Beschluss vom Amtsgericht Köln - 283 M 7242/14
Tenor
Auf die Erinnerung des Gläubigers vom 8.08.2014 wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 4.06.2014 (dort Seite 9) bezüglich des Anspruchs B gegen das JobCenter Köln wie folgt gefasst:
„Gepfändet wird der Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld II sowie der Anspruch auf Herausgabe von Kopien des jeweils gültigen Leistungsbescheides durch den Drittschuldner an den Gläubigervertreter.“
Die Kosten der Erinnerung hat der Schuldner zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.406,07 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Erinnerung des Gläubigers vom 8.08.2014, zu der der Schuldner im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen Gehörs keine Stellung genommen hat, ist begründet, denn die Streichung des Antragszusatzes „(…) sowie der Anspruch auf Herausgabe von Kopien des jeweils gültigen Leistungsbescheides durch den Drittschuldner an den Gläubigervertreter.“ hätte nicht erfolgen dürfen. Denn die beantragte Pfändung des Herausgabeanspruchs hinsichtlich der Leistungsbescheide ist nicht zu beanstanden.
31. Gemäß §§ 412, 401 BGB erstreckt sich eine Forderungspfändung selbst ohne ausdrückliche Bezeichnung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch auf die mit der Forderung einhergehenden unselbstständigen Nebenansprüche. Deren Aufnahme in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat allerdings dann zu erfolgen, wenn der Gläubiger – wie hier geschehen – dies aus Klarstellungsgründen beantragt (vgl. nur BGH NJW 2013, 539 mwN).
4Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Anspruch auf Herausgabe von Leistungsbescheiden ein selbständiges Nebenrecht wäre (vgl. dazu BGH NJW 2006, 217). Dies ist indes nicht der Fall. Es handelt sich vielmehr um einen bloßen Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch, welcher grundsätzlich unselbständiger Natur ist (Palandt-Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 401 BGB Rdnr. 4). Der Anspruch zielt nämlich lediglich darauf ab, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruches zu ermitteln. Ein selbstständiger Charakter kommt diesem Anspruch hingegen nicht zu, weil mit ihm eine hierüber hinaus gehende Leistung der Drittschuldnerin nicht verbunden ist. Dass dieser Anspruch typischerweise in Form eines Leistungsbescheides erfüllt wird, ändert nichts an seiner Rechtsnatur.
52. Dieser Auskunftsanspruch des Schuldners (konkretisiert durch den Anspruch auf Erteilung des Leistungsbescheides) ist auch nicht unpfändbar, insbesondere nicht gemäß § 851 ZPO. Es handelt sich nämlich nicht etwa um einen höchstpersönlichen Anspruch, welcher bei der Übertragung auf einen Dritten seine Rechtsnatur ändern würde. Dies beruht bereits darauf, dass der gepfändete Hauptanspruch keinen höchstpersönlichen Charakter aufweist und diese Eigenart dann vom unselbstständigen Nebenanspruch (zumindest dem vorliegenden) geteilt wird (vgl. BGH NJW-RR 2003, 1555).
63. Auch die Datenschutzbestimmungen der §§ 67 ff. SGB X stehen der beantragten Pfändung nicht entgegen. Ungeachtet der Frage, ob diese Regelungen überhaupt auf die - hier zu entscheidende - Pfändbarkeit von Auskunftsansprüchen anwendbar sind, dienen sie primär dem Schutz des Rechts des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Grundrecht des Schuldners gilt jedoch nicht absolut, sondern steht im Konflikt mit dem über Art. 14 GG ebenfalls grundrechtlich geschützten Vollstreckungs- und Befriedigungsanspruch des Gläubigers (vgl. dazu etwa BGH NJW 1999, 1544 zur Pfändbarkeit von Gebührenforderungen eines Steuerberaters).
7Zumindest im vorliegenden Falle hat das Geheimhaltungsinteresse des Schuldners zurückzutreten. Denn dem Grundrechtschutz des Schuldners auf Wahrung seiner persönlichen Daten kommt in Konstellationen wie der vorliegenden nur eine untergeordnete Bedeutung zu: Der Schuldner wäre nämlich im Rahmen seiner Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 ZPO gegenüber dem Gläubiger ohnehin verpflichtet, den Inhalt des Leistungsbescheides preiszugeben und wohl auch den in seinem Besitz befindlichen Bescheid selbst dem Gläubiger zu überlassen.
8Gemäß § 836 Abs. 3 ZPO hat der Schuldner seinen Gläubiger über sämtliche Umstände zu informieren, welche letzterer zur - ggf. gerichtlichen - Geltendmachung der Forderung benötigen würde. Im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner existieren keine Datenschutzbestimmungen. Es kommt allein darauf an, welche Fakten für den Gläubiger "nötig" sind, um - falls erforderlich - einen erfolgreichen Prozess gegen den Drittschuldner führen zu können. Da aber - wie hier - der Gläubiger die von der Drittschuldnerin begehrte Kenntnis nach der Gesetzeslage vom Schuldner ohnehin erlangen könnte, ist eine Geheimhaltung durch die Drittschuldnerin lediglich von untergeordneter Bedeutung.
9Soweit nicht ausgeschlossen ist, dass in einem Leistungsbescheid der Drittschuldnerin auch solche Daten enthalten sein mögen, welche der Gläubiger für einen Gerichtsprozess nicht bedarf, etwa betreffend weiterer Personen einer Bedarfsgemeinschaft, hindert das die Herausgabe des Bescheides nicht. In solchen Ausnahmefällen ist die Drittschuldnerin berechtigt, die entsprechenden Stellen etwa durch Schwärzung zu anonymisieren. Mit dieser Anonymisierung wird den berechtigten Interessen aller Beteiligten ausreichend Rechnung getragen. Eine Notwendigkeit, wegen solcher Daten den kompletten Leistungsbescheid einzubehalten, besteht in jedem Falle nicht.
10Die beantragte Pfändung des Herausgabeanspruchs war nach alledem auszusprechen.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
12Rechtsmittelbelehrung:
13Gegen diesen Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, oder dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.
14Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
15Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Köln oder dem Landgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
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