Urteil vom Amtsgericht Münster - 6 C 4949/08
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger nach vorheriger mindestens siebentägiger Ankündigung durch Öffnen der Wohnungstür an einem Werktag zwischen 10.00 Uhr und 13.00 Uhr bzw. 15.00 Uhr und 18.00 Uhr für eine Stunde Zutritt zu der in dem Objekt N-Straße, ####1 N im 3. OG rechts gelegenen Wohnung zu gewähren.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Entscheidungsgründe (ohne Tatbestand gem. den §§ 495a, 313a ZPO):
2Die Klage ist zulässig. Angesicht der grundsätzlichen Bedenken des Beklagten an der Wirksamkeit der Besichtigungsklausel und der mannigfachen Terminabsagen des Beklagten in der Vergangenheit hat der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis.
3Die Klage ist aus § 23 Ziff. 1 des Mietvertrages i.V.m. den §§ 311, 241 BGB zwischen den Parteien begründet.
4Die Besichtigungsklausel ist wirksam. Besichtigungsklauseln in Verträgen über Wohnraum sind im Rahmen der Prüfung nach § 307 BGB allerdings auch im Hinblick auf das grundsätzliche Hausrecht des Mieters an den vorstehenden Grundsätzen zu messen. Danach ist eine Regelung, in der nicht auf einen besonderen Besichtigungsanlass abgestellt wird, unwirksam. Soweit durch die Klausel aber lediglich bestätigt werden soll, dass ein periodisches Besichtigungsrecht im Abstand von mindestens zwei Jahren besteht, ergeben sich grundsätzlich keine Bedenken. Im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB muss aus der Klausel nur hervorgehen, dass der Vermieter nicht ungefragt die Besichtigung verlangen kann /(vgl. Lützenberger, NJW 2007, 2152). Diesen Grundsätzen entspricht § 23 Ziff. 1 des Mietvertrags. Die Besichtigung ist danach nach Vorankündigung in angemessenen Abständen oder aus besonderem Anlass gestattet. Soweit der Beklagte aufgrund des Kommas nach dem Wort Vorankündigung einen aufzählenden Charakter, vermag das Gericht diesen nicht zu erkennen. Die Wortgruppen "in angemessenen Abständen" und "aus besonderem Anlass" passen inhaltlich zueinander, während die Vorankündigung inhaltlich offensichtlich nicht zu ihnen passt. Ein objektiver verständiger Empfänger würde der Klausel daher ohne Zweifel entnehmen, dass die Vorankündigung zusätzliche Voraussetzung des – in angemessenen Abständen oder aus besonderem Anlass – vereinbarten Besichtigungsrechts ist. Dass eine Besichtigung in angemessenen Abständen jederzeit – auch ohne Vorankündigung – möglich sein soll, ist trotz der unglücklichen Satzzeichensetzung der Klausel bei Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB nicht zu entnehmen.
5Auch wenn die Klausel unwirksam wäre, hätte der Kläger im übrigen als Nebenanspruch aus dem Mietvertrag ein Besichtigungsrecht. Ebenso wenig wie der Vermieter bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Durchführung von Schönheitsreparaturen (erst) den Eintritt einer Substanzgefährdung abwarten muss, muss er sich beim Zutrittsrecht auf konkrete Anlässe beschränken. Das allgemeine Besichtigungsrecht ist die Ergänzung der regelmäßig im Abstand von zwei Jahren bestehenden Prüfungs- und Untersuchungspflicht. Es muss dem Vermieter selbstständig möglich sein, zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er seine Immobilie schützen will; dies ist aber ohne anlassfreies Besichtigungsrecht nicht möglich (vgl. Lützenberger aaO.; Palandt-Weidenkaff, BGB, 67. Aufl., § 535 Rn. 82). Anderes ist auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu entnehmen. Darüber hinaus hat der Kläger als neuer Eigentümer hier ein besonderes Interesse daran, sich durch eine Besichtigung ein Bild von dem Zustand der Wohnung und etwa anstehenden Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu verschaffen.
6Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Kläger aufgrund der jetzigen Verurteilung schließlich nicht zu mehrfachem, sondern zu einmaligem Besichtigen der Wohnung berechtigt. Will er – nach angemessener Zeit oder aus besonderem Anlass – wiederum besichtigen, muss er erneut klagen. Die Situation ist nicht anders als bei Zahlungstiteln. Auch aus diesen lässt sich nicht beliebig oft vollstrecken.
7Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
8Die Berufung war nicht zuzulassen.
9Der Streitwert wird auf 600 € festgesetzt.
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