Urteil vom Amtsgericht Mülheim an der Ruhr - 10 C 325/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 16.11.2012 in Mülheim an der Ruhr auf dem Parkplatz des Rhein-Ruhr-Zentrums vor dem Eingang West 2 zugetragen hat und bei dem sein mehr als neun Jahre altes Fahrzeug beschädigt worden ist. Die Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen des Unfalls ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.
3Der Kläger holte nach dem Verkehrsunfall ein Gutachten der Dekra ein. In diesem wurden die Nettoreparaturkosten mit 2808,85 EUR ermittelt. Die Beklagte zu 2 überwies gemäß Abrechnung vom 4.12.2012 einen Betrag in Höhe von 2122,41 EUR auf das Konto des Klägers. Der Restbetrag von 686,44 EUR ist Gegenstand der vorliegenden Klage.
4Der Kläger trägt vor, die Verweisung der Beklagten auf eine freie Fachwerkstatt sei ihm nicht zuzumuten. Er habe zum überwiegenden Anteil entsprechende Wartungen bzw. Reparaturen in Mercedes-Werkstätten durchführen lassen und deshalb Anspruch darauf, dass seitens der Beklagten die Schadensregulierung auf der Basis des vorliegenden Dekra-Gutachtens durchgeführt werde.
5Der Kläger beantragt,
6die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, 686,44 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.1.2013, höchst hilfsweise seit Zustellung der Klage, zu bezahlen.
7Die Beklagten beantragen,
8die Klage abzuweisen.
9Sie führen aus, soweit in dem Dekra-Gutachten Verbringungskosten sowie UPE-Aufschläge enthalten seien, seien diese im Rahmen der fiktiven Abrechnung nicht erstattungsfähig. Bestritten werde im übrigen, dass derartige Kosten/Aufschläge in sämtlichen am Wohnort des Klägers ansässigen Fachwerkstätten berechnet würden.
10Die im Dekra-Gutachten kalkulierten Stundenverrechnungssätze könne der Kläger seiner fiktiven Schadensberechnung nicht zu Grunde legen. Vielmehr müsse er sich - wie auch vorprozessual geschehen - auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in der freien Werkstatt S verweisen lassen, die mühelos zugänglich sei und die als zertifizierter Fachbetrieb sowie Karosseriebau- und Lackiererfachfirma die Instandsetzung anhand der Herstellervorgaben und unter Berücksichtigung des im Gutachten aufgezeigten Reparaturwegs durchführen könne. In den letzten Jahren sei gerade keine Wartung des klägerischen Fahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgt.
11Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Unterlagen Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
14Ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 686,44 EUR Schadensersatz steht dem Kläger gegen die Beklagten nicht gemäß §§ 7, 17 StVG, 823 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.
15Zwar sind die Beklagten dem Kläger für die Folgen des Verkehrsunfalls, der sich am 04.12.2012 in Mülheim an der Ruhr auf dem Parkplatz des Rhein-Ruhr-Zentrums vor dem Eingang West 2 zugetragen hat, dem Grunde nach voll eintrittspflichtig. Darüber, dass der Beklagte zu 1 den Unfall alleine verursacht und verschuldet hat, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Dementsprechend wurde der Schaden auch größtenteils, das heißt bezüglich der Nettoparaturkosten i.H.v. 2122,41 EUR von der Beklagten zu 2 reguliert. Ein darüber hinausgehender Anspruch ist nicht gerechtfertigt
16Die Beklagte zu 2 hat die von der Dekra mit 2808,85 EUR kalkulierten Nettoreparaturkosten auf 2122,41 EUR gemäß Prüfbericht des Sachverständigen Austen vom 02.12.2012 (Bl. 43 ff. der Akte) gekürzt. Die gekürzten Positionen haben die Beklagten dem Kläger nicht zu ersetzen. Vielmehr muss sich dieser auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in der von der Zweitbeklagten benannten Referenzwerkstatt, der Firma S auf der I-Straße 269-273 in 45472 Mülheim an der Ruhr, verweisen lassen.
17Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darf der Geschädigte, sofern - wie hier - die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Unabhängig davon, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt, besteht grundsätzlich ein Anspruch seinerseits auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten (vergleiche BGH, Urteil vom 14.05.2013, VI ZR 320/12, zitiert nach juris).Allerdings ist unter Umständen unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots im Rahmen der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder „freien“ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (vergleiche BGH, a. a. O). Hiervon ist im Streitfall auszugehen.
18Der Kläger hat nicht bestritten, dass die von der Beklagten zu 2 aufgezeigte preiswertere Reparaturmöglichkeit in der Firma S vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Er hat nicht in Abrede gestellt, dass die freie Fachwerkstatt S die Reparatur gleichwertig und zu dem im Prüfbericht dargelegten günstigeren Preis, insbesondere hinsichtlich des Arbeitslohnes und der Kosten für Lackierarbeiten (inklusive Lackmaterial) durchführen kann.
