Beschluss vom Amtsgericht Köln - 74 IK 7/09
Tenor
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners,
zusätzlich beteiligt: Versagungsantragstellerin,
wird dem Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung versagt.
Die Kosten des Verfahrens über den Antrag auf Restschuldbefreiung trägt der Schuldner; für die Gerichtskosten haftet jedoch im Verhältnis zur Staatskasse vor-rangig die Versagungsantragstellerin.
1
I.
2Der Schuldner hatte mit am 07.01.2009 bei Gericht eingegangenem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugleich einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Das Verfahren wurde am 15.01.2009 eröffnet. In seinem Schlussbericht vom 24.01.2011 wies der Treuhänder darauf hin, dass der Schuldner seine Einkünfte nicht offen lege, obwohl er mit Schreiben vom 01.04.2010 und 06.10.2010 unter Fristsetzung sowie unter Hinweis auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung bei Verletzung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten dazu aufgefordert worden sei. Auch auf fernmündliche Nachrichten auf seiner Mailbox und die Rückrufbitten des Treuhänders habe der Schuldner nicht reagiert. Daher sei unklar, wie der Schuldner seit Januar 2010 seinen Unterhalt bestreite und ob sich pfändbare Beträge zugunsten der Insolvenzmasse ergäben, weshalb dem Schuldner wegen "Abtauchens" die Restschuldbefreiung von Amts wegen zu versagen sei. Nachdem das Gericht eine amtswegige Versagung der Restschuldbefreiung abgelehnt hatte, wurde mit Beschluss vom 22.03.2011 die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren angeordnet und den Gläubigern die Gelegenheit gegeben, bis zum 20.09.2011 u.a. zum Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung Stellung zu nehmen.
3Mit Schreiben vom 29.08.2011, eingegangen bei Gericht am 03.09.2011, hat die Versagungsantragstellerin beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Hierzu trägt sie vor, dass - auch wenn sie dem Bericht des Treuhänders entnommen habe, dass der Antrag auf Restschuldbefreiung aufgrund des "Abtauchens" des Schuldners ohnehin von Amts wegen zu versagen sei - es ihr wichtig sei, ihrerseits diesen Antrag einzubringen. Als Begründung macht sie unter Bezugnahme auf ihre Forderungsanmeldung geltend, dass der Schuldner ihr gegenüber über Monate hinweg einen nicht vorhandenen "Job" vorgetäuscht habe, sich von ihr Geld geliehen habe, das er aus angeblich vorhandenen später fälligen Geldanlagen zurückzahlen wollte, und dass er seine bestehende hohe Verschuldung verschwiegen habe.
4Die Versagungsantragstellerin hatte ihre Forderung am 20.03.2009 als Deliktsforderung gemäß § 174 Abs. 2 InsO zur Tabelle angemeldet; die Forderung wurde in voller Höhe festgestellt. Auf die gerichtliche Anhörung des Schuldners und des Treuhänders hat dieser hinsichtlich des "Abtauchens" des Schuldners bestätigt, dass dieser sich bis zum heutigen Tage nicht bei ihm gemeldet habe. Der Schuldner hat weder zu dem Versagungsantrag noch zu dem ihm übersandten Schreiben des Treuhänders Stellung genommen.
5II.
6Dem Schuldner war auf den Antrag der Versagungsantragstellerin vom 29.08.2011 die Restschuldbefreiung zu versagen, da der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Auskunftspflichten nach der Insolvenzordnung grob fahrlässig verletzt hat, § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO.
71. Der Antrag der Versagungsantragstellerin, die aufgrund der Anmeldung ihrer Forderung als Insolvenzgläubigerin antragsberechtigt ist, ist zulässig. Er ist innerhalb der im Beschluss des Amtsgerichts vom 22.03.2011 bis zum 20.09.2011 gesetzten Frist bei Gericht eingegangen. Der Antrag ist auf die gesetzlichen Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 InsO gestützt, wobei hinsichtlich der Auskunftspflichtverletzung des Schuldners durch "Abtauchen" die Bezugnahme auf den Schlussbericht des Treuhänders vom 24.01.2011, aus dem sich konkrete Hinweise auf den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ergeben, als Glaubhaftmachung des Versagungsgrundes im Sinne des § 290 Abs. 2 InsO ausreicht (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 08.01.2009, IX ZB 73/08, NZI 2009, 253, Rn. 6; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rn. 10), zumal vorliegend der maßgebliche Sachverhalt unstreitig ist. Zwar ist die Antragstellerin aufgrund der Ausführungen des Treuhänders davon ausgegangen, dass der Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung aufgrund "Abtauchens" auch ohne einen Gläubigerantrag von Amts wegen zu versagen sei, was das erkennende Gericht mit Beschluss vom 02.03.2011 abgelehnt hat. Allerdings war ihr Versagungsantrag dahingehend auszulegen, dass auch der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO mit umfasst sein sollte. Denn die Antragstellerin hat deutlich gemacht, dass sie mit ihrem eigenen Antrag in jedem Falle eine Versagung der Restschuldbefreiung erreichen möchte, sei es durch konkrete Bezugnahme auf den Treuhänderbericht wegen Abtauchens des Schuldners, sei es wegen der ihr gegenüber begangenen Täuschung.
