Urteil vom Amtsgericht Neuss - 36 C 276/83
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, zuzustimmen, dass der von ihm zu zahlende Kaltmietzins für die von ihm bewohnte Wohnung im Hause O, K, mit Wirkung ab 01.04.1983 510,61 DM beträgt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorab in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden.
1
Tatbestand:
2Mit Mietvertrag vom 30.04.1976, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 5/11 d.A.), hat der Beklagte von dem Kläger eine Wohnung im Hause K in O angemietet. An der angemieteten Wohnung stand dem Regierungspräsidenten in E bis zum 28.02.1983 ein Besetzungsrecht zu.
3Mit Schreiben vom 30.11.1982, auf das im einzelnen Bezug genommen wird, (Bl. 12, 13 d.A.), begehrte der Kläger von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete von bisher 332,71 DM auf nunmehr 510,61 DM. Der Beklagte hat vorprozessual einer Mieterhöhung um 99,84 DM, d.h. um 30 % zugestimmt. Im übrigen hat er die Abgabe der Zustimmungserklärung unter Hinweis auf die Kappungsgrenze des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG verweigert.
4Der Kläger beantragt,
5wie tenoriert.
6Der Beklagte erklärt seine Zustimmung zur Erhöhung des Mietzinses von 332,71 DM auf 432,52 DM, beginnend ab dem 01.05.1983.
7Im übrigen beantragt er,
8die Klage abzuweisen.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
10Entscheidungsgründe:
11Die zulässige Klage ist begründet.
12Dem Kläger steht gemäß § 2 I MHG in der seit dem 01.01.1983 geltenden Fassung ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Anhebung des monatlichen Nettokaltmietzinses auf insgesamt 510,61 DM zu. Der vom Kläger verlangte Mietzins übersteigt die in der Stadt O für nicht preisgebundenen Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung und M gezahlten üblichen Entgelte nicht.
13Nach dem Neusser Mietpreisspiegel (Stand Dezember 81), der dem Zustimmungsanspruch gemäß § 2 VI MHG zu Grunde zu legen ist, beträgt der Mittelwert vergleichbarer Wohnungen 6,30 qm. Der von dem Kläger beanspruchte Mietzins von 5,97 DM/qm liegt deutlich unter diesem Mittelwert.
14Der Beklagte ist nicht berechtigt, seine Zustimmung unter Hinweis auf § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG zu verweigern, denn diese Regelung ist auf das Mieterhöhungsverlangen des Klägers nicht anzuwenden. Die Frage, ob die neu eingeführte 30 % Kappungsgrenze bei der erstmaligen Mieterhöhung nach Ablauf der Preisbindung gilt oder nicht, ob also der Vermieter nur die Zustimmung zu einer Erhöhung der früheren Kostenmiete (nach Herausrechnung der Betriebskosten) um maximal 30 % verlangen kann oder ob ihm gegebenenfalls ein Anspruch auf unmittelbare und stufenlose Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete zusteht, wird in Rechtsprechung und Literatur - sofern das Problem überhaupt gesehen wird - unterschiedlich beantwortet. Für eine uneingeschränkte Geltung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG haben sich ausgesprochen: Landfermann "Das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen 1983, Seite 41; Heitgreß WM 83, 44 ff; Merkl WM 83, 99, 101; Hemming WM 83, 183 f; im Ergebnis Köhler ZMR 83, 217, 218; unklar Sternel ZMR 83, 73, 74; offen gelassen bei Barthelmess WM 83, 63, 64.
15Die Anwendbarkeit der Kappungsgrenze wird demgegenüber verneint von:
16AG O - 36 C 566/82 -, Teilurteil vom 04.03.1983 in WM 83, 114; AG O - 50 C 228/83 -, Urteil vom 06.07.83; Vogel-Welter NJW 83, 432, 433; Blümmel GrundE 83, 144, 145; Gelhaar DWW 83, 58, 60 f; Deggau BlGBW 83, 81, 82 f.
