziehe. So werde die Dienstanweisung auch seit ihrem Erlass angewendet. Die alternative Möglichkeit einer desinfizierenden Reinigung der Toilette nach jeder Benutzung sei in der Praxis nicht umsetzbar. Zudem sie zu beachten, dass sich der Mitpatient nicht selber schützen könne, so dass das Krankenhaus verpflichtet sei, durch angemessene Maßnahmen das Risiko ungeschützter Expositionen zu minimieren.
15In dem Gespräch mit dem Kläger habe ihm die Stationsschwester die Dienstanweisung erläutert, woraufhin er einverstanden gewesen sei. Auch während des Gesprächs mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers sei es nur um die Frage gegangen, ob HIV-Patienten, die im Analbereich operiert worden sind, eine separate Toilette zuzuweisen ist. Nie sei es um die ethnische Herkunft des Klägers gegangen.
16Regelmäßige habe sie Schulungen der Mitarbeiter durchgeführt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die zulässige Klage ist unbegründet.
20Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds aus § 21 II 3 AGG, denn es liegt keine Verletzung des Benachteiligungsverbots des § 1 AGG vor. Der Kläger hat weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung schlüssig vorgetragen.
21Eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 I AGG dadurch, dass der Kläger wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine ungünstigere Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, liegt nicht vor. Eine solche lässt sich nicht durch die Zuweisung einer separaten Toilette auf dem Gang begründen. Es ist schon fraglich, ob darin eine Benachteiligung liegt. Jedenfalls ist für das Gericht nicht erkennbar, dass der Kläger aufgrund seiner ethnischen Herkunft eine ungünstigere Behandlung erfahren hat als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Denn die Dienstanweisung der Beklagte vom 15.11.1999 über die "Unterbringung von HIV-, HBV-, HCV-Patienten nach Operationen im Analbereich", deren Existenz der Kläger nicht substantiiert, sondern nur "ins Blaue hinein" bestritten hat, schreibt die Zuweisung einer separaten Toilette vor, so dass nicht ersichtlich ist, dass einer anderen Person in einer vergleichbaren Situation keine separate Toilette auf dem Gang zugewiesen worden wäre. Nach eines Auslegung der Dienstanweisung der Beklagte geht das Gericht davon aus, dass die Dienstanweisung auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Die beiden ersten Absätze nehmen jeweils Bezug auf die Überschrift der Dienstanweisung, die die Anwendbarkeit auf alle HIV-, HBV-, HCV-Patienten nach Operationen im Analbereicht bestimmt. Der Einwendung des Klägers, dass zusätzlich eine in Absatz 1 genannte Erkrankung vorliegen müsse, um den Anwendungsbereich des Absatzes 2 zu eröffnen, folgt das Gericht nicht. Vielmehr handelt es sich bei Absatz 1 und 2 um selbstständige Bestimmungen, die jeweils auf die in der Überschrift genannten Erkrankungen Bezug nehmen. So bestimmt Absatz 1, dass eine räumliche Absonderung von Patienten mit einer in der Überschrift genannten Erkrankung erforderlich ist, wenn zusätzlich im Rahmen einer Quellenisolation der Erreger aerogen und/oder durch direkte Kontakte leicht übertragen werden kann oder wenn ein Patient mit einer ansteckungsfähigen Erkrankung eine mangelnde Individualhygiene aufweist. Absatz 2 bestimmt, dass im Übrigen den in der Überschrift genannten Patienten u.a. eine eigene Toilette zuzuordnen ist. Eine andere Auslegung würde gar keinen Sinn machen, da die Patienten mit den in Absatz 1 genannten Erkrankungen vollständig zu isolieren sind und die Anordnungen, ihnen darüber hinaus eine eigene Toilette zuzuweisen, sinnlos wäre. Die Dienstanweisung wurde auch richtig angewendet; insbesondere war es nicht möglich, dem Mitpatienten des Klägers die Toilette auf dem Gang zuzuweisen, da dieser durch seine Beinverletzung in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt war.
22Dass die Vorschrift auf andere, mit dem Kläger vergleichbare Patienten nicht angewendet wurde, hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen.
23Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Toilette nach dem Klägervortrag verschmutzt gewesen sein soll. Er hat nicht behauptet, dass ihm die verschmutzte Toilette nur aufgrund seiner ethnischen Herkunft zugewiesen worden ist und dass einer anderen Person eine saubere Toilette zugewiesen worden wäre. Zudem wurde die Toilette nach seinem Hinweis an das Pflegepersonal gereinigt.
24Eine mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 II AGG dadurch, dass der Kläger durch eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligt werden könnte, liegt ebenfalls nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft durch die Dienstanweisung der Beklagten möglich ist, sind nicht ersichtlich. Eine mittelbare Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner HIV-Infektion, die ggf. als Behinderung eingeordnet werden könnte, durch die Dienstanweisung liegt ebenfalls nicht vor. Denn nach § 3 II AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung nicht vor, wenn die Vorschrift durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind. Hier liegt eine sachliche Rechtfertigung in dem Ziel, die Infektionsgefahr der Mitpatienten einzuschränken. Die Einwendungen der Klägers hiergegen greifen nicht durch. In der Tat scheint ein Blutaustritt aus dem Operationsgebiet nicht unwahrscheinlich, so dass ein Kontaktmöglichkeit des Mitpatienten mit dem infizierten Blut nicht auszuschließen ist. Ebenso wenig ist auszuschließen, dass der Mitpatient eine Wunde oder Sonstiges im betroffenen Bereich hat, so dass das Gericht eine abstrakte Infektionsgefahr durchaus für möglich hält. Dem stehen die Einwendungen des Klägers, die er bezüglich des konkreten Falls vorträgt, nicht entgegen. Es kann der Beklagten nicht zugemutet werden, dass sie in jedem Fall die Viruslast des HIV-Patienten überprüft und auswertet, ob im konkreten Fall eine Ansteckung möglich ist oder nicht. Ein solcher Aufwand scheint, auch unter Berücksichtigung der bekannten Überlastungszuständen an Krankenhäusern, nicht sachgerecht. Ebenso wenig erscheint eine Untersuchung des Mitpatienten, ggf. bei einem längeren Aufenthalt vielleicht mehrfach, dahingehend, ob er im betroffenen Bereich eine Wunde oder Ähnliches hat, weder für die Beklagten noch für den Mitpatienten zumutbar. Daher hält das Gericht eine pauschale Regelung dieser Fälle ohne Einzelfallprüfung für zulässig, zumal die Einschnitte in die Rechtssphäre des Betroffenen nicht so groß sind, dass sie den Aufwand und die Unannehmlichkeit für die Betroffenen rechtfertigen würden. Auch die Mittel sind angemessen und erforderlich. Das Benutzen einer Toilette auf dem Gang ist zwar lästig, aber zumutbar. Die Ansteckungsgefahr über aus dem Operationsfeld entweichendem Blut kann durch diese Maßnahme ausgeschlossen werden. Eine desinfizierende Säuberung der Toilette nach jeder Benutzung stellt kein milderes Mittel dar, da dies in der Praxis aufgrund des dadurch entstehenden Aufwands nicht durchführbar erscheint.
25Mangels Hauptanspruchs hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Nebenforderung.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
27Streitwert: 5.000,-- €
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Referenzen
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