Urteil vom Amtsgericht Marl - 34 C 34/15
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, es insbesondere in den Ruhezeiten zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr sowie zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr zu unterlassen, Musikabspielgeräte sowie den Fernseher lauter als auf Zimmerlautstärke zu betreiben, sowie es in den vorgenannten Ruhezeiten weiterhin zu unterlassen, Möbel lautstark zu verrücken, mit Stöckelschuhen in der Wohnung umherzulaufen und die Rolläden lautstark zu betätigen.
Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorbezeichneten Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, angedroht.
Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 258,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentumsgemeinschaft H-Straße … in N. Die Wohnung der Klägerin liegt oberhalb derjenigen der Beklagten.
3Die Klägerin beschwerte sich bereits im Jahre 2013 über angebliche Ruhestörungen durch die Beklagten in den Zeiten zwischen 22 Uhr und 6 Uhr sowie zwischen 13 Uhr und 15 Uhr. Nachdem persönliche Aufforderungen der Klägerin nach deren Auffassung zunächst nicht den gewünschten Erfolg zeigten, wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in Schreiben vom 27.06.2013, 29.08.2013 und 04.09.2013 an die Beklagten sowie an die Hausverwaltung und verlangte die Unterlassung von ruhestörenden Geräuschen.
4In Schreiben vom 16.03.2015, 24.03.2015 und 16.07.2015 beschwerte sich die Klägerin bei den Beklagten und der Hausverwaltung erneut über ein angeblich ruhestörendes Verhalten der Beklagten. Die Klägerin hatte zwischenzeitlich begonnen, Lärmprotokolle zu fertigen. Wegen der Einzelheiten der in den Protokollen festgehaltenen angeblichen Lärmimmissionen aus der Wohnung der Beklagten wird auf die zur Akte gereichten Unterlagen (Bl. 31 ff., 37 ff. d.A.) Bezug genommen.
5Die Klägerin behauptet, dass die Beklagten in ihrer Wohnung die sich im Einzelnen aus ihren Aufzeichnungen ergebenden Geräusche verursacht hätten, die ihr nicht zumutbar seien. Insbesondere werde sie über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagten den Fernseher und das Radio häufig viel zu laut einstellten, sie Türen knallten, die Beklagte mit Stöckelschuhen durch ihre Wohnung laufe und die Beklagten die Rolläden nachts lautstark betätigten.
6Die Klägerin beantragt mit der den Beklagten am 12.12.2015 zugestellten Klageschrift,
71. die Beklagten bei Vermeidung der gerichtlichen Festsetzung eines Ordnungsgeldes, ersatz- oder wahlweise Ordnungshaft, für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs zu verurteilen, es zu unterlassen, Ruhestörungen und Lärmbelästigungen durch den Betrieb von Fernseher, Musikwiedergabegeräten sowie Türenknallen insbesondere zu den Ruhezeiten zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr sowie 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr vorzunehmen und es ebenfalls zu unterlassen, während der benannten Ruhezeiten Möbel zu verrücken, mit Stöckelschuhen in der Wohnung herumzulaufen und die Rolläden lautstark zu betätigen,
82. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, vorgerichtliche Kosten in Höhe von 258,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen.
9Die Beklagten beantragen,
10die Klage abzuweisen.
11Sie bestreiten, dass die von der Klägerin aufgeführten Geräusche ruhestörend gewesen seien. Sie achteten die Ruhezeiten, Musikabspielgeräte oder der Fernseher würden lediglich auf Zimmerlautstärke betrieben. Die Rolläden ließen sie vorsichtig hinunter.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Das Gericht hat die Parteien persönlich gemäß § 141 ZPO angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen G, L und T sowie durch Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Wohnungen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2016 (Bl. 109 ff. d.A.) bzw. des Ortstermins vom 28.04.2016 (Bl. 126 f. d.A.) Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte den sich aus dem Tenor des Urteils ergebenden Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 Abs. 1 BGB.
15Ein Sondereigentümer hat gegen einen anderen gemäß §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG einen Anspruch darauf, dass eine Geräuschentfachung unterlassen wird, wenn hierdurch dem anderen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Hierzu bedarf es wiederholter Vorgänge einigen Gewichts und/oder nicht unerheblichen Ausmaßes und/oder einiger Dauer (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2009, 3 Wx 233/08, NJW 2009, 3377). Das Abspielen von Musik ist grundsätzlich – auch außerhalb der Ruhezeiten –nur auf Zimmerlautstärke zulässig (Staudinger/Kreuzer (2005), WEG, § 13 Rn. 3).
16Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagten insbesondere durch das zu laute Einstellen des Fernsehers bzw. eines sonstigen Musikabspielgeräts und – zu den Ruhezeiten – durch das lautstarke Verrücken von Möbeln, das lautstarke Betätigen der Rolläden und durch Stöckelschuhe verursachte Trittschallgeräusche einen Lärm verursachen, der die Klägerin über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt.
