Urteil vom Amtsgericht Lemgo - 8 F 211/05
Tenor
I.
Die am 23. November 2001 vor dem Standesbeamten des Standesamts C unter Heiratseintragnummer 500/2001 geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.
II.
Vom Konto Nr. 111 der Frau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Konto des Herrn bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen Rentenanwartschaften von monatlich 69,89 €, bezogen auf den 30.06.05, übertragen. Dabei entfallen 4,93 € auf den Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung der Frau bei dem BVV Versorgungskasse des Bankgewerbes in Berlin.
Der übertragene Betrag ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
III.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
1
Tatbestand und Entscheidungsgründe
2I. (Scheidung)
3Die am 3.02.1964 geborene Antragstellerin und der am 2.09.1963 geborene Antragsgegner haben am 23.11.2001 geheiratet. Sie sind beide deutsche Staatsangehörige. Aus der Ehe sind die am 08.01.1996 geborene Tochter V, der am 27.10.1998 geborene Sohn L und die am 09.09.2001 geborene Tochter F hervorgegangen. Die Kinder leben im Haushalt der Mutter. Die elterliche Sorge wird gemeinsam ausgeübt.
4Die letzte gemeinsame Wohnung der Eheleute befand sich in C. Seit dem 01.04.2004 leben die Parteien voneinander getrennt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Antragsgegner aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Seitdem haben die Parteien nicht mehr zusammen gelebt.
5Die Antragstellerin beantragt,
6die am 23.11.2001 geschlossene Ehe zu scheiden.
7Der Antragsgegner stimmt der Scheidung zu.
8Der Scheidungsantrag ist begründet. Die Ehe der Parteien ist gemäß § 1565 Abs. 1 BGB zu scheiden, weil sie zerrüttet ist. Die persönliche Anhörung der Eheleute hat bestätigt, dass sie seit mehr als einem Jahr unter Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft voneinander getrennt leben. Sie lehnen beide eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft ab. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass die Ehe gescheitert ist.
9II. (Versorgungsausgleich)
10Während der Ehezeit (01.11.2001 bis 30.06.2005) hat der Ehemann keine in den gesetzlichen Versorgungsausgleich einzubeziehenden Versorgungsanwartschaften erworben. Er war selbstständig tätig und hat ein Restaurant betrieben. Das Unternehmen wurde zwischenzeitlich insolvent. Nach seinen eigenen Angaben besteht seine Altersversorgung zur Zeit aus einer Kapitallebensversicherung mit einem erst geringfügig angesparten Kapital.
11Die Ehefrau war und ist als Bankkauffrau tätig. Ihre Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung belaufen sich nach Auskunft des Versicherungsträgers auf monatlich 129,91.
12Darüber hinaus hat sie unverfallbare Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung über die Versorgungskasse des Bankgewerbes (BVV). Dort besteht eine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.08.1983. Nach den derzeitigen Bemessungsgrundlagen hat die Antragstellerin Anspruch auf eine künftige Versorgung in Höhe einer jährlichen Stammrente von 6.737,28 € und einer Überschussrente in Höhe von 1099,56 €.
13Das ergibt sich aus der Auskunft der BVV vom 08.09.2005.
14Die Stammrente ist noch in dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Versicherungsdauer zu der Zeit vom Beginn der Versicherungsdauer bis zum Erreichen der Altersgrenze (1. März 2029) zu kürzen.
15Im Hinblick auf die Gesamtzeit von 548 Monaten zu der Ehezeit von 44 Monaten ergibt sich ein Ehezeitanteil von 8,0292 %. Dann beläuft sich der ehezeitliche Betrag auf 540,95 €.
16Die Überschussrente ist noch im Verhältnis der in die Versicherungszeiten fallenden Ehezeit zur gesamten Versicherungsdauer bis zum Ende der Ehezeit herabzusetzen. Insoweit ergibt sich ein Verhältnis von 263 Monaten zu 44 Monaten, also von 16,73 %. Daraus errechnet sich ein Betrag von 183,96 €.
17Diese Rentenbeträge sind als im Anwartschaftsstadium und Leistungsstadium statisch anzusehen.
18Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des BVV an. Die Anwartschaften steigen nicht mehr in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie die Werte in der Beamtenversorgung beziehungsweise in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Überschusszuteilung wurde erheblich herabgesetzt, seit 2004 sind Anpassungszuschläge sowohl für Anwärter als auch für Rentner vollständig ausgesetzt. Es ist davon auszugehen, dass auch in den nächsten Jahren keine Zahlung von Anpassungszuschlägen erfolgt.
19Somit müssen die Anwartschaften bei dem BVV nunmehr als statisch angesehen werden. Es hat eine Umrechnung in dynamische Anwartschaften zu erfolgen.
20Es gilt für die Stammrente: Zunächst ist nach der BarwVO der Barwert zu berechnen. Es sind die Werte der Tabelle 1 der BarwVO zu verwenden, weil die Versorgung für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist.
21Alter bei Ehezeitende: 41
22Barwertfaktor: 3
23Barwert: 3 x 540,95 € = 1.622,85 EUR
24Aus Barwert oder Deckungskapital wird eine dynamische Rente in der Weise berechnet, dass der Wert fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Somit ist der Betrag mit dem für das Ehezeitende geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte (EP) und diese mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts (ARW) nach § 1587a Abs. 3, 4 BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen.
