Teilurteil vom Amtsgericht Neuss - 36 C 585/85
Tenor
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 25.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31.05.1985 zu zahlen, Y um Y gegen Rücknahme des 1976 geborenen Reitpferdes "K" Geschlecht: Wallach, Farbe: dunkelbraun, Zuchtland: Belgien, eingetragen in die Liste für Turnierpferde der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in X2 unter der Nr. #####/####.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte bezüglich der Rücknahme des Pferdes in Annahmeverzug befindet.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 27.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.
Die weiteren Entscheidungen bleiben dem Schlussurteil vorbehalten.
1
Tatbestand:
2Am 31.05.1985 kaufte die Klägerin von der Beklagten zu 2) das im Tenor genannte Pferd zum Preis von 25.000,00 DM.
3Für die Klägerin verhandelte deren Ehemann, auf seiten der Beklagten verhandelte überwiegend der Beklagte zu 1) im Beisein der Beklagten zu 2). Die Klägerin nahm das Pferd mit Einwilligung der Beklagten bereits am 21.05.1985 probeweise zu sich. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises.
4Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten ihr bei den Kaufverhandlungen die von dem Zeugen Dr. D im November 1984 bei dem Pferd durchgeführte Kehlkopfoperation verschwiegen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 19.08.1985 (Blatt 1 ff d.A.) verwiesen.
5Die Klägerin beantragt,
6die Beklagten als Gesamtschuldner wie tenoriert zu verurteilen.
7Die Beklagten beantragen,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagten behaupten, es sei bei dem Pferd nur eine Fistel entfernt worden. Es habe sich um die Beseitigung eines Schönheitsfehlers gehandelt. Bei diversen Gesprächen hätten sie wiederholt erklärt, dass das Pferd eine Operation hinter sich habe. Jedenfalls habe der Beklagte zu 1) die nach der ersten Untersuchung genannte Diagnose des Veterinärs dahin verstanden, dass nur eine Fistel am Kehlkopf entfernt werden müsse, wobei Art und Umfang des Eingriffes ihm unbekannt geblieben seien.
10Hinsichtlich des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
11Das Gericht hat Beweis erhoben.
12Auf das Vernehmungsprotokoll vom 18.03.1986 (Blatt 37, 38 der Akten) wird Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Da die Klage bereits teilweise entscheidungsreif ist, kann insoweit gem. § 301 ZPO durch Teilurteil entschieden werden. Die Beklagte zu 2) ist gem. §§ 812, 818 Abs. 2, 123, 142 Abs. 1, 143 BGB zur Rückzahlung des Kaufpreises von 25.000,00 DM an die Klägerin verpflichtet, denn sie hat ihn ohne Rechtsgrund erlangt. Der Kaufvertrag vom 31.05.1985 ist durch die Anfechtung der Klägerin vom 22.07.1985 gem. §§ 123, 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Die Beklagte zu 2) hat die Klägerin durch arglistige Täuschung zum Kaufe des Pferde Wotan bewegt, denn sie hat ihr bei den Kaufverhandlungen verschwiegen, dass an dem Pferd in der Tierklinik Wattenscheid am 24.11.1984 eine Ventrikellectum Operation nach Hopdale vorgenommen und anschließend eine Kehlkopfplastik nach Mecki Smith eingesetzt worden ist. Der Zeuge Dr. D hat diesbezüglich bekundet, er habe am 19.11.1984 im Beisein des Beklagten zu 1) bei dem Pferd eine Larungoskopie durchgeführt und diesem seine Feststellungen im einzelnen erläutert. Er habe ihm zur Durchführung einer Operation geraten. Als Laie habe er ihm kaum die Einzelheiten der beiden Methoden erläutern können, er habe ihn aber über die Technik der Operation aufgeklärt, darüber, dass eine Plastik seitlich fixiert und ein Stimmband herausgenommen werde. Aufgrund dieser Aussage des behandelnden Tierarztes steht fest, dass dem Beklagten zu 1) vor Abschluss des Kaufvertrages Art und Ausmaß der Operation bekannt waren. Diese Kenntnis des Beklagten zu 1), der nach dem nicht substantiiert widersprochenen Sachvortrag der Klägerin für die Beklagte zu 2) die Vertragsverhandlungen geführt hat (§ 138 Abs. 3 ZPO), muss sich die Beklagte zu 2) gem. §§ 166, 278 BGB zurechnen lassen. Die Beklagte zu 