Urteil vom Amtsgericht Krefeld - 3 C 486/11
Tenor
- Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 680,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.04.2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 101,40 EUR zu zahlen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Schuldner S. war Eigentümer einer Eigentumswohnung in Essen (Stüvestraße 30, Einheit Nr. 15). Als Eigentümer war er der „Mietpoolgesellschaft Tstraße 00 und 00“ beigetreten, deren Geschäftsführer die Beklagte ist (§ 3 Abs. 2 des „Mietpoolvertrags“, Bl. 71 ff. d. GA).
3Nach § 5 Abs. 2 des „Mietpoolvertrags“ wird die Gesellschaft „durch die Kündigung (…) oder den Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst, sondern zwischen den übrigen Gesellschaftern und im Todesfall mit den Erben fortgesetzt. Das Gleiche gilt, wenn über das Vermögen eines Gesellschafters ein Konkurs eröffnet wird.“ Gem. § 6 Abs. 1 verpflichten sich die Gesellschafter, „sämtliche Mieteinkünfte (...) in die Gesellschaft einzubringen“ und treten zu diesem Zweck „die Ansprüche aus bestehenden und zukünftigen Mietverhältnissen zur treuhänderischen Verwaltung an den Geschäftsführer der Gesellschaft ab und ermächtigen diesen, die Rechte und Ansprüche aus den Mietverhältnissen im eigenen Namen geltend zu machen. Die Gesellschafter verpflichten sich, die Mietverträge (…) nicht selbst abzuschließen“. § 7 Abs. 2 lautet auszugsweise wie folgt: „Der Geschäftsführer ist insbesondere berechtigt und verpflichtet, (…) im eigenen Namen die fälligen Mieten einzuziehen (…). Die Mietverhältnisse sind in dem Namen des jeweiligen Wohnungseigentümers abzuschließen.“
4S. verstarb am 24.06.2010. Es wurde eine Nachlasspflegerin für die unbekannten Erben bestellt. Unter dem 08.02.1989 hatte S. allerdings mittels eines notariell beurkundeten Testaments S. C. zu seiner „alleinigen Erbin“ bestimmt. Auf Bl. 58 f. d. GA wird Bezug genommen.
5Unter dem 26.01.2011 unterzeichneten die Mieter V., G. und T. sowie ein Mitarbeiter der Beklagten einen ab dem 01.02.2011 gültigen Mietvertrag über die vorgenannte Wohnung des verstorbenen S., wobei als Vermieterin „C. S.“, „vertreten durch“ die Beklagte aufgeführt wird. Auf Bl. 13 ff. d. GA wird Bezug genommen. Am 28.01.2011 händigten die Mieter dem Mitarbeiter der Beklagten u. a. 680,00 EUR als Kaution gem. § 7 des Mietvertrags aus.
6Aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Essen vom 18.03.2011 (185 L 011/11, s Bl. 97 d. GA) wurde der Kläger zum Zwangsverwalter des oben bezeichneten Wohnungseigentums bestellt.
7Mit Schreiben vom 18.04.2011 bat der Kläger die Beklagte, die Kaution bis zum 25.04.2011 auszukehren (Bl. 37 f. d. GA). Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.08.2011 wiederholte er dieses Begehren (Bl. 40 f. d. GA).
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 680,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8
10Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 26.04.2011 sowie
11vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 101,40 EUR zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie verweist auf ein Urteil des erkennenden Gerichts vom 10.03.2011 (3 C 534/10, Bl. 68 ff. d. GA). Im Übrigen macht sie geltend, dass die Kaution der „Mietpoolgesellschaft“ zugeflossen sei.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Die Klage hat im Wesentlichen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung eines Betrags in Höhe der geleisteten Kaution (680,00 EUR) nebst Zinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB und Rechtsanwaltskosten gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB verlangen. Es handelt sich um einen – nicht von der Beschlagnahme umfassten – Anspruch der Erbin des S. gem. § 280 Abs. 1 BGB, zu dessen Geltendmachung der Kläger – unter Abkehr von der im Urteil vom 10.03.2011 (3 C 534/10) vertretenen Auffassung (Bl. 68 ff. d. GA) – befugt ist. Im Einzelnen:
18I.1.
