Beschluss vom Amtsgericht Konstanz - UR II 68/09

Tenor

Es folgt eine gekürzte, auszugsweise und sinngemäße Wiedergabe der Entscheidung

…. die Antragsstellerin stellte am ... mündlich wie schriftlich einen Antrag auf Gewährung von Beratungshilfe. Beantragt wurde Beratungshilfe für folgende Angelegenheit:

„Widerspruch gegen den Senkungsbescheid vom ...“ des JobCenters ... In diesem Bescheid wurde der Antragstellerin wegen fehlender Mitwirkung die Leistung gekürzt.

Hiergegen richtet sich Ihr beabsichtigter Widerspruch.

Gründe

 
I.
Von der Bekanntgabe und Berechnung der wirtschaftlichen Voraussetzungen wird abgesehen.
II.
Das Gericht hat vor der Erteilung eines Beratungshilfescheines u.a. auch zu prüfen, ob dem Rechtsuchenden nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtssuchenden zuzumuten sind und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist, § 1 Absatz 1 Nr. 2 und Nr. 3. und ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beratungshilfe gegeben sind. Ausschlaggebend für die Bewilligung von Beratungshilfe und die Erteilung eines Berechtigungsscheines nach dem Beratungshilfegesetz ist, daß das Gesuch des Antragstellers die rechtlichen Kompetenzen und Möglichkeiten des Ratsuchenden selbst und nicht allein seine finanzielle Situation betreffen. (AG Saarbrücken  AnwBl 1994,146; Schoreit/Dehn, BerHG, 8.Aufl., § 1 Rn. 11.) Beratungshilfe soll dazu dienen, wirtschaftlich hilfebedürftigen Rechtsuchenden, wenn es sich um Probleme handelt, wo juristischer Rat unumgänglich ist, anwaltliche Beratung zu ermöglichen. Sinn und Zweck ist es jedoch nicht, auf Kosten der Staatskasse dem Antragsteller jegliche Arbeit - noch dazu zumutbare- abzunehmen oder gar der vermögenslosen Partei eine eigene Rechtsabteilung zur Seite zu stellen. Auch darf es durch das Beratungshilfegesetz nicht zu einer Besserstellung der bedürftigen Partei kommen. Beratungshilfe ist daher nur dann zu gewähren, wenn auch ein nicht Bedürftiger, der einen Anwalt selbst zu bezahlen hätte, vernünftiger Weise im konkreten Fall den Rat eines Anwalts einholen würde. (Nöcker Rpfleger 1981,2ff.)
Die Antragstellerin unterliegt daher einem Irrtum, wenn sie davon ausgeht, jedwede Unterstützung in Form anwaltlicher Beratung und Vertretung im Rahmen der Beratungshilfe zu erhalten. Dies ist nach der gesetzgeberischen Konzeption des BerHG nicht beabsichtigt. Ebenso ist dies auch nicht durch die Entscheidung des BverfG vom 11.05.2009 beabsichtigt. Dies zeigt auch deutlich die Begründung dieser Entscheidung. Zudem würde dies auch zu einer Besserstellung gegenüber einer selbstzahlenden Partei führen. Eine bemittelte Partei würde sich ebenfalls nicht stets einer anwaltlichen Hilfe bedienen.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG dürfen als negative Voraussetzung der Beratungshilfe auch keine anderweitigen Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, welche dem Rechtsuchenden zuzumuten sind. Aufgrund der Subsidiarität der Beratungshilfe gegenüber anderen zumutbaren Auskunftsmöglichkeiten kann der Rechtsuchende im Einzelfall nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG auch auf die Beratung durch andere Stellen verwiesen werden, wie z.B. Sozialverwaltung mit den familien- und sozialrechtlichen Informationsstellen, Arbeitsagentur, Jugendamt, Erziehungsberatungsstellen, Amt für Ausbildungsförderung, Ausländerbehörde, Beratungszentren für Flüchtlinge, Notariat, Caritas, Diakonie, Deutscher Kinderschutzbund, amtlich bestellte Betreuer, Leitungen von Pflege- und Übergangsheimen, Beratungsstellen der gesetzlichen Krankenkassen, Berufs- und Interessenvertretungen u. a.. Auch Behörden des Bundes und der Länder sind zur Hilfeleistung bei Anträgen und zu Rechtsauskünften verpflichtet. (Kalthoener/Büttner Rn. 946 ff.)