25Umrechnungsfaktor Beiträge in EP: 0,0001734318
26Entgeltpunkte: 0,2815
27aktueller Rentenwert: 26,13 EUR
28EUR dynamisch: 0,2815 * 26,13 = 7,36 EUR
29Für die Überschussrente entsprechend: 183,96 EUR x 3 =
30Barwert: 551,88 EUR
31Umrechnungsfaktor Beiträge in EP: 0,0001734318
32Entgeltpunkte: 0,0957
33aktueller Rentenwert: 26,13 EUR
34EUR dynamisch: 0,0957 * 26,13 = 2,50 EUR
35Somit betragen die Anwartschaften der Ehefrau insgesamt 139,77 €. Nach § 1587a Abs. 1 BGB ist der Ehegatte mit den höheren Anrechten ausgleichspflichtig.
36Ausgleichspflicht von Frau : 139,77 : 2 = 69,89 EUR.
37Nach § 1587b Abs. 1 BGB hat der Versorgungsausgleich vorrangig durch Rentensplitting zu erfolgen in Höhe von:
38129,91 : 2 = 64,96 EUR
39Der Ausgleich des verbleibenden Betrages von 4,93 € erfolgt im Wege des sogenannten erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr.1 VAHRG, ebenfalls unter Heranziehung der Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung.
40Die Ehefrau beantragt,
41den Versorgungsausgleich auszuschließen.
42Sie meint, die Durchführung sei grob unbillig. Es müsse berücksichtigt werden, dass die Berechtigung des Antragstellers darauf beruhe, dass sie während der Ehezeit sowohl die Kinderbetreuung übernommen habe, als auch einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Sie habe auch in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass der Antragsteller voreheliche Schulden habe abbauen können. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass er aus der Ehe ausgebrochen sei und aus einem vermutlich bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung bestehenden Verhältnis zwei weitere Kinder habe.
43Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung. Er meint, dass Gründe für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht gegeben seien.
44Auch das Gericht ist der Ansicht, dass die gesetzlichen Gründe für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 1587c BGB nicht vorliegen.
45Die Anwendung der Härteklausel setzt voraus, dass aufgrund besonderer Verhältnisse die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs dessen Grundgedanken in unerträglicher Weise widerspricht und daher zu grob unbilligen Ergebnissen führen würde.
46Die rechtfertigende Grundlage des Versorgungsausgleichs besteht darin, dass jede Ehe auf Lebenszeit angelegt ist und eine Versorgungsgemeinschaft darstellt, die auch der beiderseitigen Alterssicherung dienen soll (BGH FamRZ 2005, Seite 2053).
47Die fehlende Versorgung des Antragstellers beruht in erster Linie darauf, dass er während der Ehezeit selbständig tätig war. Der Aufbau von Versorgungsanwartschaften oblag, von der Einzahlung in Kapital bildende Lebensversicherungen abgesehen, allein der Ehefrau. Es entsprach der Lebensführung der Eheleute, dass der Antragsteller durch seine Form der Erwerbstätigkeit Nachteile beim Aufbau seiner eigenen Altersversorgung hinnehmen musste. Bei Fortführung der Ehe hätte er aber im Alter an der Versorgung der Ehefrau teilgenommen und wäre dadurch gesichert gewesen. Dem Ausgleich der Nachteile bei vorzeitiger Beendigung der Ehe dient gerade der gesetzliche Versorgungsausgleich. Dadurch soll eine gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Vorsorgungsanrechten gewährleistet sein (BGH FamRZ 2005, 1238f.) Nur ausnahmsweise ist von der Durchführung abzusehen. Die Form der Erwerbstätigkeit des Berechtigten begründet keine Ausnahme, zumal die Situation der Antragsgegnerin bekannt war, denn bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung betrieb der Antragsteller das Restaurant in I.
48Auch die weiteren vorgetragenen Umstände vermögen eine grobe Unbilligkeit für die Ehefrau nicht zu begründen.
49Wenn sie, wie von dem Antragsteller allerdings bestritten, dazu beigetragen hat, dass er Schulden abbauen konnte, so entsprach auch das der ehelichen Lebensgemeinschaft und den Beiträgen zur gemeinsamen Lebensführung.
50Ebenso lässt sich nicht feststellen, dass der Antragsteller in besonders unerträglicher Weise gegen die ehelichen Treuepflichten verstoßen hat. Die Antragsgegnerin räumt selbst ein, dass sie auch anderweitige Beziehungen aufgenommen hat.
51Bei der Abwägung aller Umstände muss auch berücksichtigt werden, dass der Antragsteller bisher nur wenig Rentenanwartschaften erwerben konnte und für den Fall des Alters oder der Erwerbsunfähigkeit nur sehr geringfügig gesichert ist. Über Vermögenswerte verfügt er nicht. Nach der Auskunft der deutschen Rentenversicherung beträgt seine derzeitige Rentenanwartschaft 261 €. Dem gegenüber besteht für die Antragsgegnerin bereits jetzt eine Anwartschaft von 772,17 €. Dazu kommt die betriebliche Altersversorgung in nicht unerheblicher Höhe. Damit steht die Antragsgegnerin trotz der Tatsache, dass sie zur Zeit noch wegen der Betreuung der drei gemeinsamen Kinder an einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert ist, letztlich doch deutlich gesicherter da als der Antragsteller.
52Somit ist im Ergebnis ein Fall der groben Unbilligkeit, der wie ausgeführt einen Ausnahmetatbestand darstellt, objektiv nicht gegeben.
53Der Versorgungsausgleich ist durchzuführen.
54 55III. (Kosten)
56Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 ZPO.
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Referenzen
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