Urteil vom Amtsgericht Mannheim - 10 C 34/08

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin ist Schülerin des ...-Gymnasiums in … und ist für ihren Schulweg auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Seit August 2004 nutzt die Klägerin das von der Beklagten speziell für Schüler angebotene ...-Ticket. Die monatlichen Beiträge werden jeweils zum Monatsersten im Lastschriftverfahren eingezogen. Die Beklagte bot im gleichen Zeitraum für Senioren eine vergünstigte Karte ab 60 an, die im Zeitraum 01.08.2004 bis 31.12.2004 monatlich 1,25 Euro und im Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2007 monatlich 2,00 Euro günstiger war als das ...-Ticket. Sowohl das ...X-Ticket als auch die Karte ab 60 lagen preislich unter dem Standardtarif ohne Ermäßigung.
Die Tarifpreise werden nicht von der Beklagten, sondern von der Unternehmensgesellschaft Verkehrsverbund ...-GmbH (... GmbH) festgesetzt, in der die Muttergesellschaften der Beklagten Mitglied sind, nicht aber die Beklagte selbst. Nach Erhebungen der Beklagten besteht ein unterschiedliches Nutzerverhalten zwischen Schülern und Auszubildenden einerseits und Senioren andererseits, da letztere den Nahverkehr überwiegend in den Nebenverkehrszeiten nutzen.
Die Klägerin begehrt Rückzahlung des Differenzbetrages zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 für den Zeitraum 01.08.2004 bis 31.12.2007. Eine außergerichtliche Geltendmachung dieser Ansprüche gegenüber der Beklagten erfolgte vor Klageerhebung nicht.
Die Klägerin ist der Ansicht, die unterschiedlichen Tarife der Beklagten für Schüler und Senioren verstießen gegen Art. 3 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG sowie gegen §§ 3 Abs. 1 und 3, 19 Abs. 1 Satz 1 AGG.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 78,25 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Preisdifferenz zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 sei gemäß § 39 Abs. 3 PBefG grundsätzlich zulässig und verstoße auch nicht gegen § 19 AGG, da ein sachlicher Grund für eine Differenzierung vorliege. Die Vergünstigung der Karte ab 60 gegenüber dem Standardtarif sei aufgrund des unterschiedlichen Nutzerverhaltens und des Umstands, das die Personengruppe ab 60 in der Regel nicht auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sei, dazu geeignet, diese Personengruppe dazu zu veranlassen, die öffentlichen Verkehrsmittel besonders in den Nebenzeiten verstärkt zu nutzen und dadurch bei gleichbleibenden Kosten höhere Einnahmen zu erzielen. Die Vergünstigung des ...-Tickets beruhe demgegenüber vor allem auf öffentlichen Zuschüssen für die erfasste Personengruppe. Die Beklagte behauptet, die öffentlichen Zuschüsse für das ...-Ticket seien beträchtlich abgeschmolzen worden, so dass die Vergünstigung nicht mehr im gleichen Umfang haltbar sei.
10 
Der Beklagten war mit Beschluss vom 03.01.2008 eine Frist von drei Wochen zur Klageerwiderung gesetzt worden. Die Klage ist am 09.01.2008 zugestellt worden. Nach mündlicher Verhandlung am 19.03.2008 hat die Beklagte im Schriftsatz vom 25.04.2008 die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Sie ist der Ansicht, der Zivilrechtsweg sei vorliegend nicht eröffnet, da - was unstreitig ist - die Beförderungs- und Tarifbestimmungen der Beklagten auf der Verordnung über die allgemeinen Beförderungsbestimmungen für den Straßenverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen beruhen, die aufgrund der Ermächtigung des § 58 Abs. 1 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes erlassen wurden. Der Gesetzgeber habe in §§ 39, 45 PBefG ein gesondertes Tarif (Preis-)Recht normiert, welches dem allgemeinen Preis- und Wettbewerbsrecht vorgehe. Das Aufstellen oder Ändern von Beförderungsentgelten bedürfe nach § 39 Abs. 1 PBerfG der Zustimmung der zuständigen Genehmigungsbehörde. Dabei handele es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt mit der Folge, dass mit Genehmigungserteilung die Beförderungsentgelte im Verhältnis Unternehmer / Verkehrsnutzer nicht mehr frei verhandelbar seien. Der Zivilrechtsweg sei aber ausgeschlossen, wenn die Vollstreckung eines stattgebenden zivilrechtlichen Urteils zur Aufhebung oder Änderung einer hoheitlichen Maßnahme führen würde.