Gemäß dem Sozialgesetzbuch besteht für jeden Leistungsberechtigten ein Beratungsanspruch. Hierzu gehört auch Rechtsberatung. Das SGB regelt insbesondere den Anspruch jedes Einzelnen auf umfassende und vollständige Information über seine Rechte und Pflichten gegenüber dem Leistungsträger. Auch ist es die Pflicht des Leistungsträgers , umfassend Ratschläge über das recht- und zweckmäßige Verhalten des Antragstellers zu geben. Der Verweis an die Behörde gilt auch dann, wenn diese im Verfahren einen für den Antragsteller ungünstigen Bescheid erlassen hat, sofern nicht konkret vorgetragen wird, was im konkreten Fall darauf schließen lasse, daß dem Antragsteller seitens der Behörde eine solche objektive Auskunft und Beratung verweigert worden wäre. (AG Kamenz, aaO) Das Beratungshilfegesetz soll nach dem Willen des Gesetzgebers vorhandene Lücken an rechtlicher Betreuung lediglich schließen, nicht aber bestehende Beratungsmöglichkeiten durch andere sachkundige Stellen verdrängen. Beratungshilfe wird daher gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Beratungshilfegesetzes nur gewährt, wenn nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten sind. Die Behörde ist gesetzlich zur Auskunft und Beratung verpflichtet (vgl. § 25 VwVfG; §§ 14,15 SGB I; §§ 35, 35 I SGB X ; § 11 SGB XII; §§ 8,10 SGB XII ( ehem. § 8 BSHG) ; §§ 67,68 und 69 SGB XII ( ehemals § 72 BSHG ) ; § 18 KJHG, § 16, 18 SGB VIII ; § 81 AO; § 51 SBG VIII; § 41 BAföG; Grunsky NJW 1980,2041,2047; AG Koblenz Rpfleger 1998, 206; AG Northeim Rpfleger 1991, 25 ; Mümmler JurBüro 1984,  1127; Bischoff NJW 1981, 894; AG Koblenz Rpfleger 1995, 366 u.a..) und hat besonders weitgehende Auskunfts- und Beratungsaufgaben wahrzunehmen. (Schoreit/Dehn § 1 Rn.63; LG Göttingen v. 5.1.1983 - 6 T 213/82.) Die Behörde ist insbesondere auch im Bereich des Sozialrechtes verpflichtet, bei einem ablehnenden Bescheid die Gründe der Ablehnung bekannt zu geben, zu erläutern, Rechtswege aufzuzeigen und bei der Formulierung des Rechtsmittels behilflich zu sein. (Rpfleger 1998,478; § 25 VwVfG; §§ 14, 15 SGB I; § 11 SGB XII ; §§ 8,10 SGB XII, §§ 67,68 und 69 SGB XII.) Für die Beratung hält das SGB einen Anspruch des Einzelnen auf umfassende, individuelle, vollständige und richtige Information über seine Rechte und Pflichten nach dem SGB gegen den Leistungsträger, gegenüber dem Rechte geltend zu machen sind, vor.
Auch die Entscheidung des BVerfG vom 11.05.2009 ändert hieran nichts. Dies zeigen insbesondere die Gründe der Entscheidung.