17Die Klägerin hat in ihrer persönlichen Anhörung glaubhaft bestätigt, dass sie es auf Rat ihres Prozessbevollmächtigten zur Gewohnheit gemacht habe, dass sie immer dann, wenn sie von Lärm aus der Wohnung der Beklagten geweckt worden sei, dieses auf einem Block schriftlich festhalte, der neben ihrem Bett liege. Diese Eintragungen habe sie sodann in das Lärmprotokoll übertragen. Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung am 14.03.2016 ausdrücklich eingeräumt, dass sie grundsätzlich nicht in Abrede stellen würden, dass sie Geräusche zu dem im Lärmprotokoll genannten Zeitpunkten verursacht haben, und dass der Fernseher auch durchaus bis in die Nacht hinein liefe. Die Rolläden zögen sie erst dann hinunter, wenn sie ins Bett gingen, ggf. erst spät in der Nacht. Sie vertraten jedoch die Auffassung, dass diese Geräusche nicht so laut gewesen seien, dass sie eine Ruhestörung in der Wohnung der Klägerin verursacht hätten.
18Dass die von den Beklagten verursachten Geräusche jedoch durchaus geeignet sind, andere Wohnungseigentümer zu stören, haben neben der Klägerin auch die Zeugen L und T glaubhaft bestätigt. So bekundete die Zeugin L, die in der Wohnung unterhalb der Beklagten lebt, dass auch sie nachts hören würden, dass die Beklagten Rolläden betätigen würden. Auch habe sie häufiger den Fernseher gehört, wobei diese Geräusche abgenommen hätten, seitdem die Klägerin die hiesige Klage eingereicht habe. Tagsüber habe sie häufiger lautstarke Musik aus der Wohnung der Beklagten gehört, und zwar so laut, dass man die einzelnen Titel habe erkennen können. Nach 22 Uhr sei auch das Verrücken von Gegenständen, möglicherweise von Möbeln, deutlich vernehmbar gewesen. Auch der Lebensgefährte der Zeugin L, der Zeuge T, bestätigte die Angaben der Klägerin und der Zeugen L. Es seien häufiger Geräusche aus der Wohnung der Beklagten zu hören. Ab und zu werde die Musik so laut gespielt, dass man jedes einzelne Wort verstehen könne. Zur Nachtzeit störe ihn besonderes das Verrücken von Möbeln sowie die Betätigung der Rolläden. Auch das Tragen von Stöckelschuhen sei deutlich vernehmbar geworden. Das Gericht hat keine Veranlassung, die Angaben der Zeugen in Zweifel zu ziehen. Die Aussagen deckten sich im Wesentlichen, ohne dass das Gericht den Eindruck gewinnen konnte, dass diese untereinander abgesprochen gewesen seien. Sie wiesen ebenfalls keine übermäßige Belastungstendenz zum Nachteil der Beklagten auf, vielmehr erläuterten die Zeugen z.B. auch, dass es aus ihrer Sicht nunmehr besser geworden sei, nachdem die Klägerin den Rechtsweg bestritten habe. Dieses spricht insbesondere auch für die Glaubwürdigkeit der Zeugen.
19Den Beklagten ist es auch ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich, den ausgeurteilten Unterlassungspflichten nachzukommen. So konnte im Rahmen des Ortstermins festgestellt werden, dass der Fernseher bei einer „normalen“ Lautstärke von jedenfalls bis zu 50% nicht in der Wohnung der Klägerin gehört werden kann. Auch die Rolläden konnten so betätigt werden, dass dieses keine erwähnenswerte Geräuschentwicklung verursacht. Die Beklagte wird auch nicht unzumutbar dadurch beeinträchtigt, wenn sie zu Ruhezeiten nicht mit Stöckelschuhen in der Wohnung umherläuft bzw. wenn die Beklagten zu Ruhezeiten Möbel nicht lautstark verrücken. Dem Klageantrag war daher insoweit stattzugeben, da aufgrund des wiederholten Verhaltens der Beklagten zu befürchten ist, dass sich diese Geräuschentfachung auch in Zukunft fortsetzen wird, sofern diese den Beklagten nicht untersagt wird.
20Nicht festgestellt werden konnte jedoch, dass die Klägerin durch das Knallen von Türen unzumutbar beeinträchtigt wird. Selbst nach den eigenen Aufzeichnungen der Klägerin kam dieses – im Verhältnis zu den sonstigen Geräuschen – nur sehr selten vor. Auch die Klägerin muss sich vergegenwärtigen, dass sie in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft lebt, wo es nicht immer zu vermeiden ist, dass Geräusche aus anderen Wohnungen zu ihr dringen. Hierzu gehört es auch, dass ab und zu – sei es aus Versehen oder aus Verärgerung – Türen lautstark geschlossen werden. Solange ein solches „Türenknallen“ nicht regelmäßig geschieht, besteht kein Anspruch auf Unterlassung.
21Die Klägerin kann den Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen beanspruchen, nachdem die Beklagten trotz einer mehrfachen Aufforderung durch die Klägerin selbst im Jahre 2013 die Ruhestörungen nicht abstellten, so dass die Klägerin berechtigt war, ihren Prozessbevollmächtigten mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu beauftragen.
22Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 S. 2 ZPO.
23Rechtsbehelfsbelehrung:
24Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
251. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
262. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
27Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstraße 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
28Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
29Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
30Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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