19Die Zwangsverwaltung ist darauf gerichtet, die laufenden, aus der ordnungsgemäßen Nutzung des Grundstücks stammenden Erträge zur Befriedigung des Gläubigers einzusetzen, während dem Schuldner die Substanz des Vermögensgegenstands ungeschmälert erhalten bleibt. Zugleich soll sie den Gläubiger vor einer Wertminderung des Objekts und sonstigen Beeinträchtigungen schützen (vgl. BGH NZM 2005, 156).
202.Die Anordnung der Zwangsverwaltung vom 18.03.2011 hatte zur Folge, dass S. C. – unstreitig Erbin des S. – die Verwaltung und Benutzung des Wohnungseigentums entzogen wurde (§ 148 Abs. 2 ZVG). Insbesondere waren Anordnung und Beschlagnahme wirksam. Nach § 17 ZVG i. V. m. § 146 ZVG erfolgt die Beschlagnahme gegenüber dem Schuldner, der als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beschlagnahme richtet sich nach § 22 Abs. 1 ZVG und § 151 Abs. 1 ZVG. Soweit ein Schuldner – wie S. am 24.06.2010 – vor Beginn der Zwangsvollstreckung verstirbt, also kein Fall des § 779 ZPO vorliegt, kann der Gläubiger gem. § 1961 BGB die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragen, wenn die Erben unbekannt sind. Die im Rahmen der Zwangsvollstreckung erforderlichen Zustellungen sind dann an den Nachlasspfleger zu richten. Die Nachlasspflegschaft endet erst mit der Aufhebung des Beschlusses des Nachlassgerichts, unabhängig davon, ob die Bestellungsvoraussetzungen zwischenzeitlich weggefallen sind oder nicht vorlagen (vgl. OLG Köln NJW-RR 1997, 1091). Gemessen daran ist ohne Belang, dass erst später die Erbin des S. bekannt geworden ist.
213.a)Die mit der Zwangsverwaltung einhergehende Verpflichtung des Klägers, das Grundstück ordnungsgemäß zu nutzen, beinhaltet insbesondere die Pflicht, das Grundstück bzw. das Wohnungseigentum zu vermieten.b)Ferner hat ein Zwangsverwalter die Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen. Die Beschlagnahme des Grundstücks zum Zwecke der Zwangsverwaltung umfasst dabei – anders als die Beschlagnahme im Rahmen der Zwangsversteigerung – namentlich die Miet- und Pachtforderungen sowie die Ansprüche aus einem mit dem Eigentum an dem Grundstück verbundenen Recht auf wiederkehrende Leistungen, § 148 Abs. 1 S. 1 ZVG i. V. m. § 21 Abs. 2 ZVG.
224.Da ein Zwangsverwalter kein Rechtsnachfolger des Schuldners ist (vgl. BGH NZM 2005, 596, 597), ist er im Übrigen an vom Schuldner abgeschlossene Verträge grundsätzlich weder gebunden noch verpflichtet, in diese einzutreten, auch wenn sie – wie etwa Energieversorgungsverträge – einen engen Bezug zum Gegenstand der Zwangsverwaltung aufweisen. Solche Rechtsgeschäfte wirken ausschließlich für und gegen den Schuldner (Böttcher/Keller, ZVG, 5. Auflage 2010, § 152 Rn. 51). Insbesondere kann ein Zwangsverwalter frei entscheiden, ob er etwa einen Hausverwaltungsvertrag fortführen will (nur im Einzelfall pflichtgemäß nach Böttcher/Keller a. a. O., Rn. 52; vgl. aber zum – missverständlichen – Begriff des „Eintritts“ BAG, Urt. v. 09.01.1980 – 5 AZR 21/78, zitiert bei juris).