Das BverfG hat in dieser Entscheidung nicht pauschal, sondern lediglich konkret und einzelfallbezogen über einen individuellen Fall des AG ... entschieden. Universalcharakter weist diese Entscheidung nicht auf. Insbesondere kann sie keine allgemeine Wirkung entfalten, da das Vorliegen der Beratungshilfevoraussetzungen, die anderweitigen Hilfsmöglichkeiten und die Zumutbarkeit eines Verweises an diese, sowie das Anliegen des Antragstellers stets unterschiedlicher Natur sind. § 31 Abs. 2 BVerfGG ordnet Gesetzeskraft grundsätzlich nur für diejenigen Entscheidungen des BVerfG an, die in den Verfahren nach § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 BVerfGG ergehen. Entscheidungen über Verfassungsbeschwerden (§ 13 Nr. 8a BVerfGG) erlangen nur dann Gesetzeskraft, wenn sie ein Gesetz für nichtig erklären. Dieser Fall ist durch die Entscheidung des BverfG vom 11.05.2009 nicht gegeben. Kammerbeschlüsse wie der vorliegende vom 11.05.09 können keine Gesetzeskraft erlangen, weil sie keine Gesetze für nichtig erklären können. Also binden sie auch nur im konkreten Verfahren (§ 31 Abs. 1 BVerfGG). Gleichwohl können die in diesem Einzelfall entschiedenen Gründe Rückschlüsse für andere Verfahren zulassen.
Beratungshilfe kann nach der gesetzgeberischen Konzeption dann nicht bewilligt werden, wenn
a) andere Hilfsmöglichkeiten gegeben sind
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b) ein verständiger, die Kosten der Beratung selbst zahlender Bürger zunächst selbst tätig werden würde. Die Beratungshilfe soll dazu dienen, bedürftige Personen gleichzustellen, nicht jedoch sie besser zu stellen.
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Bei Behördenangelegenheiten im Bereich des sog. JobCenters sind unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vom 11.05.2009, 1 BvR 1517/08 weitere Merkmale daher zumindest zu berücksichtigen:
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1. Beratungshilfe wird nicht gewährt, wenn ein bemittelter Bürger vernünftigerweise einen Anwalt nicht in Betracht zieht. Dies bedeutet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß der Unbemittelte einem solchen Bemittelten gleichzustellen ist, der bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt.
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2. Beratungshilfe wird nicht gewährt, wenn ein kostenbewusster Rechtssuchender nach der Prüfung, inwieweit er fremde Hilfe zur effektiven Ausübung seiner Verfahrensrechte braucht oder selbst dazu in der Lage ist, zum Ergebnis gelangt, daß er dies selbst erledigen kann.
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3. Beratungshilfe wird nicht gewährt bei erstmaliger Antragstellung
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4. Beratungshilfe wird nicht gewährt bei einer bloßen Anfrage bei der Behörde, die regelmäßig als zumutbar angesehen wird. (s.a. BVerfG NJW-RR 2007, S 1369).
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5. Beratungshilfe wird nicht gewährt wenn es um eine einfach gelagerte Konstellation geht.
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6. Beratungshilfe wird nicht gewährt wenn die Korrektur einer offensichtlichen Unrichtigkeit erstrebt wird. Hierbei ist der Partei auch zuzumuten, sich einen Bescheid von der Behörde selbst zum besseren Verständnis inhaltlich erklären zu lassen.
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7. Hingegen wird Beratungshilfe gewährt bei der Hinzuziehung eines Anwalts, wenn es der Partei wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen und eine höchstrichterliche Entscheidung noch nicht vorliegt.
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Vorliegender Fall hat folgende Merkmale, die zur Ablehnung führen: der Sachverhalt ist im Grundsatz - auch wenn dies die Antragstellerin anders sieht - nicht schwierig. Der Sachverhalt ist - entgegen der vom Verfassungsgericht entschiedenen Sache - nicht höchstrichterlich umstritten. Dort ging es um eine z.T. ungeklärte und höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage der Anrechnung einer angeblichen Ersparnis.
