Beschluss vom Amtsgericht Köln - 72 IN 224/13
Tenor
Über das Vermögen
der […]
wird wegen Zahlungsunfähigkeit heute, am 01.07.2013, um 15:03 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Eröffnung erfolgt aufgrund des am 14.05.2013 bei Gericht eingegangenen Antrags der Schuldnerin.
Der Antrag auf Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens wird gem. § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO zurückgewiesen. Aus den von d. Schuldn. vorgelegten Angaben ergibt sich, dass die Insolvenzmasse diese Kosten voraussichtlich decken wird.
[…]
Die Schuldnerin hat Restschuldbefreiung beantragt.
[…]
1
Gründe:
2I.
3Eine Gläubigerin beantragte im Jahr 2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Mit der Zustellung dieses Antrags und des Anhörungsbogens wies das Insolvenzgericht die Schuldnerin u.a. auf die Möglichkeit eines Eigenantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nebst Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung hin; diese Anträge sollten ggf. binnen drei Wochen ab Zustellung des Gläubigerantrags gestellt werden. Werde das Insolvenzverfahren auf einen Gläubigerantrag eröffnet, ohne dass die Schuldnerin einen eigenen Insolvenzantrag gestellt habe, könne dieser nicht mehr nachgeholt werden, und es könne auch keine Restschuldbefreiung mehr beantragt werden. Hierauf reagierte die Schuldnerin nicht. Der Gläubigerantrag wurde schließlich mit Beschluss vom 25.04.2013 mangels Masse abgewiesen.
4Am 14.05.2013 stellte die Schuldnerin einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nebst Anträgen auf Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten.
5II.
6Die Anträge der Schuldnerin sind zulässig und begründet.
7Insbesondere konnte die Schuldnerin nicht erst nach Ablauf einer Sperrfrist von drei Jahren seit dem Beschluss über die Abweisung mangels Masse des vorangegangenen Gläubigerantrags zulässige eigene Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Restschuldbefreiung und Verfahrenskostenstundung stellen, nachdem sie trotz ordnungsgemäßer Belehrung bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag eines Gläubigers nicht mit eigenen Anträgen reagiert hatte (so aber LG Düsseldorf, Beschl. v. 27.03.2013 - 25 T 122/13, NZI 2013, 446). Nach Abweisung eines Gläubigerantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse kann der betroffene Schuldner vielmehr ohne Einhaltung einer Sperrfrist jederzeit eigene Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Restschuldbefreiung und Verfahrenskostenstundung stellen.
8Eine Sperrfrist nach Abweisung eines Gläubigerantrags mangels Masse ist im Gesetz nicht vorgesehen.
9Auch über die (ohnehin umstrittene, vgl. AG Göttingen, Beschl. v. 19.04.2011 – 74 IK 88/11, NZI 2011, 545 m.w.N.) Sperrfristrechtsprechung des BGH lässt sich eine solche Sperrfrist im vorliegenden Fall nicht begründen (so bereits Siebert, VIA 2013, 46).
10Der BGH hat ausgeführt (BGH, NZI 2010, 196, 196): „Die Pflicht des Insolvenzgerichts, den Schuldner auf die Möglichkeit der Eigenantragstellung verbunden mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung hinzuweisen und ihm eine richterliche Frist zur Antragstellung zu setzen […], würde ihrer verfahrensfördernden und -beschleunigenden Funktion beraubt, wenn die Nichtbefolgung dieser Hinweise wegen der Befugnis zur Einleitung eines weiteren Insolvenzverfahrens ohne verfahrensrechtliche Konsequenzen bliebe. Der Schuldner könnte die Gerichte sofort wieder mit einem erneuten Verfahren belasten, obwohl er Gelegenheit gehabt hat, in dem auf Antrag eines Gläubigers betriebenen Verfahren einen Eigenantrag zu stellen und damit mehrere, innerhalb kurzer Fristen nacheinander durchzuführende Verfahren zu vermeiden. Dies wäre mit Sinn und Zweck der Belehrungsregeln, die auch verhindern sollen, dass das aufwändige und kostenintensive Verfahren innerhalb kurzer Zeiträume wiederholt durchgeführt werden muss, nicht zu vereinbaren“.
