Urteil vom Amtsgericht Mülheim an der Ruhr - 12 C 1134/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckuzng durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit leistet.
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hat das Amtsgericht Mülheim an der Ruhrauf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2012durch den Richter am Amtsgericht Südfeld
2für Recht erkannt:
3Die Klage wird abgewiesen.
4Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
5Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckuzng durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit leistet.
Tatbestand
6Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Rechtsanwaltshonorar geltend.
7Die Beklagte erhielt von der Rechtsanwaltskanzlei T1 eine Abmahnung wegen Verletzung von Urheberrechten im Internet. Der Beklagten wurde vorgeworfen, am 3.11.2010 das urheberrechtsgeschützte Filmwerk „X & I #2“ in einer Tauschbörse im Internet anderen Nutzern angeboten zu haben. Im Rahmen der Abmahnung wurde die Beklagte zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 750,00 € und zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert. Die Kanzlei T1 ging in der Abmahnung von einem Unterlassungswert in Höhe von 50.000,00 € aus.
8Die Beklagte wendete sich an die Rechtsanwaltsgesellschaft T2 GmbH. Herr Rechtsanwalt T2 riet zu der Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung und dem Versuch, die Schadenersatzansprüche, die in Höhe von 750,00 € durch die Rechtsanwaltskanzlei T1 gefordert wurde, zu reduzieren.
9Der Beklagten wurden sodann Unterlagen übersandt. In diesen Unterlagen wurde in Bezug auf das Kostenrisiko der Beklagten unter anderem mitgeteilt: „Wirtschaftlich gesehen gehen Sie damit die geringsten Risiken ein (…)“. Übersandt wurde zudem eine „Vergütungsvereinbarung mit Erläuterungen“, in der unter anderem bestimmt ist: „Es gelten die Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes als vereinbart. Sofern das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Rahmengebühren enthält und dem Rechtsanwalt einen Ermessensspielraum einräumt, gilt ein Satz von 1,9 als vereinbart. Für den Unterlassungsstreitwert wird ein Wert von 50.000,00 € (siehe Abmahnung) vereinbart. Die Geschäftsgebühr entsteht mit Erteilung des Mandats. Auf den Kostenrahmen gemäß Anschreiben wurde hingewiesen. (…)“. In weiter unten befindlichen Erläuterungen heißt es : „Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hat zwei Anknüpfungspunkte, den Streitwert und das Geschehen im Verfahren (…) und verschiedene Tatbestände, die in einem Verfahren auftreten oder nicht auftreten. Aus letzterem Grund lassen sich Verfahrenskosten im Vorfeld nicht abschließend bestimmen.“ Weiterhin heißt es: „Da aber das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz an den Streitwert (= Gegenstandswert) anknüpft, stehen die Kosten immer in einem sachgerechten Verhältnis zu dem Wert, „um den es geht“.“Durch unsere außergerichtliche Tätigkeit (…) entsteht zunächst eine sogenannte Geschäftsgebühr. Eine Erläuterung zur Geschäftsgebühr finden Sie hier: (...) Im Anschluss wird auf eine Seite auf "Wikipedia" verwiesen.
10Außerdem hatte die Kanzlei T2 in dem ersten Anschreiben vom 14.3.2011 in Bezug auf die Kosten mitgeteilt: „Der Kostenrahmen beträgt maximal bis ca. 2.600,00 €, minimal ca. 226,00 € (Erstberatung)“.
11Mit Schreiben vom 16.3.2011 rechnete die Kanzlei T2 ihre Gebühren in Höhe von 2.562,90 € ab.
12Die Kanzlei T2 GmbH trat ihre Forderung an die Klägerin ab, die diesen Betrag nunmehr klageweise geltend macht.
13Die Klägerin beantragt,
14die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.562,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.4.2011 zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagte behauptet, sie sei von Herrn Rechtsanwalt T2 nicht sachgemäß beraten worden; ihr Ehemann, der Zeuge T3, der unstreitig das Gespräch mit Herrn Rechtsanwalt T2 führte, sei von Herrn Rechtsanwalt T2 dahingehend belehrt worden, dass „die Sache meistens auf ca. 100,00 € gemindert werden könne“; Rechtsanwalt T2 habe bezüglich der Kostenfrage nicht ausreichend aufgeklärt; der Zeuge T3 habe für den Fall, dass Herr Rechtsanwalt T2 seine eigenen Gebühren in Höhe von 2.562,90 € mitgeteilt hätte, der Beklagten geraten, stattdessen die von Herrn Rechtsanwalt T1 geforderten 750,00 € zu zahlen.
18Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T3.
19Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.2.2012 verwiesen.
20Im Hinblick auf den weiteren Parteivortrag wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
21Die zulässige Klage ist nicht begründet.
22Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus abgetretenem Recht gemäß §§ 611, 612 BGB, 388 BGB in Höhe von 2.562,90 €.