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Vorliegend geht es um einen Senkungsbescheid vom ... Die zustehenden Leistungen wurden demnach um 30 % gekürzt. Grund sei - um es kurz auszudrücken - die fehlende Mitwirkung der Antragstellerin. Konkret wurde ihr vorgeworfen, nicht rechtzeitig entsprechende Bewerbungsbemühungen nachgewiesen zu haben. Entgegen der Zusage seien diese nicht zum vereinbarten Termin, sondern erst ca. 3 Wochen später geliefert worden. Ein Verhinderungsgrund wurde vorgetragen , erscheint er Behörde jedoch nicht glaubhaft.
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Die Konstellation ist rechtlich nicht schwierig. Die Partei selbst konnte keine konkreten Fehler in der Entscheidung des JobCenters benennen. Vorliegend erscheint das rechtliche Problem auch lediglich in der Glaubhaftmachung eines Verhinderungsgrundes für die rechtzeitige Vorlage von Nachweisen zu liegen. Nicht verständlich ist, weshalb hier anwaltliche Hilfe notwendig erscheint. Es erscheint abwegig, daß ein Rechtsanwalt den Verhinderungsgrund ausreichender glaubhaft machen könnte, als die Partei selbst. Lediglich ein gesteigertes Drohpotential gegenüber der Behörde rechtfertigt keine Beratungshilfe. Die Beratungshilfe kommt damit einer - zunächst - allgemeinen Überprüfung eines Bescheides nah. Die Glaubhaftmachung ist einfach-rechtlicher Natur und obliegt der Partei.
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Ein Bürger darf sich zwar aktiv am Verfahren beteiligen. Fraglich ist jedoch, ob die Beratungshilfe erforderlich ist. Dies wäre dann der Fall, wenn ein bemittelter Bürger, der nicht in den Genuß der Beratungshilfe kommen würde, bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt. Zu Recht sagt das BverfG in seiner Entscheidung vom 11.05.2009, daß auch im Bereich des ALG II Beratungshilfe durchaus erforderlich sein kann . Es sagt jedoch nicht aus, daß es stets in Betracht kommen muß. Die Entscheidung normiert daher kein Novum, sondern zitiert den bereits bisher in Literatur und Rechtsprechung genanten Grundsatz des Selbstzahlervergleichs. Vorliegend würde sich jedenfalls ein vernünftiger, selbstzahlender Dritter keiner anwaltlichen Hilfe bedienen. Der genannte Fall ist kein schwieriger, komplexer und umstrittener Einzelfall. Verkannt wird hierbei nicht, daß bei der Anordnung solcher Fälle durchaus auch Fehler seitens der Behörde auftreten können. Das Gericht ist jedoch der Ansicht, daß sich die Behörde an Recht und Gesetz hält und daher - bei Erkennen eines Fehlers - durchaus in der Lage ist, diesem abzuhelfen. Die Anerkennung eines Entschuldigungsgrundes stellt jedoch kein juristisches Problem, sondern ein individuelles Ermessenskriterium des jeweiligen Sachbearbeiters dar. Konkrete juristische Probleme schwieriger Natur sind nicht nachvollziehbar. Daß das subjektive Empfinden eines Entschuldigungsgrundes der Antragstellerin von der des Sachbearbeiters des JobCenters abweicht, dürfte keinen juristischen, sondern einen rein tatsächlichen Grund darstellen. Die Behörde zitiert Ihre Argumentation mit § 31 SGB II. Demnach ist eine solche Kürzung zulässig, wenn einer der genanten Gründe vorliegt. Ein Fehlen eines solchen Grundes wurde nicht glaubhaft dargelegt. Im Übrigen wurde dies auch nicht gegenüber dem Gericht glaubhaft dargelegt. Konkrete Anhaltspunkte, worin der Bescheid objektiv falscher Natur sei, wurden nicht vorgetragen. Es ist aber nicht Aufgabe der Beratungshilfe, die allgemeine Überprüfung von Bescheiden, jeden Widerspruchsbescheid oder ein gesteigertes Druckmittel zu finanzieren.
