Urteil vom Amtsgericht Minden - 21 C 228/11
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gegenstandswert wird auf 25,59 € festgesetzt.
1
Entscheidungsgründe
2I.
3Gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.
4II.
5Die Klage ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
61.
7Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 25,59 € gemäß §§ 675 i.V.m. 611 BGB. Der Beklagte hat seine auf Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen.
8a.
9Unstreitig hat der Beklagte das mit der Klageschrift als Anlage K 1 vorgelegte, von der Klägerin vorformulierte und per Brief übersandte Auftragsformular, am 07.04.2010 eigenhändig unterzeichnet und zurückgeschickt. Indem der Beklagte dieses Formular am Ende in dem Feld, in dem es heißt „Hiermit erteile ich der Firma H. den Auftrag, für mich kostenpflichtig die Abwicklung beim Zoll und den Finanzbehörden vorzunehmen.“ unterzeichnet hat, hat er das Vertragsangebot der Klägerin angenommen und sich zur Zahlung einer Vergütung an die Klägerin verpflichtet. Damit ist zwischen den Parteien ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter zustande gekommen.
10Für das Zustandekommen des Vertrages und die grundsätzliche Vergütungspflicht der klägerischen Leistung kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte die Rückseite, auf der die Abfertigungsgebühr/Dienstleistungspauschale mit 21,50 € netto angegeben wird, gelesen hat. Sofern der Beklagte entgegen des Hinweises oben auf der Vorderseite des Formulars „Bitte Rückseite beachten“ die Rückseite unbeachtet und ungelesen lässt, kann er dies nicht der Klägerin entgegenhalten, insbesondere da der Hinweis auf die Rückseite ausreichend deutlich hervorgehoben ist.
11b.
12Der Vertrag ist unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312 b Abs. 2 BGB zustande gekommen. Bei Fernabsatzverträgen steht dem Verbraucher gemäß §§ 312 d Abs. 1, 355 BGB ein Widerrufsrecht zu; die Widerrufsfrist beträgt nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB zwei Wochen.
13Der Beklagte hat – über ein Jahr nach Vertragsschluss – mit Schriftsatz vom 29.08.2011 den Widerruf erklärt.
14aa.
15Das Widerrufsrecht war zu dem Zeitpunkt noch nicht erloschen – und zwar weder nach § 355 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB wegen Ablaufes von zwei Wochen noch nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB wegen Ablaufes der Höchstfrist von 6 Monaten.
16Die Zweiwochenfrist beginnt gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB erst, wenn der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht in Textform erhalten hat und gemäß § 312 d Abs. 2 BGB auch erst nach Erfüllung der Informationspflichten nach § 312 c BGB. Auch die Höchstfrist nach § 355 Abs. 3 S. 3 1. HS BGB gilt nicht, wenn der Verbraucher gar nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Dabei genügt der Unternehmer seinen Informations- und Belehrungsobliegenheiten, wenn er als Text das Muster der Anlage 2 zu BGB-InfoV 14 verwendet.
17Vorliegend fehlt es sowohl an der Information nach § 312 c BGB als auch an einer ordnungsgemäßen Belehrung vor Abgabe der Verbrauchererklärung.
18bb.
19Das Widerrufsrecht ist auch nicht nach § 312 d Abs. 3 BGB erloschen.
20Zwar ist es entgegen der Auffassung des Beklagten für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 312 d Abs. 3 BGB unerheblich, ob der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist (Schmidt-Räntsch in BeckOK BGB, § 312 Rn. 32; Grüneberg in Palandt, BGB, 69. Auflage 2010, § 312 d Rn. 7; Junker in JurisPK BGB, 5. Auflage 2010, § 312 d Rn. 39; AG Sinsheim NJW-RR 2009, 1290; BGHZ 166, 369 <juris> dort Rz. 34). Auch braucht der Verbraucher nicht ausdrücklich zu erklären „es soll mit der Ausführung der Dienstleistung vor Ablauf des mir zustehenden Widerrufsrechts begonnen werden“; vielmehr kann der von § 312 d Abs. 3 BGB vorausgesetzte ausdrückliche Wunsch des Verbrauchers auch in konkludentem, schlüssigen Verhalten liegen (Schmidt-Räntsch in BeckOK BGB, § 312 d Rn. 32). Ob der Beklagte mit Unterzeichnung und Rücksendung des Auftragsformulars einen solchen Wunsch geäußert und zum Ausdruck gebracht hat, die Dienstleistung solle unmittelbar erbracht werden, kann im Ergebnis dahinstehen.
21Es fehlt vorliegend an der weiteren Voraussetzung des § 312 d Abs. 3 BGB, wonach der Vertrag von beiden Seiten vollständig erfüllt worden sein muss.
22Es reicht nicht aus, dass die Klägerin die Gestellung der vom Beklagten in China bestellten und von dort angelieferten Ware übernommen und die Zollformalitäten abgewickelt hat. Dass der Beklagte bereits die von der Klägerin verauslagten Zölle und Einfuhrumsatzsteuer gemäß Steuerbescheid vom 07.04.2011 in Höhe von 40,99 € bezahlt hat, führt ebenso wenig zu beiderseitiger vollständiger Erfüllung. Der Beklagte hat seine Leistung – nämlich Bezahlung der Dienstleistungspauschale – nicht vollständig erbracht; entsprechend beansprucht die Klägerin nach wie vor im hiesigen Rechtsstreit Erfüllung ihres Vergütungsanspruchs (vgl. SchmidtRäntsch in BeckOK BGB § 312 d Rn. 31; Grüneberg a.a.O.; Junker in JurisPK BGB, 5. Auflage 2010, § 312 d Rn. 37).
232.
24Ein Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht unter Wertersatzgesichtspunkten.
25Zwar hat der Beklagte unstreitig die Dienstleistung der Klägerin in Anspruch genommen und kann diese naturgemäß auch nicht mehr zurückgeben, so dass grundsätzlich nach den Vorschriften des gesetzlichen Rücktritts gemäß § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten wäre. Dies gilt nach § 312 d Abs. 6 BGB in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung (vgl. § 312 e Abs. 2 BGB i. d. F. ab 04.08.2011) allerdings nur, wenn der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Wertersatzpflicht hingewiesen worden ist und es im Rechtsstreit dem Unternehmer gelingt darzulegen und zu beweisen, dass und wann er auf die Wertersatzpflicht hingewiesen hat und dass der Verbraucher dann der Ausführung der Dienstleistung zugestimmt hat (Junker in JurisPK BGB, 5. Auflage 2010, § 312 d Rn. 145).
26Dass ein solcher Hinweis überhaupt erteilt worden sei, hat die Klägerin nicht einmal behauptet.
273.
28Ebenso wenig kann die Klägerin Zahlung nach §§ 812, 818 BGB verlangen.
29Würde man den Beklagten unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten verpflichten, Wertersatz für die von der Klägerin erbrachte Leistung in Höhe der angemessenen und ortsüblichen Vergütung zu bezahlen, führte dies zu einer Umgehung der Verbraucherschutzvorschriften des Fernabsatzrechtes.
304.
31Mangels eines begründeten Anspruchs in der Hauptsache stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Nebenforderungen nicht zu.
32III.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 711 Nr. 8, 713 BGB.
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