17Das erkennende Gericht hält an seiner mit Teil-Urteil vom 04.03.1983 (WM 83, 114) begründeten Rechtsprechung fest. Danach ist § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG restruktiv dahingehend auszulegen, dass die 30%-Klausel auf die erstmalige Mieterhöhung nach Wegfall der Preisbindung keine Anwendung findet. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist dabei der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (grundlegend BGHZ 46, 74, 76). Die Beachtung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG lediglich Mieterhöhungen innerhalb des Systems der ortsüblichen Vergleichsmiete erfasst.
18Dieses Resultat lässt sich allerdings nicht bereits aufgrund einer Wortauslegung der Gesetzesbestimmung erzielen. Insoweit ist den Befürwortern einer umfassenden Geltung der 30%-Schranke zuzugeben, dass der Wortlaut des Gesetzes eine Einschränkung des Geltungsbereichs bei Übergang von der Kostenmiete zur ortsüblichen Vergleichsmiete nicht enthält (Heitgreß, a.a.O., Seite 45 a.E.; Köhler a.a.O., Seite 218 a.E.; Hemming a.a.O.).
19Entgegen Köhler zwingt der Gesetzeswortlaut aber auch nicht dazu, die Kappungsgrenze unbeschränkt auf jedes Mieterhöhungsbegehren anzuwenden. Dies zeigt sich bereits darin, dass Erhöhungen gemäß §§ 3 bis 5 MHG aus dem Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen sind.
20Der Sinnzusammenhang der gesetzlichen Regelung verbietet es jedoch, die Kappungsgrenze unterschiedslos auch auf solche Mieterhöhungsverlangen anzuwenden, die erstmals nach Beendigung der Preisbindung gestellt werden. Wie § 10 III Ziffer 1 MHG ausdrücklich anordnet, ist der Anwendungsbereich der §§ 1 bis 9 MHG auf Mietverhältnisse über preisfreien Wohnraum beschränkt. Grundgedanke dieser Regelung ist es, Mietsteigerungen bei freifinanziertem Wohnraum zu begrenzen (vgl. Gelhaar a.a.O.). Dieses gesetzgeberische Ziel wird dadurch verwirklicht, dass die Vergleichsmietenregelung die frei vereinbarte, marktorientierte Miete voraussetzt, mithin Erstmieten schon begrifflich dem Regelungsbereich des Gesetzes nicht unterliegen. Mit Ablauf der Preisbindungen fällt die Sperrwirkung des § 10 III Ziffer 1 MHG und der Vermieter ist, wenn er den Mietzins für die unmittelbar an das Ende der Preisbindung anschließende Zeit erhöhen will, an die Einhaltung des Zustimmungsverfahrens gemäß § 2 MHG gebunden (vgl. KG WM 82, 102, 103; OLG I WM 80, 262). Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die bisherige Kostenmiete zwar eine vereinbarte Miete ist (AG O WM 83, 114), wegen ihrer Bindung an preisrechtliche Vorschriften und ihrer fehlenden Marktorientiertheit gleichwohl nicht als frei zustande gekommene Miete im Sinne des § 2 MHG angesehen werden kann (vgl. auch Schade-Schubert-Wienecke, Wohn- und Mietrecht 1983, § 2 MHG, Anm. 4). Für die Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG bedeutet das, dass die bisherige Kostenmiete wie eine Erstmiete zu behandeln ist. Erstmieten werden aber von der Kappungsgrenze nicht erfasst (Barthelmess WM 83, 63, 64; im Ergebnis ebenso Gelhaar a.a.O.; Deggau a.a.O.). Auch der Schutzgedanke der neu eingeführten 30 %-Klausel, zu verhindern, dass die mit der Neufassung des Gesetzes bezweckte allgemeine Mietsteigerung in Einzelfällen ein zu starkes Ausmaß annimmt, vermag die Einbeziehung der ersten Mietanhebung nach der Preisfreigabe nicht zu rechtfertigen (so aber Hemming a.a.O.; Merkl a.a.O.; Heitgreß a.a.O.). Denn die über § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG nur stufenweise mögliche Angleichung des Mietzinses