235.Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Zwangsverwalter nicht an die vom Schuldner abgeschlossenen Verträge gebunden ist, sieht allerdings § 152 Abs. 2 ZVG vor. Hiernach ist ein Mietvertrag ihm gegenüber wirksam, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter überlassen worden ist. Unter den Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 ZVG wird der Zwangsverwalter in Ansehung der Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis wie ein Vermieter behandelt, auch wenn es sich nicht um einen Fall der Rechtsnachfolge handelt. Der Zwangsverwalter kann mithin nicht nur diejenigen Mietforderungen, die der Beschlagnahme nach §§ 1123 f. BGB unterliegen, geltend machen. Vielmehr trifft ihn auch eine mietrechtliche Haftung. Insbesondere ist er dem Mieter gegenüber verpflichtet, eine Kaution herauszugeben, und dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn er vom Vermieter die Kaution nicht übergeben bekommen hat (NZM 2005, 596 ff.).
24Die vorstehend aufgezeigten Grundsätze gelten nach Auffassung des Gerichts auch dann, wenn der Erbe des Schuldners einem Mieter die Wohnung vor der Beschlagnahme (zur Möglichkeit der Genehmigung des Vertrags im Fall der Überlassung nach Beschlagnahme vgl. OLG Hamm BeckRS 1993, 30981469) überlassen hat. Dies ist vorliegend der Fall, da das Mietverhältnis bereits zum 01.02.2011 begann (Bl. 14 d. GA), während die Zwangsverwaltung erst am 18.03.2011 angeordnet wurde. Soweit in dem Mietvertrag der Name „C. S.“ aufgeführt wird, ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein bloßer Schreibfehler vorliegt. Der Anwendung des § 152 Abs. 2 ZVG steht auch BGH NJW 1986, 2438, 2440 nicht entgegen. Soweit dort davon die Rede ist, dass § 152 Abs. 2 ZVG nur bei einer Vermietung durch den Vollstreckungsschuldner gilt, schließt dies nicht aus, die vorgenannte Vorschrift bei einer Vermietung durch den Erben als Rechtsnachfolger des Schuldners heranzuziehen. Nichts anderes ergibt sich schließlich daraus, dass die Überlassung der Wohnung offenbar während der Anordnung der Nachlasspflegschaft erfolgt ist. Die Verfügungsmacht des Erben wird nämlich nicht durch die Nachlasspflegschaft berührt (vgl. BeckOK/Siegmann/Höger, BGB, Stand: 01.05.2012, § 1960 Rn. 10).
256.Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass der Zwangsverwalter befugt ist, von dem Schuldner die Überlassung einer vor der Beschlagnahme von einem Mieter des Objekts geleisteten Mietkaution zu verlangen, wobei offengelassen wurde, ob sich die Beschlagnahme nach §§ 148 Abs. 1 S. 1, 21 Abs. 2 ZVG unmittelbar auf den Anspruch auf Überlassung der Mietkaution erstreckt, obwohl eine Kaution, anders als Miet- und Pachtzahlungen, nicht für die Raumnutzung entrichtet wird (vgl. NZM 2006, 71, 72). Die Ermächtigung im Sinne von § 150 Abs. 2 ZVG, sich den Besitz zu verschaffen, stellt überdies – im Verhältnis zum Schuldner (vgl. allgemein BGH NJW 1986, 2438, 2439 f.) – einen Vollstreckungstitel dar, der sich nicht nur auf die von der Beschlagnahme erfassten, sondern auch sonst für die Tätigkeit des Zwangsverwalters notwendigen Gegenstände erstreckt. Hiernach steht es dem Zwangsverwalter zwar nicht frei, aufgrund des Beschlusses über die Anordnung der Zwangsverwaltung nebst der Ermächtigung zur Besitzergreifung die Pfändung wegen eines Geldbetrags in Höhe der Mietkaution in das Vermögen des Schuldners zu betreiben. Möglich ist es aber, nach § 883 ZPO vorzugehen. Findet der Gerichtsvollzieher die Kautionssumme gegenständlich oder darauf verweisende Unterlagen nicht vor, kann schließlich nach § 883 Abs. 2 ZPO verfahren werden (vgl. BGH NZM 2006, 71, 72). Zu den Unterlagen im vorgenannten Sinn wird auch das Kautionssparbuch gezählt (vgl. AG Ludwigsburg BeckRS 2009, 27227; s. auch BGH a. a. O.), wobei die Vollstreckung in diesem Fall teilweise als Hilfspfändung entsprechend § 836 Abs. 3 ZPO qualifiziert wird (vgl. Böttcher/Keller, ZVG, 5. Auflage 2010, § 150 Rn. 7).
