Urteil vom Amtsgericht Köln - 210 C 103/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Zwischen den Parteien besteht ein genossenschaftliches Nutzungsverhältnis über die im Antrag bezeichnete Wohnung. Der Beklagte bewohnt die Wohnung zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern (2 und 7 Jahre alt). Er hält seit dem Einzug im Jahr 2007 in der Wohnung eine Katze und brachte am Balkon ein Katzennetz an. Zur Tierhaltung heißt es in dem Nutzungsvertrag vom 04.06.2007:
3§ 10 Zustimmungspflichtige Handlungen des Mitglieds
4(1) Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Nutzer und im Interesse einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Gebäudes, des Grundstücks und der Wohnung bedarf das Mitglied der vorherigen Zustimmung der Genossenschaft, wenn es
5[...]
6d) Tiere hält, soweit es sich nicht um übliche Kleintierhaltung handelt (z.B. Fische, Hamster, Vögel), es sei denn, in § 16 ist etwas anderes vereinbart. Das Mietglied verpflichtet sich, keine Hunde und Katzen zu halten.
7§ 16 Zusätzliche Vereinbarungen
8(1) Das Mitglied verpflichtet sich, keine Hunde und Katzen zu halten.
9Vor der Anmietung hatte der Beklagte einen Mietfragebogen unterschrieben, in dem vermerkt ist: „Die Haltung von Hunden und Katzen ist generell ausgeschlossen“.
10Die Klägerin verbietet die Hunde- und Katzenhaltung im Interesse des Hausfriedens, ferner zum Schutz von Mietern, die eine Allergie haben.
11Mit Schreiben vom 11.01.2012 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die Katzenhaltung zu beenden und das Netz zu entfernen. Der Beklagte kam dem Begehren nicht nach.
12Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte hätte sie wegen der Katzenhaltung um Zustimmung bitten müssen. Ihr stehe ein freies Ermessen zu, ob sie die Katzenhaltung genehmigt. Da der Beklagte die Katze ohne Zustimmung halte, sei sie – die Klägerin – daran gehindert, Wohnungen an Genossenschaftsmitglieder zu vermieten, die gesundheitlich beeinträchtigt sind.
13Die Klägerin beantragt,
14den Beklagten zu verurteilen, die in der im 1. OG, rechts, des Hauses G Str., 50969 Köln, gelegene Wohnung gehaltene Katze zu beseitigen und keine Katzenhaltung in der Wohnung mehr ohne Zustimmung der Klägerin zu betreiben.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Der Beklagte hält die Vertragsklausel für unwirksam. Er hält die Katzenhaltung für vertragsgemäßen Gebrauch. Im Übrigen sei dem Hausmeister der Klägerin die Katzenhaltung seit dem Jahr 2007 bekannt.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist unbegründet.
201.
21Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Beseitigung der Katze aus der Wohnung.
22Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 541 BGB, nach dem ein Mieter auf Unterlassung verklagt werden kann, wenn er ein vertragswidriges Verhalten trotz Abmahnung fortsetzt. Ein vertragswidriges Verhalten liegt nämlich nicht vor:
23a.
24Die Klägerin kann ein vertragswidriges Verhalten nicht auf § 10 oder § 16 des Nutzungsvertrages stützen, in dem die Haltung von Katzen und Hunden untersagt ist. Denn diese Formularklausel benachteiligt den Mieter unangemessen und ist daher gemäß § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam. Die Haltung von Katzen und Hunden hat in Deutschland eine große Bedeutung, was sich bereits an der Anzahl der gehaltenen Tieren erkennen lässt: So wurden im Jahr 2003 in Deutschland über 90 Mio. Heimtiere gehalten, insbesondere Zierfische, Vögel, Hunde, Katzen und Kleinnager (vgl. Tierschutzbericht der Bundesregierung 2003, Seite 60). Bereits im Jahr 1995 belief sich die Zahl der gehaltenen Hunde in Deutschland auf schätzungsweise 4,8 Mio., die Zahl der gehaltenen Katzen auf 5,5 Mio. (vgl. AG Köln NJW-RR 1995, 1416 f.). Diese grundsätzliche Bedeutung der Tierhaltung verlangt, dass die Interessen des Vermieters und des Mieters gegeneinander abgewogen werden, bevor die Tierhaltung untersagt wird. Die hier verwendete Klausel verbietet die Haltung von Hunden und Katzen aber generell, ohne die Möglichkeit einer Interessenabwägung. Selbst die Haltung eines Blindenhundes wäre nach der Vertragsklausel verboten. Dieser Ausschluss jeglicher Interessenabwägung führt dazu, dass die Vertragsklausel unwirksam ist (vgl. Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl., § 535 BGB Rn. 508, ferner Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. VI 230; für eine Unwirksamkeit auch: Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 307 Rn. 116; AG Köln NJW-RR 1995, 1416 f.). Gleiches gilt für die vorformulierte Klausel im Mietfragebogen.
