Beschluss vom Amtsgericht Mannheim - Go 2 XVII 1717/92

Tenor

Die mit Beschluss vom 12.03.2009 angeordnete Ergänzungsbetreuung wird aufgehoben.

Gründe

 
I.
Der Betroffene steht hinsichtlich der Aufgabenkreise Vermögenssorge, Aufenthalt und Gesundheitsfürsorge unter Betreuung.
Sein am 10.09.2008 verstorbener Vater schloss mit seiner zweiten Ehefrau, C. D. G., am 29.07.2003 einen Erbvertrag (AS. 238). Nach III § 1 des Erbvertrages hat die Ehefrau ihren Ehemann zum Erben eingesetzt, zum Nacherben ihre Kinder aus erster Ehe. Unter § 2 hat der Ehemann seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Der beurkundende Notar hat unter V auf die Pflichtteilsrechte hingewiesen.
Nach dem Tod des Vaters des Betroffenen steht dem Betroffenen 1/4 der Erbmasse als Pflichtteil zu. Die Höhe des Anspruchs ist ungeklärt, beläuft sich jedoch nach bisherigen Kenntnissen auf maximal ca. 14.000,00 Euro.
Mit Schreiben vom jeweils 19.02.2009 an die Erbin (AS. 245) und an die Betreuerin des Betroffenen (AS. 246) hat die Stadt, Sozialamt, die Pflichtteilsansprüche übergeleitet, da sie Eingliederungshilfe an den Betroffenen leistet. Mit Schreiben vom 09.04.2009 (AS 273) kündigte das Sozialamt an, die Leistungen einzustellen, da der Betroffen nicht den Pflichtteil gegenüber der Erbin geltend gemacht habe.
Mit Beschluss vom 12.03.2009 (AS. 253) wurde Rechtsanwalt H. zum Ergänzungsbetreuer zur Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche des Betroffenen gegen die Erben eingesetzt. Der Ergänzungsbetreuer hat mit Schriftsatz vom 24.03.2009 angeregt, die Ergänzungsbetreuung aufzuheben, da aufgrund der Überleitung der Ansprüche auf das Sozialamt nichts mehr zu regeln sei. Die Aufhebung wurde mit Beschluss vom 27.04.2009 abgelehnt. Inzwischen hat das Sozialamt am 15.06.2009 dem Ergänzungsbetreuer eine Aufstellung übersandt, wonach seit Eintritt des Erbfalls Leistungen in Höhe von ca. 24.000,00 Euro an den Betroffenen erbracht worden seien.
II.
Die Ergänzungsbetreuung war aufzuheben, da sie nicht erforderlich ist (§§ 1908 d Abs.1 Satz 1, 1896, Abs. 1+2 BGB).
Es besteht eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge. Die Betreuerin ist im Rahmen der Vermögenssorge verpflichtet zu überprüfen, ob und in welcher Höhe Pflichtteilsansprüche des Betroffenen gegen die Erbin bestehen, die nicht auf das Sozialamt übergeleitet worden sind, weil sie entweder zum Schonvermögen gehören oder weil noch keine Leistungen des Sozialhilfeträgers in dieser Höhe erfolgt sind. Des Weiteren hat sie zu prüfen, ob mögliche Ansprüche im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen gegenüber der Erbin überhaupt geltend gemacht werden sollen.
Das Sozialamt hingegen ist berechtigt, übergeleitete Ansprüche gegenüber der Erbin direkt geltend zu machen. Ansprüche gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Betroffenen stehen ihm nicht zu.
1. Die Betreuerin hat, sofern dies dem Interesse des Betroffenen entspricht, den Pflichtteilsanspruch gegen die Erbin geltend zu machen, soweit er nicht auf das Sozialamt übergeleitet wurde.
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Die Überleitung wurde durch die Schreiben vom 19.02.2009 wirksam erklärt.
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Nach § 93 Abs. 1 SGB XII kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige einen Anspruch der leistungsberechtigten Person (hier: des Betroffenen) gegen einen Drittschuldner (hier: der Erbin) überleiten. Dies gilt grundsätzlich auch bezüglich einmaliger Leistungen (hier: Pflichtteilsanspruch), im Hinblick auf laufende Sozialhilfeleistungen (VGH, Urteil vom 02.02.1983, 6 S 2216/82, FEVS 33, 286).
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Hinsichtlich des Anteils des Pflichtteilsanspruchs, der unter Berücksichtigung des übrigen Vermögens des Betroffenen den Schonbetrag überschreitet, tritt durch die Überleitung ein Gläubigerwechsel ein, wonach das Sozialamt gegenüber der Erbin allein anspruchsberechtigt ist (Gerenkamp, in: Mergler/Fink, SGB XII, Stand August 2008, § 93 Rd.-Nr. 28). Der Übergang des Anspruchs auf den Sozialhilfeträger erfolgt bis zur Höhe der von diesem seit Fälligkeit des Anspruchs geleisteten Aufwendungen. Nach Satz 3 der genannten Vorschrift wird der Übergang des Anspruchs nur insoweit bewirkt, als bei rechtzeitiger Leistung des Drittschuldners die Sozialhilfeleistung nicht erbracht worden wäre oder - wie hier - Aufwendungsersatz oder Kostenbeitrag von der leistungsberechtigten Person zu leisten gewesen wäre. Das bedeutet , dass als fiktiver Tatbestand zu prüfen ist, welche Leistungen nicht erbracht worden wären, wenn die geschuldeten Zahlungen durch den Drittschuldner an die leistungsberechtigte Person zu dem Zeitpunkt bewirkt worden wären, zu dem der Leistungsberechtigte sie erstmals hätte verlangen können. (Gerenkamp, a.a.O. § 93 Rd.