Beschluss vom Amtsgericht Ludwigslust - 5 F 280/09

Tenor

I. Die in 1999 vor dem Standesbeamten in H. zur Heiratsregisternummer ... geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.

II. 1. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin auf dem Konto Nummer ... bei der D. R. B. zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 0,8759 Entgeltpunkten auf das Konto Nummer ... bei der D. R. N. bezogen auf den 31.10.2009 übertragen.

2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin auf dem Konto Nummer ... bei der D. R. B. zu Gunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 2,2297 Entgeltpunkten (Ost) auf das Konto Nummer ... bei der D. R. N. bezogen auf den 31.10.2009 übertragen.

3. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners auf dem Konto Nummer ... bei der D. R. N. zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 3,7856 Entgeltpunkten (Ost) auf das Konto Nummer ... bei der D. R. B. bezogen auf den 31.10.2009 übertragen.

4. Im Übrigen findet der Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt.

III. Sind in einer Folgesache außer den Ehegatten weitere Beteiligte vorhanden, tragen diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst; im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

IV. Der Verfahrenswert wird auf bis zu 8.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Ehescheidung:

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a. Die Parteien haben in 1999 in H. geheiratet. Beide sind deutsche Staatsangehörige. In 2003 zog die Antragstellerin aus der ehelichen Wohnung aus; die Parteien haben seither dauerhaft getrennt voneinander gewohnt. Die Antragstellerin beantragt,

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die in 1999 vor dem Standesbeamten in H. zur Heiratsregisternummer ... geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.

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Der Antragsgegner

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stimmt dem Scheidungsantrag zu.

6

Das durchschnittliche Nettoeinkommen der Parteien betrug bei Antragseingang jeweils 900,00 €.

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b. Die Ehe der Parteien war gemäß §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 2 BGB zu scheiden, weil sie gescheitert ist. Dies ist unwiderlegbar zu vermuten, nachdem die Parteien seit mehr als drei Jahren getrennt leben, was nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Parteien zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.

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2. Versorgungsausgleich:

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a. Die Parteien haben in 1999 geheiratet; der Scheidungsantrag wurde in 2009 zugestellt.

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aa (1) Die Antragstellerin hat in der Ehezeit gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG vom 01.09.1999 bis zum 31.10.2009 gemäß der Mitteilung der D. R. B. vom 2010 in der gesetzlichen Rentenversicherung ein Anrecht in Höhe von 1,7518 Entgeltpunkten sowie ein weiteres Anrecht in Höhe von 4,4594 Entgeltpunkten (Ost) erworben; der Versorgungsträger hat einen Ausgleichswert in Höhe von 0,8759 Entgeltpunkten und einen korrespondierenden Kapitalwert in Höhe von 5.382,34 € bzw. 2,2297 Entgeltpunkten (Ost) und 11.544,77 € vorgeschlagen.

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(2) Der Antragsgegner hat in der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß der Mitteilung der D. R. N. vom 2010 ein Anrecht in Höhe von 0,0098 Entgeltpunkten sowie ein weiteres Anrecht in Höhe von 7,5711 Entgeltpunkten (Ost) erworben; der Versorgungsträger hat einen Ausgleichswert in Höhe von 0,0049 Entgeltpunkten und einen korrespondierenden Kapitalwert in Höhe von 30,11 € bzw. 3,7856 Entgeltpunkten (Ost) und 19.600,79 € vorgeschlagen.

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bb (1) Nach dem Halbteilungsgrundsatz des § 1 Abs. 1 VersAusglG sind bezogen auf die Anrecht der Antragstellerin bei der D. R. B. im Wege der internen Teilung gemäß § 10 Abs. 1 VersAusglG für den Antragsgegner als ausgleichsberechtigte Person zu Lasten der Anrechte der Antragstellerin als ausgleichspflichtiger Person Anrechte in Höhe der vorgeschlagenen Ausgleichswerte bezogen auf das Ehezeitende bei deren Versorgungsträger zu übertragen.

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(2) Entsprechend ist nach dem Halbteilungsgrundsatz des § 1 Abs. 1 VersAusglG umgekehrt bezogen auf das Anrecht des Antragsgegners bei der D. R. N. in Form von Entgeltpunkten (Ost) im Wege der internen Teilung gemäß § 10 Abs. 1 VersAusglG für die Antragstellerin als ausgleichsberechtigte Person zu Lasten des Anrechtes des Antragsgegners als ausgleichspflichtiger Person Anrechte in Höhe des vorgeschlagenen Ausgleichswertes bezogen auf das Ehezeitende bei dessen Versorgungsträger zu übertragen.

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(3) Sofern nach der internen Teilung durch das Familiengericht für beide Ehegatten Anrechte gleicher Art bei demselben Versorgungsträger auszugleichen sind, vollzieht dieser gemäß § 10 Abs. 2 VersAusglG den Ausgleich nur in Höhe des Wertunterschieds nach Verrechnung; dies gilt entsprechend, wenn verschiedene Versorgungsträger zuständig sind und Vereinbarungen zwischen ihnen eine Verrechnung vorsehen. Das Familiengericht hat die Verrechnung nicht selbst vorzunehmen (vgl. Borth, Der Wertausgleich von Versorgungsanrechten, FamRZ 2009,1361/1362).