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Letztlich läuft der vorliegend beabsichtigte Widerspruch im vorliegenden Fall daher lediglich auf das von der Antragstellerin darzulegende und glaubhaft zu machende Versehen des rechtzeitigen Nachweises hinaus. Dies ist nicht sonderlich schwierig. Hierzu ( s.o.) bedarf es keines Rechtsanwaltes. Es ist nicht nachvollziehbar, wie ein Rechtsanwalt ein „Versehen“ eindrucksvoller oder nachhaltiger als die Partei bezeichnen kann. Letztlich kann hier der Rechtsanwalt auch nur die Aussage der Partei wiedergeben. Die Sanktionstatbestände des § 31 SGB II sind grundsätzlich nur vorsätzlich begehbar; ausnahmsweise gelten erhöhte Vorsatz-Anforderungen („Absicht“). Im Übrigen scheidet Fahrlässigkeit als (ungeschriebenes) Merkmal subjektiver Vorwerfbarkeit grundsätzlich aus. Der erwerbsfähige Hilfebedürftige ist nach dieser Vorschrift zu sanktionieren, wenn er sich weigert, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten (genau genommen handelt es sich um Obliegenheiten) zu erfüllen, insbes. in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Das Merkmal „weigert“ bedeutet im Rahmen dieses Sanktionstatbestandes die vorsätzliche ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise entweder gegenüber dem Vertragspartner oder gegenüber Dritten (z.B. Arbeitsgeber), die in die Verwirklichung von Eigenbemühungen eingebunden sind, zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich entsprechend den in der Eingliederungsvereinbarung gesetzmäßig getroffenen Regelungen zu verhalten. Demnach hat die Antragstellerin nur objektiv darzulegen, daß kein Vorsatz vorliegt. Für diesen Sachverhalt ist juristische Hilfe nicht erforderlich. Jeder Bürger der nicht in den Genuß der Beratungshilfe kommt, würde vorliegend ebenfalls auf die Mithilfe eines Rechtsanwaltes verzichten und selbst - bei der Behörde unter Beachtung derer gesetzlichen Pflichten - um Überprüfung des Sachverhaltes bitten bzw. eigenständig Widerspruch einlegen.
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Der Antragstellerin bleibt es unbenommen, sich bei der Durchsetzung ihrer Interessen anwaltlichen Beistands zu bedienen. Dies kann wie in den vorliegenden Fällen auch in solchen eher allgemeinen Beratungsgegenständen erfolgreich und angeraten sein. Es sind allerdings keine von staatlicher Seite zu zahlenden „Hilfen für die Wahrnehmung von Rechten“ (§1 BerHG), sondern der Antragsteller muß diese Dienstleistung selbst bezahlen.
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Zudem ist die Beratungshilfe vorliegend als mutwillig einzustufen. Bei einer bloßen Nachfrage, bei Erläuterungsproblemen oder bei Unverständnis greift die Behördenberatung nach Maßgabe des BVerfG ( NJW-RR 2007, S 1369 ) weiterhin ( siehe insoweit Aufrechterhaltung in der BVerfG vom 11.05.2009). Ein vernünftiger Selbstzahler würde im vorliegenden - einfach gelagerten - Fall zunächst die behördliche Hilfe in Anspruch nehmen. Er würde zur Behörde gehen, sich den Bescheid erläutern lassen und dann ggf. entscheiden, ob er einen - berechtigten - Anspruch weiter verfolgt. Hat sich d. Rechtsuchende, bevor er sich überhaupt mit der Behörde in Verbindung gesetzt hat, direkt an einen Anwalt gewandt, ist die Beratungshilfe wegen Mutwilligkeit abzulehnen (AG Koblenz, Beschl. 16.02.1995, Rpfleger 1995, 508, Beschl. 09.06.1995, FamRZ 1996, 875, Beschl. 15.12.1997, Rpfleger 1998, 206; AG Northeim Beschl. 26.07.1990, Rpfleger 1991, 25; AG Bamberg, Beschl. 28.10.1981, JurBüro 1982, 71; AG Westerburg, Beschl. 