11 
Für das weitere Parteivorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
13 
I. Die Klage ist zulässig.
14 
Der Zivilrechtsweg ist gemäß § 13 GVG eröffnet. Zwar stellt die Genehmigung der Tarifbestimmungen durch die Genehmigungsbehörde gemäß § 39 Abs. 1 PBefG im Verhältnis zu dem Beförderungsunternehmen einen Verwaltungsakt dar und ist somit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Beförderungsunternehmen und dem Nutzer. Dieses Rechtsverhältnis ist privatrechtlicher Natur. Die Beklagte erfüllt als Beförderungsunternehmen zwar öffentliche Aufgaben der Verwaltung im Sinne der Daseinsvorsorge (Infrastruktur). Sie tritt dabei jedoch in der Rechtsform einer GmbH auf und bedient sich dadurch privatrechtlicher Mittel. Dass die Beklagte selbst sich bei ihrem Handeln im öffentlich-rechtlichen Bereich betätigt, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass von einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen den Parteien auszugehen ist (vgl. Gummer in: Zöller, Zivilprozessordnung, GVG § 13 Rn 38 mit weiteren Nachweisen).
15 
Einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs durch Beschluss gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG bedurfte es vorliegend nicht, da die Beklagte die Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht rechtzeitig im Sinne des § 282 Abs. 3 ZPO erhoben hat (siehe hierzu BGH NJW 1999, 651; OLG Köln NJW 1995, 3319; LAG Berlin NZA 1994, 912; Boin NJW 1998, 3747; Musielak/Wittschier § 17a GVG Rn 12; aA Bruckner NJW 2006, 13, 14). Die Beklagte hat die Unzulässigkeit des Zivilrechtswegs erstmals mit Schriftsatz vom 25.04.2008 und somit nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist und nach mündlicher Verhandlung zur Sache erhoben.
16 
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
17 
1. Die Beklagte ist als Vertragspartnerin der Klägerin passivlegitimiert, auch wenn sie selbst keinen Einfluss auf die Tarifgestaltung hat.
18 
2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht aus §§ 21 Abs. 2, 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 AGG zu.
19 
a) Für den Zeitraum 01.08.2004 bis 31.12.2006 folgt dies bereits aus § 33 Abs. 3 Satz 1 AGG. Danach sind die §§ 19 bis 21 AGG bei einer Benachteiligung wegen des Alters nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 01.12.2006 begründet worden sind. Eine Anwendung findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 AGG allerdings bei der späteren Änderung von Dauerschuldverhältnissen statt. Eine solche Änderung des zwischen den Parteien bestehenden Dauerschuldverhältnisses über die Nutzung des ...-Tickets erfolgte mit Änderung der Tarife durch die Beklagte zum 01.01.2007. Für die nach diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche sind die §§ 19 ff. AGG daher grundsätzlich anwendbar.
20 
b) Für den Zeitraum 01.01.2007 bis einschließlich 30.11.2007 ist ein Anspruch der Klägerin gemäß § 21 Abs. 5 AGG ausgeschlossen. Danach kann ein Anspruch gemäß § 21 Abs. 2 AGG nur innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist ist von Amts wegen zu beachten und beginnt mit der Entstehung des Anspruchs (Thüsing in: Münchener Kommentar zum BGB, § 21 AGG Rn 65; Palandt/Gründeberg, Kommentar zum BGB, AGG § 21 Rn 8). Damit ist im Falle eines Schadensersatzanspruchs der Zeitpunkt gemeint, in dem der erste Schaden entstanden ist (MüKo/Thüsing aaO Rn 66). Im vorliegenden Fall wurden die Beiträge für das ...-Ticket jeweils am Monatsersten im Wege des Lastschriftverfahrens eingezogen. Für jeden Monat ist damit von einem gesonderten, jeweils am Monatsersten entstandenen Schadensersatzanspruch auszugehen (vgl. MüKo/Thüsing aaO Rn 67; Palandt/Heinrichs, BGB, § 199 Rn 21).
