Beschluss vom Amtsgericht Mannheim - 2 UR 21/15; 2 BHG 425/13

Tenor

Die Erinnerung des Bevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 27.04.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

 
I.
Dem Antragsteller ist am 14.11.2013 wegen der Angelegenheit „Abwehr der Forderung der Firma ... GmbH“ Beratungshilfe bewilligt worden.
Der Antragsteller hat den Erinnerungsführer zu Rate gezogen. Der Erinnerungsführer hat sich daraufhin mit Schreiben vom 28.11.2013 an die für die ... GmbH tätige Inkassogesellschaft gewandt. Wegen des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf die bei den Akten befindliche Ablichtung Bezug genommen.
Unter dem 28.01.2015 hat der Erinnerungsführer Gebühren in einer Gesamthöhe von EUR 121,38, darunter eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG, abgerechnet. Die Kostenbeamtin des Amtsgerichts Mannheim hat mit Beschluss vom 27.04.2015 die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf lediglich EUR 49,98 festgesetzt und, wie sich aus der Begründung dieses Beschlusses ergibt, den weiteren Antrag auf Kostenfestsetzung zurückgewiesen.
Gegen diese teilweise Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags richtet sich die Erinnerung des Erinnerungsführers.
Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Erinnerung ist nicht begründet.
Dem Erinnerungsführer steht für seine Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe lediglich wie festgesetzt eine Beratungsgebühr nach Nr. 2501 VV RVG in Höhe von EUR 35,00 nebst Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von EUR 7,00 und Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von EUR 7,98 zu. Eine Geschäftsgebühr kann der Erinnerungsführer nicht beanspruchen, weil eine Vertretung des Antragstellers im Rahmen der Beratungshilfe nicht erforderlich gewesen ist.
1.
Die Frage, ob eine Vertretung im Zusammenhang mit der Gewährung der Beratungshilfe erforderlich war oder nicht, ist im Gebührenfestsetzungsverfahren zu prüfen (ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 29.10.2007, 3 W 1135/07; LG Aachen, AnwBl 1997, 293; entgegen OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.05.2007, 8 W 169/07; LG Berlin Beschluss vom 22.05.2013, 82 T 532/12).
Gebühren gemäß Nr. 2500 ff. VV-RVG können nach dem ausdrücklichen Inhalt der maßgeblichen gesetzlichen Regelung nur „im Rahmen der Beratungshilfe“ entstehen (§ 44 Satz 1 RVG; Vorbem. 2.5 zu Abschnitt 5 VV-RVG). Dieser Rahmen der Beratungshilfe wird durch § 2 BerHG vorgegeben. Danach besteht die Beratungshilfe in der Beratung und nur soweit erforderlich in der Vertretung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BerHG). Ob eine solche Vertretung erforderlich ist oder ob die Erteilung eines Rates ausreicht, läßt sich aber zum Zeitpunkt der Bewilligung der Beratungshilfe noch nicht abschließend feststellen und ist dort auch nicht zu prüfen (OLG Dresden, Beschluss vom 29.10.2007, 3 W 1135/07; LG Aachen, AnwBl 1997, 292; Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessle, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Auflage, Rdn. 264, 345).
10 
Entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart (Beschluss vom 22.05.2007, 8 W 169/07; Beschluss vom 12.08.2008, 8 W 229/08) ist mit der Prüfung der Erforderlichkeit der Vertretung im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens auch weder eine unzulässige Einflussnahme auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts, der in eigener Verantwortung entscheidet, wie er für den Rechtsuchenden im Rahmen der Beratungshilfe tätig wird, noch eine Überforderung des Gebührenbeamten verbunden. Denn der Gebührenbeamte muss im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit der Vertretung nicht jede gebührenrechtlich relevante Tätigkeit des Anwalts auf ihre Notwendigkeit hin untersuchen. Losgelöst davon ist vielmehr nur entscheidend, ob ein Sachverhalt vorliegt, der unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Verhältnisse des Rechtsuchenden generell eine Vertretung nach außen erfordert (dazu näher unter 2.). Ist das der Fall und hat der Rechtsuchende den Rechtsanwalt aus diesem Grund mit seiner Vertretung nach außen beauftragt, fällt die im Rahmen der Vergütung der Beratungshilfe festzusetzende Geschäftsgebühr mit jedem auftragsgemäßen Betreiben des Geschäfts an (Anm. 1 zu Nr. 2503 VV RVG). Der Begriff des „Betreibens des Geschäfts“ ist weit auszulegen. Die Geschäftsgebühr entsteht deshalb ohne Weiteres bereits mit jeder mit diesem Auftrag verbundenen Tätigkeit des Rechtsanwalts wie der ersten Unterhaltung mit dem Auftraggeber, dem Anlegen der Handakten, dem Entwurf und der Versendung eines Schreibens, dem Antrag auf Akteneinsicht etc. (BGH Urt. V. 13.01.2011, IX ZR 110/10, Rdn. 9 mit weiteren Beispielen).
11 