19Da die Entfernung zwischen dem Wohnort des Klägers und der Firma S nach dem vom ihm nicht bestrittenen Sachvortrag der Beklagten laut Routenplaner 2,65 km beträgt, ist die freie Werkstatt auch mühelos räumlich zugänglich. Dafür, dass sich der Betrieb in deutlich weiterer Entfernung als einer Markenwerkstatt befindet, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
20Umstände, die eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen, hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
21Unzumutbar ist eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Regelfall, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war oder der Kläger-im Fall der konkreten Schadensberechnung-sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt. Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich nicht gegeben. Insbesondere ist das Fahrzeug des Klägers ausweislich des Dekra-Gutachtens erstmals am 09.05.2003 zugelassen worden und war daher zum Unfallzeitpunkt am 16.11.2012 rund 9 ½ Jahre alt.
22Unzumutbarkeit kommt aber auch dann infrage, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen(vgl. BGH NJW 2010, 2941; NJW 2010, 2724). Einen solchen Sachverhalt hat der Kläger weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen.
23Die vom Kläger eingereichten Serviceberichte in dem auszugsweise vorgelegten Serviceheft betreffen Inspektionen, die am 23.04.2004, 04.11.2004, 28.07.2005, 28.07.2006, 01.08.2007, 18.07.2008, 27.05.2009, 21.04.2010, 27.05.2011 und - nach dem Unfall – am 11.12.2012 durchgeführt worden sind. Bezüglich der Wartungen vom 28.07.2006, 01.08.2007, 27.05.2011 und 11.12.2012 lässt sich den Serviceberichten entnehmen, dass diese gerade nicht in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgt sind, sondern bei der Firma pit-stop. Aus den beiden zuletzt genannten Serviceberichten ergibt sich zudem, dass die Firma pit-stop Zusatzarbeiten hinsichtlich der Bremsklötze und Bremsschleifen VA bzw. hinsichtlich der Erneuerung der Bremsklötze HA vorgenommen hat. Dass das Fahrzeug während der gesamten Zeit seit seiner Zulassung von einer markengebundenen Fachwerkstatt repariert und gewartet worden ist, ist damit nicht belegt.
24Bei den Voraussetzungen der Unzumutbarkeit stellt der BGH auf das Vertrauen des Marktes bzw. der Kaufinteressenten in die Wartung und in die Reparatur durch eine markengebundene Fachwerkstatt ab (vergleiche BGH NJW 2010,606 ff.). Das Vertrauen des Marktes ist aber allein dann vorhanden, wenn das Fahrzeug während der gesamten Zeit seit seiner Zulassung in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert worden ist. Denn lediglich bei einer solchen Sachlage besteht - wie entsprechende Hinweise in Verkaufsanzeigen belegen - bei einem großen Teil des Publikums vor allem wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten die Einschätzung, dass bei einer regelmäßigen Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeugs in einer markengebundenen Werkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist. Nur ein solcher Umstand kann es infolgedessen rechtfertigen, der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde zu legen, obwohl der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten eine ohne weiteres zugängliche, gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit aufzeigt. Alles andere wie beispielsweise ein Abstellen auf Art und Umfang der Wartungen/Reparatur wäre sinnwidrig.
25Damit, dass es sich bei den von der Firma pit-stop durchgeführten Arbeiten lediglich um“ Kleinigkeiten“ gehandelt habe, kann der Kläger deshalb nicht gehört werden. Eine andere Beurteilung ist deswegen nicht veranlasst. Abgesehen hiervon dürfte der Kläger selbst eine anderweitige Unzumutbarkeit der Reparatur durch eine freie Fachwerkstatt dadurch widerlegt haben, dass er sogar noch nach dem Unfall Arbeiten nicht durch eine markengebundene Fachwerkstatt, die Firma pit-stop, durchführen ließ.
26Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der Verbringungskosten i.H.v. 103 € sowie der UPE-Aufschläge in Höhe von durchschnittlich 13 % bzw. 62,73 €. Die Beklagten haben zu Recht diese Kosten in Abzug gebracht und nicht ausgeglichen, da nicht feststeht, dass sie zur Schadensbeseitigung bei Anlegung eines objektiven, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierenden Maßstabes gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich waren.
27Bei den vorgenannten Kosten handelt es sich um so genannte Eventualkosten, die selbst bei konkreter Durchführung einer Reparatur nicht zwingend anfallen, da nicht alle Werkstätten UPE-Aufschläge berechnen und häufig auch eine kostenlose Überführung angeboten wird bzw. eine eigene Lackiererei vorhanden ist. Gegenteiliges, nämlich die Tatsache, dass im Falle einer Reparatur in der Region bei markengebundenen Fachwerkstatt typischerweise UPE-Aufschläge und Verbringungskosten erhoben werden, hat der Kläger jedenfalls nicht hinreichend dargetan, geschweige denn unter Beweis gestellt, obwohl die Beklagte dies bestritten hat. Dass die E GmbH in dem Gutachten vom 18.11.2012 UPE-Aufschläge und Verbringungskosten berücksichtigt hat und dabei offenbar die Gepflogenheiten der Werkstatt berücksichtigt hat, in der das Fahrzeug besichtigt worden ist, nämlich die der G AG in Mülheim, reicht hierfür nicht aus.
28In Ermangelung einer Hauptforderung scheidet auch ein Zinsanspruch aus.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
30Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Z. 11, 711 ZPO.
31Streitwert: 686,44 €
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