Beschluss vom Amtsgericht Münster - 56-28.27
Tenor
Die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Festsetzung der Kosten gemäß Kostenrechnungen der Oberjustizkasse I vom
- 07.09.2007, Kassenzeichen 70021268 620 1
- 25.10.2007, Kassenzeichen 70023191 630 8
- 04.12.2007, Kassenzeichen 70022614 620 3 und
- 20.12.2007, Kassenzeichen 70022789 620 9
werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
1
Gründe:
2I.
3Mit Kostenrechnungen vom 07.09., 04.12. und 20.12.2007 berechnete die Oberjustizkasse I der Antragstellerin, die als Fachverlag juristische Fachzeitschriften herausgibt, zu den im Tenor aufgeführten Kassenzeichen je 12,50 € für die Übersendung von Entscheidungsabschriften des Finanzgerichts N als elektronisch gespeicherte Daten. Mit Rechnung vom 25.10.2007 wurden Kosten in gleicher Höhe für die Überlassung einer Entscheidungsabschrift des Finanzgerichts L2 berechnet.
4Mit Schreiben vom 07.01.2008 wendet sich die Antragstellerin gegen die vorgenannten Kostenrechnungen. Sie beanstandet die Höhe der für die Überlassung der Entscheidungen in Rechnung gestellten Kosten von jeweils 12,50 € und sieht in der landesgesetzlichen Regelung zur Gebührenhöhe einen Verstoß gegen Art. 6 der Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.11.2003 sowie gegen das im Abgabenrecht herrschende Äquivalenzprinzip. Ferner ist die Antragstellerin der Ansicht, dass ausnahmsweise von einer Gebührenerhebung Abstand zu nehmen sei, da die Veröffentlichung von Entscheidungen in Fachzeitschriften überwiegend im öffentlichen Interesse liege.
5II.
6Das angerufene Gericht ist lediglich zur Entscheidung über die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Kostenrechnungen vom 07.09., 04.12. und 20.12.2007 betreffend die Überlassung von Entscheidungsabschriften des Finanzgerichts N sachlich und örtlich zuständig. Dagegen ist das Amtsgericht N für die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Kostenrechnung vom 25.10.2007 betreffend die Überlassung von Entscheidungsabschriften des Finanzgerichts L2 örtlich nicht zuständig. Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 JVKostO entscheidet über Einwendungen gegen die Festsetzung und den Ansatz von Kosten das Amtsgericht, in dessen Bezirk die, die Kosten erhebende Behörde ihren Sitz hat. Diese Voraussetzungen liegen lediglich hinsichtlich der vom Finanzgericht N, nicht jedoch hinsichtlich der vom Finanzgericht L2 erhobenen Kosten vor, so dass sich die Prüfung der materiell-rechtlichen Berechtigung der Höhe der erhobenen Kosten ausschließlich auf die Kostenrechnungen vom 07.09., 04.12. und 20.12.2007 bezieht.
7Die Einwendungen der Antragstellerin haben in der Sache jedoch keinen Erfolg. Gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JVKostO in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 JVKostG und Nr. 5 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 2 JVKostG hat der Antragsgegner zu Recht mit Kostenrechnungen vom 07.09., 04.12. und 20.12.2007 Gebühren in Höhe von jeweils 12,50 € für die Übersendung der angeforderten Entscheidungsabschriften als elektronisch gespeicherte Daten erhoben. Durch Art. XI des Gesetzes zur Änderung von landesrechtlichen Vorschriften aus Anlass des Gesetzes der Modernisierung des Kostenrechts (Landeskostenänderungsgesetz – LkostÄndG) vom 05.04.2005 wurde das Justizverwaltungskostengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen unter anderem in seinem § 1 und in der Anlage zu § 1 Abs. 2 geändert. Für die Überlassung einer gerichtlichen Entscheidung auf Antrag eines nicht am Verfahren beteiligten Dritten ist nach Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 2 JVKostG pro Entscheidung eine Gebühr von 12,50 € zu erheben. Diese Gebührenziffer findet vorliegend Anwendung, weil die Antragstellerin nicht an den Verfahren des Finanzgerichts N, in dem die überlassenen Entscheidungen ergangen sind, beteiligt war.
