Urteil vom Amtsgericht Köln - 129 C 262/07
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2292,69 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Kosten des Streithelfers trägt ebenfalls die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Im Zeitraum von Februar 2006 bis Mai 2006 wurde der von dem Streitverkündeten wegen eines Prostatakarzinoms behandelt. Insgesamt stellte der Streitverkündete dem Kläger 4067,04 € für die durchgeführte Behandlung in Rechnung. Auf die Rechnung Nr. 179/06 in Höhe von 203,79 € zahlte die Beklagte einen Betrag von 97,87 € und auf die Rechnung Nr. 180/06 in Höhe von 3887,74 € zahlte sie einen Betrag von 1739,84 €. Der Kläger behauptet, alle Leistungen seien von dem Streitverkündeten erbracht worden und medizinisch notwendig gewesen. Im einzelnen sind folgende Leistungen zwischen den Parteien streitig:
3Aus der Rechnung 179/06 in Höhe von 203,79 €, die GOÄ Ziffer 60 4 x abgerechnet.
4Hierzu behauptet der Kläger, die mit den abgerechneten Ziffern durchgeführten Behandlungen seien erforderlich gewesen.
5Des weiteren ist Ziffer GOÄ 75 2 x abgerechnet streitig.
6Der Kläger behauptet, diese Berichte vom 13.02. und 24.05.2006 wurden abrechenbar gefertigt und ordnungsgemäß abgerechnet.
7Ziffer GOÄ Nr. 78 ist ebenfalls im Streit; hierzu behauptet der Kläger, dass ein Behandlungsplan für die Chemotherapie und/oder schriftlicher Nachsorgeplan für ihn erstellt und ausgehändigt wurde. Demgemäß sei auch diese Ziffer ordnungsgemäß abgerechnet worden.
8Aus der Rechnung 180/06 in Höhe von 3887,74 € sind folgende GOÄ Ziffern zwischen den Parteien streitig:
9Nr. 60 je 1 x am 02., 08. und 15.05.2006, Nr. 5846 je 3 x am 02.08. und 15.05.2006, Nr. 488, 1729 und 1732 je 1 x am 02.08. und 15.05.2006, Nr. 204 und 206 je 1 x am 02., 08. und 15.05.2006, Nr. 78 vom 15.05.2006, Nr. 56 je 1 am 02., 08. und 15.05.2006, Nr. 62 je 1 x am 02., 08. und 15.05.2006. Der Kläger behauptet insoweit, alle Behandlungen seien korrekt durchgeführt, die Konsile hätten stattgefunden und bei den Behandlungen wären 30 Nadeln pro Behandlung eingesetzt worden. Des weiteren wären Kompressionsverbände angelegt und ein Assistent bei den durchgeführten Eingriffen eingesetzt worden. Demnach seien alle Ziffern ordnungsgemäß abgerechnet worden.
10Nachdem der Kläger zunächst beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2261,69 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen, beantragt er nunmehr unter Richtigstellung seines Klageantrages,
11die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2292,69 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 an ihn zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hält die einzelnen Leistungen entweder nicht für nachvollziehbar oder falsch abgerechnet, da sie nicht durchgeführt worden seien.
15Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 17.04.2008 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und Ergänzungsbeweisbeschluß vom 10.08.2009 (Bl. 191 ff. der GA). Das Sachverständigengutachten hat der Sachverständige Prof. Dr. I. unter dem 11.01.2010 (Bl. 196 ff. der GA) vorgelegt und aufgrund Ergänzungsbeweisbeschlusses vom 28.04.2010 (Bl. 221 der GA) unter dem 15.06.2010 (Bl. 224 ff. der GA) erläutert. In der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2011 (Bl. 262 ff. der GA) hat er sein schriftliches Gutachten nochmals mündlich erläutert.
16Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.01.2011 (Bl. 262 ff. der GA) Bezug genommen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
17Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.02.2011 (Bl. 270 ff. der GA) zur durchgeführten Beweisaufnahme nochmals Stellung genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
20Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung der im Tenor ausgeworfenen Summe aus dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten zu 1.
21Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass dem Kläger der Beweis gelungen ist, dass die Leistungen medizinisch notwendig waren, durchgeführt worden sind und ordnungsgemäß abgerechnet worden sind.
22Der Sachverständige hat aufgrund des Studiums der Akten und eingereichten Unterlagen aufgrund seiner langjährigen Erfahrung festgestellt, dass die einzelnen Leistungen erbracht worden sind und ordnungsgemäß abgerechnet worden sind.