15.07.1998, Rpfleger 1998, 478.) Dies ist vorliegend der Fall. Zunächst bedarf es eigener Bemühungen, bevor ein Rechtsanwalt konsultiert wird. Erst wenn diese ausscheiden, kann ( allgemein gesagt) Beratungshilfe bewilligt werden. Hier wäre z.B. ein Termin mit dem JobCenter selbst angebracht. Die Partei könnte dabei vortragen, daß sie gerade nicht vorsätzlich gehandelt habe und der verspäteten Abgabe ein beachtlicher Grund zu Grunde lag und somit diese verspätete Abgabe nicht vorsätzlich, sondern versehentlich war. Damit dürften Gründe für § 31 Abs. I Nr. 1 B und Abs. 6 SGB II nicht ( mehr ) gegeben sein. Von einem solchen Vermittlungsversuch ist nichts dargelegt. Auch dies kann man im Rahmen der Selbsthilfe und unter Beachtung der Mutwilligkeitsbegriffe im Beratungshilferecht zunächst erwarten. Dies würde jeder Selbstzahler ebenfalls bewerkstelligen. Beratungshilfe dient nicht der allgemeinen Überprüfung von Bescheiden. Auch dient Beratungshilfe nicht dazu, mittels Druck oder anwaltlichem Drohpotential ein vielleicht erwünschtes Ergebnis zu beschleunigen oder zu erreichen, wenn die Voraussetzungen z.B. gar nicht vorliegen.
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Überdies wird ein vernünftiger bemittelter Bürger sich nur dann anwaltlicher Hilfe bedienen, wenn er konkrete Erkenntnisse hat, daß die angegriffene Entscheidung falsch ist. Liegen keine solchen Erkenntnisse vor, würde sicherlich kein Selbstzahler zum Rechtsanwalt gehen. Auch die Absicht, einen Widerspruch vornehmen zu wollen indiziert, daß konkrete Mängelsachverhalte gegeben sind. Pauschale Widersprüche im Hinblick auf eine Kostenfreiheit sind nicht Gegenstand der Beratungshilfe. Nicht anders ist die Entscheidung des BverfG vom 11.05.2009 auch zu sehen. Beratungshilfe kann demnach - wie bisher - auch nur dann bewilligt werden, wenn ihr Einsatz sinnvoll ist ( siehe die Entscheidung des BverfG vom 12.06.2007). Dies indiziert ebenfalls, daß konkrete Kenntnis von Unrechtmäßigkeiten vorhanden sind und keine allgemeine Überprüfung von Sachverhalten erfolgen soll.
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Beratungshilfe kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn konkrete Anhaltspunkte ( dies wird im Hinblick auf eine fehlenden Vorsatz gar nicht verneint) bestehen und ein Selbstzahler ebenfalls anwaltliche Unterstützung benötigen würde. Vorliegend würde sich ein Selbstzahler jedenfalls gerade nicht anwaltlicher Hilfe bedienen, da der Sachverhalt wenig komplex und einfach ist. Nach einem Gespräch mit der zuständigen Behörde hätte ein Selbstzahler - sollten sich tatsächlich konkrete Mängel ergeben und sich diese im Gespräch nicht klären lassen - einen Widerspruch ohne anwaltliche Hilfe eingelegt. Insbesondere da ihm hierfür die Protokollierungsfunktion der Behörde selbst zur Verfügung steht. Bei diesem Sachverhalt würde auch ein bemittelter Dritter von der Inanspruchnahme eines Anwaltes absehen, da er hier das Ergebnis einfach und kostengünstiger erreichen kann. Dies gilt insbesondere auch für den Aspekt, daß in ... weitere Hilfsmöglichkeiten vorhanden sind. Durch die vom BVerfG aufgeführte Evidenzprüfung nach Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung entsprechend den Regeln der Kostenerstattung im Sozialrecht kann in „nicht notwendigen Fällen“ durchaus davon ausgegangen werden, daß ein bemittelter Bürger von der Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes auch bei aktiver Verfahrensbeteiligung absehen werde. Dies ist vorliegend gegeben.
