Beschluss vom Amtsgericht Köln - 72 IN 30/11
Tenor
Der Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen d. Schuld. wird mangels Masse abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt d. Schuld..
1
G r ü n d e
2I.
3Die Gläubigerin beantragte mit bei Gericht am 19.01.2011 eingegangenem Anwaltsschriftsatz die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Nach Anhörung der Schuldnerin forderte das Gericht Gläubigerin und Schuldnerin mit Verfügung vom 28.03.2011 zur Einzahlung eines Massekostenvorschusses auf, da die Ermittlungen des Gerichts ergeben hatten, dass bei dieser zwar ein Eröffnungsgrund vorliegt, doch das schuldnerische Vermögen voraussichtlich nicht ausreicht, um nach der Eröffnung die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Hierauf erklärte die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 31.03.2011 die Erledigung Ihres Eröffnungsantrags. Die Schuldnerin hat zur Erledigungserklärung keine Stellungnahme abgegeben. Ein Kostenvorschuss wurde nicht eingezahlt.
4II.
5Der Insolvenzeröffnungsantrag der Gläubigerin war mangels Masse abzuweisen.
61.
7Die Erledigungserklärung der Gläubigerin ist zulässig.
8Die Abgabe einer Erledigungserklärung ist grundsätzlich auch dann noch zulässig, wenn der Insolvenzantrag mangels Masse abweisungsreif ist. Bei einem Insolvenzeröffnungsverfahren handelt es sich um ein quasistreitiges Parteiverfahren. Insoweit entspricht es den Grundsätzen der Prozessökonomie, auch in diesem Verfahrensstadium eine Erledigungserklärung grundsätzlich zuzulassen (LG Göttingen, ZIP 1992, 572, zur Rechtslage unter Anwendung der Konkursordnung).
92.
10Trotz der zulässigen Erledigungserklärung der Gläubigerin war der Insolvenzeröffnungsantrag - unabhängig von einer etwaigen, hier nicht vorliegenden Zustimmung der Schuldnerin - mangels Masse abzuweisen, da keine tatsächliche Erledigung eingetreten ist.
11Eine Entscheidung in der Hauptsache nach § 26 Abs. 1 S. 1 InsO muss ergehen, wenn der Insolvenzantrag wegen fehlender Massekostendeckung abweisungsreif ist. Für eine bloße Kostenentscheidung im Rahmen einer Erledigung ist insoweit kein Raum, wenn die Hauptsache nicht tatsächlich erledigt ist, so dass § 91a ZPO über § 4 InsO in diesem Fall keine entsprechende Anwendung findet (vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, 13. Aufl. 2010, § 26 Rn. 38 a.E.). Liegt hingegen - etwa durch Begleichung der dem Antrag zugrundeliegenden Forderung des antragstellenden Gläubigers - eine tatsächliche Erledigung vor, kann auch nach Feststellung der Masselosigkeit eine Kostenentscheidung nach § 4 InsO, § 91a ZPO erfolgen.
12a.
13Der Insolvenzantrag der Gläubigerin war zulässig und begründet. Ein erledigendes Ereignis liegt jedoch nicht vor.
14Teilweise wird vertreten, dass die amtswegige Ermittlung der Masselosigkeit als erledigendes Ereignis anzusehen ist, da die Voraussetzung einer hinreichenden Masse nicht in den Verantwortungsbereich der Gläubigerin fällt und von dieser bei Antragstellung nicht zu überblicken sei (vgl. Braun/Herzig-Kind, § 26 Rn. 38, HK-Kirchhof, 4. Aufl. 2005, § 26 Rn. 25, LG Göttingen, ZIP 1992, 572 zur Rechtslage unter Anwendung der Konkursordnung). Der Vorteil des Gläubigers bei einer bloßen Kostenentscheidung im Rahmen einer Erledigung gegenüber der Abweisung ihres Antrags mangels Masse bestünde darin, dass die Gläubigerin bei einer Erledigung hinsichtlich der entstandenen Auslagen des Gerichts - insbesondere für die Vergütung eines Sachverständigen - nach § 23 Abs. 1 S. 2 GKG der Zweitschuldnerhaftung entgeht.
15Die Feststellung der Masselosigkeit ist jedoch nicht als erledigendes Ereignis anzusehen.