21 
Für die Geltendmachung im Sinne des § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG ist es erforderlich, dass die entsprechende Erklärung dem Anspruchsgegner gemäß § 130 BGB zugeht. Die Geltendmachung kann auch durch die klageweise Geltendmachung ersetzt werden. In diesem Fall muss die Klage innerhalb der Ausschlussfrist dem Anspruchsgegner zugestellt werden, da die bloße Einreichung der Klage bei Gericht nicht ausreicht und § 167 ZPO keine Anwendung findet (MüKo/Thüsing aaO Rn 68 mit weiteren Nachweisen). Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag vorgerichtlich keine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, ist von einer Geltendmachung erst mit Zustellung der Klage an die Beklagte am 09.01.2008 auszugehen. Dass die Klägerin gemäß § 21 Abs. 5 Satz 2 AGG ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Damit ist die Ausschlussfrist nur für Ansprüche gewahrt, die nach dem 09.11.2007 entstanden sind, mithin nur für den Monatsbeitrag Dezember 2007.
22 
c) Hinsichtlich des am 01.12.2007 abgebuchten Differenzbetrages von 2,00 Euro für das ...-Ticket gegenüber der Karte ab 60 ist die objektiv vorliegende Benachteiligung der Klägerin gegenüber den Begünstigten der Karte ab 60 durch einen sachlichen Grund im Sinne des § 20 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Differenzierungen anhand der Merkmale des § 19 Abs. 1 AGG sind im allgemeinen Zivilrecht in vielen Fällen akzeptiert und teilweise sogar ausdrücklich erwünscht (vgl. die Erläuterungen des Gesetzgebers, abgedruckt in BT-Drucks. 16/1780 S. 43; MüKo/Thüsing, AGG, § 20 Rn 8, vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 20 Rn 6). Regelbeispiele zulässiger Differenzierungen sind in § 20 Abs. 1 Satz 2 AGG aufgezählt. Danach liegt ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters insbesondere vor, wenn die unterschiedliche Behandlung besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AGG.
23 
Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung hierzu beispielhaft die Fälle aufgezählt, in denen einem bestimmten Personenkreis wegen des Alters ein besonderer Vorteil in Form eines Preisnachlasses gewährt wird. Damit sei notwendigerweise eine Benachteiligung aller anderen verbunden. Gleichwohl bestehe kein Anlass, den Grundsatz der Gleichbehandlung durchzusetzen. Die gewährten Vergünstigungen reagierten nämlich entweder darauf, dass bestimmte Gruppen typischerweise weniger leistungsfähig seien: Rabatte für Schüler und Studenten etwa seien damit zu begründen, dass sie meist nicht über ein Erwerbseinkommen verfügen. Oder aber die Vergünstigungen bezweckten die gezielte Ansprache von Kundenkreisen, die der Anbieter anlocken möchte. Diese Maßnahmen seien also nicht diskriminierend, sondern im Gegenteil sozial erwünscht bzw. Bestandteil einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaft. Ein Verbot dieser Praktiken würde auch den objektiv benachteiligten Personenkreisen nicht helfen, denn der Anbieter würde nicht mit der Erstreckung der Vorteile auf alle Kunden reagieren, sondern mit dem Verzicht auf jegliche Vergünstigung (BT-Drucks. 16/1780 S. 44). So liegt der Fall hier.
24 
Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Preisdifferenz zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 schon aufgrund einer unterschiedlichen Bezuschussung der beiden Nutzergruppen durch die öffentliche Hand gerechtfertigt ist. Das hat die Beklagte nicht bewiesen. Die Beklagte hat trotz gerichtlichen Hinweises nicht hinreichend konkret dargetan, für welchen Zeitraum in welcher Höhe eine Bezuschussung für welche Nutzergruppe erfolgt ist und sich anstelle der Darlegung konkreter Zahlen auf die Vorlage einer Antwort des Verkehrsverbundes ... vom 12.08.2005 auf eine Anfrage einer Landtagsabgeordneten beschränkt, in dem unter anderem die Preisentwicklung für die Tarife im Ausbildungsbereich geschildert wird. Inwieweit sich die oben angesprochenen Angaben aus diesem Schreiben ergeben sollen, erschließt sich dem Gericht nicht. Zu Seniorentarifen verhält sich das vorgelegte Schreiben nicht. Ungeachtet dessen ergibt sich allerdings schon aus der gesetzlichen Regelung in § 45a Abs. 2 Satz 3 PBefG, dass eine stufenweise Absenkung der Ausgleichsbeträge für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs für den Zeitraum ab 2004 vorgesehen ist. Diese Regelung bestätigt zumindest im Grundsatz den Vortrag der Beklagten, dass in dem hier gegenständlichen Zeitraum die öffentlichen Zuschüsse für das Angebot des ...-Tickets kontinuierlich verringert wurden.
