Urteil vom Amtsgericht Krefeld - 6 C 49/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand
2Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen eines Vorfalls geltend, der sich am 00.00.0000 gegen 12:00 Uhr in Krefeld auf der Autobahn 57, in der Nähe der Ausfahrt Krefeld-Zentrum ereignet hat.
3Mit dem VW Golf, amtliches Kennzeichen: 00 – 00 000, dessen Eigentümer der Kläger ist, befuhr die Zeugin N am 00.00.0000 gegen 12:00 Uhr die BAB 57 in Fahrtrichtung Norden auf der linken Spur (Überholspur). Vor ihr befand sich – ebenfalls auf der linken Spur – der Beklagte zu 2) mit dem PKW VW Passat, amtliches Kennzeichen: O – OO OOOO. Der Zeuge L befand sich als Beifahrer in diesem Fahrzeug.
4Der Kläger behauptet, kurz vor der Ausfahrt Krefeld-Zentrum habe der Beklagte zu 2) eine ca. 30 cm lange, runde Eisenstange mit einem Durchmesser von ca. 3,5 cm, an deren Enden noch 2 Flacheisen von 15 cm Länge fast rechtwinklig angeschweißt sind, überfahren und die Stange hierdurch hochgeschleudert, so dass sie sich in die Front seines nachfolgenden Fahrzeuges gebohrt habe. Dadurch sei sein Fahrzeug im Frontbereich beschädigt worden; die Reparaturkosten betragen gemäß Kostenvoranschlag € 779,49 (netto). Zuzüglich € 25,-- Kostenpauschale ergibt sich die Klagesumme von € 804,49.
5Der Kläger ist der Ansicht, das Überfahren eines so großen Gegenstands sei grob fahrlässig.
6Er beantragt,
7die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn € 804,49 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.11.2007 sowie € 120,67 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.11.2007 zu zahlen.
8Die Beklagten beantragen,
9die Klage abzuweisen.
10Sie bestreiten, dass der Beklagte zu 2) mit dem von ihm geführten VW Passat die Eisenstange überfahren und hochgeschleudert und hierdurch das Fahrzeug des Klägers beschädigt zu haben. Ein Überfahren der Eisenstange wäre für die Insassen des VW Passat in jedem Fall wahrnehmbar gewesen; tatsächlich aber hätten weder der Beklagte zu 2) noch sein Beifahrer etwas derartiges wahrgenommen.
11Das Gericht hat den Beklagten zu 2) informatorisch angehört und im übrigen gemäß Beweisbeschluss vom 20.06.2008 (Bl. 33 d.A.) durch Inaugenscheinnahme der Eisenstange und Vernehmung der Zeugin N und des Zeugen L Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.06.2008 (Bl. 32 ff. d.A.) verwiesen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
14Der Kläger hat gegen die Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus dem Vorfall vom 10.10.2007 auf der Autobahn 57, in Höhe der Ausfahrt Krefeld-Zentrum.
15Denn der Kläger hat bereits nicht nachzuweisen vermocht, dass sein Fahrzeug beim Betrieb des vom Beklagten zu 2) geführten VW-Passat beschädigt worden ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bleiben an der Behauptung des Klägers, der Beklagte zu 2) habe mit dem von ihm geführten PKW die Eisenstange überfahren und hochgeschleudert, Zweifel.
16Allerdings hat die Zeugin N ausgesagt, sie habe zur Vorfallzeit mit dem Fahrzeug des Klägers die linke Spur der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von etwa 120 km/h befahren. Vor ihr habe sich in einem Abstand von ca. 60 bis 65 Metern das Fahrzeug des Beklagten zu 2) befunden, das ebenfalls die linke Spur mit einer etwa gleich hohen Geschwindigkeit befahren habe. Es habe trockenes Wetter geherrscht, die Lichtverhältnisse seien gut gewesen. Sowohl auf der rechten als auch auf der linken Spur habe Verkehr geherrscht. Dieser sei aber nicht zähflüssig gewesen. Auch vor dem Fahrzeug des Beklagten hätten sich auf der linken Spur noch andere Fahrzeuge befunden. Kurz vor der Ausfahrt Krefeld-Zentrum sei plötzlich im rechten hinteren Bereich unter dem PKW des Beklagten die später sichergestellte Eisenstange hervorgekommen, die noch auf den Asphalt aufgeschlagen und dann hochgeschleudert sei. Sie habe sich sodann in den Kühlergrill des klägerischen Fahrzeuges gebohrt. Dass das Fahrzeug des Beklagten die Stange überrollt habe, habe sie nicht gesehen.