an die ortsübliche Vergleichsmiete ist letztlich auf den Umstand zurückzuführen, dass der Vermieter - aus welchen Gründen auch immer - sich in der Vergangenheit aufgrund eigener Entscheidung mit einem weit unter der erzielbaren Marktmiete liegenden Mietzins begnügt und hierdurch seinem Mieter Veranlassung gegeben hat, sich in seinen Dispositionen auf eine billige Miete einzurichten (so Klas WM 83, 98). Diese Ausgangslage ist mit derjenigen eines Vermieters, der aufgrund der Preisbindung lediglich die Kostenmiete verlangen konnte, nicht zu vergleichen. Gerade weil er auf die Festsetzung der Kostenmiete keinen Einfluss hat, wäre er durch die Regelung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG besonders hart betroffen. Dass dies vom Gesetzgeber mit der Einführung der Kappungsgrenze nicht beabsichtigt war, liegt auf der I2 (AG O - 50 C #####/####-, Urteil vom 06.07.83).
21Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Gesetzgeber bewusst keine Unterscheidung zwischen einer niedrigen Miete bei von Anfang an preisfreiem Wohnraum und einer niedrigen Miete aufgrund früherer Preisbindung gemacht habe (so aber Hemming a.a.O., Seite 183). Weder die amtliche Begründung, noch die Gesetzesmaterialien lassen diesen Rückschluss zu. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers muss vielmehr entnommen werden, dass er dieses Problem nicht erkannt hat. So ist auch die Stellungnahme des Bundesbauministeriums zu verstehen, dass die Mieterhöhungsgrenze dann nicht anwendbar ist, wenn bei einer Sozialwohnung die Bindungsfristen abgelaufen sind und erstmals die Marktmiete verlangt wird (zitiert nach "Die X2" vom 04.07.83). Im gleichen Sinne hat sich der an den Gesetzesberatungen beteiligte wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Dr. H geäußert. Er meint sich nach einer Information der FAZ (vom 25.06.1983) zu erinnern: "Wir haben nicht daran gedacht."
22Bei der Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG ist darüber hinaus zu beachten, dass grundsätzlich diejenige Auslegung den Vorzug verdient, die einer Wertentscheidung der Verfassung besser entspricht (Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung). Auch eine verfassungskonforme Auslegung führt vorliegend zur Nichtbeachtung der Kappungsgrenze, denn die unterschiedslose Anwendung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG auf das erste Mieterhöhungsverlangen nach Wegfall der Preisbindung schränkt den Vermieter in seiner verfassungsrechtlich durch Artikel 14 I GG geschützten Eigentümerposition in unzumutbarer und die Grenzen der Sozialbindung übersteigender Weise ein (AG O WM 83, 114; Blümmel a.a.O.; Vogel-Welter a.a.O.; Gelhaar a.a.O.; Deggau a.a.O.). Das Gericht verkennt nicht, dass das Eigentum gemäß Artikel 14 GG in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht. Dabei zeichnet sich das Privateigentum in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützlichkeit und grundsätzliche freie Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand aus, sein Gebrauch soll aber zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen (vgl. BVferG NJW 74, 1499). Ebensowenig wie aber die Eigentumsgarantie eine die soziale Funktion eines Eigentumsobjekts mißachtende Nutzung schützt, kann Artikel 14 II GG eine übermäßige durch die soziale Funktion nicht mehr gebotene Begrenzung privatrechtlicher Befugnisse rechtfertigen. Letztere ist hier darin zu sehen, dass die uneingeschränkte Handhabung der 30 %-Mieterhöhungsgrenze für den Vermieter einer ehemals preisgebundenen Wohnung