Urteil vom Amtsgericht Köln - 124 C 483/15
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, Versicherungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung des Klägers in einer Bankrechtssache gegen die T.-Bank Münster eG aus einem Gegenstandswert von 85.250,70 € zu bestätigen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Am 09.07.2008 schloss der Kläger mit der T.-Bank Münster eG einen Darlehensvertrag über einen Darlehensbetrag von 92.500,00 €.
3Seite dem 01.04.2010 ist der Kläger bei der Beklagten auf Grundlage der ARB 2008 rechtsschutzversichert (Versicherungsschein als Anlage K1 zur Klageschrift).
4Mit Schreiben vom 10.12.2014 (Anlage K2 zur Klageschrift) forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte auf, eine Deckungszusage für das außergerichtliche Verfahren gegen die T.-Bank Münster eG wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung (Anlage KE1 zur Klageerwiderung) bei Abschluss des Darlehensvertrages am 09.07.2008 zu erteilen. Mit Schreiben vom 13.01.2015 (Anlage K3 zur Klageschrift) lehnte die Beklagte die Erteilung der Deckungszusage unter Berufung auf Vorvertraglichkeit des maßgeblichen Rechtsverstoßes ab. Auch auf erneute Aufforderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 14.01.2015 (Anlage K4 zur Klageschrift) lehnte die Beklagte die Erteilung der Deckungszusage mit Schreiben vom 04.02.2015 (Anlage K5 zur Klageschrift) erneut ab.
5Mit Schreiben vom 20.03.2015 widerrief der Kläger den Darlehensvertrag mit der T.-Bank Münster eG unter Berufung auf die fehlerhafte Widerrufsbelehrung in dem Darlehensvertrag. Mit Schreiben vom 26.03.2015 wies die T.-Bank Münster eG den Widerruf des Klägers zurück. Dies teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit Schreiben vom 31.03.2015 (Anlage K6 zur Klageschrift) mit und forderte die Beklagte erneut zur Erteilung der Deckungszusage auf, was die Beklagte mit Schreiben vom 03.06.2015 (Anlage K7 zur Klageschrift) ablehnte.
6Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe die begehrte Deckungszusage zu erteilen, da der Versicherungsfall mit Ablehnung der Anerkennung des Widerrufsrechts durch die T.-Bank Münster eG und damit einem Ereignis in versicherter Zeit eingetreten sei.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, Versicherungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung des Klägers in einer Bankrechtssache gegen die T.-Bank Münster eG aus einem Gegenstandswert von 85.250,70 € zu bestätigen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte ist der Ansicht, dass kein Anspruch auf Rechtsschutz bestehe, weil der Versicherungsfall i. S. d. § 4 Abs. 1 lit. c ARB 2008 in der fehlerhaften Widerrufsbelehrung in dem 2008 geschlossenen Darlehensvertrag zu sehen sei. Dieser Rechtsverstoß liege aber in unversicherter Zeit. Dies gelte jedenfalls deswegen, weil der Kläger den Deckungsschutz gegenüber der Beklagten im Hinblick auf ein Vorgehen gegen die T.-Bank Münster eG wegen der fehlerhaften Widerrufsbelehrung verlangt habe.
12Der Versicherungsschutz sei nach Ansicht der Beklagten aber jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil i. S. d. § 4 Abs. 3 lit. a ARB 2008 die fehlerhafte Widerrufsbelehrung als Willenserklärung oder Rechtshandlung vor Beginn des Versicherungsschutzes einen Rechtsverstoß nach § 4 Abs. 1 lit. c ARB 2008 ausgelöst habe.
13Entscheidungsgründe:
14Die zulässige Klage ist begründet.
15Der Kläger hat gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag einen Anspruch auf Erteilung der Deckungszusage für das beabsichtigte außergerichtliche Vorgehen gegen die Bank. Der von der Beklagten erhobene Einwand der Vorvertraglichkeit greift nicht durch.
16Nach § 4 Abs. 1 c) ARB 2010 besteht Anspruch auf Rechtsschutz nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Jedenfalls für Aktivprozesse des Versicherungsnehmers ist zur näheren Bestimmung des Rechtsschutzfalles darauf abzustellen, worin nach der Darlegung des Versicherungsnehmers der angebliche, zumindest mit einem Tatsachenkern darzustellende angebliche Rechtsverstoß der Gegenseite liegen soll, auf den der Versicherungsnehmer seinen Anspruch gegenüber dem Gegner stützt (BGH, Urt. v. 24.04.2013, IV ZR 23/12, Rn. 12 bei juris).
17Der maßgebliche Verstoß gegen Rechtspflichten liegt in der Weigerung des Darlehensgebers, das Widerspruchsrecht anzuerkennen, d. h. in dem Schreiben der T.-Bank Münster eG vom 26.03.2015, und damit in einem Ereignis in versicherter Zeit.