17Demgegenüber hat der Beklagte zu 2) in seiner informatorischen Anhörung erklärt, es habe auf der Fahrt keinen besonderen Vorfall gegeben, weshalb er die Fahrt nicht in besonderer Erinnerung gehabt habe. Er sei mit dem Zeugen L von einem Kundenbesuch zurückgekommen. Er könne sich nicht erinnern, ein solches Eisenteil überfahren zu haben. Jedenfalls habe er hiervon nichts bemerkt. Das Überfahren eines solchen Eisenteils hätte ihm aber auffallen müssen. Auch an dem VW Passat seien keinerlei Schäden gewesen.
18Die Angaben des Beklagten zu 2) werden durch die Aussage des Zeugen L in vollem Umfang bestätigt. Der Zeuge hat bekundet, es habe auf der Fahrt keinerlei besondere Vorkommnisse gegeben. Ein Überfahren einer Eisenstange habe er nicht wahrgenommen. Weder habe es einen Knall, noch eine Erschütterung oder dergleichen gegeben.
19Aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin N ist das Gericht zwar der Überzeugung, dass das Fahrzeug des Klägers zur Vorfallzeit durch eine auf der Autobahn liegende und hochgeschleuderte Eisenstange beschädigt worden ist. Das Gericht ist aber nicht davon überzeugt, dass diese Eisenstange vom Fahrzeug des Beklagten überrollt und hochgeschleudert worden ist. Zwar hat die Zeugin N ausgesagt, der Gegenstand sei unter dem Fahrzeug des Beklagten im rechten hinteren Bereich zum Vorschein gekommen. Die Zeugin hat aber auch bekundet, sie habe nicht gesehen, dass der Vordermann diesen Gegenstand tatsächlich überrollt habe. Auch hat die Zeugin ausgesagt, der Gegenstand sei so plötzlich aufgetaucht, dass sie nicht mehr habe bremsen oder ausweichen können. Es ist daher nicht auszuschließen, dass durch das unvermittelte Auftauchen des Gegenstands im Bodenbereich der Autobahn die Wahrnehmungsfähigkeit der Zeugin beeinträchtigt war. Jedenfalls konnte und musste sie mit dem plötzlichen Auftauchen eines solchen Gegenstands auf der linken Spur der Autobahn nicht rechnen, so dass auch die Wahrnehmungsbereitschaft der Zeugin zunächst geringer gewesen sein kann.
20Ungeachtet dessen haben die Insassen des vorausfahrenden VW Passat nach der ebenfalls glaubhaften Aussage des Zeugen L und den mit dieser Aussage in Einklang stehenden Angaben des Beklagen zu 2) die Eisenstange nicht wahrgenommen, ein Überfahren der Stange auch nicht bemerkt. Sowohl der Zeuge als auch der Beklagte zu 2) haben übereinstimmend erklärt, keinen Aufprall oder Knall und auch keine Erschütterung oder dergleichen wahrgenommen zu haben.
21Nach der Auffassung des Gerichts ist es aber nicht möglich, dass das Überfahren eines solchen Gegenstands wie der sichergestellten Eisenstange bei einer Geschwindigkeit von etwa 120 km/h von den Insassen des Fahrzeuges unbemerkt bleibt. Sowohl akustisch als auch taktil wäre ein Überrollen der Eisenstange für den Zeugen und den Beklagten zu 2) deutlich wahrnehmbar gewesen. Der Zeuge L und der Beklagte zu 2) haben aber übereinstimmend angegeben, ein derartiges Überrollen eines Gegenstandes auf der Autobahn nicht wahrgenommen zu haben.
