Urteil vom Amtsgericht Leverkusen - 20 C 259/13
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
1. an die Kläger 1.864,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.06.2013 zu zahlen.
2. an die Kläger 133,05 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.06.2013 zu zahlen
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu 60% und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 40% auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
1
Die Kläger machen Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 11.10.2012 geltend.
2Die Kläger sind Eigentümer und Halter des Fahrzeugs Chevrolet Matiz mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XXXX. Dieses Fahrzeug war zum Unfallzeitpunkt an den Zeugen X vermietet, welcher zum Unfallzeitpunkt auch Fahrer dieses Fahrzeugs war.
3Der Beklagte zu 1) ist Fahrer des Fahrzeugs Renault Clio mit dem amtlichen Kennzeichen YY-YYYY, die Beklagte zu 2) ist Halterin dieses Fahrzeugs, das bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist.
4Am 11.10.2012 gegen 13:46 Uhr befuhr der Zeuge X mit dem klägerischen Fahrzeug von der BAB1 kommend die C-Straße in ####0 C Richtung I. Auf der rechten Fahrspur des Zeugen X hatte sich ein baustellenbedingter Rückstau gebildet.
5Die Straße ist an dieser Stelle dreispurig, wobei die mittlere Spur „S-förmig“ aus zwei entgegengesetzten Abbiegespuren besteht, die sich in diesem Straßenabschnitt ablösen. Die Linksabbiegerspur, die entgegen der Fahrtrichtung des Zeugen X auf den L-Platz führt, trifft auf die dahinter gelegene Linksabbiegerspur in Fahrtrichtung des Zeugen X, die nach links Richtung I führt. Zur weiteren Darstellung der Örtlichkeiten wird auf die durch die Beklagte zur Akte gereichte Anlage BLD 1 (Bl. 42 d. A.) Bezug genommen.
6Der Zeuge X beabsichtigte in Höhe der Einmündung G-Straße nach links Richtung I abzubiegen. Zu diesem Zwecke scherte der Zeuge X, links aus der vor ihm wartenden Fahrzeugkolonne über die dort durchgezogene Linie aus, fuhr auf die mittlere Spur, die an dieser Stelle als Linksabbiegespur für den Gegenverkehr diente und fuhr an der Kolonne vorbei.
7Zum gleichen Zeitpunkt beabsichtigte der Beklagte zu 1) seine Grundstückszufahrt der C 10-12 zu verlassen und nach links in die C einzubiegen. Auf der an seine Einfahrt angrenzenden Fahrspur stand die baustellenbedingte Fahrzeugkolonne, sodass er zunächst nicht auf die Straße auffahren konnte. Eine Pkw-Fahrerin in der Kolonne bremste ab und gewährte dem Beklagten zu 1) eine Lücke in der Kolonne, um ihm das Abbiegen zu ermöglichen. Der Beklagte zu 1) verließ seine Einfahrt und überquerte den ersten Fahrstreifen durch den Durchlass. Als der Beklagte zu 1) den mittleren Fahrsteifen erreichte und mit dem Abbiegevorgang gerade begonnen hatte, kam es zur Kollision mit dem von links kommenden klägerischen Fahrzeug.
8Das klägerische Fahrzeug wurde durch den Aufprall im rechten Frontbereich beschädigt, das Beklagtenfahrzeug in der Fahrzeugfront.
9Die Reparaturkosten des klägerischen Fahrzeugs belaufen sich laut Sachverständigengutachten auf 4.110,33 € netto (Bl. 19 d. A.), die Kosten des Gutachtens auf 527,30 € netto (Bl. 20 d. A.). Diese Beträge zuzüglich einer Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 275,85 € machen die Kläger gegenüber den Beklagten geltend.
10Vorgerichtlich forderten die Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 14.06.2013 (Bl. 21 f. A.) die Beklagte unter Fristsetzung zum 28.06.2013 zum Schadensausgleich auf.
11Die Kläger behaupten, der Beklagte zu 1) sei mit erheblicher Geschwindigkeit aus dem Durchlass innerhalb der Kolonne herausgefahren und sei dann in das Fahrzeug der Kläger gefahren.
12Die Kläger beantragen,
131. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 4.662,24 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.06.2013 zu zahlen.
142. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 275,85 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.06.2013 zu zahlen.
15Die Beklagten beantragen,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) habe sich bei der Überquerung des ersten Fahrstreifens langsam vorgetastet. Der Kläger sei hingegen mit unangemessen hoher Geschwindigkeit gefahren.
18Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
19Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X, H und T. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2014 (Bl. 57 ff. d. A.) Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist teilweise begründet.
22Den Klägern steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aufgrund des Unfallereignisses vom 11.10.2012 ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.855,05 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, §§ 249, 286 ff., 823 Abs. 1 BGB, § 115 VVG zu. Darüber hinausgehende Zahlungsansprüche bestehen nicht.
23Dem Grunde nach haften die Beklagten gegenüber den Klägern zu 40 %.
24Bei dem Unfall handelte es sich für keine der beiden Parteien um ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Steht somit die Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der hiernach gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge sind jedoch zu Lasten der Beteiligten nur solche Umstände zu berücksichtigen, die unstreitig oder bewiesen sind (OLG Düsseldorf, BeckRS 2008, 16501).
25Den Beklagten zu 1) trifft ein schuldhafter und unfallursächlicher Verkehrsverstoß.