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(4) Im Übrigen findet der Wertausgleich bei der Scheidung gemäß §§ 18 Abs. 2 und 3 VersAusglG, 224 Abs. 3 FamFG nicht statt. Danach soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen, wobei ein Ausgleichswert gering ist, wenn er am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße höchstens ein Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt; die betreffenden Beträge belaufen sich hier auf 25,20 € bzw. 3.024,00 €. Der Ausgleichswert der Anwartschaft des Antragsgegners in Form von Entgeltpunkten, bezüglich dessen in diesem Zusammenhang auf den korrespondierenden Kapitalwert abzustellen ist, liegt unter dem letztgenannten Betrag. Anhaltspunkte dafür, entgegen der Soll-Vorschrift des § 18 Abs. 2 VersAusglG den Wertausgleich insoweit dennoch durchzuführen, sind nicht erkennbar.

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(a) Zwar soll es nach einer Auffassung im Regelfall nicht angebracht sein, die einerseits im alten Bundesgebiet, andererseits in den neuen Bundesländern erworbenen Teile der gesamten Anwartschaft im Rahmen des § 18 Abs. 2 VersAusglG gesondert zu betrachten. Auch wenn ein Anrecht in Form von Entgeltpunkten (Ost) einer höheren Wertsteigerung als eine entsprechende in den alten Bundesländern erworbene gesetzliche Rentenanwartschaft unterliege und es aufgrund dieser besonderen Dynamik im Verhältnis zu einem Anrecht in Form von Entgeltpunkten nicht von gleicher Art im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG sei (vgl. Palandt-Brudermüller, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., 2010, §§ 10 VersAusglG Rn. 3, 18 VersAusglG Rn. 2), sollen die in den alten und in den neuen Bundesländern erworbenen Entgeltpunkte bei Anwendung der erstgenannten Vorschrift doch insofern als Einheit anzusehen sein, als aus ihnen bei Eintritt eines Versorgungsfalles eine einheitliche Rente berechnet werde. Der Zweck des § 18 VersAusglG, die Versorgungsträger von dem durch die Teilung des Anrechts und die Aufnahme eines neuen Anwärters entstehenden "unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand" zu entlasten (vgl. BT-Drs. 16/10144, S. 60), rechtfertige es grundsätzlich nicht, von einem Ausgleich nur der in einem Teil der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Anrechte eines Ehegatten abzusehen. In der Regel sei eine gesetzliche Rentenanwartschaft daher in ihrer Gesamtheit auszugleichen, auch wenn ein Teilbetrag des gesamten in der Ehezeit erworbenen Anrechts unter der Bagatellgrenze liege (so OLG Celle, Beschluss vom 04.03.2010, Az.: 10 UF 282/08, - zitiert nach juris -).

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(b) Nicht zu verkennen ist dabei jedoch zunächst schon ein gewisser Widerspruch in der Handhabung des § 18 Abs. 1 VersAusglG im Verhältnis zu § 18 Abs. 2 VersAusglG. Denn während im ersteren Falle in der Terminologie des früheren VAÜG angleichungsdynamische und nicht angleichungsdynamische Anrechte aufgrund ihrer unterschiedlichen Wertentwicklung zutreffend und unproblematisch als eigenständige, weil nicht vergleichbare Anwartschaften eingeordnet werden, werden sie im letzteren Falle im Ergebnis plötzlich doch nur als quasi unselbständige Bestandteile eines einheitlichen Anrechtes angesehen. Diese Inkonsequenz wird noch dadurch unterstrichen, dass zur Ermittlung des Ausgleichswertes einer in den neuen Bundesländern erworbenen Anwartschaft im Rahmen des § 18 Abs. 2 VersAusglG der wirkliche Wert der Entgeltpunkte (Ost) beispielsweise bei Ehegatten, die erst in etwa zwanzig Jahren in den Ruhestand treten werden, nicht geringer anzusetzen sein soll als der Wert von Entgeltpunkten; denn das Anrecht werde nach Abschluss der Einkommensangleichung in beiden Teilen Deutschlands den gleichen Wert haben wie eine in den alten Bundesländern erworbene Anwartschaft (vgl. OLG Celle a. a. O.). Würde man den oben unter lit. a) dargestellten Gedankengang stringent weiterführen, könnte vor dem Hintergrund des zuletzt Gesagten in der Folge eine teleologische Reduktion bereits des § 18 Abs. 1 VersAusglG bei in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehenden angleichungsdynamischen und nicht angleichungsdynamischen Anwartschaften dahingehend naheliegen, auch hier zumindest wegen deren letztlich eintretender wertmäßiger Angleichung und Identität ihre (allein) derzeitige Ungleichartigkeit auszuklammern und eine eventuelle Geringfügigkeit im Unterschied der Werte von Anrechten aus einer für die Rentenberechnung einheitlichen Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend durch den Ansatz des Kapitalwertes der Entgeltpunkte auch für die Entgeltpunkte (Ost) zu bestimmen.