23Zu Ziffer 56 GOÄ Verweilen ohne Unterbrechung und ohne Einbringung anderer ärztlicher Leistungen – wegen Erkrankung erforderlich – je angefangene halbe Stunde, hat er ausgeführt, dass bei der interstitiellen Brachytherapie meist 8 – 20 Hohlnadeln in die Prostata vorgeschoben werden und nach der strahlentherapeutischen Behandlung wieder entfernt werden. Nach dem Entfernen der Nadeln sei die Blutung durch manuellen Druck auf den Darm zu unterbinden. Aufgrund des Nachblutungsrisikos, was akut sei, müsse der Patient nach einer solchen Behandlung überwacht werden. Diese Überwachungstätigkeit könne von Ärzten wie auch von geschultem, nicht ärztlichen Personal ausgeführt werden.
24Durch die Überwachung eines Arztes sei der Leistungsinhalt der Gebührenziffer 56 GOÄ erfüllt. Zwar hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er nicht alle Krankenunterlagen zur Verfügung gehabt hätte, dass aber die Ziffer dennoch abzurechnen sei, weil man nicht alles dokumentieren könne, aber diese Überwachungstätigkeit plausibel sei. Es sei nachvollziehbar, dass das durchgeführt worden sei und auch durchgeführt werden müsse.
25Zu Ziffer 78 GOÄ hat er ausgeführt, aufgrund der ihm vorliegenden Blätter 42 – 65, dass ein Strahlentherapeut zur Nachsorge des Patienten nach der Strahlenbehandlung verpflichtet sei. Dies entspreche der ausführlichen Empfehlung der Strahlenschutzkommission. Die Nachsorgeschritte obliegen dem behandelnden Arzt. Im vorliegenden Fall bestehe der Nachsorgeplan aus Nachfragen zum PSA-Verlauf sowie zur Sexualfunktion, zur allgemeinen Lebensqualität sowie zur prostataspezifischen Lebensqualität. Hierfür seien validierte Fragebögen IIEF5, EORTC-QLQ-C30 und EORTC-QLQ-C30 P525 erstellt und verwendet worden. Aus dieser Abfrage ließe sich sowohl Therapieerfolg anhand des PSA-Wertverlaufes wie auch potentielle Nebenwirkungen der Behandlung erkennen. Durch die validierten Fragebögen werden statistische Aussagen möglich. Die Nachsorgebögen würden sowohl für rein statistische Zwecke und individuell auf den Patienten zur Aufdeckung individueller Nebenwirkungen herangezogen. Demgemäß könnten sie je einmal abgerechnet werden mit der Ziffer 78.
26In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige nochmals klargestellt, dass es sich um festgelegte Schemata für Personen mit dem Krankheitsbild des Klägers handele. Dennoch ist nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der Äußerungen des Sachverständigen diese Ziffer abzurechnen, obwohl sie nicht soweit individualisiert ist, dass sie für jeden Patienten einzeln zugeschnitten angefertigt wird, dennoch ist sie zur standardisierten Behandlung erforderlich und kann auch nicht für jede Person einzeln individuell erstellt werden.
27Zu Ziffer 2006 GOÄ: Behandlung einer Wunde, die nicht primär heilt oder Entzündungserscheinungen oder Eiterungen aufweist – auch Abtragung von Nektrosen an einer Wunde und zu Ziffer 204 GOÄ: Zirkulärer Verband des Kopfes, der Schulter oder Hüftgelenks oder des Rumpfes hat der Sachverständige ausgeführt, dass aufgrund der starken Prostatadurchblutung ein Kompressionsverband nach der Therapie erforderlich sei. Die 8 – 20 Hohlnadelstiche hinterließen ein perineales Wundgebiet, das ärztlicherseits versorgt werden müsse. Eine Wundversorgung und ein Wundverband seien deshalb zwingend erforderlich. Zu der primären Wundheilung hat der Sachverständige nach Darstellung der Definition dargestellt, dass bei der Wunde des Klägers insbesondere der Wundverschluß mit Klammern, Wundkleber, Naht oder mit Wundnahtstreifen nicht gegeben sei. Deshalb sei die Auffassung des Streitverkündeten, dass perineale Wundgebiet als sekundär heilend anzusehen, nachvollziehbar. Dies könne mit der Ziffer 2000 ebenfalls abgerechnet werden, diese sei allerdings kostenmäßig noch höher bewertet als die angesetzten Ziffern.