25b.
26Eine Vertragswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz. Vielmehr ist die Haltung der Katze ein vertragsgemäßer Gebrauch i.S. des § 535 Abs. 1 BGB.
27Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dem Vermieter kein freies Ermessen zu, ob er Hunde- und Katzenhaltung genehmigt. Diese Auffassung wurde und wird zwar in der Rechtsprechung vertreten (vgl. insbesondere OLG Hamm WuM 1981, 53 f.). Der Bundesgerichtshof, dem sich das hier erkennende Gericht anschließt, ist dem jedoch nicht gefolgt; vgl. BGH WuM 2008, 23 ff. Die Beantwortung der Frage, ob eine Tierhaltung vertragsgemäß ist, erfordert nach dem BGH vielmehr
28„eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten. Diese Abwägung lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall vornehmen, weil die dabei zu berücksichtigenden Umstände so individuell und vielgestaltig sind, dass sich jede schematische Lösung verbietet. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung sowie des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet, Anzahl, persönliche Verhältnisse, namentlich Alter, und berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, bisherige Handhabung durch den Vermieter sowie besondere Bedürfnisse des Mieters (Blank, a.a.O.; Knops, a.a.O.).“
29Nach diesem Maßstab gehört die Haltung der Katze in der streitgegenständlichen Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch.
30Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagte nur eine Katze in der Wohnung hält und es sich bei einer Katze um ein verhältnismäßig kleines Tier und ein traditionell als Haustier gehaltenes Tier handelt. Auch ist in der Wohnung ausreichend Platz für die Tierhaltung, da es sich um eine 77qm große 3-Zimmer-Wohnung mit Balkon handelt.
31Demgegenüber begründet die Klägerin ihre Klage damit, dass sie jede Hunde- und Katzenhaltung verbiete, und zwar „im Interesse des Hausfriedens und zum Schutz von Mietern, die eine Allergie haben“. Dies sind aber gerade keine Umstände des Einzelfalls, sondern lediglich generalpräventive Erwägungen. Die Klägerin behauptet nämlich überhaupt nicht, dass die Katze des Beklagten den Hausfrieden stört oder Mieter mit Allergien beeinträchtigt. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Der Beklagte hat eine Unterschriftenliste der anderen Mieter des Hauses G Str. vorgelegt, in dem diese bestätigen, sich von der Katze nicht gestört zu fühlen. Hinzu kommt, dass die Katze unstreitig bereits seit dem Jahr 2007 in der Wohnung des Beklagten lebt und der Klägerin bislang offensichtlich überhaupt nicht - und damit auch nicht negativ - aufgefallen ist; denn die Klägerin hat die Katzenhaltung erst im Januar 2012 beanstandet.
32Wenn die Klägerin meint, sie sei zukünftig gezwungen, Mietinteressenten nach ihrem Gesundheitszustand zu befragen, greift dies nicht durch. Letztlich wägt die Klägerin hier mit Interessen von Mietern ab, die es noch gar nicht gibt und von denen man nicht weiß, ob es sie geben wird. Solche Interessen dürfte der Bundesgerichthof nicht im Auge gehabt haben. Der Einwand ist auch inhaltlich fragwürdig: Denn der Beklagte hält die Katze in der Wohnung, also als Stubenkatze. Andere Mieter kommen mit ihr daher ungewollt überhaupt nicht in Kontakt. Soweit die Klägerin sich in der Pflicht sieht, allergische Mieter zu schützen, besteht im Übrigen die Möglichkeit, Mietinteressenten darauf hinzuweisen, dass im Haus eine Katze lebt.