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Ein solches Vorgehen würde im Weiteren aber angesichts einer schon in die Bewertung miteinbezogenen zukünftigen Einkommens- und in der Folge Rentenangleichung in den neuen und alten Bundesländern zum einen die bestehenden Realitäten lediglich unzureichend berücksichtigen. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung von Rentenanwartschaften das Ende der Ehezeit; bislang ist jedoch schlichtweg ein Unterschied in der Werthaltigkeit angleichungsdynamischer und nicht angleichungsdynamischer Anwartschaften gegeben. Soweit nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG daneben rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, miteinzubeziehen sind, gilt dies für die weitere künftige Entwicklung nach dem Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz nur dann, wenn sie nicht nur möglich erscheint, sondern sicher zu erwarten ist (vgl. BGH FamRZ 1988, 940). Es kann in diesem Zusammenhang nicht außer Betracht gelassen werden, dass sich die Differenz zwischen den aktuellen Rentenwerten für die alten und die neuen Bundesländer in einem Zeitraum zwischen dem zweiten Halbjahr 1999 und dem zweiten Halbjahr 2009 bis heute, d. h. über die letzten knapp elf Jahre hinweg lediglich von ([48,29 DM =] 24,69 € West - [42,01 DM =] 21,48 € Ost =) 3,21 € auf (27,20 € West - 24,13 € Ost =) 3,07 €, also im Ergebnis nur um 0,14 € oder 4,36 % verringert hat; abgesehen davon, dass ein Ehegatte im Falle seiner unmittelbar eintretenden Erwerbsunfähigkeit aufgrund von Entgeltpunkten (Ost) nur geringere Rentenleistungen als aufgrund von Entgeltpunkten erhalten würde, erscheint es angesichts dieser nur als glazial zu bezeichnenden Geschwindigkeit der Rentenangleichung fragwürdig, selbst für den Eintritt des Rentenfalles bei Erreichen der Regelaltersgrenze erst in zwanzig Jahren den Eintritt der Einkommensangleichung und damit eine Wertgleichheit von angleichungsdynamischen und nicht angleichungsdynamischen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu unterstellen.

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Zum anderen lässt sich eine irgendwie geartete "einheitliche" Betrachtung von im alten Bundesgebiet und dem Beitrittsgebiet erworbenen Anrechten weder im Falle des § 18 Abs. 1 VersAusglG noch gerade im Falle des § 18 Abs. 2 VersAusglG mit dem Wortlaut des Gesetzes und dessen Zweck in Einklang bringen. Handelt es sich bei angleichungsdynamischen und nicht angleichungsdynamischen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht um gleichartige Anrechte im Sinne von § 18 Abs. 1 VersAusglG, stellen sie eben auch "einzelne" Anrechte gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG bereits deshalb dar, weil sie jeweils gesondert, d. h. mit einer eigenständigen Regelung in einem entsprechenden Beschlusstenor auszugleichen sind. Jedenfalls eine damit einhergehende Teilung und Verbuchung der sich ergebenden gesonderten Positionen stellt für die Rentenversicherungsträger einen Aufwand dar, der durch die Vorschrift des § 18 VersAusglG im Falle von Bagatellanrechten regelmäßig vermieden werden soll. Allein die Einheitlichkeit der Rentenberechnung aus beiden Arten von Anwartschaften ändert daran nichts, zumal es sich bei der genannten Regelung um eine Soll-Vorschrift handelt; anders als von der oben unter lit. a) erläuterten Ansicht offenbar zugrundegelegt bedarf nicht deren Anwendung einer besonderen Rechtfertigung, sondern allein ihre Nichtanwendung.

20

(c) Dass der Wertausgleich insoweit nicht stattfindet, war dann in der Beschlussformel festzustellen.

II.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 und 3 FamFG.

III.

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Der Verfahrenswert war gemäß §§ 43, 50 Abs. 1 FamGKG auf bis zu 8.000,00 € festzusetzen.

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1. Ausschlaggebend war für den Streitwert hinsichtlich der Scheidung das dreifache monatliche Nettoeinkommen der Parteien. Dieses war für die Parteien jeweils in Höhe von monatlich 900,00 € anzusetzen. Es ergibt sich danach ein dreifacher Monatsbetrag in Höhe von 5.400,00 €.

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2. Hinzukam ein Verfahrenswert für den Versorgungsausgleich in Höhe von 2.160,00 €. In Versorgungsausgleichssachen beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, insgesamt mindestens 1.000,00 €; danach ergaben sich hier (5.400,00 € dreifaches monatliches Nettoeinkommen x 10 % = 540,00 € x 4 Anrechte =) 2.160,00.

25

3. Der sich ergebende Gesamtverfahrenswert fiel in die festgesetzte Gebührenstufe.

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