Urteil vom Amtsgericht Nettetal - 17 C 354/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Die Klägerin macht Ansprüche auf eine ergänzende Versicherungsleistung aus einer gekündigten Lebensversicherung gegen die Beklagte geltend.
2Zum 1. Februar 1993 schloss die Klägerin mit der Beklagten unter der Versicherungsnummer XXXXX eine Lebensversicherung mit einer Laufzeit von 25 Jahren ab. Der monatliche Beitrag belief sich auf DM 120,00 (EUR 61,36). Dem Versicherungsschein waren eine Tabelle (Bl. 10 d.A.) sowie die Bedingungen der Beklagten (Bl. 11-18 d.A.) beigefügt.
3Unter § 15 "Kündigung und Auszahlung der Rückvergütung" enthalten die in Bezug genommenen Bedingungen der Beklagten unter Abs. 2 unter anderem die folgende Regelungen:
4"Nach § 176 VVG haben wir nach Kündigung – soweit bereits entstanden – den Rückkaufswert zu erstatten. (...) Bei einer Versicherungsdauer von über 10 Jahren bildet sich der Rückkaufswert frühestens zum Ende des dritten Versicherungsjahres, wenn die fälligen Beiträge für drei volle Jahre gezahlt sind.
5Bei vertragsgemäßer Beitragszahlung erreicht die Rückvergütung mindestens einen bei Vertragsschluss vereinbarten Garantiebetrag, dessen Höhe vom Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages abhängt (vgl. die mit dem Versicherungsschein überlassene Übersicht der garantierten Rückvergütungen)."
6Weiter heißt es unter § 20 "Überschussermittlung / Überschussbeteiligung":
7"(1) Um zu jedem Zeitpunkt der Versicherungsdauer den vereinbarten Versicherungsschutz zu gewährleisten, bilden wir Rückstellungen. Die zur Bedeckung dieser Rückstellungen erforderlichen Mittel werden angelegt und erbringen Kapitalerträge. Aus diesen Kapitalerträgen, den Beiträgen und den angelegten Mitteln werden die zugesagten Versicherungsleistungen erbracht sowie die Kosten von Abschluss und Verwaltung des Vertrages gedeckt. Je größer die Erträge aus den Kapitalanlagen sind, je weniger Versicherungsfälle eintreten und je kostengünstiger wir arbeiten, um so größer sind dann entstehende Überschüsse, an denen wir Sie und die anderen Versicherungsnehmer beteiligen. Die Überschussermittlung erfolgt nach den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Handelsgesetzbuches und den dazu erlassenen Rechtsverordnungen.
8(2) Die Überschussbeteiligung nehmen wir nach Grundsätzen unserer bei der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplänen vor. Deren Einhaltung wird von der Aufsichtsbehörde überwacht.
9(3) Die Überschussanteile werden Ihnen in Prozent der überschussberechtigten Deckungsrückstellung zum Ende eines jeden Versicherungsjahres gutgeschrieben.
10(4) Haben Sie sich bei der Art der Gewinnverwendung für den Aktien-System-Überschuss entschieden, wird die Gewinnbeteiligung nicht jährlich dem Vertrag, sondern dem Fonds VDV Europa plus gutgeschrieben. Im Fall der vorzeitigen Auflösung des Vertrages durch Kündigung oder Tod wird der bis zu diesem Zeitpunkt durch den Fonds erwirtschaftete Gewinn der garantierten Rückvergütung oder Versicherungssumme dieses Vertrages hinzugerechnet. Bei Ablauf des Vertrages wird die garantierte Ablaufleistung zuzüglich des erwirtschafteten Gewinns für diesen Vertrag ausgezahlt. Der Kunde erhält jährlich von der VDV Europa plus eine Mitteilung über die Höhe des für seinen Vertrag erwirtschafteten Gewinns. Ein Wechsel der Gewinnbeteiligungsart während der Laufzeit des Versicherungsvertrages ist nicht möglich."
11Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage K1 zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Versicherungsscheins samt Tabelle und Bedingungen (Bl. 8-18 d.A.) Bezug genommen.
12Ausweislich der Tabelle (Bl. 10 d.A.) ergibt sich bei einer Vertragslaufzeit von 13 Jahren ein Rückkaufswert in Höhe von DM 16.186,00.
13Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Februar 2006 kündigte die Klägerin die Versicherung gegenüber der Beklagten zum 20. Februar 2006. Diese rechnete die Lebensversicherung der Klägerin mit Schreiben vom 9. März 2006 ab. Aus der Abrechnung der Beklagten ergaben sich ein Rückkaufswert in Höhe von EUR 8.422,68 und Überschussanteile in Höhe von EUR 167,82. Wegen der Einzelheiten wird auf das als Anlage K3 zur Gerichtsakte gereichte Schreiben der Beklagten vom 9. März 2006 Bezug genommen (Bl. 20-21 d.A.). Diesen Betrag in Höhe von insgesamt EUR 8.590,50 zahlte die Beklagte schließlich an die Klägerin aus.
14Vorprozessual beauftragte die Klägerin einen Gutachter zur Ermittlung der Überschussbeteiligung. Dieser stellte ihr für das als Anlage K7 in Kopie zur Gerichtsakte gereichte Gutachten (Bl. 30-41 d.A.) ein Honorar in Höhe von EUR 290,00 in Rechnung.
15Mit der Klage begehrt die Klägerin die Erstattung eines Stornoabzugs, die Auszahlung weiterer Überschussbeteiligungen sowie die Erstattung der oben genannten Gutachterkosten.
16Die Klägerin behauptet, die Ermittlung des Rückkaufwertes und der Überschussanteile sei von der Beklagten fehlerhaft vorgenommen worden. Nach 13 Jahren sei von einem Rückkaufswert von mindestens DM 16.186,00 (EUR 8.275,77) und von einer Überschussbeteiligung von mindestens DM 5.848,00 (EUR 2.990,00) (Bl. 5 d.A.) bzw. EUR 2.071,64 (Bl. 7 d.A.) auszugehen. Ferner habe die Beklagte bei der Errechnung des Rückkaufswertes unberechtigt einen Stornoabschlag von EUR 1.518,01 eingerechnet. Schließlich ist sie der Ansicht, die Beklagte sei ihr gegenüber auskunftspflichtig.
17Die Klägerin beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 3.879,65 zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 3.589,65 ab dem 9. März 2006 und aus weiteren EUR 290,00 ab dem 7. Dezember 2006.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie ist der Ansicht, sämtliche nach der Beendigung des Versicherungsvertrages geschuldeten Leistungen erbracht zu haben. Garantiert seien nur die Rückkaufswerte und insoweit sei sie ihrer Verpflichtung gegenüber der Klägerin nachgekommen, da sich der ausgezahlte Betrag in Höhe von EUR 8.422,68 aus dem aus der Tabelle ergebenden Rückkaufswert für eine Vertragslaufzeit von 13 Jahren in Höhe von DM 16.186,00 (EUR 8.275,77) und einem Zuschlag für einen zusätzlichen Monat zusammensetze. Auf eine darüber hinaus gehende Auszahlung von Überschussanteilen bestehe kein Anspruch.
22Zur Vervollständigung des Vorbringens der Parteien zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen weiteren Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus dem gekündigten Versicherungsvertragsverhältnis.
25I. Zunächst scheidet ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer weiteren Überschussbeteiligung aus.
26a) Ein solcher Anspruch auf Überschussbeteiligung im Fall der vorzeitigen Kündigung lässt sich dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrages nicht entnehmen.
27Unter § 15 Abs. 2 sehen die Versicherungsbedingungen für den Fall einer Kündigung des Versicherungsvertrages lediglich eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Rückvergütung vor, die sich mindestens auf einen bei Vertragsschluss vereinbarten Garantiebetrag beläuft, dessen Höhe vom Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages abhängt.
28Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus § 20 der Bedingungen. Abs. 1 des § 20 regelt insoweit ausschließlich, dass die Beklagte Überschüsse bildet und legt die Art und Weise der Überschussermittlung fest. Auch soweit es in § 20 Abs. 3 der Bedingungen heißt, dass die Überschussanteile in Prozent der überschussberechtigten Deckungsrückstellung zum Ende eines jeden Versicherungsjahres gutgeschrieben werden, lässt sich hieraus ein schuldrechtlicher Anspruch für den hier vorliegenden Fall der Kündigung nicht herleiten. Die Regelung enthält an keiner Stelle eine Formulierung des Inhalts, dass in diesem Zusammenhang entsprechende Auszahlungsverpflichtungen der Beklagten im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages gegenüber der Klägerin begründet werden. Hinzu kommt, dass die speziellere Regelung in § 15 der Bedingungen, die sich ausdrücklich zur Kündigung und Auszahlung der Rückvergütung verhält, eine Auskehrung von Überschussbeteiligungen im Fall der vorzeitigen Beendigung gerade nicht vorsieht. Soweit § 20 Abs. 4 der Bedingungen ausdrücklich bestimmt, dass im Fall der vorzeitigen Auflösung des Vertrages durch Kündigung der bis zu diesem Zeitpunkt erwirtschaftete Gewinn der garantierten Rückvergütung des Vertrages hinzugerechnet wird, bezieht sich diese Regelung bereits ihrem Wortlaut nach ausschließlich auf die Fälle, in denen sich der Versicherungsnehmer bei der Art der Gewinnverwendung für den Aktien-System-Überschuss entschieden hat mit der Folge, dass die Gewinnbeteiligung dem Fonds "xxxxxxx" gutgeschrieben wird. Dass die Klägerin mit der Beklagten eine Gewinnbeteiligung über dem Fonds "xxxxxxx" vereinbart hat, trägt sie jedoch nicht vor. Eine solche Vereinbarung ist auch nicht aus den vorgelegten Vertragsunterlagen ersichtlich.
29b) Ein Anspruch der Klägerin auf Überschussbeteiligung ergibt sich ebenfalls nicht aus dem Gesetz oder dem Geschäftsplan der Beklagten.
30Ein Versicherungsnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm über einen garantierten Rückkaufswert hinaus weitere Beträge ausgezahlt werden. § 176 Abs. 1 VVG sieht für den Fall der Kündigung lediglich vor, dass der Versicherer den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert zu erstatten hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Regelungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Soweit dieses Gesetz Regelungen zur Auszahlung von Überschussbeteiligungen an die Versicherungsnehmer enthält, korrespondiert mit dieser Verpflichtung der Lebensversicherer kein entsprechender zivilrechtlicher Anspruch der Versicherungsnehmer auf individuelle Überschussbeteiligung (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Mai 1999 – 7 U 228/98, zitiert nach juris).
31Auch die geschäftsplanmäßige Erklärung ist kein bürgerlichrechtlicher Vertrag, insbesondere kein Vertrag i.S.v. § 328 BGB (BGH, Urteil vom 23. November 1994 – IV ZR 124/93, NJW 1995, 589). Vielmehr beruht der Geschäftsplan eines Versicherungsunternehmens auf öffentlichem Recht. Die Aufstellung eines den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Geschäftsplans ist Voraussetzung dafür, das einem Versicherungsunternehmen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb erteilt wird, §§ 5 Abs. 1 bis 4, 8 Abs. 1 Nr. 2, 11, 12 VAG. Selbst die Bezugnahme in § 20 Abs. 2 der Bedingungen der Beklagten auf die bei der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftspläne reicht nicht aus, um zivilrechtliche Ansprüche der Klägerin aus der geschäftsplanmäßigen Erklärung der Beklagen entstehen zu lassen. Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung der Lebensversicherer zur Auszahlung von Überschussbeteiligungen ausschließlich aufsichtsrechtlich geregelt.
32Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherungen mit Überschussbeteiligung eine Pflicht des Gesetzgebers festgestellt, dafür Sorge zu tragen, dass die durch die Prämienzahlungen im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungen des Versicherers geschaffenen Vermögenswerte als Grundlage einer Schlussüberschussbeteiligung einsetzbar sind, soweit sie nicht durch vertragsgemäße Dispositionen, etwa für die Verrechnung mit laufenden Verwaltungskosten und die Erbringung der vereinbarten Versicherungsleistungen, verbracht worden sind. Danach ist der Gesetzgeber durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2007 hinreichende rechtliche Vorkehrungen dafür vorzusehen, dass bei der Ermittlung eines bei Vertragsende zuzuteilenden Schlussüberschusses die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die durch die Prämienzahlungen im Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung geschaffen worden sind. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bleibt es jedoch bei der gegenwärtigen Rechtslage (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Juli 2006 – 1 BvR 80/95, NJW 2005, 2376).
33II. Die Klägerin hat ebenfalls keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung eines zu Unrecht einbehaltenen Stornoabzuges. Ihrer Verpflichtung zur Erstattung des garantierten Rückkaufswertes ist die Beklagte nachgekommen, indem sie einen Betrag in Höhe von EUR 8.422,68 an die Klägerin ausgezahlt hat, der sich aus dem Rückkaufswert für eine Vertragslaufzeit von 13 Jahren in Höhe von DM 16.186,00 (EUR 8.275,77) und einem Zuschlag für den zusätzlichen Monat zusammensetzt. Dass die Beklagte hierbei einen Stornoabzug in Höhe von EUR 1.518,01 vorgenommen hat, ist auch aus den seitens der Klägerin zur Gerichtsakte gereichten Anlagen, soweit sie den Schriftverkehr zwischen den Parteien betreffen, nicht ersichtlich. Soweit der Privatgutachter in seinem Gutachten ausführt, das Unternehmen habe bei Kündigung des Vertrages offensichtlich einen Stornoabzug einbehalten, der sich auf etwa EUR 1.500,00 belaufe (Bl. 30 d.A.), ist dies nicht nachvollziehbar und durch die Klägerin nach dem Hinweis der Beklagten mit Klageerwiderung vom 21. Dezember 2006 (Bl. 5 d.A.) im Folgenden weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2007 substantiiert dargelegt worden.
34III. Schließlich scheidet auch ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung der geltend gemachten Gutachterkosten in Höhe von EUR 290,00 aus § 280 Abs. 1 BGB aus. Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger gemäß § 280 Abs. 1 BGB Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
35Eine einen Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit der Abrechnung der gekündigten Versicherung ist nicht ersichtlich. Da der Klägerin – wie oben dargelegt – kein individueller, auf einen bestimmten Gewinnanteil gerichteter Auszahlungsanspruch gegen die Beklagte zusteht, entfällt zwangsläufig auch ein Auskunftsanspruch bzw. ein Anspruch auf Rechenschaftslegung zur Höhe etwaiger Überschussanteile. Ein Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Lebensversicherer auf Einzelauskünfte über Höhe, Art der Ermittlung oder Verteilung des Gewinns besteht zudem – abgesehen von dem Anspruch nach § 55 Abs. 3 VAG – grundsätzlich nicht (BGH, Urteil vom 8. Juni 1983 – IV a ZR 150/81, NJW 1984, 55). Eine solche Offenbarungspflicht, welche die internen Kalkulationsgrundlagen des Versicherers betrifft, besteht allenfalls gegenüber der Aufsichtsbehörde.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
37Der Streitwert wird auf EUR 3.879,65 festgesetzt.
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