16Zunächst ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber für den Fall der Feststellung der Masselosigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren aufgrund eines Gläubigerantrags die Regelungen des § 26 InsO nicht zur Anwendung bringen wollte. Würde man die Feststellung der Masselosigkeit als erledigendes Ereignis betrachten, würden die Regelungen des § 26 InsO im Falle eines Gläubigerantrags praktisch nicht mehr zur Anwendung kommen, wenn der Gläubiger in derartigen Fällen stets die Erledigung des Verfahrens erklären könnte, um der Zweitschuldnerhaftung hinsichtlich der entstandenen Auslagen zu entgehen. Die Regelungen des § 26 InsO würden dann nur noch im Falle eines Eigenantrags eines Schuldners Anwendung finden. Dies widerspräche der eindeutigen gesetzlichen Konzeption.
17Zudem widerspricht eine Erledigung des Verfahrens ohne Beschluss über die Abweisung mangels Masse im Falle der Festellung der Masselosigkeit der Ordnungs- und Schutzfunktion des Insolvenzrechts. Ein Beschluss über die Abweisung mangels Masse ist gemäß § 26 Abs. 1 S. 3 InsO öffentlich bekannt zu machen; zudem hat das Gericht die Schuldner, bei denen der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist, gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 InsO in ein Verzeichnis einzutragen (Schuldnerverzeichnis). Die Veröffentlichung des Beschlusses über die Abweisung mangels Masse sowie die Eintragung im Schuldnerverzeichnis dienen zunächst den Informationsinteressen möglicher Geschäftspartner bzw. künftiger Gläubiger des betreffenden Schuldners. Außerdem soll die Eintragung bewirken, dass weitere und mangels hinreichender Masse gleichfalls abzuweisende Insolvenzanträge unterbleiben. Insoweit das Ergebnis eines förmlichen Verfahrens festgehalten und veröffentlicht wird, in dessen Verlauf die Zahlungsunfähigkeit und der Vermögensstand des Schuldners gerichtlich überprüft worden sind, kommt der Eintragung ferner eine über die bereits genannten Zwecke hinausgehende besondere Schutz- und Warnfunktion zu. Es sollen das Kreditgewerbe und der solide Geschäftsverkehr insgesamt vor unzuverlässigen Schuldnern gewarnt und für die Zukunft bewahrt werden. Die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis dient damit nicht allein den privaten Interessen einzelner Kreditinstitute oder anderer Gläubiger. Die Befriedigung des Bedarfs an unternehmens-, aber auch - in eingeschränktem Umfang - personenbezogenen Informationen, der innerhalb einer dezentral organisierten und vielfältig verflochtenen modernen Marktwirtschaft besteht, trägt zur Verringerung volkswirtschaftlicher Fehlentwicklungen und zur Abwehr der Wirtschaftskriminalität bei. Ein rechtlich geordneter, ziel- und zweckgebundener Informationsfluss innerhalb des ökonomischen Prozesses dient dem Schutz letztlich aller Marktteilnehmer und damit einem überwiegenden Allgemeininteresse (so BVerfG, NJW 1988, 3009, zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis noch nach der Konkursordnung). Diese Schutzfunktion der Eintragung einer Abweisung mangels Masse wie auch der Veröffentlichung des Beschlusses über die Abweisung mangels Masse wäre vollständig ausgehöhlt, wenn es bei der Feststellung der Masselosigkeit aufgrund eines Gläubigerantrags nicht zur Abweisung mangels Masse und entsprechender Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nebst Veröffentlichung des Beschlusses käme.
18Auch entspricht die Feststellung der Masselosigkeit nicht den gängigen Definitionen eines erledigenden Ereignisses nach § 91a ZPO. Hiernach ist das Erledigungsereignis eine Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage (Zöller-Vollkommer, 26. Aufl. 2007, § 91a Rn. 3) bzw. - auf das Insolvenzeröffnungsverfahren übertragen - des Insolvenzantrags. Die Feststellung der Masselosigkeit hat jedoch auf die Zulässigkeit oder Begründetheit des Insolvenzantrags eines Gläubigers keine Auswirkungen, sondern stellt lediglich ein objektives Verfahrenshindernis dar (vgl. Uhlenbruck-Uhlenbruck, a.a.O., § 26 Rn. 38). Der Wegfall des wirtschaftlichen Interesses eines Gläubigers wiederum stellt ausdrücklich kein Erledigungsereignis im Sinne von § 91a ZPO dar (Zöller, a.a.O., § 91a Rn. 5).