267.Nicht – soweit ersichtlich – ausdrücklich entschieden hat der Bundesgerichtshof indessen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Zwangsverwalter gegenüber Dritten, die weder Mieter oder Schuldner sind, in Ansehung der Kaution Ansprüche geltend machen kann.
27a)Die vorgenannte Frage kann sich im Kern bereits dann stellen, wenn der Schuldner als Vermieter von Wohnraum vor der Beschlagnahme eine Barkaution gesetzeskonform gem. § 551 Abs. 3 BGB angelegt hat und der Zwangsverwalter, dem gegenüber der Mietvertrag gem. § 152 Abs. 2 ZVG wirksam ist, während des Mietverhältnisses auf die Kaution zum Zwecke der Befriedigung zugreifen will (vgl. hierzu allgemein BeckOK/Ehlert, BGB, Stand: 01.08.2012, § 551 Rn. 32). Im Ergebnis wird insoweit – gleichsam selbstverständlich – vorausgesetzt, dass der Zwangsverwalter jedenfalls im Fall einer gesetzeskonformen Anlage über die Kaution verfügen könne (für eine durch die Herausgabe des Sparbuchs zu schaffende „Zugriffsmöglichkeit“ etwa Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Auflage 2008, § 551 Rn. 92 und § 566a BGB Rn. 23 [Übergang der „Verwaltungsbefugnis“ bei der Anlage auf einem Treuhandkonto]; s. ferner BGH NZM 2005, 596, 598). Dies kann nur dahin verstanden werden, dass der Zwangsverwalter den Anspruch auf Auszahlung des Kautionsguthabens gegenüber dem Kreditinstitut „ohne weiteres“ und berechtigterweise, also nicht nur wegen § 808 BGB geltend zu machen vermag, obwohl es sich hierbei nicht um eine Mietforderung im Sinne von § 1123 BGB bzw. § 21 Abs. 2 ZVG handelt.
28b)Die vorgenannte Annahme, es bestehe eine „Zugriffsmöglichkeit“ ließe sich ohne weiteres rechtfertigen, wenn man der Auffassung folgte, dass sich die Beschlagnahme (nach Maßgabe der §§ 22 Abs. 1 S. 3, 151 Abs. 3 ZVG) auch auf solche Ansprüche (etwa gem. §§ 488, 700 BGB) erstreckt, die sich gegen sonstige Dritte (insbesondere Kreditinstitute) richten, aber einen engen Bezug zu einem nach § 152 Abs. 2 ZVG dem Zwangsverwalter gegenüber wirksamen Mietverhältnis aufweisen. Hierfür könnte sprechen, dass eine gem. § 551 Abs. 3 BGB angelegte, vom Mieter zuvor in bar geleistete Kaution bei wertender Betrachtung nicht anders behandelt werden kann als akzessorische Mietsicherheiten (vgl. allgemein zur Erstreckung der Beschlagnahme auf Nebenrechte gem. §§ 401, 412 BGB BGH NJW-RR 2003, 1555 f.). Nach Auffassung des Gerichts steht dem vorgenannten Ansatz indessen der Wortlaut der §§ 1123 f. BGB, 21 Abs. 2 ZVG entgegen (anders u. U. Keller NZI 2009, 745, 748, nach welchem auch die vom Mieter „gestellte“ Kaution „beschlagnahmt“ ist; s. auch Böttcher/ders., ZVG, 5. Auflage 2010, § 148 Rn. 6).
29c)Vorzugswürdig ist demgegenüber die Annahme, dass die wirksame Anordnung der Zwangsverwaltung die Befugnis des Zwangsverwalters begründet, bestimmte, mit dem nach § 152 Abs. 2 ZVG wirksamen Mietverhältnis wesensmäßig verknüpfte Ansprüche verfolgen zu können, selbst wenn diese nicht der Beschlagnahme unterliegen.