Der Prüfung der Erforderlichkeit der Vertretung im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens ist auch nicht deshalb entbehrlich oder gar unzulässig, weil sich auf dem Berechtigungsschein der Hinweis an den Berechtigten findet, gegen Vorlage dieses Scheins werde ein Rechtsanwalt seiner Wahl ihn rechtlich beraten und außergerichtlich vertreten. Die Frage, ob gebührenrechtlich eine Geschäftsgebühr festzusetzen ist, ist von der Frage der Bewilligung der Beratungshilfe, losgelöst zu betrachten. Zu bewilligen ist die Beratungshilfe außer in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren stets in dem im Gesetz genannten Umfang, nämlich für die Beratung und für die Vertretung (§ 2 Abs. 1 BerHG). Die Erteilung eines Berechtigungsscheins nur für die Beratung kennt das Gesetz nicht, so dass eine entsprechende Einschränkung im Rahmen der Bewilligung der Beratungshilfe nicht in Frage kommt (LG Aachen, AnwBl 1997, 292; Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessle, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Auflage, Rdn. 264).
2.
12 
Bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Vertretung ist zu berücksichtigen, dass die Beratungshilfe grundsätzlich zunächst durch die Beratung des Rechtsuchenden gewährt wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 1. HS BerHG). Mit dieser Beratung soll der Rechtsuchende in die Lage versetzen werden, selbst tätig zu werden und auf der Grundlage der ihm erteilten Rechtsberatung die gegebenenfalls notwendigen Schreiben selbst zu fertigen. Eine darüber hinausgehende Vertretung des Rechtsuchenden ist nur dann als erforderlich anzusehen, wenn dieser nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BerHG). Diese Voraussetzungen sind nicht ohne Weiteres erfüllt. Die Vertretung des Rechtsuchenden durch eine Beratungsperson gilt als ultima ratio im Beratungshilfegesetz. (Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessel, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rdn. 208). Die Erforderlichkeit einer Vertretung setzt deshalb voraus, dass ein rechtlich schwieriger und komplexer Sachverhalt vorliegt und dass der Rechtssuchende nach objektiven und subjektiven Kriterien trotz vorheriger Beratung durch eine Beratungsperson die Rechtsverwirklichung nicht sachgerecht in die eigene Hand nehmen kann (Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessel, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rdn. 209). Maßgeblich für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Vertretungshandlung ist danach die Schul- und sonstige Bildung des Rechtsuchenden in Relation zur Komplexität der Angelegenheit (Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessel, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rdn. 347).
13 
Nach diesen Kriterien war eine Vertretung des Antragstellers durch den Erinnerungsführer im Rahmen der bewilligten Beratungshilfe nicht erforderlich. Der Inhalt des Schreibens des Erinnerungsführers vom 28.11.2013 lässt nicht die Annahme zu, dass eine Vertretung notwendig war. Das Schreiben war inhaltlich nicht anspruchsvoll. Es enthielt weder schwierige rechtliche Erwägungen noch komplizierte Sachverhaltsschilderungen. Der Erinnerungsführer teilte der Gläubigerseite lediglich mit, dass sein Mandant keinen Vollstreckungsbescheid erhalten habe. Er bat um Übersendung einer Kopie des Vollstreckungsbescheids, einer Forderungsaufstellung, eines Belegs über die Zusammensetzung der Hauptforderung und über die Person des Anspruchsgegners und teilte mit, dass sein Mandant bei der ... GmbH nichts bestellt habe. Dass der Antragsteller im Hinblick auf seine Schul- und sonstige Bildung trotz entsprechender vorheriger Beratung durch den Erinnerungsführer nicht in der Lage gewesen wäre, ein einfaches Schreiben dieses Inhalts selbst zu verfassen, ist nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Der Hinweis des Erinnerungsführers, dass das Sprachverständnis des Antragstellers für juristische Schriftsätze nicht ausreiche, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Inhalt des Schreibens stellte keine hohen Anforderungen an das Sprachverständnis. Sein Aussagegehalt erfordert jedenfalls nach entsprechender Beratung keinerlei juristisches Verständnis. Zudem rechtfertigen Defizite im Sprachgebrauch allein eine anwaltliche Vertretung ebenso wenig wie der Umstand, dass ein Anwaltsschriftsatz beim Gegner möglicherweise einen größeren Eindruck hervorzurufen vermag als ein selbstverfasstes Schreiben (Lissner/Dietrich/Eilzer/ Germann/Kessel, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rdn. 209, 211; LG Itzehoe, Beschluss vom 04.05.2011, 4 T 73/11).
14 
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
15 
Die Beschwerde ist zuzulassen, weil die Frage, ob im Gebührenfestsetzungsverfahren die Notwendigkeit einer Vertretung der beratungsbedürftigen Person zu prüfen ist, angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung hierzu von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 66 Abs. 1 Satz 2 GKG).

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