praktisch zu einem Mietpreisstop auf lange Sicht und einer Beseitigung des rechtlichen Anspruchs auf die ortsübliche Vergleichsmiete führt. Köhler (a.a.O.) weist zu Recht darauf hin, dass das Maß der Sozialpflichtigkeit des Eigentums schon durch die §§ 15 ff WoBindG gesetzlich geregelt ist und insbesondere die 8-jährige Wartefrist für die Mietfreigabe bei vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Mittel bereits einen Maßstab gesetzt hat, der durch die schrankenlose Geltung der Kappungsgrenze den Vermieter in verfassungswidriger Weise benachteiligen würde. Die Gegenmeinung berücksichtigt zudem nicht in ausreichender Weise, dass der Kostenmiete für Verwaltungs- (§ 26 II BV) und Instandhaltungskosten (§ 28 II. BV) Pauschalbeträge zu Grunde liegen, die in der Regel nicht ausreichen, um die anfallenden Aufwendungen zu decken. Insbesondere die Instandhaltungspauschale ist so niedrig angesetzt, dass gerade die bei älteren Sozialwohnungen auftretenden Instandhaltungsarbeiten nicht finanziert werden können (so ausdrücklich Gelhaar a.a.O.). Soweit demgegenüber Hemming (a.a.O., Seite 184) argumentiert, der Reparaturbedarf eines Gebäudes sei in den ersten 15 bis 20 Jahren ziemlich gering, hat die hiesige gerichtliche Erfahrung gezeigt, dass gerade auch bei 15 bis 20 Jahre alten Sozialbauten größere Instandhaltungsarbeiten häufig anfallen. Darüber hinaus kann bei der Abwägung der von Artikel 14 GG geschützten Interessen nicht außer Acht gelassen werden, dass der Vermieter insbesondere von älteren Sozialbauten einen zumeist nicht unerheblichen Teil der darlehensweise erhaltenen öffentlichen Mittel zurückgezahlt und insoweit Eigenkapital gebildet hat, das - wenn überhaupt - ebenso wie das von ihm als Bauherr zur Verfügung gestellte Anfangskapital nur ganz geringfügig verzinst wird und dass der Grund- und Bodenwert zum Nachteil des Vermieters stets äußerst gering angesetzt worden ist (Gelhaar a.a.O.). Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Vermieter preisgebundenen Wohnraums erhalte über die Kostenmiete von Anfang an eine Verzinsung seines eingesetzten Kapitals in Höhe von 4 %, soweit der Eigenkapitalanteil 15 % der Kosten nicht übersteige und für den 15 % übersteigenen Eigenanteil könne er sogar eine Verzinsung in Höhe des marktüblichen Zinssatzes für erste Hypotheken ansetzen, sofern die öffentlichen Mittel vor dem 01.01.74 bewilligt worden seien (so aber Hemming a.a.O., Seite 183). Denn allein hierdurch wird dem Vermieter eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung seines Eigentums noch nicht ermöglicht. Dies soll anhand eines Beispiels für den Raum E verdeutlicht werden. Die Kostenmiete für Sozialwohnungen, die in den 50er und 60er Jahren errichtet worden sind, beträgt derzeit 2,80 DM bis knapp 4,00 DM/qm und ist zuletzt 1979 erhöht worden. Demgegenüber liegt der ortsübliche Mietzins für vergleichbaren, preisfreien Wohnraum zwischen 7,00 und 7,50 DM/qm. Liefe die Nachwirkungsfrist infolge vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Mittel beispielsweise Ende 1985 aus, dann könnte der Vermieter bei Anwendung der Kappungsgrenze und einer angenommenen bisherigen Kostenmiete von 3,00 DM/qm, den Mietzins von 1986 auf maximal 3,90 DM/qm anheben, 1989 auf 5,07 DM/qm und von 1992 an auf 6,59 DM/qm. Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von ca. 70 qm und gleichbleibender ortsüblicher Vergleichsmiete entspräche dies bereits einem Einkommensverlust (ohne Verzinsung) von mindestens 3.360,00 DM pro Jahr und Wohnung (70 qm x 4,00 DM x 12). Der Vermieter wäre demnach auf Jahre hinaus an einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung seines Eigentums gehindert und im Kernbereich seiner verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsposition betroffen. Die Bindung des Vermieters ehemals preisgebundenen Wohnraums an § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG steht zudem in Wertungswiderspruch zu dem in § 16 WoBindG zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willen des Gesetzgebers. T und Zweck der vorzeitigen Rückzahlung der öffentlichen Mittel ist es nämlich, den Bestand der Sozialwohnungen allmählich in marktwirtschaftliche Verhältnisse zu überführen (vgl. Fischer-E2/Pergande/Schwender, § 16 WoBindG (1982 f.), Anm. 2.1). Dieser Anreiz für die vorzeitige Ablösung öffentlicher Mittel entfiele aber, wenn der Vermieter nach Ablauf der Nachwirkungsfrist gleichwohl an die Kappungsgrenze gebunden bliebe. Dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG eine derart einschränkende wohnungspolitische Zielvorstellung durchsetzen wollte, sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Vielmehr ist es das erklärte Ziel des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen, die Investitionsbereitschaft der Vermieter zu fördern und den Mietwohnungsbau anzukurbeln (vgl. BTDrucks 9/2079/Seite 7 ff).
23Den Interessen des Mieters wird bei dieser Auslegung in ausreichender Weise dadurch Rechnung getragen, dass ihm die Möglichkeit offen steht, bei finanziell übermäßigen Belastungen Wohngeld zu beantragen. Dass das Wohngeld vom Gesetzgeber in nur unzureichender Weise erhöht und der Kreis der Wohngeldberechtigten beschränkt worden ist, kann nicht zu Lasten des Vermieters gehen, denn Artikel 14 GG verbietet es, gesetzgeberische Fehlentscheidungen auf dem Rücken des Vermieters einer früher preisgebundenen Wohnung auszutragen. Als weitere Möglichkeit, sich für ihn nicht tragbaren Mietbelastungen zu schützen, verbleibt dem Mieter immer noch die Möglichkeit der Kündigung gemäß § 9 II MHG.
24Die danach vorzunehmende einschränkende Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG gilt auch für solche Wohnungen, für die ein Wohnbesetzungsrecht der öffentlichen I2 zu Gunsten öffentlich Bediensteter bestand. Zwar unterfallen diese Wohnungen grundsätzlich nicht den Regelungen des Wohnungsbindungsgesetzes (vgl. § 6 II c WoBauG i.V.m. § 1 III b WobindG), denn der Gesetzgeber wollte der öffentlichen I2 zur vertraglichen Gestaltung bei der Förderung dieser Bauvorhaben einen größeren Spielraum lassen (so Deggau a.a.O., Seite 83). Es besteht jedoch Einigkeit, dass auch diese Wohnungen als preisgebunden zu betrachten sind. Der Vermieter einer Wohnung, bei der - wie es hier der Fall ist - ein Belegungsrecht des Regierungspräsidenten besteht, bzw. bestand, befindet sich in derselben rechtlichen und wirtschaftlichen Situation wie der Eigentümer preisgebundenen Wohnraums, denn auch für ihn gilt die Kostenmiete als preisrechtlich zulässige Obergrenze (vgl. Deggau a.a.O.; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., III. 59; AG O a.a.O.).
25Nach alledem war der Klage in vollem Umfange stattzugeben.
26Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
27Für die Anwendung des § 93 ZPO bestand kein Raum, da der Beklagte das im Prozess erklärte Anerkenntnis bereits vorprozessual abgegeben hatte und die Parteien allein noch über die Berechtigung des weitergehenden Mietzinsanspruches streiten.
28Streitwert: 937,08 DM (12 x 78,09 DM).
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