25 
Dieser Frage war jedoch nicht weiter nachzugehen, da die Preisdifferenz zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 jedenfalls aus einem anderen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Vorab ist festzuhalten, dass sowohl die Klägerin als auch die Begünstigten der Karte ab 60 gegenüber den Nutzern des Standardtarifs begünstigt sind. Beide Nutzergruppen erhalten bereits einen gegenüber dem Standardtarif ermäßigten Tarif. Die Klägerin bezieht sich somit nicht auf die allgemeine Vergleichsgruppe der Nutzer des Standardtarifs, sondern auf eine ebenfalls begünstigte Vergleichsgruppe und beanstandet nicht eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Standardgruppe, sondern eine Ungleichbehandlung zwischen zwei bereits privilegierten Nutzergruppen.
26 
Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Begünstigten der beiden ermäßigten Tarife ein unterschiedliches Nutzerverhalten zeigen. Nach der von der Beklagten vorgenommenen Erhebung nutzen Inhaber der Karte ab 60 die Angebote der Beklagten von Montag bis Freitag relativ gleichmäßig auch in den Nebenzeiten, während Inhaber des ...-Tickets diese vor allem am Morgen und in der Mittagszeit, also während der Hauptverkehrszeit, nutzen. Ein ermäßigter Tarif für Personen ab 60 soll für diese daher einen Anreiz schaffen, die öffentlichen Verkehrsmittel besonders in den Nebenzeiten verstärkt zu nutzen und dadurch bei gleichbleibenden Kosten höhere Einnahmen zu erzielen. Diese betriebswirtschaftliche Erwägung ist nicht zu beanstanden und stellt daher einen sachlichen Grund für eine zulässige unterschiedliche Behandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AGG dar.
27 
3. Ein Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich auch nicht aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG. Die Grundrechte betreffen das Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Gewalt, nicht aber das Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten untereinander. Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte kommt grundsätzlich nicht in Betracht (Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn 7 mwN).
28 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29 
IV. Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und der Fortbildung des Rechts dient. Zu dem hier vorliegenden Sachverhalt liegt bisher keine obergerichtliche Rechtsprechung vor.

Gründe

 
12 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
13 
I. Die Klage ist zulässig.
14 
Der Zivilrechtsweg ist gemäß § 13 GVG eröffnet. Zwar stellt die Genehmigung der Tarifbestimmungen durch die Genehmigungsbehörde gemäß § 39 Abs. 1 PBefG im Verhältnis zu dem Beförderungsunternehmen einen Verwaltungsakt dar und ist somit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Beförderungsunternehmen und dem Nutzer. Dieses Rechtsverhältnis ist privatrechtlicher Natur. Die Beklagte erfüllt als Beförderungsunternehmen zwar öffentliche Aufgaben der Verwaltung im Sinne der Daseinsvorsorge (Infrastruktur). Sie tritt dabei jedoch in der Rechtsform einer GmbH auf und bedient sich dadurch privatrechtlicher Mittel. Dass die Beklagte selbst sich bei ihrem Handeln im öffentlich-rechtlichen Bereich betätigt, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so dass von einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen den Parteien auszugehen ist (vgl. Gummer in: Zöller, Zivilprozessordnung, GVG § 13 Rn 38 mit weiteren Nachweisen).
15 
Einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs durch Beschluss gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG bedurfte es vorliegend nicht, da die Beklagte die Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht rechtzeitig im Sinne des § 282 Abs. 3 ZPO erhoben hat (siehe hierzu BGH NJW 1999, 651; OLG Köln NJW 1995, 3319; LAG Berlin NZA 1994, 912; Boin NJW 1998, 3747; Musielak/Wittschier § 17a GVG Rn 12; aA Bruckner NJW 2006, 13, 14). Die Beklagte hat die Unzulässigkeit des Zivilrechtswegs erstmals mit Schriftsatz vom 25.04.2008 und somit nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist und nach mündlicher Verhandlung zur Sache erhoben.
16 
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
17 
1. Die Beklagte ist als Vertragspartnerin der Klägerin passivlegitimiert, auch wenn sie selbst keinen Einfluss auf die Tarifgestaltung hat.
18 
2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht aus §§ 21 Abs. 2, 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 AGG zu.
