Urteil vom Amtsgericht Köln - 132 C 205/11
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.889,88 € nebst Zinsen in Höhe von 9,6 % p.a. seit dem 09.12.2010 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 6,00 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin, ein Abrechnungsunternehmen, geht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte vor.
3Die Beklagte war beim Zedenten in zahnärztlicher Behandlung. Da die Beklagte gesetzlich versichert ist, erstellte der Zahnarzt am 03.04.2010 einen Heil- und Kostenplan (Bl. 40 d.A.), den die Krankenkasse der Beklagten von einem Sachverständigen begutachten ließ. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Behandlungsplan mit Einschränkungen zu befürworten sei (Bl. 41 d.A.). Er stellte fest, dass eine Prothesenversorgung in Ober- und Unterkiefer erforderlich sei und der Regelversorgung entspreche. Aufgrund einiger Bedenken bezüglich des Zahnes 45 sollte die Planung für den Unterkiefer aber zunächst zurückgestellt werden. Eine getrennte Versorgung von Ober- und Unterkiefer bezeichnete der Sachverständige als fachlich vertretbar.
4Mit Rechnung vom 25.10.2010 wurden der Beklagten insgesamt 4.889,88 € für Leistungen des Zahnarztes inklusive Fremd- und Eigenlaborkosten in Rechnung gestellt. Bereits berücksichtigt war dabei der von der Kasse gezahlte Anteil in Höhe von 1.283,83 €. In der streitgegenständlichen Rechnung wurden sowohl Leistungen nach BEMA als auch nach GOZ und entsprechend einer „Privaten Vereinbarung“ abgerechnet. Als behandelte „Region“ zeichnete die Rechnung lediglich Zähne des Oberkiefers auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie der Rechnung, Bl. 15 ff. d.A., Bezug genommen. Die Abtretung der Honorarforderung vom Arzt an die Klägerin erfolgte im Rahmen eines Factoringvertrages; die Beklagte hatte in die Abtretung am 07.10.2009 schriftlich eingewilligt (vgl. Bl. 13 d.A.). Trotz wiederholter Mahnung durch die Klägerin unterblieb eine Zahlung seitens der Beklagten.
5Die Klägerin behauptet, nach der Begutachtung des ersten Heil- und Kostenplanes sei ein neuer Plan für den Oberkiefer erstellt und der Beklagten zugesandt worden. Nach erneuten Korrekturen durch die Krankenkasse habe sich der Rechnungsbetrag nach diesem Plan auf 6.171,72 € belaufen. Der Festzuschuss der Kasse betrug 620,99 € und wurde bezahlt; aus einer Zusatzversicherung habe die Kasse zudem 570,99 € überwiesen – was unstreitig ist. Daraus ergebe sich ein Eigenanteil von 4.979,74 €. Der Differenzbetrag zur streitgegenständlichen Rechnung sei der Beklagten erlassen worden (89,86 €). Die Klägerin nehme ständig einen Bankkredit zu einem Zinssatz von 9,6 % in Anspruch.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.889,88 € nebst Zinsen in Höhe von 9,6 Prozent p.a. seit dem 09.12.2010 sowie 12,00 € vorgerichtliche Mahnkosten und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 411,30 € zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte behauptet, der Zedent habe zu früh mit der Behandlung begonnen und sie nicht auf Behandlungsalternativen hingewiesen. Anderenfalls hätte die Beklagte einen deutlich höheren Zuschuss von der Kasse erhalten; hiermit erkläre sie die Aufrechnung. Die Rechnung sei mangelhaft, da sie auch Positionen nach BEMA enthalte, welche aber direkt mit der Kasse abzurechnen seien. Die Positionen nach GOZ seien zudem weit über dem zulässigen 2,3-fachen Satz; die insoweit angegebenen Begründungen seien nicht ausreichend. Der Behandlungsvertrag sei zudem mangels Schriftform nichtig.
11Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
13Die zulässige Klage ist unbegründet.
14Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 4.889,88 € aus einem zahnärztlichen Behandlungsvertrag, §§ 611 Abs. 1, 398 BGB.
15Der Anspruch ist durch wirksame Abtretung auf die Klägerin übergegangen, § 398 BGB. Das Behandlungsverhältnis, aus dem der Honoraranspruch resultiert, ist wirksam zwischen dem Zedenten und der Beklagten entstanden. Die Durchführung der abgerechneten Behandlung ist unstreitig. Denn dass die in der Rechnung vom 25.10.2010 aufgeführten Leistungen durch den Zedenten tatsächlich erbracht wurden, bestreitet die Beklagten nicht. Ebenso wenig behauptet die Beklagte, dass eine andere Behandlungsart oder eine andere Vorgehensweise vereinbart gewesen sei. Sie bestreitet nicht, dass eine Leistung vereinbart wurde, die eine Zuzahlung der Beklagten beinhaltet und zu einer entsprechenden direkten Abrechnung mit der Patientin berechtigt.
