Urteil vom Amtsgericht Köln - 144 C 168/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger, gesetzlich krankenversichert, begehrt von der Beklagten die Erstattung des für die Operationen vom 16.12.2010 sowie vom 21.2.2013 gezahlten Honorars.
3Der Kläger leidet seit ca. acht Jahren an einem Keratokonus. Aufgrund dessen suchte er die von der Beklagten in Köln betriebene Augenklinik auf. Es wurde nach vorausgegangenem Aufklärungsgespräch am 16.12.2010 das rechte Auge des Klägers im Wege eines sog. Crosslinking operiert. Hierfür wurde ein Betrag i.H.v. 1.900 € in Rechnung gestellt und vom Kläger noch am Tag der Operation gezahlt.
4Ende des Jahres 2012 verschlechterte sich sodann das linke Auge des Klägers. Aufgrund dessen suchte dieser erneut die Augenklinik der Beklagten auf. Es erfolgte wiederum ein Aufklärungsgespräch im Zuge dessen ein Aufklärungsbogen am 6.11.2012 ausgefüllt wurde. Die Operation am linken Auge erfolgte am 21.2.2013. Diesbezüglich wurde ein Betrag i.H.v. 1.029,11 € in Rechnung gestellt. Auch diesen Betrag zahlte der Kläger noch am Tag der Operation.
5Zwischen den Parteien ist streitig, ob im Hinblick auf die durchgeführten Operationen ein Behandlungsfehler vorliegt. Die Frage der Arzthaftungsansprüche wird derzeit vor der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein zu dem Az. 2014/1529 geklärt.
6Die Beklagte wurde mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 11.11.2013 aufgefordert ein Anerkenntnis dem Grunde nach zu erklären. Eine Mahnung erfolgte zudem mit Datum vom 3.2.2015 unter Vorlage des Entwurfs der Klageschrift. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte jedoch nicht.
7Der Kläger ist der Ansicht, es liege keine wirksame Honorarvereinbarung im Sinne des § 2 GOÄ vor. Die vereinbarten Sätze würden mit den Vorgaben der GOÄ nicht im Einklang stehen.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.929,11 € zu zahlen, zu verzinsen mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 4.2.2014.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Hinsichtlich des Rückzahlungsanspruches im Hinblick auf die Rechnung vom 16.12.2010 beruft sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung. Sie ist der Ansicht, eine wirksame Honorarvereinbarung liege vor. So sei der vorliegende Eingriff schon nicht von den Gebührennummern der GOÄ erfasst. Zudem finde die GOÄ bereits keine Anwendung, da hier der Vertrag mit einer juristischen Person geschlossen worden sei. Darüber hinaus würde sich die Höhe der vereinbarten Vergütung vollständig im Rahmen des Üblichen halten.
13Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Die zulässige Klage ist unbegründet.
16A) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Honorare i.H.v. 2.929,11 € nicht zu. Ein Anspruch aus der hier in Betracht kommende Anspruchsgrundlage des § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. BGB besteht nicht.
17Zwar hat die Beklagte vorliegend die gezahlten 2.929,11 € durch Leistung des Klägers erlangt. Dies geschah jedoch nicht ohne Rechtsgrund. Denn Rechtsgrund für die geleistete Zahlung ist die zwischen den Parteien geschlossene Honorarvereinbarung. Diese ist entgegen des Vortrags des Klägers auch nicht unwirksam.
181. Zwar trägt der Kläger vor, die aktenkundige Honorarvereinbarung entspreche nicht den in § 2 GOÄ genannten Rahmenbedingungen und sei daher wegen bestehender Formfehler ungültig. Er nimmt insofern auf die Ausführungen des außergerichtlich beauftragten Sachverständigen Bezug. Nach dem Vortrag der Parteien ist die GOÄ jedoch bereits nicht anwendbar. Denn die Gebührenordnung findet keine Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, z.B. einem Krankenhausträger oder einer in Gesellschaftsform betriebenen, ausschließlich ambulante Behandlungen anbietenden Einrichtung abgeschlossen wird und die Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in Erfüllung ihrer Dienstaufgaben tätig werden (Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt-und Krankenhausleistungen, 3. Auflage 2006, § 1, Rn. 6, OLG Zweibrücken, Urt. v. 10.03.2009, Az 5U 15/08)). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber oder Dienstherr dem Arzt ein Liquidationsrecht einräumen kann.