8Zwar sind auch bei der Entscheidung über Einwendungen gegen einen Kostenansatz die Gerichte gehalten, nicht nur die Anwendung einfachrechtlicher Bestimmungen zu prüfen, sondern auch den höherrangigen Wertmaßstäben Rechnung zu tragen (BverfG, Beschluss vom 02.07.2008, Az.: 1 BvR 3006/07, Rn. 48). Bedenken gegen die Vereinbarkeit der vorstehenden landesrechtlichen Regelung mit höherrangigem Recht bestehen allerdings nicht. Der Antragstellerin ist zuzugestehen, dass dem bundesdeutschen Abgabenrecht das sogenannte Kostendeckungs- bzw. Äquivalenzprinzip immanent ist. Auch regelt Art. 6 der Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.11.2003 folgendes: "Soweit Gebühren erhoben werden, dürfen die Gesamteinnahmen aus der Bereitstellung von Dokumenten und der Gestattung ihrer Weiterverwendung die Kosten ihrer Erfassung, Erstellung, Reproduktion und Verbreitung zuzüglich einer angemessenen Gewinnspanne nicht übersteigen. Die Gebühren sollten für den entsprechenden Abrechnungszeitraum kostenorientiert sein und unter Beachtung der für die betreffenden öffentlichen Stellen geltenden Buchführungsgrundsätze berechnet werden." Die Höhe der in dem Gebührenverzeichnis bestimmten Pauschale für die Überlassung von Entscheidungsabschriften an, an dem Verfahren nicht beteiligte Dritte von 12,50 € wird den europa- und bundesrechtlichen Anforderungen an die Erhebung einer Gebühr im vorgenannten Sinne allerdings in vollem Umfang gerecht.
9Die Gebühr steht in keinem Missverhältnis zu dem Prinzip der Kostendeckung. Dass bei der Bestimmung der Gebührenhöhe diesem Prinzip Rechnung getragen wurde, ergibt sich zunächst aus der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung (vgl. LTDrucks 13/6460, S. 29), in der zu der gegenständlichen Gebührenziffer wie folgt ausgeführt wird: "Mit dieser Vorschrift wird ein Gebührentatbestand für die Übermittlung gerichtlicher Entscheidungen auf Antrag von nicht am Verfahren beteiligten Dritten als Nummer 5 in das Gebührenverzeichnis eingefügt; vorgesehen ist eine Gebühr von 12,50 €. Die derzeit geltende Regelung (§ 1 Abs. 1 JVKostG in Verbindung mit § 4 Absätze 1 und 2 JVKostO), wonach für die Überlassung von Abschriften gerichtlicher Entscheidungen eine Dokumentenpauschale zu erheben ist, soll nicht mehr beibehalten werden. Die angefallenen Beträge (für die ersten 50 Seiten der Entscheidung 0,50 € je Seite, für jede weitere Seite der Entscheidung 0,15 €) deckten den entstehenden Aufwand sehr häufig nicht ab, zumal in den meisten Fällen die so genannte Kleinbetragsgrenze, unterhalb der Kostenbeträge nicht eingezogen werden, nicht überschritten wurde. Diese Grenze liegt nach den Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung und den korrespondierenden Vorschriften im Justizbereich (AV d. JM vom 17.Juli 2000 –5661- I B. 9 – in der Fassung vom 08.Juni 2004 – 5661-Z. 9) bei derzeit 7,50 €. Die vorgesehene Gebühr von 12,50 € trägt dem durchschnittlich entstehenden Sach- und Personalaufwand (insbesondere: Heraussuchen der Entscheidung, Anonymisierung der Entscheidung aus Gründen des Datenschutzes, Fertigung der Ablichtungen, Übermittlung der Ablichtungen, Portokosten, Überwachung des Zahlungseingangs) hinreichend Rechnung. Die Gebühr ist für die Überlassung jeder einzelnen Entscheidung zu erheben. Dabei kommt es weder auf den Umfang der Entscheidung noch auf die Art der Übermittlung (Brief, Telefax, E-Mail oder Datenträger) an. Neben der Gebühr dürfen Auslagen (insbesondere Dokumentenpauschale oder Datenträgerpauschale) nicht erhoben werden (Anmerkung 1 zu Nummer 5 des Gebührenverzeichnisses)."