23Die Rechtsanwaltskanzlei T2 hat gemäß § 242 BGB keinen Anspruch gegen die Beklagte, die sie hätte der Klägerin abtreten können, da sie sich gegenüber der Beklagten schadenersatzpflichtig gemacht hat, indem sie ihre Aufklärungspflichten, bezogen auf das eigene Honorar, verletzt hat.
24Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 24.5.2007, IX ZR 89/06) kann sich aus besonderen Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren, etwa wenn die Höhe der vom Auftraggeber zu zahlenden Gebühren das von ihm verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos macht.
25Eine solche wirtschaftliche Sinnlosigkeit liegt insofern vor, als die Rechtsanwaltskanzlei T1 von der Beklagten neben der Unterlassungserklärung, auch Schadenersatzansprüche in Höhe von 750,00 € begehrte und zur Abwendung dieses Begehrens die Kanzlei T2 der Beklagten 2.562,90 € in Rechnung stellte.
26Mit der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Reinbek – 5 C 523/11 -, Urteil vom 21.12.2011, geht das Gericht davon aus, dass insofern ein Mandant, der sich mit einer Schadenersatzforderung von 750,00 € ausgesetzt sieht und dann über 2.500,00 € Honorar dafür zahlen soll, dass er diese Schadenersatzforderung nicht zahlt, „vom Regen in die Traufe“ kommt.
27Herr Rechtsanwalt T2 hätte nach § 242 BGB die Pflicht gehabt, die Beklagte ausdrücklich darauf hinzuweisen, jedenfalls den für die Beklagte anrufenden Ehemann darauf hinzuweisen, dass seine Beauftragung wirtschaftlich nicht zweckmäßig sei. Dass der Rechtsanwalt T2 dies nicht getan hat, steht zur Überzeugung des Gerichts nach den glaubhaften Aussagen des glaubwürdigen Zeugen T3 fest.
28Der Rechtsanwalt T2 hat darüber hinaus regelrecht irreführend die Beklagte mit schriftlichen Unterlagen versehen, aus denen sie den Eindruck gewinnen konnte, die Beauftragung würde sich möglicherweise in einer Erstgebühr von 226,00 € erschöpfen, obwohl Herr Rechtsanwalt T2 zu diesem Zeitpunkt wusste, davon ist lebensnah und im Hinblick auf die zahlreichen Verfahren, die Herr Rechtsanwalt T2 in gleichgelagerten Fällen betrieben hatte, dass die Beklagte für seine Tätigkeit über 2.500,00 € zahlen sollte.
29Entsprechende Belehrungen in den genannten Unterlagen sieht das Gericht als bewusst irreführend an. Insbesondere die Behauptung, „aus letzterem Grund lassen sich Verfahrenskosten im Vorfeld nicht abschließend bestimmen“ ist eine Irreführung dahingehend, dass die Mandantin möglichst keine weiteren Fragen bezüglich des Honorars mehr aufwerfen sollte. Besonders beachtlich ist nach Auffassung des Gerichts, dass der Beklagten in der „Vergütungsvereinbarung mit Erläuterungen“ dann auch noch mitgeteilt wird, „da aber das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz an den Streitwert (= Gegenstandswert) anknüpft“, stehen die Kosten immer in einem sachgerechten Verhältnis zu dem Wert, „um den es geht“. Damit sollte die Beklagte in nicht vorhandener Sicherheit gewiegt werden, dass sie nicht auch noch von Rechtsanwalt T2 mit Gebührenforderungen überzogen wird, die in einem Missverhältnis zu den von Rechtsanwalt T1 begehrten 750,00 € nebst Unterlassungserklärung stehen. Insofern wurde der Beklagten suggeriert, sie erlange einen Vorteil dadurch, dass sie Herrn Rechtsanwalt T2 mandatiert.
30Die Schadenhöhe bemisst sich nach § 249 BGB und entspricht dem, was die Klägerin von der Beklagten begehrt. Nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Ehemann der Beklagten bei entsprechender Aufklärung seiner Ehefrau abgeraten hätte, Herrn Rechtsanwalt T2 zu mandatieren. Dies ergibt sich aus der glaubhaften und im Übrigen nachvollziehbaren, weil lebensnahen, Aussage des Zeugen T3. Lebensnah ist es, dass ein Rechtsanwalt nicht für einen Betrag von 2.562,90 € beauftragt wird, um einen Zahlungsanspruch von 750,00 € abzuwenden und eine Unterlassungserklärung zu formulieren, die im Wesentlichen der Mandantschaft bereits vorliegt.
31Herr Rechtsanwalt T2 hätte dann eine Gebühr für eine Erstberatung in Höhe von 226,00 € beanspruchen können, die aber nicht berechnet und auch nicht an die Klägerin abgetreten ist, so dass der Klägerin kein Haupt- und kein Nebenanspruch gegen die Beklagte zusteht und die Klage insgesamt abzuweisen ist.
32Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
33Südfeld
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Referenzen
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