19 
a) Für den Zeitraum 01.08.2004 bis 31.12.2006 folgt dies bereits aus § 33 Abs. 3 Satz 1 AGG. Danach sind die §§ 19 bis 21 AGG bei einer Benachteiligung wegen des Alters nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 01.12.2006 begründet worden sind. Eine Anwendung findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 AGG allerdings bei der späteren Änderung von Dauerschuldverhältnissen statt. Eine solche Änderung des zwischen den Parteien bestehenden Dauerschuldverhältnisses über die Nutzung des ...-Tickets erfolgte mit Änderung der Tarife durch die Beklagte zum 01.01.2007. Für die nach diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche sind die §§ 19 ff. AGG daher grundsätzlich anwendbar.
20 
b) Für den Zeitraum 01.01.2007 bis einschließlich 30.11.2007 ist ein Anspruch der Klägerin gemäß § 21 Abs. 5 AGG ausgeschlossen. Danach kann ein Anspruch gemäß § 21 Abs. 2 AGG nur innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist ist von Amts wegen zu beachten und beginnt mit der Entstehung des Anspruchs (Thüsing in: Münchener Kommentar zum BGB, § 21 AGG Rn 65; Palandt/Gründeberg, Kommentar zum BGB, AGG § 21 Rn 8). Damit ist im Falle eines Schadensersatzanspruchs der Zeitpunkt gemeint, in dem der erste Schaden entstanden ist (MüKo/Thüsing aaO Rn 66). Im vorliegenden Fall wurden die Beiträge für das ...-Ticket jeweils am Monatsersten im Wege des Lastschriftverfahrens eingezogen. Für jeden Monat ist damit von einem gesonderten, jeweils am Monatsersten entstandenen Schadensersatzanspruch auszugehen (vgl. MüKo/Thüsing aaO Rn 67; Palandt/Heinrichs, BGB, § 199 Rn 21).
21 
Für die Geltendmachung im Sinne des § 21 Abs. 5 Satz 1 AGG ist es erforderlich, dass die entsprechende Erklärung dem Anspruchsgegner gemäß § 130 BGB zugeht. Die Geltendmachung kann auch durch die klageweise Geltendmachung ersetzt werden. In diesem Fall muss die Klage innerhalb der Ausschlussfrist dem Anspruchsgegner zugestellt werden, da die bloße Einreichung der Klage bei Gericht nicht ausreicht und § 167 ZPO keine Anwendung findet (MüKo/Thüsing aaO Rn 68 mit weiteren Nachweisen). Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag vorgerichtlich keine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, ist von einer Geltendmachung erst mit Zustellung der Klage an die Beklagte am 09.01.2008 auszugehen. Dass die Klägerin gemäß § 21 Abs. 5 Satz 2 AGG ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Damit ist die Ausschlussfrist nur für Ansprüche gewahrt, die nach dem 09.11.2007 entstanden sind, mithin nur für den Monatsbeitrag Dezember 2007.
22 
c) Hinsichtlich des am 01.12.2007 abgebuchten Differenzbetrages von 2,00 Euro für das ...-Ticket gegenüber der Karte ab 60 ist die objektiv vorliegende Benachteiligung der Klägerin gegenüber den Begünstigten der Karte ab 60 durch einen sachlichen Grund im Sinne des § 20 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Differenzierungen anhand der Merkmale des § 19 Abs. 1 AGG sind im allgemeinen Zivilrecht in vielen Fällen akzeptiert und teilweise sogar ausdrücklich erwünscht (vgl. die Erläuterungen des Gesetzgebers, abgedruckt in BT-Drucks. 16/1780 S. 43; MüKo/Thüsing, AGG, § 20 Rn 8, vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 20 Rn 6). Regelbeispiele zulässiger Differenzierungen sind in § 20 Abs. 1 Satz 2 AGG aufgezählt. Danach liegt ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters insbesondere vor, wenn die unterschiedliche Behandlung besondere Vorteile gewährt und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AGG.