28Weiterhin hat er ausgeführt, dass die Ziffer 5646 durch den Begriff "interstitiell" eine Verletzung des Gewebes indiziere, was ausnahmslos mit einer geeigneten Wundversorgung nach dem Eingriff verbunden sein muß. Diese bei dem Kläger durchgeführte Therapie beinhaltet zwingend und ohne Ausnahme eine Gewebeverletzung. Ohne eine anschließende Wundversorgung lege artis hätte der Eingriff nicht durchgeführt werden können. Das Gericht schließt sich der Meinung an, dass diese Wundversorgung gesondert abrechenbar ist. In seinem mündlichen Gutachten hat der Sachverständige nochmals erläutert, dass mehr als 10 Nadeln eingesetzt worden seien. Das sei mindestens ein Areal von 4 x 4 cm, das mit Nadeln gespickt sei. Dieses könnte man als sekundär heilende Wunde bezeichnen. Dabei handelt es sich auch um einen Grenzbereich und es gäbe auch andere Ziffern, die für den Streitverkündeten noch höhere Beträge ausgewiesen hätten. Demnach sei die Abrechnung ach den Ziffern 2006 und 204 vertretbar.
29Zu Ziffern 488 GOÄ: Lokalanästhesie der Harnröhre und/der Harnblase, Ziffer 1729 GOÄ:
30Spülung der Harnblase beim Mann und/oder Instillation von Arzneimitteln – einschließlich Katheterisierung und ggfs. auch Ausspülung von Blutkoaglula und Ziffer 1732: Einlegung eines Verweilkatheters – ggfs. einschl. der Leistungen nach Ziffer 1728 oder 1730 hat der Sachverständige des weiteren ausgeführt, dass es sich bei diesen Leistungsinhalten um Teilschritte zur Vorbereitung der Brachytherapie handele. Diese seien unabhängig von der Ziffer 5846 der interstitiellen Brachytherapie zu betrachten. Die Ziffer 5846 sei ohne Organbezug definiert und könne beispielsweise auch bei der interstitiellen Brachytherapie der Brustdrüse in Ansatz gebracht werden, bei der andere Vorbereitungsschritte als die Unbezeichneten erforderlich seien. Deswegen seien die Ziffern 488, 1729 und 1732 einmal pro Therapiesitzung bei der interstitiellen Brachytherapie wie der Prostata gerechtfertigt.
31In seiner mündlichen Anhörung hat er nochmals zur Klarstellung ausgeführt, dass zwar aus den Krankenunterlagen nicht hervorginge, welchen Zweck die Harnleiterinspektion gehabt habe, generell könne man aber sagen, dass vor einer onkologischen Behandlung lege artis eine Harnspiegelung durchgeführt werde. Diese solle zum Ausschluß von Harnmalignomen und anatomischen Auffälligkeiten gemacht werden. Wenn der Patient erst mal in Narkose liege könne man das nicht mehr überprüfen. Dann müßte man evtl. den Eingriff abbrechen und das entspräche nicht den Regelnd er ärztlichen Kunst.
32Zu Ziffer 5846 GOÄ hat er ausgeführt, das es sich bei dem Kläger durchgeführten Therapie um 1996 noch nicht bekanntes Verfahren handel. Deswegen sei die Ziffer anwendbar und entsprechend abrechenbar. Eine Fraktion sei eine Teildosis und werde zu einer Zeiteinheit verabreicht. Es entspräche der Ärztekammer, wenn die Ziffer entsprechend auf die angewendete Therapie angewendet würde. Demnach sei die Abrechnung auch nachvollziehbar.
33Zu Ziffer 62 GOÄ hat der Sachverständige ausgeführt, dass es sich um eine Operation handele. In der mündlichen Verhandlung hat er unter Vorlage von Lichtbildern das Szenario dargestellt. Er hat erläutert, dass ein Anästhesist, der die Vollnarkose überwache, ein Strahlentherapeut, ein Medizinphysiker und ein Urologe erforderlich seien. Es handele sich eindeutig um eine Operation, da besondere Hygieneanforderungen eingehalten werden müßten. Es handele sich nicht um eine Injektion, man brauche mindestens 4 – 6 Hände, um den Eingriff durchzuführen. Auch wenn sich dieses nicht unbedingt aus den Unterlagen ergebe, sei es anders nicht möglich, den Eingriff zu planen und durchzuführen.
34Der Anspruch auf Verzugszinsen ist gerechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Verzuges.
35Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
36Im Hinblick auf die Klageänderung hat der Kläger klargestellt, dass es sich nur um einen Übertragungsfehler handele.
37Streitwert: 2292,69 €.
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Referenzen
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