2), vertreten durch den Beklagten zu 1), war auch verpflichtet, die Klägerin über den tatsächlichen Umfang der Operation aufzuklären. Der Verkäufer eines Pferdes ist jedenfalls dann, wenn wie hier Gespräche über die Gesundheit eines Pferdes geführt werden, gehalten, dem Kaufinteressenten alle ihm bekannten Umstände mitzuteilen, die die Tauglichkeit des Pferdes betreffen und die geeignet sind, seinen auf Erwerb des Pferdes gerichteten Willen zu beeinflussen. Erfahrungsgemäß ist es für den Käufer eines Pferdes von maßgeblicher Bedeutung, ob dieses lediglich einen altersgemäßen Zustand aufweist oder ob Eingriffe, z.B. eine Operation, von außen stattgefunden haben. Die Freiheit von Operationen spielt im Pferdehandel eine beträchtliche Rolle für den Wert eines Pferdes, auch dann, wenn die Operation gut verlaufen und die sich auslösende Erkrankung behoben ist (§ 287 ZPO). Die Offenbarungspflicht der Beklagten zu 2) erforderte danach nicht nur den allgemeinen Hinweis auf einen operativen Eingriff, sondern auch nähere Angaben über Art und Ausmaß der Operation. Dieser Offenbarungspflicht ist die Beklagte zu 2) nicht nachgekommen. Ihre Behauptung, sie, die Beklagten, hätten wiederholt erklärt, in der Klinik Dr. D sei eine Fistel am Kehlkopf operativ beseitigt worden, ist bereits zeitlich nicht nachvollziehbar. Dem angebotenen Zeugenbeweis ist nicht nachzugehen, da dies auf eine prozessrechtlich nicht zulässige Ausforschung hinausliefe. Selbst wenn man aber davon ausgeht, die Beklagte zu 2) hätte die Klägerin auf die operative Entfernung einer Fistel hingewiesen, so hat die Beklagte zu 2) gleichwohl ihre vertragliche Aufklärungspflicht verletzt. Gerade weil die Parteien vor Abschluss des Kaufvertrages über den Gesundheitszustand des Pferdes gesprochen hatten, durfte die Beklagte zu 2) sich nicht auf den Hinweis beschränken, bei dem Pferd sei eine Fistel entfernt worden, zumal dies nicht ihrem Erkenntnisstand entsprach. Sie hätte die Klägerin vielmehr darüber unterrichten müssen, dass nach der hier bekannten Erklärung des Tierarztes Dr. D bei dem Pferd eine Stimmbandentfernung vorgenommen und eine seitliche Kehlkopfplastik eingesetzt worden ist. Macht der Verkäufer nämlich - wie hier die Beklagte zu 2) - Angaben über den Gesundheitszustand des Pferdes, so kann der Käufer im redlichen Geschäftsverkehr davon ausgehen, dass der Verkäufer seine Erklärung nicht unvollständig und ins Blaue hinein abgibt. Der die Arglist begründende Vorwurf gegenüber dem Verkäufer liegt in einem solchen Fall in dem Umstand, dass er die für ihn erkennbare Vorstellung des Käufers über den mitgeteilten Gesundheitszustand ausnutzt. Dass der Beklagte zu 1) die Erklärung des Tierarztes dahingehend verstanden haben will, dass nur eine Fistel am Kehlkopf entfernt werden müsse, ist angesichts der eindeutigen Aussage des Zeugen Dr. D unverständlich, entlastet den Beklagten zudem nicht, da diese Schlussfolgerung aus dem ihm mitgeteilten und bekannten Operationsumfang eine Erklärung ins Blaue hinein darstellt. Die Arglist des Beklagten zu 1), die sich die Beklagte zu 2) zurechnen lassen muss, liegt nicht in der falschen Schlussfolgerung, sondern darin, dass dieser die ihm erläuterte Operationstechnik verschwiegen und dementsprechend eine Erklärung ins Blaue abgegeben hat. Da die Anfechtung gem. § 123 BGB auch nicht durch die Sonderregelung der §§ 481 ff BGB verdrängt wird, ist die Beklagte zu 2) zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet. Dass der Klägerin Art und Ausmaß der Operation aufgrund der Untersuchung des Tierarztes Dr. T bekannt waren, behauptet die Beklagte selbst nicht.
15Der Zinsanspruch folgt aus § 849 BGB.
16Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug, da sie die Rücknahme des Pferdes mit Schreiben vom 26.07.1985 abgelehnt hat.
17Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
18Hinsichtlich der Haftung des Beklagten zu 1) ist noch eine weitere Sachaufklärung erforderlich.
19Geldmacher
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Referenzen
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