8Schließlich scheitert die Zulässigkeit des Antrages auf Versagung der Restschuldbefreiung auch nicht an dem Umstand, dass die aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners stammende Forderung der Antragstellerin nach § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt wird. Auch wenn teilweise vertreten wird, dass einem Insolvenzgläubiger, dessen Forderung nach § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für einen Versagungsantrag fehlt (so noch FK-InsO/Ahrens, 4. Auflage, § 290 Rn. 57 d, MünchKomm-Stephan, InsO, 1. Auflage, § 290 Rn. 14 m.w.N.; nunmehr aufgegeben mit dem Argument, dass diese Auffassung nach der beabsichtigten Einführung des neuen Versagungsgrundes § 290 Abs. 1 Nr. 1a nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, FK-Ahrens, 6. Aufl., Rn. 82, MüKo-Stephan, 2. Aufl., Rn. 14), ist diese Auffassung unabhängig von der geplanten neuen Regelung in § 290 Abs. 1 Nr. 1a InsO abzulehnen:
9§ 290 Abs. 1 InsO gesteht unterschiedslos jedem Insolvenzgläubiger die Möglichkeit zu, einen Versagungsantrag zu stellen, wenn der Schuldner einen der in dieser Vorschrift genannten, die Gläubigerinteressen schützenden Tatbestände verwirklicht hat. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof zu der Regelung des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO entschieden, dass jeder Insolvenzgläubiger antragsberechtigt ist, der seine Forderung angemeldet hat, und nicht nur der im Einzelfall durch die unvollständigen Angaben betroffene Gläubiger (BGH, Beschl. v. 22.02.2007, IX ZB 120/05, ZInsO 2007, 446). Denn nur der redliche Schuldner, der sich seinen Gläubigern gegenüber nichts hat zuschulden kommen lassen, soll Restschuldbefreiung erlangen können (BGH, Beschl. v. 08.01.2009, a.a.O., Rn. 14). Eine einengende Betrachtungsweise des Kreises der antragsberechtigten Insolvenzgläubiger zugunsten des unredlichen Schuldners ist mit diesem Zweck nicht vereinbar (vgl. BGH, Beschl. v. 22.02.2007, a.a.O., zum Normzweck des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO), zumal ein fehlendes schutzwürdiges Interesse an der begehrten Entscheidung nur unter ganz besonderen Umständen bejaht werden kann (vgl. Zöller-Greger, ZPO, Vor § 253, Rn. 18). Kann aber ein Insolvenzgläubiger eine Verletzung der in § 290 Abs. 1 InsO normierten Pflichten durch den Schuldner glaubhaft machen, ist sein mit seinem Versagungsantrag verfolgtes Interesse, den unredlichen Schuldner nicht in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen zu lassen, an sich schützenswert, selbst wenn der Antragsteller seine Forderung unabhängig von einer Erteilung der Restschuldbefreiung nach rechtskräftiger Entscheidung über die Restschuldbefreiung weiterhin unbeschränkt gegenüber dem Schuldner geltend machen kann. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Antragstellerin selbst durch die Verletzung der dem Schuldner obliegenden Auskunftspflichten insoweit unmittelbar betroffen ist, als der Treuhänder möglicherweise verschwiegenes pfändbares Einkommen nicht zur Masse ziehen und anteilig an die Gläubiger – und damit auch an sie, die Antragstellerin - auskehren konnte.
10Zu guter Letzt spricht für ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin der Umstand, dass das Insolvenzverfahren bei einer antragsgemäßen Versagung der Restschuldbefreiung ohne die sich sonst anschließende Wohlverhaltensperiode vorzeitig beendet ist und damit das - auch für nach § 302 InsO privilegierte Forderungen - bis zum Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 294 Abs. 1 InsO geltende Vollstreckungsverbot außer Kraft tritt. Auch das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, vorzeitig in eventuell vorhandenes Vermögen des Schuldners vollstrecken zu können, ohne das Ende der Wohlverhaltensperiode abwarten zu müssen, ist im Rahmen der Beurteilung eines schützenswerten Interesses zu berücksichtigen.
112. Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist auch begründet.
12Der Schuldner hat, indem er weder auf die schriftlichen Aufforderungen des Treuhänders zur Offenlegung seiner Einkünfte noch auf die fernmündlichen Nachrichten auf der Mailbox und die Rückrufbitten des Treuhänders reagierte, obwohl er ausdrücklich auf seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten hingewiesen worden war, den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO verwirklicht. Danach ist dem Schuldner auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens (bis zum Schlusstermin) Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach der Insolvenzordnung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Diese sich aus den §§ 97, 20 Abs. 1 InsO ergebenden Auskunftspflichten beinhalten, dass ein Schuldner, der von seinen Verbindlichkeiten befreit werden will, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen und alle seitens des Treuhänders von ihm verlangten Auskünfte zu erteilen hat (BGH, Beschl. v. 08.01.2009, a.a.O., Rn. 12; Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 290 Rn. 67). Da der Schuldner diesen Anforderungen nicht nachgekommen ist, konnte der Treuhänder gegenüber dem Gericht nicht angeben, wovon der Schuldner seit Januar 2010 seinen Unterhalt bestritten hat und ob sich pfändbare Beträge zugunsten der Insolvenzmasse ergeben könnten. Die Verletzung der Auskunftspflichten durch den Schuldner erfolgte zumindest grob fahrlässig, da er seine Pflichten trotz ausdrücklicher Aufforderung durch den Treuhänder nicht erfüllt hat.
13Eine Versagung der Restschuldbefreiung auf der Grundlage des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen seitens des Schuldners gegenüber der Antragstellerin erteilter unrichtiger Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, um einen Kredit von ihr zu erhalten, scheidet hingegen aus, da dieser Versagungstatbestand nur eingreift, wenn die falschen Angaben schriftlich erfolgten. Dies aber hat die Versagungsantragstellerin nicht dargelegt.
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