30aa)Im Grundsatz ist anerkannt, dass sich die Prozessführungsbefugnis eines Zwangsverwalters nicht ausnahmslos nach dem Umfang der Beschlagnahme richtet. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er auch Ansprüche geltend machen, die nicht der Beschlagnahme unterliegen. Letzteres ist zwar zu verneinen in Ansehung solcher Ansprüche, deren Durchsetzung erst die Voraussetzungen für eine Zwangsverwaltung schaffen sollen (vgl. BGH NJW 1986, 2438, 2439 f.). Auf der Hand liegt die Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters indessen, soweit der Mieter auf die beschlagnahmte Mietforderung analog § 407 BGB mit befreiender Wirkung geleistet hat und der Zwangsverwalter nach § 816 Abs. 2 BGB vorgehen will (s. zu § 816 Abs. 2 BGB BGH NZI 2009, 862, 863), obwohl der geleistete Betrag, selbst wenn er noch unvermischt beim Schuldner vorhanden ist, nach verbreiteter Ansicht nicht von der Beschlagnahme erfasst wird (vgl. MüKo/Eickmann, BGB, 5. Auflage 2009, § 1123 Rn. 12 m. w. N.) Ferner hat der Bundesgerichtshof die Berechtigung des Zwangsverwalters zur Geltendmachung solcher Ansprüche bejaht, die sich aus einer rechtsgrundlosen Benutzung der der Zwangsverwaltung unterliegenden Sache sowie der Verletzung von Besitzrechten ergeben. Die Durchsetzung dieser Rechte diene dazu, eine Schmälerung der nach § 155 ZVG zu verteilenden Nutzungen abzuwenden (NJW-RR 2007, 265, 266). Schließlich hat etwa das Oberlandesgericht Düsseldorf zumindest in Erwägung gezogen, dass der Zwangsverwalter mit Blick auf seine Unterhaltungspflicht berechtigt sein könnte, einen vom Mieter verursachten Gebäudeschaden zu regulieren, die Forderung einzutreiben und die Reparatur der Mietsache zu veranlassen (vgl. Urt. v. 20.03.2009 – 22 U 168/08, zitiert bei juris). Die vorstehenden Ausführungen erhellen, dass der Grundsatz, die Zwangsverwaltung begründe nicht die Befugnis zur Geltendmachung sog. persönlicher Ansprüche des Schuldners, letztlich unter gewissen Vorbehalten steht (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, Urt. v. 14.04.2005 – V ZR 16/05, zitiert bei juris, und OLG Celle NJW-RR 1989, 1200 ff., jeweils zur Fortführung eines auf dem beschlagnahmten Grundstück vorhandenen Betriebs; s. aber auch OLG Hamm NJW-RR 2001, 394 zur Kündigung eines Versicherungsvertrags).
31bb)Vorliegend stellt sich indessen – noch weitergehend – die Frage, ob ein Zwangsverwalter auch berechtigt ist, gegenüber einem Dritten, der für den Schuldner oder dessen Erben die Vermietung des nunmehr der Zwangsverwaltung unterliegenden Objekts veranlasst und in diesem Zuge die Kaution entgegengenommen hat, Ansprüche geltend zu machen.
32Mit Blick auf BGH NZM 2006, 71, 72 kann insoweit zunächst kein Zweifel bestehen, dass ein Zwangsverwalter aufgrund des Anordnungsbeschlusses in Verbindung mit der Ermächtigung zur Besitzergreifung gegenüber dem Schuldner nicht nur gem. § 883 ZPO, sondern auch nach § 886 ZPO vollstrecken und nötigenfalls im Drittschuldnerprozess die Herausgabe eines von einer Hausverwaltungsgesellschaft verwahrten Sparbuchs erstreiten kann. Zweifelhaft ist in diesem Fall allein, ob eine gesonderte Überweisung nach § 886 ZPO entbehrlich ist. Entsprechendes wird jedenfalls angenommen für den Fall, dass sich im Rahmen der Hilfspfändung gem. § 836 Abs. 3 ZPO die herauszugebenden Urkunden im Besitz eines Dritten – einschließlich des Drittschuldners – befinden. Hier kann der Gläubiger den Dritten auf Herausgabe verklagen, da der Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten bereits zusammen mit der Forderung als überwiesen gilt (vgl. BeckOK/Riedel, ZPO, Stand: 01.01.2013, § 836 Rn. 15 und 15.1; vgl. aber BGH NZM 2008, 478, 479, wonach § 836 Abs. 3 S. 3 ZPO bei der Vollstreckung beim Schuldner aufgrund von § 150 Abs. 2 ZVG gerade nicht einschlägig ist). Der letztgenannte Punkt ist eng verknüpft mit der in diesem Prozess unmittelbar streitentscheidenden Frage, da die Rechtswirkungen der Annahme, ein Zwangsverwalter könne „ohne weiteres“ bestimmte wesensmäßig mit dem Mietverhältnis verknüpfte Ansprüche des Schuldners verfolgen, auch wenn sie nicht der Beschlagnahme i. e. S. unterliegen, den Wirkungen einer Überweisung im Sinne von § 836 Abs. 1 ZPO zumindest ähneln.