19Vorliegend hat die Beklagte vorgetragen, dass der Behandlungsvertrag mit der juristischen Person selbst geschlossen worden ist. Der Vortrag des Klägers in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17.2.2016 vermag die Anwendbarkeit der Gebührenordnung nicht zu begründen. Sofern dieser auf die Rechtsprechung des Landgerichts Düsseldorf vom 30. August 2013, Az. 38 O 6/13 verweist, ergibt sich nichts anderes. Denn der Kläger hat nicht bestritten, dass der vorliegende Vertrag nicht mit den behandelnden Ärzten, sondern vielmehr mit der Beklagten selbst geschlossen wurde. In dem vom Landgericht Düsseldorf zu entscheidenden Fall wurde hingegen lediglich die Abrechnung durch die Klinik selbst und nicht durch den beklagten Arzt, der Inhaber und Betreiber der Klinik war, erstellt. Der Kläger hat hier auch nicht vorgetragen, dass den behandelnden Ärzten ein Liquidationsrecht eingeräumt wurde. Ebenfalls erfolgte keine Angabe des Klägers, in welchem Verhältnis die hier behandelnden Ärzte zu der Beklagten stehen. Eines solchen Vortrages hätte es jedoch bedurft, um von der Eröffnung des Anwendungsbereiches der Gebührenordnung ausgehen zu können.
202. Selbst wenn man hier von einer Anwendbarkeit der Gebührenordnung der Ärzte ausgeht, fehlt es an einem hinreichend substantiierten Vortrag des Klägers im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Vorschriften der Gebührenordnung.
21Nach dem eigenen Vortrag des Klägers gibt es für die durchgeführte Behandlung keine Gebührennummer in der amtlichen GOÄ und bislang auch keine Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer. Zwar ist, sofern eine nicht im Gebührenverzeichnis enthalten Arztleistung vorgenommen wird, auf § 6 Abs. 2 GOÄ zurückzugreifen. Hiernach können selbständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Vorliegend fehlt es jedoch an jeglichem Vortrag des Klägers, welche Leistung des Gebührenverzeichnisses hier maßgeblich sein soll. Es ist nicht erkennbar, welche im Gebührenverzeichnis ausdrücklich normierte Leistung als Vergleichswert herangezogen werden kann und ob die getroffene Honorarvereinbarung unter Berücksichtigung dieses Vergleichswerts oberhalb der gesetzlich zulässigen Gebührenhöhe liegt. Insofern genügt der einfache Bezug auf die Ausführungen des Sachverständigen, welcher in seinem Gutachten erwähnt, dass eine Universitätsklinik für die simultane Behandlung beider Seiten knapp 1.100 € berechnet, den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag nicht. Denn es fehlt jeglicher Vortrag dazu, wonach sich die vom Gutachter als angemessen bezeichneten Honorarforderungen orientieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger hier ausdrücklich auf die Unvereinbarkeit der Honorarvereinbarung mit der Gebührenordnung bezieht. Darüber hinaus hat der Kläger die Honorarvereinbarung nicht einmal vorgelegt. So ist bereits nicht ersichtlich, ob es sich bei der im konkreten Fall geschlossenen Honorarvereinbarung um einen vorformulierten Vereinbarungstext oder vielmehr um eine individuelle Honorarvereinbarung handelt. Eine Individualvereinbarung unterliegt jedoch nicht den strengen Grenzen einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorformulierten Vereinbarung. Zwar sind auch der Individualvereinbarung Grenzen gesetzt. So steht ausschließlich der Steigerungssatz zur Disposition. Zudem ist insbesondere die Vorschrift des § 138 BGB zu berücksichtigen.
22Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich jedoch auch kein Verstoß gegen die allgemeine Vorschrift des § 138 BGB. Gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, welches gegen die guten Sitten verstößt. Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen, § 138 Abs. 2 BGB. Demnach ist im Rahmen des § 138 Abs. 2 BGB die Erfüllung sowohl eines objektiven als auch eines subjektiven Tatbestandes erforderlich. Ein auffälliges Missverhältnis ist gegeben, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung 100 % oder mehr über dem Marktpreis liegt (Palndt/Ellenberger, 75. Auflage, § 138 Rn. 67). Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes muss der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erheblichen Willensschwäche) ausgebeutet haben (Palndt/Ellenberger, 75. Auflage, § 138 Rn. 69).
23Selbst wenn man hier von einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ausgehen würde, fehlt es jedenfalls an einem Vortrag des Klägers hinsichtlich besonderer, die Sittenwidrigkeit begründender Umstände. Insbesondere handelt es sich bei den vorliegenden Operationen um keine Notfallmaßnahmen oder Maßnahmen von besonderer Dringlichkeit, die den Kläger hier in seiner freien Wahl zur Behandlung beeinträchtigen konnten. Anhaltspunkte dafür, dass die Unerfahrenheit oder das mangelnde Urteilsvermögen des Klägers ausgenutzt wurden, sind nicht ersichtlich.
24Ein gerichtlicher Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO war entbehrlich. Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Angesichts des Sach- und Streitstandes ist nicht anzunehmen, dass der Kläger, nachdem die Beklagte dem Vorbringen des Klägers zur Unvereinbarkeit der Honorarvereinbarung mit den Vorschriften der GOÄ entgegengetreten ist, das Erfordernis substantiierten Sachvortrages erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat. Denn die Frage der Unvereinbarkeit der streitgegenständlichen Honorarvereinbarung mit der Gebührenordnung der Ärzte stellt einen wesentlichen Kernbereich des Rechtsstreits dar. Zudem hat die Beklagte die Anwendbarkeit der GOÄ bestritten und vorgetragen, dass es für die streitgegenständliche Behandlung keine Gebührennummer in der GOÄ gibt. Zudem wurden andere Beträge einer üblichen Vergütung genannt. Doch selbst daraufhin hat der Kläger seinen Vortrag nicht näher spezifiziert.
253. Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass hier möglicherweise ein Behandlungsfehler und Arzthaftungsansprüche in Rede stehen. Zwar kann sich aufgrund eines Behandlungsfehlers ein Rückforderungsanspruch aus § 628 BGB hinsichtlich des geleisteten Honorars nach ausgesprochener Kündigung ergeben (vgl. BGH Urt. v. 29.03.2011, VI ZR 133/10). Auch wenn eine Kündigung des Behandlungsvertrages nicht erfolgt sein sollte, besteht ein Honoraranspruch des Arztes nicht, wenn und soweit wegen eines schuldhaften Behandlungsfehlers die ärztliche Leistung für die Patienten kein Interesse mehr hat (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 2.11.2005, 3 U 290/04; OLG Zweibrücken, Urt. v. 20.11.2001, 5 U 20/01).
26Vorliegend hat der Kläger seinen Rückforderungsanspruch jedoch nicht auf einen etwaiger Behandlungsfehler gestützt. Vielmehr hat dieser seinen Rückforderungsanspruch damit begründet, dass das abverlangte Honorar nicht von den Vorgaben der Gebührenordnung der Ärzte gedeckt ist. Insoweit erfolgt auch auf Blatt 3 der Klageschrift ein Hinweis darauf, dass im Hinblick auf etwaige Arzthaftungsansprüche eine Klärung derzeit vor der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein erfolgt. Sodann heißt es im nächsten Satz, dass es vorliegend um die nicht dem Gesetz und Recht entsprechende Abrechnung der erbrachten ärztlichen Leistungen seitens der Beklagten geht und dies ebenfalls vor der Ärztekammer Nordrhein geklärt werden sollte, die Beklagte sich demgegenüber jedoch verschlossen habe.
27Die geltend gemachten Nebenforderungen tragen das Schicksal der Hauptforderung.
28B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29C) Streitwert: 2.929,11 €
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
321. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
332. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
34Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
35Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
36Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
37Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
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