19Es ist auch nicht unbillig, der Gläubigerin die Zweitschuldnerhaftung für die entstandenen Auslagen des Gerichts aufzubürden. Einem antragstellenden Gläubiger ist regelmäßig bekannt, dass Feststellungen zum Vorliegen eines Insolvenzgrunds und zum Vorhandensein einer die Verfahrenskosten deckenden Masse oftmals die Beauftragung eines Sachverständigen erfordern und er nach § 23 Abs. 1 GKG hierfür kostenrechtlich haftet. Er nutzt das Insolvenzverfahren, um (ggf. auch durch Einholung eines Gutachtens) zu erfahren, ob bei dem Schuldner noch Vermögen vorhanden ist, und ggf. im Insolvenzverfahren einen Teil dieses Vermögens zu erhalten. Dann muss er im Falle der Abweisung auch damit rechnen, mit den Kosten (ggf. auch den Auslagen für den Gutachter) belastet zu werden. Würde der Gläubiger im Falle der Feststellung der Masselosigkeit aufgrund einer von ihm abgegebenen Erledigungserklärung nicht als Zweitschuldner haften, trüge die angefallenen Auslagen in der Mehrzahl der Fälle zumindest teilweise die Staatskasse, da der jeweilig Schuldner gerade nicht über ausreichendes Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten - oftmals eben nicht einmal zur Deckung der im Insolvenzeröffnungsverfahren entstandenen Auslagen - verfügt.
20b.
21Trotz Vorliegens einer - unbegründeten - Erledigungserklärung war der Insolvenzeröffnungsantrag mangels Masse nach § 26 Abs. 1 S. 1 InsO abzuweisen. Das Bedürfnis an einer Sachentscheidung überwiegt gegenüber den Interessen der Gläubigerin an einer bloßen Feststellung zu der Frage einer etwaigen Erledigung nebst entsprechendem Kosteninteresse der Gläubigerin.
22Dies folgt bereits aus der Ordnungs- und Schutzfunktion des Insolvenzrechts, die - wie oben ausgeführt - vollständig ausgehöhlt würde, wenn es bei der Feststellung der Masselosigkeit aufgrund eines Gläubigerantrags nicht zur Abweisung mangels Masse und entsprechender Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nebst Veröffentlichung des Beschlusses käme, sondern lediglich festgestellt würde, dass sich das Verfahren nicht erledigt hätte.
23Zudem entspricht diese Folge dem mutmaßlichen Willen der Gläubigerin, die den Insolvenzantrag für erledigt erklärt hat. Bei einer Abweisung mangels Masse trägt regelmäßig der Schuldner die Kosten des Verfahrens (auch wenn der Gläubiger als Zweitschuldner haftet). Bei einer bloßen Abweisung des in der Erledigungserklärung liegenden Feststellungsantrags dürfte dagegen die Gläubigerin die Kosten des Verfahrens unmittelbar tragen.
24Wäre der Erledigungsantrag der Antragstellerin hingegen - z.B. aufgrund Vorliegens eines erledigenden Ereignisses, insbesondere Zahlung der dem Antrag zugrundeliegenden Forderung - bei Feststellung der Masselosigkeit begründet gewesen, hätte eine Erledigungsentscheidung ergehen können. In diesem Fall hätte die Ordnungs- und Schutzfunktion des Insolvenzrechts hinter die berechtigten Interessen der Beteiligten zurückzutreten, zumal das Interesse der Gläubigerin an der weiteren Bearbeitung des Insolvenzverfahrens in diesem Fall aufgrund der eingetretenen Erledigung tatsächlich entfallen wäre - im Gegensatz zur bloß taktisch motivierten Erledigungserklärung ohne tatsächlich erledigendes Ereignis, die nur die Vermeidung einer erweiterten Zweitschuldnerhaftung für entstandene Auslagen bezweckt.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 91 ZPO sowie auf § 58 Abs. 2, §§ 50, 54 GKG.
26Gegenstandswert (§ 58 GKG): 300,00 €.
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