33Soweit die Klägerin moniert, der Beklagtenvortrag beschränke sich darauf, dass die Katze nicht störe, ist dies unerheblich. Die Klägerin ist als Vermieterin darlegungs- und beweispflichtig, dass ein vertragswidriger Gebrauch vorliegt. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum der Beklagte sein Interesse an der Haltung einer normalen Hauskatze, die keinen stört, besonders darlegen muss, wenn schon die Klägerin keine konkrete Tatsache nennt, die für die Entfernung der Katze spricht. Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass ein Interesse bei der Anschaffung eines Haustieres immer besteht: die Lebensqualität zu Hause zu verbessern.
34Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Zustimmung der Klägerin einzuholen. Denn eine Zustimmungs- oder Erlaubnispflicht ergibt sich hier weder aus dem Vertrag noch aus dem Gesetz. Dass das Gesetz an anderer Stelle (§§ 540, 553, 554a BGB) eine Zustimmungs- oder Erlaubnispflicht normiert, lässt nicht den Schluss auf einen allgemeinen Grundsatz zu. Vielmehr lässt sich aus der Existenz der genannten Bestimmungen gerade umgekehrt der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber die Fälle, in denen die Erweiterung des vertragsgemäßen Gebrauchs von einer Zustimmung des Vermieters abhängig sein soll, ausdrücklich geregelt hat. Ob eine Erlaubnis des Vermieters eingeholt worden ist, spielt dabei auch nach der überzeugenden Rechtsprechung des BGH keine Rolle; vielmehr erteilt der BGH der Auffassung, die eine Haltung von Haustieren von der Erlaubnis des Vermieters macht, in der o.g. Entscheidung eine Absage und beurteilt die Frage des vertragsgemäßen Gebrauchs alleine nach einer Abwägung der beteiligten Interessen.
35Es ist der Klägerin nicht darin zu folgen, dass eine Interessenabwägung nur stattfinden kann, wenn der Mieter um Zustimmung nachsucht. Die Klägerin hätte jederzeit, auch im Laufe des Rechtsstreits, konkrete Umstände darlegen können, die gegen die Katzenhaltung sprechen. Da sie dies nicht kann, ist es letztlich rein formalistisch, wenn sie sich darüber beschwert, dass man sie nicht gefragt hat. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum ein Mieter „Faustrecht“ schafft, wenn er ohne Erlaubnis ein Tier in die Wohnung holt. Denn die Tatsache, dass das Tier schon da ist, ist als solche in einer Interessenabwägung unerheblich. Und wenn die Interessen des Vermieters oder anderer Beteiligter überwiegen, kann der Mieter sich nicht auf „Faustrecht“ berufen, sondern muss das Tier wieder abschaffen.
362.
37Da der Beklagte sich nicht vertragswidrig verhält, steht der Klägerin auch kein Unterlassungsanspruch zu.
38Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
39Streitwert: € 1.000,00
40Wenn es um ein Verbot der Tierhaltung geht, richtet sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Das Gericht sieht keinen Anlass, von dem von der Klägerin veranschlagten Streitwert nach unten abzuweichen. Der Streitwert bewegt sich im Rahmen der Streitwerte, die bereits zu DM-Zeiten für angemessen gehalten wurden (vgl. die Nachweise bei Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 3 Stichwort „Mietstreitigkeiten“). Auch hat die Klägerin hier sowohl einen Beseitigungs- als auch einen Unterlassungsanspruch geltend gemacht. Im Übrigen hat der Rechtsstreit für die Klägerin grundsätzliche Bedeutung, da sie sich durch die Tierhaltung in ihrer zukünftigen Vermietungspraxis eingeschränkt fühlt.
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Referenzen
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