33cc)Nach Auffassung des Gerichts ist dem Anordnungsbeschluss die Rechtswirkung zuzusprechen, dass der Zwangsverwalter „ohne weiteres“ solche Ansprüche des Schuldners geltend machen kann, die sich als Fortsetzung des Anspruchs auf Überlassung der Kaution darstellen, weil sich der Schuldner eines Dritten beim Einzug der Kaution bedient hat. Hierfür spricht ein dringendes Bedürfnis. Der Zwangsverwalter ist verpflichtet, dem Mieter nach Abschluss des Mietverhältnisses die Kaution zurückzuzahlen und dies, wie aufgezeigt, auch dann, wenn er die Kaution vom Schuldner nicht erhalten hat. Außerdem trifft ihn im Rahmen des § 551 BGB die Pflicht zur ordnungsgemäßen Anlage (vgl. zur erstmaligen Mietkautionsanlagepflicht BGH NZI 2009, 622 f.). Die Durchsetzung des in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Rechts dient also dazu, eine Schmälerung der nach § 155 ZVG zu verteilenden Nutzungen abzuwenden.
34Kein Widerspruch ergibt sich daraus, dass die Berechtigung zur Geltendmachung nicht beschlagnahmter Ansprüche ihr Ende mit Aufhebung der Zwangsverwaltung findet (vgl. BGH NJW-RR 2007, 265, 266), da ein Zwangsverwaltung nach diesem Zeitpunkt auch nicht mehr auf Auszahlung der Kaution vom Mieter in Anspruch genommen werden kann (vgl. BGH NZM 2006, 312 ff.).
35Der hier vertretene Grundsatz läuft ferner nicht auf eine Umgehung des Grundsatzes hinaus, dass der Zwangsverwalter nicht befugt ist, aufgrund des Anordnungsbeschlusses in Verbindung mit der Ermächtigung zur Besitzergreifung die Zwangsvollstreckung wegen eines Geldbetrags in Höhe der Kaution gegenüber dem Schuldner die Zwangsvollstreckung zu betreiben (vgl. BGH NZM 2006, 71, 72). Soweit der Bundesgerichtshof a. a. O. eine entsprechende Befugnis verneint, folgt dies lediglich aus dem Wortlaut des § 150 Abs. 2 ZVG. Nicht ersichtlich ist indessen, dass die Notwendigkeit gesehen wurde, stets und ausnahmslos erst ein Erkenntnisverfahren gegen den Schuldner zu führen, in welchem dieser etwa auf Abtretung einer gegen einen Dritten (z. B. ein Kreditinstitut) gerichteten Forderung auf Auszahlung der bei diesem angelegten Kaution in Anspruch zu nehmen wäre. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Schuldner ohnehin zur Überlassung der Kaution verpflichtet ist und – wie aufgezeigt – gleichsam selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass das Vorgehen gem. § 150 Abs. 2 ZVG i. V. m. §§ 883 ff. ZPO den „Zugriff“ auf die Kaution sicherstellen soll. Jene „Zugriffsmöglichkeit“ rechtfertigt sich wiederum daraus, dass die Kaution vom Schuldner treuhänderisch zu halten war. Im Übrigen ist es nach Auffassung des Gerichts auch nicht angezeigt, die vorgenannte