III.
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Das Gericht hat vor der Erteilung eines Beratungshilfescheines u.a. zu prüfen, ob dem Rechtsuchenden nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtssuchenden zuzumuten sind und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist, § 1 Absatz 1 Nr. 2 und Nr. 3. und ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beratungshilfe gegeben sind.
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Im Bereich des Sozialrechts darf nicht vergessen werden, daß sich in den vergangenen Jahren ein breites Spektrum an Wohlfahrts- und Sozialverbänden entwickelt hat. So kann bereits in der sie unterstützenden ... eine anderweitige Hilfe gesehen werden. Denkbar wäre auch die Unterstützung karitativer Einrichtungen wie ...,... und ...
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Bei diesem Sachverhalt bestünde aber vor allem zudem beispielsweise die Möglichkeit der Inanspruchnahme der kostenlosen Rechtsberatung durch den Anwaltsverein ... Hierbei bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG, daß Beratungshilfe nicht gewährt wird, sofern anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten sind. Da aber die kostenlose Rechtsberatung durch Rechtsanwälte beim Amtsgericht ... (jeden 1. Mittwoch im Monat durch den Anwaltsverein ) eine andere Möglichkeit i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG darstellt, ist diese grundsätzlich der Beratungshilfe vorzuziehen. (AG Waldshut-Tiengen, AGS 1999, 189.) Auch ein bemittelter Bürger würde sich - vor seinem eigenen Vermögenseinsatz - einer kostenlosen Rechtsberatung bedienen. Der Sachverhalt kann hier einem Volljuristen erläutert und sich anwaltlicher Rat eingeholt werden. Die Klärung - aber zumindest die Beratung - bei einem Rechtsanwalt wird dadurch sichergestellt und kann auch von jedem Rechtsanwalt - auch wenn er kein Fachanwalt für Sozialrecht ist - erwartet werden. Alternativ sind die jeweils erscheinenden Rechtsanwälte im Vorfelde bekannt. Gerne kann das Gericht die voraussichtlichen Berater im Vorfelde benennen, so daß auch Vorbereitung garantiert wäre. Mehrfache Beratung oder aber Beratung von einem Anwalt seiner Wahl ist nach der gesetzliche subsidiären Formulierung nicht zu verlangen.
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Auf die Möglichkeit der Behördenberatung ( Information) und auf die Möglichkeit der kostenlosen Rechtsberatung durch den Anwaltsverein wurde die Partei bereits rechtzeitig mündlich informiert. So wurde ihr insbesondere nahegelegt, am ... diese Möglichkeit zu beanspruchen.
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Das Ausscheiden der Hilfe wurde nicht dargelegt. Tatsächlich sei die Antragstellerin nicht dort gewesen, weil sie „keine Zeit gehabt habe.“ Dieser Grund rechtfertigt jedoch nicht das Ausscheiden dieser Möglichkeit.
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Es steht der Antragstellerin zudem frei, die nächste anwaltliche Beratungsstunde aufzusuchen. Sofern die Widerspruchsfrist abläuft, würde ein zunächst fristwahrender Widerspruch ausreichen, um das Rechtsmittel zu gewährleisten. Die Partei könnte sich daher - in einem Fall, in dem sich ein selbstzahlender Dritter wohl keiner anwaltlichen Hilfe bedienen würde - dennoch anwaltlicher Hilfe in Form einer Beratung zumindest bedienen.
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Der Antrag war daher insgesamt zurückzuweisen, da die Voraussetzungen der Beratungshilfe nicht vorliegen.
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Hinweis des Einsenders :
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Die Entscheidung wurde auf Erinnerung hin vom Richter bestätigt ( Beschluss vom 26.10.2009). Einen allgemeinen Grundsatz dahingehend, dass aufgrund der Komplexität des Sozialhilferechts stets die Bewilligung von Beratungshilfe geboten sei, gebe es nicht.

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