18Macht der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung geltend, er könne dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags infolge unzureichender Vertragsinformationen noch Jahre später widersprechen und daraus Ansprüche gegen seinen Lebensversicherer herleiten, liegt dessen maßgeblicher Verstoß in der Weigerung, das Widerspruchsrecht anzuerkennen, und nicht in der behaupteten mangelnden Information bei Vertragsschluss, denn aus der Weigerung der Anerkennung leitet der Versicherungsnehmer seinen Anspruch her (BGH, Urt. v. 24.04.2013, IV ZR 23/12, Rn. 13 bei juris). Dies lässt sich auf den Widerruf eines Darlehensvertrags übertragen, den der Darlehensnehmer auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung stützt. Der Lebenssachverhalt, welcher der vorgenannten Entscheidung des BGH zugrundelag, unterscheidet sich nicht maßgeblich von der vorliegenden Fallgestaltung. Beiden Sachverhalten ist gemein, dass dem Verbraucher wohl unzureichende Vertragsinformationen vorlagen, die gegebenenfalls seine Willensbildung beeinträchtigen: einerseits nicht vollständig zur Verfügung gestellte Vertragsunterlagen, andererseits eine womöglich fehlerhafte Widerrufsbelehrung.
19Etwas anderes gilt auch nicht, weil der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten in den vorgerichtlichen Schreiben an die Beklagte erklärt hatte, er begehre Deckungszusage für das außergerichtliche Verfahren wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung (vgl. BGH, Urt. v. 24.04.2013, IV ZR 23/12, Rn. 13 bei juris). Wie es auch aus der Klageschrift hervorgeht, ging und geht es dem Kläger um ein Vorgehen gegen die Bank bei Weigerung der Anerkennung des wegen ursprünglicher Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung nach Ansicht des Klägers auch nach Jahren noch bestehenden Widerrufsrechts. Der Kläger würde nicht bei Anerkennung des Widerrufsrechts seitens der Bank mit der Bank darum streiten wollen, eine fehlerfreie Widerrufsbelehrung zu dem Darlehensvertrag zu erhalten.
20Auch führt es nicht zu einem anderen Ergebnis, dass zum Zeitpunkt der ersten Deckungsanfrage die Bank der Anerkennung des Widerrufsrechts noch nicht widersprochen hatte (vgl. BGH, Urt. v. 24.04.2013, IV ZR 23/12, Rn. 14 bei juris). Der Kläger rechnete mit der Ablehnung der Bank und wollte im Fall der tatsächlichen Ablehnung gegen die Bank vorgehen.
21Zuletzt gilt auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten angeführten Entscheidung des OLG Celle (OLG Celle, Urt. v. 10.07.2008, 8 U 30/08), in der das Gericht für den Versicherungsfall auf den Zeitpunkt der Abgabe sittenwidriger oder gesetzeswidriger Willenserklärungen, d. h. den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgestellt hat, nichts anderes. In diesem Fall leitete die Klägerin den Anspruch, zur Durchsetzung dessen sie eine Deckungszusage ihres Rechtsschutzversicherers begehrte, bereits aus dem fehlerhaften Vertragsschluss selbst her. Der Bereicherungsanspruch, hinsichtlich dessen Durchsetzung der Kläger vorliegend Versicherungsschutz begehrt, gründet sich jedoch darauf, dass die Bank das Widerrufsrecht des Klägers nicht anerkennt und entsteht damit nicht schon durch einen Fehler bei Vertragsschluss. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem, welcher der Entscheidung des OLG Celle zugrunde lag.
22Die Beklagte ist auch nicht leistungsfrei nach § 4 Abs. 3 lit. a ARB 2008. Danach besteht kein Rechtsschutz, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach § 4 Abs. 1 lit. c ARB 2008 ausgelöst hat. Maßgeblich ist, ob die Willenserklärung oder Rechtshandlung bereits die erste Stufe der Verwirklichung der Gefahr einer rechtlichen Auseinandersetzung erreicht und den aus Sicht des Versicherungsnehmers maßgeblichen Pflichtverstoß ausgelöst hat (BGH, Urt. v. 24.04.2013, IV ZR 23/12, Rn. 17 bei juris).
23Davon ist im Falle einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht auszugehen. Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung zieht nicht zwangsläufig eine rechtliche Auseinandersetzung nach sich und verwirklicht daher nicht die erste Stufe einer solchen Gefahr (a. A. LG Köln, Urt. v. 24.09.15, 24 O 153/15, Rn. 29 bei juris). Es ist davon auszugehen, dass es sowohl Darlehensnehmer gibt, die selbst bei Kenntnis einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung von einem Widerruf absehen, als auch viele Streitigkeiten gütlich beigelegt werden können. Es liegt in der Natur der Sache, dass Gerichte nur jene Fälle beurteilen, die nicht einvernehmlich beigelegt werden konnten und in denen die Verbraucher ihr Recht klageweise durchsetzen. Dadurch mag der Eindruck entstehen, dass fehlerhafte Widerrufsbelehrungen geradezu Streitigkeiten provozieren. Diese Einschätzung teilt das erkennende Gericht mangels belastbarer statistischer Daten nicht. Welchen Anteil die streitigen Fälle an solchen Darlehensverträgen ausmachen, in denen eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthalten ist, vermag das Gericht nicht zu beurteilen.
24Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
25Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
26Der Streitwert wird auf 2.043,94 EUR festgesetzt.
27Rechtsbehelfsbelehrung:
28A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
291. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
302. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
31Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
32Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
33Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
34Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
35B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Köln statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
36Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
37Köln, 08.03.2016AmtsgerichtRichter
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Referenzen
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