Befugnis des Zwangsverwalters zur Geltendmachung „kautionsbezogener“ Ansprüche des Schuldners gegen Dritte von den Anforderungen abhängig zu machen, unter denen Mieter insolvenzrechtlich zur Aussonderung befugt sind (vgl. insoweit BGH NJW 2008, 1152 f.). Dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung wird bereits dann Rechnung getragen, wenn sich der Anspruch gegen den Dritten als bloße Fortsetzung des ursprünglichen (gegen den Mieter gerichteten) Anspruchs auf Überlassung der Kaution darstellt, weil sich der Schuldner eines Dritten zur Anlage oder Verwaltung der Kaution bedient hat. Es macht bei wertender Betrachtung für die Gläubiger des Schuldners, dessen Interessen der Zwangsverwalter wahrzunehmen hat, keinen Unterschied, ob der Schuldner selbst (ggf. über § 164 Abs. 1 S. 1 BGB) einen Anspruch gegen Dritte (z. B. Kreditinstitut) auf Auszahlung des Kautionsguthabens begründet, ein Dritter (etwa eine Verwaltungsgesellschaft) seinerseits im eigenen Namen – mithin wiederum treuhänderisch – für eine Anlage bei einem Kreditinstitut gesorgt, eine Anlage unterlassen oder die Kaution verbraucht hat. In allen Fällen dient die Geltendmachung des Anspruchs (auf Auszahlung des Guthabens, Herausgabe eines etwaigen treuhänderisch gehaltenen Anspruchs auf Auszahlung des Guthabens oder Zahlung eines Betrags in Höhe der nicht angelegten Kaution) lediglich der Verhinderung einer Schmälerung der Nutzungen. Die hier bejahte Befugnis des Klägers stellt sich nach alledem lediglich als Kehrseite und Konsequenz der Rechtsprechung zur Kautionsrückzahlungspflicht des Zwangsverwalters dar. Nichts anderes gilt, wenn – wie vorliegend – die Vermietung durch den Erben des Schuldners erfolgt ist. Dem in Anspruch genommenen Dritten erwächst schließlich kein Nachteil. Da der Zwangsverwalter lediglich einen nicht beschlagnahmten Anspruch gegen den Dritten geltend macht, können ihm ohne weiteres Einwendungen aus dem jeweiligen Vertragsverhältnis entgegengehalten werden. So stünde es insbesondere einem Kreditinstitut frei, sich auf eine Kündigungsfrist zu berufen, mag sie auch § 551 Abs. 3 BGB nicht entsprechen.
368.a)Ist die Prozessführungsbefugnis des Klägers damit zu bejahen, so kann er allerdings keinen Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB geltend machen. Die Beklagte war aus Sicht der Mieter bereits nicht Empfängerin einer Leistung. Insoweit wird auf AG Zossen, Teilurteil v. 22.12.2009 – 7 C 212/09 und AG Bremen, Urt. v. 23.10.2007 – 4 C 206/07, jeweils zitiert bei juris, Bezug genommen.
37b)Allerdings kann der Kläger nach Auffassung des Gerichts einen Anspruch der Erbin des S. aus § 280 Abs. 1 BGB geltend machen.