16Der Behandlungsvertrag ist nicht gemäß § 125 BGB nichtig, soweit er auf einer „Privaten Vereinbarung“ beruht. Denn es besteht kein gesetzliches Formerfordernis, gegen das verstoßen wurde. Das Schriftformerfordernis des § 28 Abs. 2 SGB V gilt nur für Zahnfüllungen – nicht aber für prothetische Behandlung, wie sie dem Rechtsstreit zugrunde liegen. § 4 Abs. 5 d) BMV-Z stellt zwar die Regelung auf, dass der Vertragszahnarzt bei Privatbehandlungen von einem Versicherer nur eine Vergütung fordern darf, wenn zuvor eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arzt und Patient getroffen wurde. Diese Vorschrift enthält aber kein konstitutives Formerfordernis im Sinne des § 125 BGB, sondern ein rein deklaratorisches Schriftformerfordernis. § 125 BGB bestimmt die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes, welches der gesetzlich vorgeschriebenen Form ermangelt. Unter „Gesetz“ im Sinne von § 125 BGB ist jede Rechtsnorm zu verstehen, die nach Sinn und Zweck die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes von der Einhaltung der Form abhängig machen will. Zu den gesetzlichen Formvorschriften zählen beispielsweise auch tarifvertragliche Bestimmungen, die für den Vertragsschluss zwingend Schriftform vorschreiben (vgl. Palandt, BGB, 71. Auflage, § 125, Rn. 8 m. N.). Bei dem Bundesmantelvertrag handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit Rechtsnormcharakter, da er generelle Normen für die Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung und die dabei zu beachtenden Rechte und Pflichten festlegt (vgl. Kasseler Kommentar, SGB V, § 82, Rn. 7). Nach seinem Sinn und Zweck soll der BMV-Z aber nur zur Regelung der kassenärztlichen Versorgung verbindliche Regeln aufstellen und insoweit verpflichtenden Charakter haben. Dementsprechend besteht der Verpflichtungscharakter des BMV-Z im Verhältnis kassenärztliche Vereinigung, Vertragsarzt, Verband der Krankenkassen und der Krankenkasse (Kasseler Kommentar, a.a.O.). Ansprüche des Arztes aus der Erbringung von Leistungen außerhalb des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung beurteilen sich aber nach bürgerlichem Recht. Die Regelung des § 4 Abs. 5 BMV-Z ist nicht als Vertrag zugunsten Dritter, d.h. der Patienten, zu qualifizieren (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2009, Az. 21 S 135/08). Angesichts der Regelungskompetenz und des hieraus folgenden Regelungswillens der Vertragsparteien des BMV-Z kann nicht angenommen werden, dass diese die Gültigkeit eines freien Dienstvertrages gemäß § 611 BGB über die Durchführung von Mehrleistungen von der Einhaltung der in § 4 Abs. 5 BMZ-V bestimmten Form abhängig machen wollten. Es liegt vielmehr eine reine vertragsärztliche Pflicht vor, bei deren Verletzung allenfalls disziplinarische Folgen für den Vertragsarzt drohen (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 15.09.2005, Az. 16 S 11/04).
17Die Einwände, die die Beklagte gegen die Art der Abrechnung und die Höhe der Gebühren erhebt, sind unbeachtlich. Die Tatsache, dass die Rechnung sowohl Abrechnungsposten nach BEMA als auch nach GOZ und einer privaten Vereinbarung beinhaltet, resultiert aus der zulässigen Möglichkeit, Regelversorgungen mit gleich- und andersartigen Leistungen zu kombinieren, und ist nicht zu beanstanden. Der Kassenanteil wird der Beklagten auch nicht in Rechnung gestellt, sondern von dem Gesamtbetrag zuvor abgezogen.