23 
Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung hierzu beispielhaft die Fälle aufgezählt, in denen einem bestimmten Personenkreis wegen des Alters ein besonderer Vorteil in Form eines Preisnachlasses gewährt wird. Damit sei notwendigerweise eine Benachteiligung aller anderen verbunden. Gleichwohl bestehe kein Anlass, den Grundsatz der Gleichbehandlung durchzusetzen. Die gewährten Vergünstigungen reagierten nämlich entweder darauf, dass bestimmte Gruppen typischerweise weniger leistungsfähig seien: Rabatte für Schüler und Studenten etwa seien damit zu begründen, dass sie meist nicht über ein Erwerbseinkommen verfügen. Oder aber die Vergünstigungen bezweckten die gezielte Ansprache von Kundenkreisen, die der Anbieter anlocken möchte. Diese Maßnahmen seien also nicht diskriminierend, sondern im Gegenteil sozial erwünscht bzw. Bestandteil einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaft. Ein Verbot dieser Praktiken würde auch den objektiv benachteiligten Personenkreisen nicht helfen, denn der Anbieter würde nicht mit der Erstreckung der Vorteile auf alle Kunden reagieren, sondern mit dem Verzicht auf jegliche Vergünstigung (BT-Drucks. 16/1780 S. 44). So liegt der Fall hier.
24 
Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Preisdifferenz zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 schon aufgrund einer unterschiedlichen Bezuschussung der beiden Nutzergruppen durch die öffentliche Hand gerechtfertigt ist. Das hat die Beklagte nicht bewiesen. Die Beklagte hat trotz gerichtlichen Hinweises nicht hinreichend konkret dargetan, für welchen Zeitraum in welcher Höhe eine Bezuschussung für welche Nutzergruppe erfolgt ist und sich anstelle der Darlegung konkreter Zahlen auf die Vorlage einer Antwort des Verkehrsverbundes ... vom 12.08.2005 auf eine Anfrage einer Landtagsabgeordneten beschränkt, in dem unter anderem die Preisentwicklung für die Tarife im Ausbildungsbereich geschildert wird. Inwieweit sich die oben angesprochenen Angaben aus diesem Schreiben ergeben sollen, erschließt sich dem Gericht nicht. Zu Seniorentarifen verhält sich das vorgelegte Schreiben nicht. Ungeachtet dessen ergibt sich allerdings schon aus der gesetzlichen Regelung in § 45a Abs. 2 Satz 3 PBefG, dass eine stufenweise Absenkung der Ausgleichsbeträge für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs für den Zeitraum ab 2004 vorgesehen ist. Diese Regelung bestätigt zumindest im Grundsatz den Vortrag der Beklagten, dass in dem hier gegenständlichen Zeitraum die öffentlichen Zuschüsse für das Angebot des ...-Tickets kontinuierlich verringert wurden.
25 
Dieser Frage war jedoch nicht weiter nachzugehen, da die Preisdifferenz zwischen dem ...-Ticket und der Karte ab 60 jedenfalls aus einem anderen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Vorab ist festzuhalten, dass sowohl die Klägerin als auch die Begünstigten der Karte ab 60 gegenüber den Nutzern des Standardtarifs begünstigt sind. Beide Nutzergruppen erhalten bereits einen gegenüber dem Standardtarif ermäßigten Tarif. Die Klägerin bezieht sich somit nicht auf die allgemeine Vergleichsgruppe der Nutzer des Standardtarifs, sondern auf eine ebenfalls begünstigte Vergleichsgruppe und beanstandet nicht eine Ungleichbehandlung im Vergleich zur Standardgruppe, sondern eine Ungleichbehandlung zwischen zwei bereits privilegierten Nutzergruppen.
26 
Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Begünstigten der beiden ermäßigten Tarife ein unterschiedliches Nutzerverhalten zeigen. Nach der von der Beklagten vorgenommenen Erhebung nutzen Inhaber der Karte ab 60 die Angebote der Beklagten von Montag bis Freitag relativ gleichmäßig auch in den Nebenzeiten, während Inhaber des ...-Tickets diese vor allem am Morgen und in der Mittagszeit, also während der Hauptverkehrszeit, nutzen. Ein ermäßigter Tarif für Personen ab 60 soll für diese daher einen Anreiz schaffen, die öffentlichen Verkehrsmittel besonders in den Nebenzeiten verstärkt zu nutzen und dadurch bei gleichbleibenden Kosten höhere Einnahmen zu erzielen. Diese betriebswirtschaftliche Erwägung ist nicht zu beanstanden und stellt daher einen sachlichen Grund für eine zulässige unterschiedliche Behandlung im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AGG dar.
27 
3. Ein Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich auch nicht aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG. Die Grundrechte betreffen das Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Gewalt, nicht aber das Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten untereinander. Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte kommt grundsätzlich nicht in Betracht (Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn 7 mwN).
28 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29 
IV. Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und der Fortbildung des Rechts dient. Zu dem hier vorliegenden Sachverhalt liegt bisher keine obergerichtliche Rechtsprechung vor.

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