10Zur Substantiierung der Angemessenheit der Gebührenhöhe hat das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in dem gegenständlichen Verfahren zudem mit Schreiben vom 20.06.2008 Stellung zu genommen und einen Vergleich wie folgt herangezogen: "Mit Gesetz vom 13.06.2006 (GV. NRW. S. 291) sind das Gesetz zur Regelung des Austritts aus Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (Kirchenaustrittsgesetz) und das Gesetz über Kosten im Bereich der Justizverwaltung (Justizverwaltungskostengesetz – JVKostG) dahingehend geändert worden, dass in Verfahren zur Entgegennahme von Erklärungen des Kirchenaustritts eine Gebühr in Höhe von 30,00 € erhoben wird. Die Austrittswilligen erscheinen in der Regel bei Gericht, um ihren Austritt dort protokollieren zu lassen. Das Amtsgericht erteilt den Austretenden eine Bescheinigung und unterrichtet zudem die maßgeblichen Stellen, also die betroffene Kirche oder Religionsgemeinschaft und außerdem die Finanzverwaltung. In einer Untersuchung des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2005 hatte der Landesrechnungshof für jeden einzelnen Fall einen personellen Zeitaufwand von mindestens 15 Minuten allein für die Entgegennahme der Austrittserklärung ermittelt. Die Gebühr in Höhe von 30,00 € war deshalb als angemessen angesehen worden. Im Vergleich der Höhe der Gebühren für den Kirchenaustritt (30,00 €) und für die Überlassung einer gerichtlichen Entscheidung (12,50 €) ist demnach die Gebührenhöhe von 12,50 € durchaus angemessen."
11Die Angemessenheit der Gebührenhöhe für die Entgegennahme von Erklärungen des Kirchenaustritts ist mittlerweile mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 02.07.2008, Az.: 1 BvR 3006/07, bestätigt worden. Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Feststellungen des Landesrechnungshofes geben, sind auch nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der vorgenannten Entscheidung nicht ersichtlich, so dass die Beurteilung der Angemessenheit der in diesem Verfahren beanstandeten Gebühr von 12,50 € durch einen Vergleich mit der für einen Kirchenaustritt zu erhebenden Gebühr von 30,00 € durchaus geeignet ist. Bei diesem Vergleich ist zwar festzustellen, dass die jeweilige Behörde einen Antrag auf Übersendung von Entscheidungsabschriften in der Regel – in Gegensatz zu dem bei Kirchenaustritt üblichen Verfahren – nicht von dem Antragsteller persönlich entgegennimmt und somit der diesbezügliche Aufwand hinter demjenigen bei Kirchenaustritten zurückbleibt. Die sich jedoch sodann anschließende Bearbeitung des Antrags kann dagegen als mindestens gleich aufwendig bezeichnet werden, wenn sie nicht sogar über das "Ausstellen einer Bescheinigung über den Kirchenaustritt und die Benachrichtigung der betroffenen Kirche bzw. Religionsgemeinschaft und der Finanzverwaltung" im Falle eines Kirchenaustritts hinausgeht, wenn dabei die von der Landesregierung in ihrem Gesetzesentwurf beschriebenen Tätigkeiten (Heraussuchen der Entscheidung, Anonymisierung der Entscheidung aus Gründen des Datenschutzes, Fertigung der Ablichtungen, Übermittlung der Ablichtungen, Portokosten, Überwachung des Zahlungseingangs) berücksichtigt werden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass die gegenständliche Gebührenziffer auch die Übermittlung der Entscheidungsabschriften als elektronisch gespeicherte Daten umfasst. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann das Gericht hierin keinen, den Aufwand der Übermittlung maßgeblich verringernden Umstand sehen. Durch die Übermittlungsform erübrigen sich die vorzunehmenden Vorbereitungshandlungen wie Heraussuchen der Entscheidungen, Anonymisierung und Erstellen des Übermittlungsformats (Erstellen einer Datei bzw. eines Dateipakets im Vergleich zu Fertigung von Ablichtungen) gerade nicht. Zwar entstehen keine Portokosten wie bei der Übersendung von schriftlichen Entscheidungsabschriften, aber auch die modernen Telekommunikationsmittel wie die E-Mail-Versendung über das Internet sind in der Regel kostenpflichtig. Auch an dem Umfang der erforderlichen Überwachung der Zahlungseingänge ändert sich auf Grund der Übermittlung der Entscheidungen als elektronisch gespeicherte Daten nichts. Soweit die Antragstellerin einwendet, dass die Übersendungen der Entscheidungen üblicherweise an eine Reihe von Empfängern, meist Fachverlage, erfolge, so dass sich der auf jeden Empfänger entfallende Aufwand verringere, darf letztlich nicht verkannt werden, dass die vom Landesrechnungshof als angemessen betrachtete Gebühr für die Bearbeitung eines Kirchenaustritts einen Betrag von 30,00 € beinhaltete und die gegenständliche Gebühr weit hinter diesem Betrag zurückbleibt.
12Auch die Heranziehung der vom Bundesgesetzgeber in § 4 Abs. 2 JVKostO angesetzten Dokumentenpauschale in Höhe von 2,50 € begründet keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Gebührenhöhe von 12,50 €. In § 4 Abs. 4 und Abs. 5 JVKostO wird weiter geregelt, dass im Falle der Übermittlung der Entscheidungen auf Datenträgern je nach Speicherkapazität weitere 2,50 € bis sogar 50,00 € in Ansatz gebracht werden können. Hieraus lässt sich die dahingehende Beurteilung des Bundesgesetzgebers entnehmen, dass in Einzelfällen Kosten sogar von bis zu 52,50 € gerechtfertigt sein können. Umso mehr ist der, von dem Landesgesetzgeber ermittelte Pauschalbetrag von 12,50 €, der eine weitere Datenträgerpauschale unter keinen Umständen vorsieht, als durchschnittlich kostendeckend anzusehen.
13Letztlich kann der Antragstellerin auch nicht darin gefolgt werden, dass die Möglichkeit des § 1 Abs. 1 JVKostG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 JVKostO, vom Ansatz der Dokumenten- und Datenträgerpauschale ganz oder teilweise abzusehen, vom Antragsgegner nicht hinreichend abgewogen wurde. Ein solches Absehen vom Ansatz der Kosten ist dann zu erwägen, wenn die gerichtlichen Entscheidungen für Zwecke verlangt werden, deren Verfolgung überwiegend im öffentlichen Interesse liegt. Der allein von der Antragstellerin angeführte Umstand, dass die Entscheidung veröffentlicht wird, vermittelt für sich genommen allerdings kein überwiegendes Interesse, welches das Absehen von zu erhebenden Kosten rechtfertigen würde. In § 4 Abs. 3 JVKostO ist die Erhebung einer Dokumentenpauschale von gerichtlichen Entscheidungen, die zur Veröffentlichung in Entscheidungssammlungen oder Fachzeitschriften beantragt werden, ausdrücklich vorgesehen. Diese Regelung erübrigte sich, wenn der Gesetzgeber allein die Veröffentlichung einer Entscheidung als hinreichenden Grund, von der Kostenerhebung gemäß § 4 Abs. 6 JVKostO abzusehen, angesehen hätte.
14Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13 Abs. 1 S. 2 JVKostO in Verbindung mit § 14 Abs. 9 KostO.
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