18Die Einwände der Beklagten bezüglich der Gebührenhöhe sind zu pauschal und deshalb unbeachtlich. Insoweit schließt sich das Gericht den überzeugenden Ausführungen des OLG Köln an: „Es reicht nicht aus, dass eine Partei unter Hinweis auf ihre Laienstellung eine Zahnarztrechnung pauschal bestreitet oder die angesetzten Positionen pauschal bezweifelt und die Gebührenhöhe als überzogen rügt. Damit genügt sie ihrer Substantiierungspflicht nicht. Dies würde selbst dann gelten, wenn die im Arzthaftungsrecht allgemein anerkannten Substantiierungserleichterungen hier Anwendung fänden, was nicht der Fall ist.“ (OLG Köln, Urteil vom 23.03.2005, Az. 5 U 144/04). Die Positionen sind in Rechnung ausnahmslos mit einer kurzen, individuellen Begründung versehen. Die Beklagte rügt pauschal die Geltendmachung eines höheren Faktors als 2,3. Auf die einzelnen Positionen geht sie aber nicht ein und legt nicht dar, aus welchem Grund eine bestimmte Position nicht gerechtfertigt sein soll. Vor diesem Hintergrund liefe die Überprüfung der Rechnung anhand eines Sachverständigengutachtens auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus (vgl. OLG Köln, a.a.O.).
19Es bestehen keine Gegenansprüche der Beklagten, mit denen sie gegen den Klageanspruch gegenüber der Klägerin aufrechnen oder aufgrund derer sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen könnte. Es kann dahinstehen, ob dem bereits § 406 BGB bzw. – im Hinblick auf § 273 BGB – § 404 BGB entgegensteht. Denn die Beklagte kommt im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche bereits ihrer Darlegungslast nicht nach. Sie wendet zwar die „Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht“ ein, die prinzipiell zu einem Anspruch aus § 280 BGB wegen Verletzung einer vertragliche Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB führen kann (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Die Beklagte begründet dies aber nicht mit einer unzureichenden Aufklärung über die finanziellen Folgen der durchgeführten Behandlung für die Beklagte, sondern mit der angeblichen Nichtaufklärung über Behandlungsalternativen. Welche Behandlungsalternativen, die angeblich zu einem höheren Zuschuss der Krankenkasse geführt hätten, dies sein sollen, wird nicht dargelegt. Eine Beweisaufnahme in dieser Hinsicht würde deshalb ebenfalls auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen. Auch ist unerheblich, ob die Beklagte einen neuen Heil- und Kostenplan erhalten hat oder nicht. Die Erstellung eines Heil- und Kostenplans ist primär eine Verpflichtung des Vertragsarztes gegenüber der Krankenkasse. Das nach dem ersten Plan Korrekturen durchgeführt wurden, ist offensichtlich, da der Zahnarzt zunächst nur den Oberkiefer behandelt hat. Genau das hat die Krankenkasse nach Begutachtung des ersten Plans angeordnet. Zudem muss ein neuer Plan erstellt worden und von der Krankenkasse gebilligt worden sein, da ansonsten die Krankenkasse ihren Anteil nicht bezahlt hätte – was aber unstreitig erfolgt ist. Ebenso unsubstantiiert ist die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches wegen Behandlungsfehlern, §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB. Es wird nicht dargelegt, welche konkreten Fehler zu welchen konkreten Schäden geführt haben sollen.
20Die geltend gemachten Nebenforderungen sind nur teilweise begründet. Die Zinsforderung besteht gem. §§ 286, 288 Abs. 1, Abs. 4 BGB. Durch die erste Mahnung der Klägerin vom 07.12.2010 geriet die Beklagte gem. § 286 Abs. 1 BGB in Verzug. Die Beklagte hat durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der E-bank vom 02.03.2009 substantiiert dargelegt, dass sie ständig einen Bankkredit, der die Klageforderung in der Höhe weit übersteigt, zu einem Zinssatz in Höhe von 9,6 % in Anspruch nimmt (Bl. 22 d.A.). Es besteht eine Vermutung dafür, dass die Klägerin als Unternehmerin eingehende Zahlungen zur Rückführung des Kredits verwendet (vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl., § 288, Rn. 14 m.w.N.).
21Die Mahnkosten sind aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB nur in Höhe von 6,00 € zu ersetzen (§ 287 ZPO).
22Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nicht gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB erstattungsfähig. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes ist hier nicht als zweckmäßig und erforderlich anzusehen. Als Abrechnungsunternehmen ist es der Klägerin zuzumuten, die vorgerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen selbst vorzunehmen. Das hat sie in Form der Mahnungen auch getan. Die Nichtzahlung trotz drei Mahnungen lässt auf eine erkennbare Zahlungsunwilligkeit oder -unfähigkeit schließen. Insofern wäre eine direkte klageweise Geltendmachung angemessen gewesen (§ 254 BGB).
23Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zu vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
24Streitwert: 4.889,88 Euro.
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Referenzen
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