38aa)Zwischen der Erbin des S. und der Beklagten bestand im Zeitpunkt des Einzugs der Kaution ein Schuldverhältnis. Aufgrund der testamentarischen Erbeinsetzung und § 5 Abs. 2 des „Mietpoolvertrags“ ist die Erbin des S. Gesellschafterin der „Mietpoolgesellschaft“ geworden. Die entsprechende gesellschaftsvertragliche Bestimmung hat die Gesellschafterstellung vererblich gestellt. Kraft des Erbfalls ist es zu einem unmittelbaren Erwerb gekommen (vgl. BGH NJW 1977, 1339 ff.). Der – auch unter Beachtung des RBerG noch zu billigende (vgl. KG BeckRS 2002, 30287514) – „Mietpoolvertrag“ zeichnet sich im Übrigen dadurch aus, dass die Vermietung im Namen des jeweiligen Eigentümers erfolgt (§ 7 Abs. 2). Mietvertragspartei soll im Außenverhältnis ausschließlich der jeweilige Eigentümer sein, welcher wiederum der Beklagten – und nicht der „Mietpoolgesellschaft Tstraße 00 und 00“ – nach Maßgabe von § 3 Abs. 3 und § 6 Abs. 1 des „Mietpoolvertrags“ die Ansprüche aus den Mietverhältnissen treuhänderisch abgetreten hat. Die Rechtsbeziehungen der Beklagten zu den einzelnen Eigentümern bzw. Gesellschaftern einschließlich der Erbin des S. erschöpfen sich hiernach nicht in einer gewöhnlichen gesellschaftsvertraglichen Verbindung. Vielmehr bedient sich der jeweilige Eigentümer bzw. Gesellschafter bei der Vermietung im Außenverhältnis der Beklagten als Treuhänderin. Entsprechend ist auch im vorliegenden Fall verfahren worden. Soweit die Beklagte geltend macht, lediglich als Vertreterin der „Mietpoolgesellschaft“ gehandelt zu haben, ist dies dem Mietvertrag vom 26.01.2011 ist nicht zu entnehmen.
39bb)Die Beklagte hat eine Pflicht aus dem vorgenannten Schuldverhältnis verletzt. Sie hat vorgetragen, die vereinnahmte Kaution an die „Mietpoolgesellschaft“ weitergeleitet zu haben. Aus diesem Vorbringen, was sich der Kläger hilfsweise zu Eigen gemacht hat (Bl. 86 d. GA), ergibt sich eine Pflichtverletzung. Zwar sind die Gesellschafter nach § 6 Abs. 1 des „Mietpoolvertrags“ verpflichtet, sämtliche „Mieteinkünfte“ in die Gesellschaft einzubringen. Die Beklagte ist sodann gem. § 7 Abs. 4 verpflichtet, die für die Gesellschaft eingezogenen Mieten und sonstigen Gelder und Gegenstände getrennt von ihrem Vermögen zu halten und Gelder, die der Gesellschaft zustehen, unverzüglich auf ein Konto einzuzahlen, das unter dem Namen der Gesellschaft geführt wird. Nach Auffassung des Gerichts fällt die von einem Mieter geleistete Kaution allerdings weder unter den Begriff der „Mieteinkünfte“ noch handelt es sich um „Geld, das der Gesellschaft zusteht“. Vielmehr stellt die Kaution einen Vermögenswert dar, der dem Mieter zuzuordnen ist und vom Vermieter für diesen treuhänderisch zu halten ist, um etwaige eigene Ansprüche – welche dann der Erzielung von Einkünften gem. § 535 BGB dienen – zu sichern. Im Übrigen hat der einzelne Vermieter ein evidentes und allein wegen § 266 StGB dringendes Interesse daran, dass die Kaution unter Offenlegung des Sicherungszwecks gem. § 551 Abs. 3 BGB angelegt wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich nach Auffassung des Gerichts aus dem „Mietpoolvertrag“ in Ermangelung einer ausdrücklich anderslautenden Regelung keine Befugnis der Beklagten ableiten, den geleisteten Kautionsbetrag an die „Mietpoolgesellschaft“ weiterzuleiten. Schließlich hat sich die Beklagte auch nicht exkulpiert, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.
40cc)Rechtsfolge ist, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Erbin des S. so zu stellen, als hätte sie keine Pflicht verletzt, § 249 BGB. Bei pflichtgemäßem Handeln hätte die Beklagte im Zweifel für eine Anlage der Kaution in Höhe von 680,00 EUR gem. § 551 Abs. 3 BGB im Namen der Erbin des S. sorgen, jedenfalls aber deren Weiterleitung unterlassen müssen.
41c)Nach alledem kann dahinstehen, ob sich auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 1. Fall BGB ergeben könnte.
429.
43Die Nebenforderungen sind gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB und § 288 Abs. 1 BGB begründet. § 288 Abs. 2 BGB greift indessen nicht.
44II.
45Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
46Streitwert: 680,00 EUR.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.