11Nach dieser Entscheidung des BGH sollen die Belehrungsregeln und damit auch die Sperrfrist verhindern, dass ein aufwändiges und kostenintensives Verfahren innerhalb kurzer Zeiträume wiederholt durchgeführt werden muss. Im vom BGH entschiedenen Fall war das Insolvenzverfahren eröffnet und erst nach knapp zweieinhalb Jahren aufgehoben worden. Das aufwändige und kostenintensive Insolvenzverfahren wird bei einer Abweisung mangels Masse jedoch gerade nicht durchgeführt, da es nicht zu einer Verfahrenseröffnung kommt. Zuzugeben ist zwar, dass bereits das Insolvenzeröffnungsverfahren einen gewissen Aufwand erfordert, indem Ermittlungen von Amts wegen angestellt und insbesondere teilweise kostenintensive Gutachten eingeholt werden können. Dieser Aufwand ist mit der Durchführung eines gesamten Insolvenzverfahrens im Hinblick auf Aufwand und Kosten jedoch kaum vergleichbar. Eine bloß richterrechtlich begründete Sperrfrist rechtfertigt er nicht.
12Hinzu kommt, dass die einem Schuldner mit Zustellung eines Gläubigerantrags richterlich gesetzte Frist zur Stellung eines Eigenantrags nebst Antrags auf Restschuldbefreiung nicht primär der Verfahrensbeschleunigung dient, sondern der Sicherung der Interessen des Schuldners. Der Schuldner muss in seinem eigenen Interesse dazu angehalten werden, diese Anträge vor der Entscheidung über den Gläubigerantrag zu stellen, da er nach der Eröffnung des Verfahrens auf den Gläubigerantrag hin keinen Eigenantrag mehr stellen kann (BGH, NZI 2005, 271, 272). Die dem Schuldner hierfür gesetzte richterliche Frist stellt jedoch keine Ausschlussfrist dar. Der Schuldner kann auch nach Ablauf der richterlichen Frist bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Gläubigers einen Eigenantrag stellen (BGH, NZI 2008, 609, 610; BGH, ZInsO 2009, 1171). Der durch Amtsermittlungen, insbesondere die etwaige Einholung eines möglicherweise kostenintensiven Gutachtens, entstandene Aufwand lässt sich durch diese Fristsetzung somit ohnehin nicht immer vermeiden. Stellt der Schuldner den Eigenantrag nebst Anträgen auf Restschuldbefreiung und Verfahrenskostenstundung erst nach Vorlage des Gutachtens kurz vor der ansonsten erfolgenden Abweisung des Gläubigerantrags mangels Masse, dürfte regelmäßig unter Gewährung von Verfahrenskostenstundung das Insolvenzverfahren zu eröffnen sein. Stellt er den Eigenantrag jedoch erst wenige Tage später nach der Abweisung des Gläubigerantrags mangels Masse oder der Rechtskraft dieses Beschlusses, ist zuvor der identische Aufwand erfolgt. Es erscheint daher unverhältnismäßig, den Schuldner in letzteren Fällen mit einer Sperrfrist von drei Jahren zu belegen. Solange der Schuldner seinen Eigenantrag vor Eintritt der Rechtskraft des den Gläubigerantrag mangels Masse abweisenden Beschlusses stellen würde, wäre auch eine Auslegung dieses Antrags als zugleich konkludent eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Abweisungsbeschluss denkbar, wodurch nach Verbindung von Eigen- und Fremdantrag in einem solchen Fall ohnehin noch eine Verfahrenseröffnung auf Stundungsbasis möglich wäre.
13Zudem dürfte der Schuldnerin vorliegend weder ein unredliches noch ein nur nachlässiges Verhalten vorzuwerfen sein. Aus der erteilten Belehrung ergab sich kein Hinweis auf eine - nach hiesiger Auffassung auch nicht zu begründende - Sperrfrist nach einer Abweisung des Gläubigerantrags mangels Masse. Auch wurde die Schuldnerin - anders als möglicherweise in der zitierten Entscheidung des LG Düsseldorf (Beschl. v. 27.03.2013 - 25 T 122/13, NTI 2013, 447) - nicht darauf hingewiesen, dass nach Fristablauf eigene Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung nicht mehr gestellt werden könnten, ohne dass Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit einer etwaigen solchen Belehrung hier zu thematisieren sind. Die Schuldnerin wurde vorliegend lediglich belehrt, dass sie nach einer Verfahrenseröffnung auf einen Gläubigerantrag hin weder einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch einen Antrag auf Restschuldbefreiung nachholen könne.
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