22Es ist daher nicht zur Überzeugung des Gerichts der Nachweis geführt, dass das Eisenteil, das sich später in das Fahrzeug des Klägers gebohrt hat, tatsächlich vom Fahrzeug des Beklagten überfahren und hochgeschleudert worden ist. Im Hinblick auf den auf beiden Spuren der Autobahn herrschenden Verkehr, die von den Parteien gefahrene Geschwindigkeit von ca. 120 km/h und die Tatsache, dass die Eisenstange für die Zeugin N plötzlich und unvermittelt auftauchte, bleibt die nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass die Stange von einem anderen Fahrzeug überrollt und hochgewirbelt wurde.
23Ungeachtet dessen wäre nach Auffassung des Gerichts selbst dann, wenn der Nachweis geführt worden wäre, dass das Fahrzeug des Beklagten die auf der Autobahn liegende Stange überrollt und hochgeschleudert hätte, eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen, weil es sich insoweit für den Beklagten zu 2) um ein unabwendbares Ereignis gehandelt hätte.
24Denn das Nichterkennen und Hochschleudern schwer erkennbarer Hindernisse und Gegenstände, für deren Vorhandensein auf der Fahrbahn keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, ist – zumindest unter den hier gegebenen Umständen – nicht vorwerfbar. Wird ein Unfallschaden an einem Kraftfahrzeug dadurch verursacht, dass auf der Autobahn von dem vorausfahrenden Wagen bei hoher Geschwindigkeit ein auf der Fahrbahn liegender Gegenstand hochgeschleudert wird, handelt es sich regelmäßig um ein für den Halter des vorausfahrenden Wagens unabwendbares Ereignis (OLG Hamm, Urt. v. 14.12.1989, 27 U 170/89 = NZV 1990, 231 f.); LG Köln, Urt. v. 28.03.1991, 19 S 384/90 = MDR 1991, 1042; LG Heilbronn, Urt. v. 18.07.1988, 5 S 178/88 = ZfSch 1989, 226 f.; LG Berlin, Urt. v. 11.03.1981, 2 S 349/80 = ZfSch 1981, 325; AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urt. v. 17.09.1985, 1 C 1758/85 = ZfSch 1981, 325).
25Vorliegend handelt es sich um ein graues Eisenteil, das auf der Fahrbahn der Autobahn lag. Wegen des nur geringen Kontrastes zur Fahrbahn und seiner geringen Größe ist es für einen Autofahrer, der wie der Beklagte zu 2) mit einer Geschwindigkeit von etwa 120 km/h die linke Spur einer Autobahn befährt, auf der sich vor ihm und auf der rechten Spur weitere Fahrzeuge befinden, nur sehr schwer erkennbar. Der Beklagte zu 2) musste auch auf der linken Spur der Autobahn nicht mit derartigen auf dem Asphalt liegenden Gegenständen rechnen. Weder ist vom Kläger vorgetragen, noch aus den sonstigen Umständen ersichtlich, dass für den Beklagten zu 2) irgendwelche Anhaltspunkte vorlagen (wie z.B. Baustellenarbeiten), aufgrund derer er mit dem Vorhandensein von Hindernissen auf der Fahrbahn hätte rechnen müssen.
26Zudem haben der Beklagte zu 2) und der Zeuge L übereinstimmend ausgesagt, die Eisenstange auf der Autobahn überhaupt nicht wahrgenommen zu haben. Dass dies unzutreffend ist, ergibt sich auch nicht aus der Aussage der Zeugin N.
27Insoweit wäre ein Überfahren des Eisenteils durch den VW Passat, selbst wenn dies vom Kläger hätte bewiesen werden können, für den Beklagten zu 2) im Hinblick auf die konkreten Umstände (Autobahn, ca. 120 km/h, Art und Größe des Gegenstands, fehlende Anhaltspunkt für Hindernisse auf der Fahrbahn, mangelnde optische Wahrnehmbarkeit) ein unabwendbares Ereignis gewesen.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29Streitwert: € 804,48
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