26Das Beklagtenfahrzeug beabsichtigte von einer Grundstückszufahrt auf die Straße nach links abzubiegen. Gemäß § 10 StVO hat sich ein Fahrzeug, das von einem Grundstück auf eine Straße fährt, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, gegebenenfalls ist eine Einweisung erforderlich. Vorliegend kommt hinzu, dass es sich bei dem Ausfahren aus einer Grundstücksausfahrt zum Zwecke des Linksabbiegens oder Rechtsabbiegens im vermeintlichen Schutz von eine Lücke freilassenden Fahrzeugen deshalb um ein besonders gefährliches Verkehrsmanöver handelt, weil der Verkehrsraum, in den das Fahrzeug hineinbewegt werden soll, für den Fahrzeugführer zunächst nicht einsehbar ist und der Ausfahrende auch mit Überholverkehr unter Mitbenutzung der Gegenfahrbahn rechnen muss (vgl. KG, NZV 1998, 376). Das Beklagtenfahrzeug hätte sich somit nach Betätigen der Fahrtrichtungsanzeiger sehr langsam durch den Durchlass in der Kolonne hindurchtasten müssen, was zentimeterweise Vorrollen bis zum Übersichtspunkt mit der Möglichkeit, sofort anzuhalten bedeutet (BGH, NJW 1985, 2757) und sich anschließend mit einem Blick nach rechts und nach links vergewissern müssen, ob die Fahrbahn frei ist.
27Dass das Beklagtenfahrzeug nach links geblinkt hat und sich langsam durch die Lücke in der Kolonne getastet hat, haben die Zeugen H und T glaubhaft bekundet. Diesbezüglich ist dem Beklagtenfahrzeug nach Überzeugung des Gerichts kein Vorwurf zu machen. Der Beklagte zu 1) muss sich jedoch nach seinen eigenen Angaben den Vorwurf machen lassen, sich jedenfalls vor und bei Abbiegen nach links nicht vergewissert zu haben, dass sich auch aus dieser Richtung kein Fahrzeug, selbst unter Benutzung der Fahrbahn für den Gegenverkehr näherte. Er durfte sich nicht allein im Vertrauen auf die gelassene Lücke darauf verlassen, dass sich von links kein Fahrzeug näherte.
28Dem gegenüberzustellen sind etwaige Verkehrsverstöße des Klägerfahrzeugs.
29Der Zeuge X hat, um an der stehenden Kolonne vorbeizufahren, die durchgezogene Mittellinie überfahren. Dies hat auch zu dem Unfall beigetragen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Fahrbahnbegrenzung in Form einer durchgezogenen Linie gemäß § 41 Abs. 3 Nr. 3 StVO, Zeichen 295 nicht dem Schutz des Einbiegenden dient, sondern den Zweck hat, den für den Gegenverkehr bestimmten Teil der Fahrbahn zu begrenzen. Sie gebietet, dass nur rechts von ihr gefahren werden darf und schafft auch kein Überholverbot, ordnet aber an, dass nur dann überholt werden darf, wenn der Überholer die Begrenzung nicht berühren muss (OLG Hamm, Urteil vom 27.09.2000 – 13 U 80/00, BeckRS 2000, 30133781).
30Das Überfahren der Mittellinie durch den Zeugen X und die Nutzung der Gegenfahrbahn war hier insbesondere deswegen gefährlich, weil sich in der Schlange der wartenden Fahrzeuge eine Lücke gebildet hatte, und zwar genau an der Stelle, an der die Fahrbahnbegrenzung gegenüber der Ausfahrt aus der das Beklagtenfahrzeug fuhr aus einer unterbrochenen Linie besteht. Diese Umstände waren Signale dafür, dass hier mit Querverkehr gerechnet werden musste (vgl. (OLG Hamm, Urteil vom 27.09.2000 – 13 U 80/00, BeckRS 2000, 30133781). Deswegen war bei einem Vorbeifahren an der Fahrzeugschlange besondere Vorsicht geboten. Diese hat der Zeuge X missachtet, indem er nicht hinreichend langsam und jederzeit bremsbereit, sondern nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen H rechtzügig fuhr. Mit seiner gefährlichen Fahrweise hat der Kläger gegen die Grundregel des Straßenverkehrs verstoßen, wonach jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird, § 1 Abs. 1 StVO.
31Aus den festgestellten Verkehrsverstößen ergibt sich eine Haftungsquote der beteiligten Fahrzeuge in Höhe von 60% zu 40% zum Nachteil des klägerischen Fahrzeugs.
32Der Höhe nach ist der durch die Kläger mit der Hauptforderung geltend gemachte Schaden unstreitig. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Haftungsquote ergibt sich die zugesprochene Summe in Höhe von 1.864,90 €.
33Der zuerkannte Zinsanspruch ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.
34Zugleich haben die Beklagten an die Kläger Rechtsanwaltskosten als adäquate Folgeschäden im Rahmen des § 249 Abs. 1. S. 1 BGB zu zahlen. Nach der berechtigten Schadensersatzforderung in Höhe von insgesamt 1.864,90 € ist ein Betrag in Höhe von 133,05 € berechtigt, der sich zusammensetzt aus einer 1,6-fachen Geschäftsgebühr – wobei die Kläger zutreffend von einer Gebührenerhöhung wegen zwei Auftraggebern ausgehen – Nr. 2300, 1008 VV RVG in Höhe von 212,80 € abzüglich einer Anrechnung einer 0,75 Gebühr gem. Vorbem. 3 IV VV RVG in Höhe von 99,75 € zuzüglich einer Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20,00 €.
35Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S.1 Alt. 2, 708 Nr.11, 711 S.1 und S.2, 709 S.2 ZPO.
36Streitwert: 4.662,24 €
37Rechtsbehelfsbelehrung:
38Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
39a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
40b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
41Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht L, K-Straße T2, XXXX0 L, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
42Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht L zu begründen.
43Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht L durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
44Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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