-Nr. 31). Der Übergang dieses Anspruchs auf das Sozialamt erfolgt aufgrund der Überleitung jedoch erst mit den tatsächlichen (nach dem genannten Datum) erbrachten Leistungen des Sozialamts in deren Höhe(vgl. Gerenkamp, a.a.O. Rd.-Nr. 28, Münder, in LPK-SGB XII, § 93 Rd.-Nr. 30). Es muss eine kausale Verknüpfung bestehen zwischen der Nichtleistung des Dritten und der erfolgten Zahlung des Sozialhilfeträgers, damit der Sozialhilfeträger nicht im Wege der Überleitung eine günstigere Lage erhält, als er sie hätte, wenn der Dritte an den Leistungsberechtigten gezahlt hätte (Münder, a.a.O. Rd.-Nr. 35).
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Danach sind die Pflichtteilsansprüche des Betroffenen nur in der Höhe auf das Sozialamt übergegangen, in der Anrechnungen nach §§ 19 Abs. 5, 92 Abs. 1 SGB XII zu Lasten des Betroffenen auf die seit dem Todestag des Erblassers erfolgten Zahlungen des Sozialhilfeträgers bis heute hätten erfolgen müssen, wenn dem Betroffenen der Pflichtteilsbetrag umgehend seit dem Erbfall zur Verfügung gestanden hätte (vgl. Gerenkamp a.a.O. Rd.-Nr. 37). Dies gilt jedoch nur insoweit, als der Pflichtteilsanspruch nicht im Rahmen des Schonvermögens dem Zugriff des Sozialamts entzogen ist.
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Da vorliegend nach bisheriger Sachlage die erbrachten Leistungen des Sozialamts den Pflichtteilsanspruch bei Weitem übersteigen, kann es hier allenfalls darum gehen, zu klären, ob ein Teil des Pflichtteilsanspruchs dem Schonvermögen zufällt
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Um zu beurteilen, ob und in welcher Höhe ein Pflichtteilsanspruch besteht, der noch nicht übergeleitet wurde und ob, gegebenenfalls wie er durchzusetzen ist, bedarf es großer Sachkunde. Daher ist die Betreuerin befugt, anwaltschaftlichen Rat - gegebenenfalls im Rahmen der Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe - in Anspruch zu nehmen. Ein Ergänzungsbetreuer ist hierzu nicht erforderlich.
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2. Sollte das Sozialamt die Leistungen einstellen mit der im Schreiben vom 09.04.2009 angekündigten Begründung, der Pflichtteilsanspruch sei vom Betroffenen nicht gegenüber der Erbin geltend gemacht worden, wird es Sache der Betreuerin sein, im Rahmen der Vermögenssorge - gegebenenfalls auch unter Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts - dagegen vorzugehen. Denn das Sozialamt ist nicht berechtigt, Leistungen zu verweigern mit der Begründung, der Leistungsempfänger müsse zuvor ihm zustehende Pflichtteilsansprüche realisieren. Gem. § 2317 BGB steht dem Betroffenen der Pflichtteilsanspruch zwar zu, doch steht ihm frei, ob er diesen geltend macht (vgl. BGH ZB 30/08, Beschluss vom 26.02.2009, zitiert nach Juris Rd.-Nr. 20; BGH ZR 116/92, Urteil vom 08.07.1993, zitiert nach Juris Rd.-Nr. 10). Um den Grundsatz nachrangiger Hilfegewährung gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verwirklichen, um also zu vermeiden, dass Vermögen zu Lasten des Sozialamts dem Betroffenen entzogen wird, sieht § 93 SGB XII die Möglichkeit der Überleitung des Pflichtteilsanspruch in Höhe der erbrachten Leistung vor, und zwar unabhängig davon, ob der Betroffene seinen Pflichtteil in Anspruch nimmt ( BGH Urteil vom 08.12.2004, IV ZR 223/03). Den dem Sozialamt durch die Überleitung allein zustehenden Anspruch in der übergeleiteten Höhe direkt gegen die Erbin - notfalls klageweise- geltend zu machen, ist dann aber Sache des Sozialamtes. Dieses hat hierfür die Höhe des Pflichtteilsanspruchs zu ermitteln und die Höhe der erbrachten Leistungen darzulegen. Die Erbin kann dann - gegebenenfalls unterstützt durch den Betroffenen nach Streitverkündung und Nebenintervention - die Höhe eines möglichen Schonvermögens darlegen.
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3. Von einer von §§ 92, 93 KostO abweichenden Kostenentscheidung wird abgesehen, da bislang die Frage der Erforderlichkeit einer Ergänzungsbetreuung im Hinblick auf die Überleitung von Pflichtteilsansprüchen im hiesigen Gerichtsbezirk noch nicht entschieden wurde. Zumindest in Fälle wie dem vorliegenden, in dem ein Betreuer/eine Betreuerin im Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt ist, ist - wie ausgeführt - keine Ergänzungsbetreuung zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche erforderlich. Sollte dies in gleichgelagerten Fällen erneut angeregt werden, könnten die Kosten nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG dem Antragsteller auferlegt werden.

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